Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1307/2024 vom 9. Mai 2025

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Absolut. Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 7B_1307/2024:

Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 7B_1307/2024 vom 9. Mai 2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (II. Strafrechtliche Abteilung) befasst sich mit einem Rechtsmittel (Beschwerde in Strafsachen) der A.__ Ltd (in Liquidation) gegen einen Entscheid der Strafkammer des Kantons Genf. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage des Akteneinsichtsrechts und des Rechts auf Teilnahme am kantonalen Beschwerdeverfahren für eine vom Verfahrensakten betroffene Dritte (Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO]), deren Vermögenswerte im Rahmen eines Strafverfahrens beschlagnahmt (sichergestellt) wurden und deren Sicherstellung Gegenstand eines kantonalen Rechtsmittelverfahrens ist.

2. Sachverhalt

  • Ausgangslage: Im Februar 2022 wurde eine Strafklage wegen Betrugs und Geldwäscherei gegen diverse Personen und Gesellschaften, u.a. die C._ Ltd, eingereicht. Der Kläger (B._ S.R.L.) warf ihnen vor, ihm gehörende Wertpapiere missbräuchlich verwendet zu haben, insbesondere durch Übertragung an Unterverwahrer, Beteiligung an einer Verpfändung zugunsten der A._ Ltd und teilweise Verkauf. Die A._ Ltd soll involviert gewesen sein, indem sie Mittel für den Erwerb der C._ Ltd durch die Beschuldigten E._ und F.__ bereitstellte und im Gegenzug Vermögenswerte des Klägers als Sicherheit erhielt.
  • Sicherstellung: Im Februar 2022 ordnete die Staatsanwaltschaft Genf die Sicherstellung (Séquestre) eines Kontos der A.__ Ltd bei einer Bank.
  • Einstellung und Beschwerde: Am 13. Dezember 2022 verfügte die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Strafverfahrens und hob die Sicherstellung auf dem Konto der A._ Ltd auf. Dagegen reichte der Kläger (B._ S.R.L.) Beschwerde bei der Strafkammer des Kantons Genf ein. Die Strafkammer gewährte der Beschwerde aufschiebende Wirkung, was zur Folge hatte, dass die Sicherstellung auf dem Konto der A.__ Ltd bestehen blieb.
  • Erste Beteiligungsversuche und kantonaler Entscheid: Die A.__ Ltd (in Liquidation) meldete sich daraufhin bei der Strafkammer und verlangte Akteneinsicht in die Beschwerdeschrift und die Beilagen des Klägers, um sich äussern zu können.
  • Erstes Bundesgerichtsurteil (7B_681/2023): Die Strafkammer entschied am 4. Mai 2023 über die Beschwerde des Klägers, ohne der A._ Ltd Akteneinsicht oder Parteirechte im Beschwerdeverfahren zu gewähren. Sie hiess die Beschwerde des Klägers gut, hob die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft auf und wies die Sache zur Weiterführung der Untersuchung an die Staatsanwaltschaft zurück. Gleichzeitig bestätigte sie die Aufrechterhaltung der Sicherstellung auf dem Konto der A._ Ltd. Gegen diesen Entscheid reichte die A._ Ltd Beschwerde beim Bundesgericht ein. Mit Urteil vom 27. Juni 2024 (7B_681/2023) hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, hob den Entscheid der Strafkammer vom 4. Mai 2023 auf und wies die Sache an die Strafkammer zurück. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Strafkammer die Gesuche der A._ Ltd vom März 2023 prüfen, gegebenenfalls das kantonale Beschwerdeverfahren unter Gewährung des rechtlichen Gehörs für alle zuzulassenden Parteien (innerhalb der Grenzen ihres Status) wieder aufnehmen und neu entscheiden müsse. Die Aufhebung der Sicherstellung durch die Staatsanwaltschaft zu annullieren, verschlechtere die Position des Betroffenen.
  • Erneutes kantonales Verfahren und angefochtener Entscheid: Nach der Rückweisung durch das Bundesgericht nahm die Strafkammer die Sache wieder auf. Am 31. Oktober 2024 fällte sie den nun angefochtenen Entscheid. Darin erklärte sie das Gesuch der A.__ Ltd auf Stellungnahme zur Beschwerde des Klägers vom 23. Dezember 2022 als ohne Gegenstand ("sans objet"). Folglich wies sie auch ihr Gesuch um Herausgabe einer Kopie der Beschwerdeschrift und der Beilagen zurück.

3. Beschwerde an das Bundesgericht

Die A.__ Ltd (in Liquidation) reichte gegen diesen Entscheid vom 31. Oktober 2024 Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein. Sie beantragte die Aufhebung des Entscheids und die Anweisung an die Strafkammer, das kantonale Beschwerdeverfahren wiederaufzunehmen, ihr Kopien der Beschwerdeschrift und weiterer relevanter Akten zuzustellen, ihr eine Frist zur Stellungnahme zu gewähren und anschliessend neu zu entscheiden.

4. Begründung des Bundesgerichts

  • Zulässigkeit und Parteistellung: Das Bundesgericht prüft zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde. Es hält fest, dass der angefochtene Entscheid von einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache stammt. Die Beschwerdeführerin ist unbestritten die Inhaberin der sichergestellten Vermögenswerte. Als solche ist sie eine "vom Verfahrensakten betroffene Dritte" im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO. Gemäss Art. 105 Abs. 2 StPO kann sie in diesem Rahmen "Parteirechte [...] wahrnehmen, soweit dies zur Wahrung ihrer Interessen erforderlich ist". Das Bundesgericht bestätigt, dass die Beschwerdeführerin in diesem Kontext über eine Parteistellung verfügt. Da der angefochtene Entscheid sie im Wesentlichen vom kantonalen Beschwerdeverfahren ausgeschlossen hat (mit der Begründung, es fehle ihr am aktuellen und praktischen Interesse), bejaht das Bundesgericht das rechtliche Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG).
  • Nicht wieder gutzumachender Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG): Das Bundesgericht bejaht auch das Vorliegen eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils. Obwohl der angefochtene Entscheid nicht explizit über die Sicherstellung selbst urteilte, stützte er sich in seiner Begründung darauf, dass die Sicherstellung aufgrund früherer Entscheidungen der Strafkammer (vom 28. Dezember 2022 und 4. Mai 2023) fortbestehe. Die Beschwerdeführerin sei somit weiterhin an der freien Verfügung über ihre Vermögenswerte gehindert (ATF 128 I 129 E. 1). Dies stellt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar. Zudem sei die Verweigerung des Akteneinsichtsrechts an eine Partei oder eine vom Verfahrensakten betroffene Dritte, die grundsätzlich ein Recht auf Akteneinsicht hat (Art. 101 Abs. 1 StPO, Art. 105 Abs. 2 StPO), ebenfalls als nicht wieder gutzumachender Nachteil zu qualifizieren (Hinweis auf BGE 7B_603/2023 E. 1.2 u.a.m.). Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen werden bejaht.
  • Materielle Prüfung - Verletzung von Bundesrecht: Die Beschwerdeführerin rügt Rechtsverweigerung, Verletzung der Bindungswirkung des Rückweisungsentscheids und Verletzung der Rechte der vom Verfahrensakten betroffenen Dritten (Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO).
    • Kritik an der kantonalen Begründung: Das Bundesgericht hält die Begründung der Vorinstanz für unzutreffend ("Ce raisonnement ne saurait être suivi"). Die Vorinstanz habe die Interessen der Beschwerdeführerin verkannt. Die Beschwerdeführerin erstrebe nicht die Aufrechterhaltung der Sicherstellung (im Gegensatz zur Beschwerde führenden Privatklägerin), sondern gerade deren Aufhebung.
    • Das Interesse der Beschwerdeführerin: Das Bundesgericht verweist auf sein eigenes Urteil vom 27. Juni 2024 (7B_681/2023). Dort wurde festgehalten, dass die Aufhebung der Einstellungsverfügung (und damit der Aufhebung der Sicherstellung) durch den ersten kantonalen Beschwerdeentscheid die Position des Betroffenen der Sicherstellung (d.h. der Beschwerdeführerin) verschlechtere. Dies allein zeige, dass die Beschwerdeführerin als vom Verfahrensakten betroffene Dritte ein aktuelles und praktisches Interesse habe (Hinweis auf BGE 150 IV 409 E. 2.5.1 u.a.m.), ihre Argumente zur Frage der Sicherstellung geltend machen zu können, bevor eine sie betreffende Entscheidung ergehe.
    • Verletzung der Bindungswirkung: Die Vorgehensweise der Vorinstanz sei umso fragwürdiger, als sie ihre Begründung erneut auf den Entscheid vom 4. Mai 2023 stützte, der vom Bundesgericht gerade deshalb aufgehoben worden war, weil der Beschwerdeführerin ihr Recht im Zusammenhang mit der Sicherstellung verweigert worden war. Dies stelle eine Verletzung der Bindungswirkung des Rückweisungsentscheids dar.
    • Schlussfolgerung: Indem die Strafkammer der Beschwerdeführerin trotz ihres prozessualen Status als vom Verfahrensakten betroffene Dritte (Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO) ein aktuelles und praktisches Interesse absprach, obwohl die Aufhebung der Sicherstellung aufgrund der kantonalen Beschwerde des Klägers gegen die Einstellungsverfügung möglicherweise annulliert würde (und de facto auch annulliert wurde und die Sicherstellung seither aufrecht ist), verletzte sie Bundesrecht. Das Recht, am kantonalen Beschwerdeverfahren teilzunehmen und Akteneinsicht zu erhalten, ist ihr zur Wahrung ihrer Interessen (Art. 105 Abs. 2 StPO) zu gewähren.

5. Entscheid und Folgen

Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Beschwerde begründet ist. * Der angefochtene Entscheid vom 31. Oktober 2024 wird aufgehoben. * Die Sache wird an die Strafkammer zurückgewiesen zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen. * Die Strafkammer wird angewiesen, zu bestimmen, welche Akten des kantonalen Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin angesichts ihres Status als vom Verfahrensakten betroffene Dritte übermittelt werden müssen. * Sie muss der Beschwerdeführerin eine Frist zur Stellungnahme einräumen. * Anschliessend muss sie gegebenenfalls das rechtliche Gehör der anderen Parteien sicherstellen und sodann eine neue Entscheidung treffen.

Das Bundesgericht auferlegt keine Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG) und spricht der Beschwerdeführerin, die mit beruflicher Vertretung obsiegt hat, eine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 1 BGG), welche dem Kanton Genf auferlegt wird.

Wesentliche Punkte in Kürze:

  • Eine vom Verfahrensakten betroffene Dritte (Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO), deren Vermögenswerte durch eine Sicherstellung betroffen sind, die im Rahmen eines kantonalen Beschwerdeverfahrens aufrechterhalten wurde, hat ein aktuelles und praktisches Interesse, am kantonalen Beschwerdeverfahren teilzunehmen und Akteneinsicht zu erhalten, um ihre Interessen (insbesondere die Aufhebung der Sicherstellung) wahrzunehmen (Art. 105 Abs. 2 StPO).
  • Das kantonale Gericht hat dieses Interesse verkannt, indem es das Gesuch der Dritten als "ohne Gegenstand" erklärte und ihr Akteneinsicht verweigerte.
  • Dieses Vorgehen verletzte Bundesrecht und die Bindungswirkung des früheren Rückweisungsentscheids des Bundesgerichts, der gerade auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Dritten basierte.
  • Die Verweigerung von Akteneinsicht und Verfahrensteilnahme an eine berechtigte Partei oder Dritte stellt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar, der die unmittelbare Beschwerde zulässt.
  • Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, hob den Entscheid auf und wies die Sache zur Neubehandlung unter Gewährung der Parteirechte der vom Verfahrensakten betroffenen Dritten an die Vorinstanz zurück.