Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (4A_393/2024 vom 15. Mai 2025) in deutscher Sprache:
Rubrum:
Bundesgericht, I. Zivilrechtliche Abteilung
Urteil vom 15. Mai 2025
Verfahrensnummer: 4A_393/2024
Gegenstand: Landwirtschaftliches Pachtverhältnis, Pachtende
Parteien: A._ (Pächter/Rekurrent) gegen B._ SA (Verpächterin/Intimée)
Hintergrund (Sachverhalt):
Die B._ SA, eine Gesellschaft, deren Zweck unter anderem die "Ausbeutung von Kiesgruben, Sandgruben und anderen Boden- und Untergrundressourcen" ist, erwarb am 4. Februar 2010 mehrere landwirtschaftliche Parzellen vom Rekurrenten A._. Die Gesellschaft stellte am 1. März 2010 ein Gesuch um Bewilligung der landwirtschaftlichen Gewerbeakquisition bei der landwirtschaftlichen Bodenkommission und gab dabei an, das landwirtschaftliche Unternehmen verpachten zu wollen (12-jährige Pacht). In der Folge schlossen die Parteien am 15. Juni 2010 einen landwirtschaftlichen Pachtvertrag über diese Parzellen für eine Dauer von zwölf Jahren ab. Gemäss Vertrag sollte sich die Pacht ohne einjährige Kündigungsfrist stillschweigend um weitere sechs Jahre verlängern.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 kündigte die Verpächterin das Pachtverhältnis auf den nächsten vertraglichen Termin, den 15. Juni 2022. Der Pächter verlangte am 26. Januar 2021 eine Begründung der Kündigung. Am 12. Februar 2021 begründete die Verpächterin die Kündigung damit, dass sie die Pachtsache "persönlich bewirtschaften" wolle.
Bisheriger Prozessverlauf:
Der Pächter reichte am 27. August 2021 Klage beim Zivilgericht ein und beantragte die Nichtigkeit, eventuell die Anfechtung der Kündigung. Eventualiter beantragte er eine Pachtverlängerung bis zum 15. Juni 2028. Die Verpächterin beantragte die Abweisung der Klage.
Das Zivilgericht wies die Klage am 22. November 2022 ab. Es stellte fest, dass die Kündigung form- und fristgerecht auf den vertraglichen Endtermin 15. Juni 2022 erfolgt sei und weder nichtig noch anfechtbar sei. Insbesondere liege kein Rechtsmissbrauch vor. Das Gericht hielt fest, dass die Aktionäre der Verpächtergesellschaft fähig seien, ein landwirtschaftliches Unternehmen persönlich zu bewirtschaften, die notwendigen Kenntnisse erworben hätten und glaubhaft gemacht hätten, dass sie sich aktiv für die persönliche Bewirtschaftung einsetzten. Eine Pachtverlängerung im Sinne von Art. 27 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die landwirtschaftliche Pacht (LPG) könne ihnen daher nicht zugemutet werden.
Gegen dieses Urteil erhob der Pächter Berufung beim Kantonsgericht Waadt (Cour d'appel civile), welches die Berufung am 29. Mai 2024 abwies.
Rechtsbegehren vor Bundesgericht:
Der Pächter reichte am 10. Juli 2024 Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein. Er beantragte die Abänderung des kantonalen Urteils dahingehend, dass die Kündigung vom 18. Januar 2021 unwirksam, nichtig, respektive angefochten sei. Eventualiter beantragte er eine Verlängerung des Pachtvertrages bis zum 15. Juni 2028. Subeventualiter beantragte er die Aufhebung des kantonalen Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Erwägungen des Bundesgerichts:
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Zulässigkeit der Beschwerde: Das Bundesgericht prüfte die Zulässigkeit der Beschwerde und stellte fest, dass die formellen Voraussetzungen (Frist, Legitimation, Streitwert > 30'000 CHF in landwirtschaftlichen Pachtsachen gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) erfüllt sind und die Beschwerde grundsätzlich zulässig ist.
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Sachverhaltsfeststellung und neue Tatsachen: Das Bundesgericht legt seinen Urteilen den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung kann nur verlangt werden, wenn der Sachverhalt offensichtlich unrichtig (willkürlich) festgestellt wurde oder auf einer Rechtsverletzung beruht (Art. 105 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind vor Bundesgericht grundsätzlich unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG), es sei denn, sie ergeben sich aus dem angefochtenen Entscheid selbst. Das Bundesgericht erklärte in diesem Zusammenhang die vom Rekurrenten in einem spontanen Schriftsatz vom 7. Mai 2025 vorgebrachten neuen Tatsachen für unzulässig (Erwägung 2.4).
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Rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV): Der Rekurrent rügte eine Verletzung seines Rechts auf Gehör, weil die Vorinstanz die beantragte Expertise über die finanziell schwerwiegenden Folgen des Pachtendes für ihn verweigert habe.
- Das Bundesgericht erklärte (Erwägung 3), dass das Recht auf Gehör die Begründungspflicht des Gerichts beinhaltet. Das Gericht muss die massgeblichen Gründe für seinen Entscheid nennen, muss aber nicht alle Vorbringen der Parteien behandeln. Ein formeller Rechtsverweigerungsgrund liege vor, wenn das Gericht wichtige und entscheiderhebliche Vorbringen übergeht.
- Die Vorinstanz hatte die Expertise verweigert, weil sie sich auf eine Tatsache beziehe, die für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant sei. Die Pacht sei durch Ablauf der vereinbarten Dauer beendet worden, nicht durch eine vorzeitige Kündigung. Unter diesen Umständen könnten schwerwiegende Folgen des Pachtendes für den Pächter keine Pachtverlängerung rechtfertigen. Da der Pächter nicht mehr geltend mache, die Kündigung sei vorzeitig erfolgt, sei die beantragte Expertise irrelevant (Erwägung 3.2).
- Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz die Expertise ablehnen durfte, ohne das Recht auf Gehör zu verletzen, da die Expertise auf eine für den Entscheid nicht relevante Tatsache abzielte (Erwägung 3.3).
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Materiellrechtliche Beurteilung (Art. 16, 27 LPG, Art. 2 Abs. 2 ZGB, Art. 9 BGBB):
- Beendigung und Verlängerung der Pacht: Art. 16 LPG schreibt die Schriftform für die Pachtkündigung vor; eine Begründung kann verlangt werden, ist aber keine Gültigkeitsvoraussetzung. Die Kündigungsfrist beträgt ein Jahr, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt oder die Parteien nichts Längeres vereinbart haben. Kündigungstermine sind, wenn nicht anders vereinbart, die ortsüblichen Frühjahrs- oder Herbsttermine.
- Pachtverlängerung: Gemäss Art. 27 Abs. 1 LPG verlängert der Richter die Pacht, wenn dem Beklagten (Verpächter) die Fortsetzung des Pachtverhältnisses zugemutet werden kann. Kündigt der Verpächter, so muss er dartun, dass ihm die Verlängerung nicht zugemutet werden kann oder aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Eine Verlängerung ist namentlich dann untragbar oder ungerechtfertigt, wenn der Verpächter selbst, sein Ehegatte, eingetragener Partner oder ein naher Verwandter die Pachtsache persönlich bewirtschaften will (Art. 27 Abs. 2 lit. c LPG).
- Persönliche Bewirtschaftung (Art. 9 BGBB): Der Begriff des "persönlichen Bewirtschafters" entspricht Art. 9 des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB). Persönlich bewirtschaftet, wer die landwirtschaftlichen Grundstücke selbst bearbeitet und, wenn es sich um ein landwirtschaftliches Unternehmen handelt, dieses persönlich leitet (Art. 9 BGBB; BGE 115 II 181 E. 2a und 2b).
- Juristische Personen als Bewirtschafter: Landwirtschaftliche Unternehmen können auch in Form einer juristischen Person betrieben werden. Juristische Personen erfüllen die Anforderung der persönlichen Bewirtschaftung, wenn die Mehrheitsgesellschafter oder -mitglieder die Voraussetzungen für die Anerkennung als persönlicher Bewirtschafter erfüllen oder wenn zumindest die Mehrheit dieser Personen im Betrieb arbeitet (Hinweis auf BGer-Urteile 2C_20/2021 E. 7.1; 5A.22/2002 E. 2.2). Zudem muss der Mehrheitsgesellschafter über das Unternehmen, das den Hauptaktivposten der juristischen Person darstellt, so verfügen können, dass er es als Arbeitsinstrument nutzen kann, als wäre er direkter Eigentümer. Juristische Personen werden allerdings nur mit Zurückhaltung als persönliche Bewirtschafter anerkannt (BGE 140 II 233 E. 3.2.1; BGer-Urteil 4A_260/2019 E. 5.2).
- Der Wille zur persönlichen Bewirtschaftung: Die Frage, ob jemand landwirtschaftliche Grundstücke selbst bewirtschaften kann, ist eine Tatsachenfrage (BGer-Urteil 4A_260/2019 E. 5.2). Da der Wille zur persönlichen Bewirtschaftung eine innere Tatsache ist, kann er nur anhand äusserer Umstände festgestellt werden.
- Rechtsmissbrauch (Art. 2 Abs. 2 ZGB): Offensichtlicher Rechtsmissbrauch wird rechtlich nicht geschützt. Diese Bestimmung erlaubt dem Richter, die Auswirkungen des Gesetzes in Fällen zu korrigieren, in denen die Ausübung eines geltend gemachten Rechts eine offensichtliche Ungerechtigkeit schaffen würde. Das Vorliegen von Rechtsmissbrauch wird anhand der Umstände des Einzelfalls bestimmt, wobei die von Rechtsprechung und Lehre herausgearbeiteten Kategorien (Interessenlosigkeit, zweckwidrige Nutzung eines Rechtsinstituts, krasses Missverhältnis der Interessen, rücksichtslose Rechtsausübung, widersprüchliches Verhalten) als Anhaltspunkte dienen. Die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 ZGB muss restriktiv bleiben ("offensichtlich").
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Anwendung im vorliegenden Fall:
- Der Wille zur persönlichen Bewirtschaftung: Gemäss Bundesgericht war im vorliegenden Fall einzig noch der Wille der Verpächterin zur persönlichen Bewirtschaftung streitig (Erwägung 4.2).
- Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die Verpächter den Willen zur persönlichen Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen hatten. Diese Feststellung stützte sie auf äussere Umstände: Die Verpächter hatten bereits einen anderen Obstgarten revitalisiert (nicht Gegenstand des vorliegenden Pachtvertrages) und mit der Produktion von Apfelwein begonnen. Sie hatten die notwendigen Gerätschaften für diese Bewirtschaftung erworben, sich bei der Ausgleichskasse als Selbständigerwerbende im Bereich der Landwirtschaft angemeldet und den Obstgarten im Rahmen der Parzellenaufnahme unter einer Betriebsnummer deklariert.
- Rügen des Rekurrenten: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz einige Argumente des Rekurrenten bezüglich der Kompetenz (Ausbildung, Berechtigung zu Direktzahlungen) und der tatsächlichen Betriebsführung (Geschäftsführung durch Gesellschafter C.__, fehlende Maschinenkäufe, Beratungsverträge) der Verpächter als unzulässig erklärt hatte. Dies entweder wegen fehlender Begründung in der Berufungsschrift (Art. 311 Abs. 1 ZPO) oder weil es sich um unzulässige neue Tatsachen handelte (Art. 317 Abs. 1 ZPO). Der Rekurrent liege falsch, wenn er behaupte, die Vorinstanz habe diese Tatsachen willkürlich festgestellt; vielmehr habe sie sie als unzulässig beurteilt (Erwägung 4.2.2).
- Das Bundesgericht prüfte die verbleibende Rüge des Rekurrenten gegen die Feststellung des Willens zur persönlichen Bewirtschaftung durch die Vorinstanz (basierend auf den revitalisierten Obstgärten, etc.). Es befand, dass die Kritik des Rekurrenten nicht darthun könne, dass diese Sachverhaltsfeststellung willkürlich sei. Die Vorinstanz stützte sich auf nach aussen erkennbare Tatsachen, die den Willen der Gesellschafter zur landwirtschaftlichen Betätigung zeigten. Der Rekurrent beschränke sich darauf, seine eigene Sachverhaltsversion in rein appellatorischer Weise entgegenzusetzen. Seine Kritik sei daher unzulässig (Erwägung 4.3).
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Schlussfolgerung des Bundesgerichts:
- Da die einzige noch streitige Voraussetzung, nämlich der Wille der Verpächterin zur persönlichen Bewirtschaftung des Pachtgegenstandes, als erfüllt festgestellt wurde (und diese Feststellung nicht erfolgreich als willkürlich angefochten wurde), ist es untragbar oder ungerechtfertigt, der Verpächterin eine richterliche Pachtverlängerung gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. c LPG aufzuerlegen (Erwägung 5).
- Der Rekurrent hat somit kein Recht auf Verlängerung seiner Pacht, was die Vorinstanz zu Recht erkannt habe.
- Da die Pacht durch Ablauf der Dauer endete und form- und fristgerecht gekündigt wurde (was nicht bestritten ist), stelle die Kündigung auch keinen offensichtlichen Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB dar (Erwägung 5).
- Die Vorinstanz hat daher weder Art. 16 LPG verletzt noch die Rüge der Verletzung von Art. 2 Abs. 2 ZGB zu Unrecht abgewiesen (Erwägung 5).
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Kosten: Der Rekurrent trägt die Gerichtskosten, da er unterliegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die spontane Antwort der Intimée auf die Beschwerde vor Erlass von Verfahrensanweisungen ist nicht notwendig im Sinne von Art. 68 Abs. 2 BGG und begründet keinen Anspruch auf Parteikostenentschädigung (Erwägung 6).
Fazit (Kurzfassung der wesentlichen Punkte):
Das Bundesgericht wies die Beschwerde des Pächters im Wesentlichen ab. Es bestätigte die kantonalen Gerichte darin, dass die Kündigung des landwirtschaftlichen Pachtverhältnisses gültig war und der Pächter keinen Anspruch auf Pachtverlängerung hat. Zentral für den Entscheid war die Feststellung der Vorinstanz, dass die Verpächterin (eine juristische Person, deren Gesellschafter) die Pachtsache persönlich bewirtschaften wolle, was gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. c LPG einer Pachtverlängerung entgegensteht. Das Bundesgericht wies die Rügen des Pächters gegen diese Sachverhaltsfeststellung als unzulässig zurück, da sie entweder auf unzulässigen neuen Tatsachen beruhten oder lediglich appellatorisch waren. Auch eine Verletzung des Rechts auf Gehör (Verweigerung einer Expertise zu finanziellen Folgen) wurde verneint, da die fragliche Tatsache (schwerwiegende Folgen) im konkreten Fall nicht entscheiderheblich war. Ein Rechtsmissbrauch wurde ebenfalls verneint.
Entscheid:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie zulässig ist.
Die Gerichtskosten von 2'500 CHF werden dem Rekurrenten auferlegt.