Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_419/2024 vom 29. April 2025

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Gerne fasse ich das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_419/2024 vom 29. April 2025 zum Schutz der Persönlichkeit detailliert zusammen:

Bundesgericht, Urteil 5A_419/2024 vom 29. April 2025

Gericht: Bundesgericht, II. zivilrechtliche Abteilung Parteien: A.A._ (Beschwerdeführerin) gegen B.A._ (Beschwerdegegner) Gegenstand: Schutz der Persönlichkeit Vorinstanz: Obergericht des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, Urteil vom 29. Mai 2024

1. Sachverhalt und Prozessgeschichte

Der Rechtsstreit entspringt der Scheidung der Parteien nach langer Ehe. Der Beschwerdegegner war Mitglied der Geschäftsleitung der Bank G._. Medienberichte thematisierten seine ausser- oder nachehelichen Beziehungen (zu F._, dann zu H.__) und mögliche bankinterne Compliance-Verstösse.

Kernpunkt des Verfahrens sind E-Mails der Beschwerdeführerin an den CEO der Bank G._ vom 2., 4. und 6. Oktober 2021. Darin erhob sie eine Reihe schwerwiegender Vorwürfe gegen den Beschwerdegegner, unter anderem: * Bevorzugung seiner früheren Geliebten F._ oder deren Firma. * Länge der Beziehung zu H._ ("seit sicher August 2020") und angebliche verspätete Offenlegung gegenüber der Bank. * Psychische und physische Gewalt gegen sie und die Kinder. * Dauerhaftes Fremdgehen (zuletzt mit H._). * Angebliche falsche Angabe des Hauswerts bei der Hypothek mit der Bank G._. * Angebliche Fälschung von E-Mails zur unerlaubten Überweisung von Geldern von einem gemeinsamen Bankkonto. * Angebliche versuchte und vollzogene Vergewaltigung. * Hinweis auf eine Strafanzeige wegen versuchter/vollzogener Vergewaltigung sowie einen Antrag auf Entzug des Sorgerechts wegen häuslicher Gewalt. * Die Drohung eines "Riesen-Skandals" für die Bank G._.

Eine interne bankinterne Abklärung sah keinen begründeten Verdacht auf schwerwiegende Verstösse des Beschwerdegegners. Dennoch kündigte die Bank G.__ sein Arbeitsverhältnis im November 2021 unter Verweis auf einen untragbar gewordenen Reputationsrisiko, auch wegen der E-Mails der Beschwerdeführerin.

Der Beschwerdegegner reichte am 24. November 2021 ein Gesuch um superprovisorische und vorsorgliche Massnahmen ein, um der Beschwerdeführerin die Wiederholung dieser Behauptungen zu verbieten. Dieses Gesuch wurde superprovisorisch und später vorsorglich gutgeheissen. In der Folge reichte der Beschwerdegegner die Hauptklage ein, mit der er die Verbotsbegehren aufrechterhielt.

Das Kantonsgericht Zug hiess die Klage gut und bestätigte die Verbote. Die Beschwerdeführerin appellierte ans Obergericht. Dieses hiess die Berufung teilweise gut und wies die Klage bezüglich der Behauptung der Bevorzugung von F.__ ab. Im Übrigen wies es die Berufung ab und bestätigte die Verbote. Gegen dieses Urteil des Obergerichts vom 29. Mai 2024 reichte die Beschwerdeführerin Beschwerde beim Bundesgericht ein.

2. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob das Obergericht Bundesrecht verletzt hat, indem es die erhobenen Vorwürfe der Beschwerdeführerin als widerrechtliche Persönlichkeitsverletzungen qualifizierte und die diesbezüglichen Unterlassungsverbote bestätigte.

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG) und prüft die Rechtsanwendung frei (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei für die Rüge von Verfassungsverletzungen das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 BGG).

Gemäss Art. 28 ZGB liegt eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung vor, wenn sie nicht durch Einwilligung, ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Das Obergericht hatte – und das Bundesgericht bestätigt die Methodik – zuerst geprüft, ob die Beschwerdeführerin die Wahrheit ihrer schwerwiegenden Behauptungen beweisen konnte.

2.1. Behauptung zur Beziehungsdauer mit H.__ (seit "sicher August 2020")

  • Vorinstanzliche Begründung: Das Obergericht qualifizierte die Behauptung als persönlichkeitsverletzend, da sie implizierte, der Beschwerdegegner habe gegen Compliance-Richtlinien der Bank verstossen, indem er eine Beziehung mit einer Mitarbeiterin zu spät offengelegt hätte. Es verneinte einen Rechtfertigungsgrund, weil die Beschwerdeführerin den Wahrheitsbeweis nicht erbracht habe. Eventualiter, falls die Behauptung wahr wäre, bejahte das Obergericht zwar ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Einhaltung der Compliance-Regeln durch Geschäftsleitungsmitglieder einer systemrelevanten Bank; da der Wahrheitsbeweis aber nicht gelungen sei, könne sich die Beschwerdeführerin nicht darauf berufen.
  • Beweiswürdigung durch das Obergericht: Das Obergericht wies Beweisanträge der Beschwerdeführerin (Befragung der Paare, Edition Mietvertrag) als verspätet zurück (Novenrecht gemäss Art. 317 ZPO). Die beantragte Zeugenbefragung von I._ (Ehemann von H._) wies es in vorweggenommener Beweiswürdigung ab. Es begründete dies mit der offensichtlichen Befangenheit I._s (verlassen von H._, Solidarisierung mit Beschwerdeführerin) und der Feststellung, dass er aus eigener Wahrnehmung offenbar nicht genau wissen könne, seit wann die Beziehung besteht. Seine Aussage wäre daher von vornherein nicht glaubhaft und würde den Wahrheitsbeweis nicht ermöglichen.
  • Prüfung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht stellt fest, dass das Obergericht die Abweisung der Berufung (und damit die Bestätigung des Verbots) bezüglich dieser Behauptung ausschliesslich darauf stützte, dass der Beschwerdeführerin der Wahrheitsbeweis nicht gelungen sei. Da die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht die vorinstanzliche (Haupt-)Begründung, wonach der Wahrheitsbeweis gescheitert sei, nicht rechtsgenüglich im Sinne von Art. 42 Abs. 2 BGG angreife und insbesondere die Begründung des Obergerichts zur antizipierten Beweiswürdigung betreffend I.__s Glaubwürdigkeit nicht substanziiert beanstande, müsse es bei diesem Ergebnis bleiben. Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts muss eine Beschwerde, die sich gegen einen Entscheid mit mehreren selbstständigen Begründungen richtet, jede dieser Begründungen erfolgreich anfechten (BGE 142 III 364 E. 2.4). Die Argumentation der Beschwerdeführerin zur Relevanz der Compliance-Regeln und einem daraus abgeleiteten Rechtfertigungsgrund unabhängig vom Wahrheitsbeweis wird als nicht nachvollziehbar zurückgewiesen.

2.2. Behauptungen zu Hauswert und Bankkonto-Transaktionen

  • Vorinstanzliche Begründung: Das Obergericht qualifizierte diese Behauptungen ebenfalls als persönlichkeitsverletzend. Hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe prüfte es eventualiter, ob ein überwiegendes privates Interesse der Beschwerdeführerin vorliege, falls die Behauptungen wahr wären. Für die Konto-Transaktionen verneinte es dies mangels eigenem Risiko der Beschwerdeführerin. Für die Hypotheken-Frage (Hauswert) bejahte es ein potenzielles privates Interesse an einer "Gewissensbereinigung", falls die Beschwerdeführerin als Mitunterzeichnerin am (angeblichen) Betrug beteiligt gewesen wäre. Dennoch verneinte das Obergericht ein überwiegendes privates Interesse, da die Beschwerdeführerin den Beschwerdegegner zu diesem Zweck nicht derart stark und unnötig herabsetzend hätte belasten müssen. Ein Hinweis an die Bank hätte genügt. Selbst wenn die Behauptungen wahr wären, wären sie demnach nicht durch ein überwiegendes privates Interesse gerechtfertigt gewesen und somit widerrechtlich.
  • Prüfung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht stellt fest, dass die Abweisung der Berufung durch das Obergericht bezüglich dieser Behauptungen auf einer doppelten Begründung beruhte: erstens auf dem gescheiterten Wahrheitsbeweis und zweitens (eventualiter, selbst bei Wahrhaftigkeit) auf dem fehlenden überwiegenden privaten Interesse wegen der unnötig herabsetzenden Form der Äusserungen. Die Beschwerdeführerin greift in ihrer Beschwerde die zweite, selbstständige Begründung des Obergerichts (fehlendes überwiegendes privates Interesse wegen Unverhältnismässigkeit der Äusserungsweise) nicht substantiiert an. Da diese unangefochtene Begründung allein den Entscheid trägt, ist die Beschwerde in diesem Punkt unbegründet (multi-reason rule, E. 3.3). Eine Prüfung des Wahrheitsbeweises erübrigt sich daher. Das Bundesgericht hält fest, dass sich die Beschwerdeführerin auch hinsichtlich der Vorwürfe der häuslichen Gewalt und Vergewaltigung auf der Berufungsstufe offenbar damit abgefunden hatte, dass kein überwiegendes privates Interesse vorliege, weshalb eine Prüfung dieser Punkte ebenfalls nicht mehr erforderlich sei.

2.3. Wiederholungsgefahr und Unterlassungsklage

  • Vorinstanzliche Begründung: Das Obergericht bestätigte die Unterlassungsverbote (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 1 ZGB), da es eine ernsthafte Gefahr künftiger Persönlichkeitsverletzungen annahm (Wiederholungsgefahr). Es stützte sich dabei insbesondere darauf, dass die Beschwerdeführerin die Widerrechtlichkeit ihrer Äusserungen nach wie vor bestreite und sich nicht klar dazu bekenne, die Äusserungen nie mehr zu wiederholen, sondern lediglich, sie "derzeit" nicht zu wiederholen. Dies begründe die Vermutung einer Wiederholungsgefahr, die die Beschwerdeführerin nicht umstossen konnte.
  • Prüfung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht bestätigt die vorinstanzliche Würdigung. Es hält fest, dass gemäss gefestigter Rechtsprechung die Bestreitung der Widerrechtlichkeit des eigenen Verhaltens ein Indiz für Wiederholungsgefahr sein kann (Verweis auf BGE 128 III 96 E. 2e und 124 III 72 E. 2a, angewendet auf Art. 28a ZGB). Die Beschwerdeführerin irre, wenn sie meine, ihre Prozessführung zur Verteidigung ihrer Äusserungen dürfe nicht berücksichtigt werden. Da die Beschwerdeführerin zudem zugestehe, lediglich "derzeit" auf eine Wiederholung zu verzichten, könne das Obergericht gestützt auf ihre fortgesetzte Bestreitung der Widerrechtlichkeit und die nur eingeschränkte Verzichtserklärung die Wiederholungsgefahr zu Recht bejahen. Ihre Argumente, es handle sich um ein singuläres Ereignis, widerlegen diese Einschätzung nicht.

3. Ergebnis

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigt die Qualifikation der streitgegenständlichen Äusserungen der Beschwerdeführerin über den Beschwerdegegner als widerrechtliche Persönlichkeitsverletzungen und die darauf gestützten gerichtlichen Unterlassungsverbote.

  1. Wahrheitsbeweis und Rechtfertigungsgründe: Das Gericht stützt die Abweisung der Beschwerde bezüglich der Behauptungen zur Beziehungsdauer mit H._ und den arbeitsplatzbezogenen Compliance-Verstössen auf den gescheiterten Wahrheitsbeweis der Beschwerdeführerin. Es bestätigt die vorinstanzliche Beweiswürdigung als nicht willkürlich, insbesondere die Ablehnung der beantragten Zeugenaussage von I._ aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit.
  2. Fehlendes überwiegendes Interesse: Bezüglich der Vorwürfe zu Hauswert und Bankkonto-Transaktionen (und implizit auch Gewalt/Vergewaltigung, da auf Berufungsstufe nicht mehr bestritten) bestätigt das Bundesgericht die vorinstanzliche Begründung, dass selbst im Falle der Wahrhaftigkeit kein überwiegendes privates Interesse der Beschwerdeführerin vorliege, da die Äusserungen unnötig herabsetzend waren. Dies stellt eine alternative, selbstständige Begründung dar, die von der Beschwerdeführerin nicht erfolgreich angefochten wurde und somit den Entscheid trägt.
  3. Wiederholungsgefahr: Das Gericht bejaht die Wiederholungsgefahr für die Unterlassungsklage, da die Beschwerdeführerin die Widerrechtlichkeit ihrer Äusserungen weiterhin bestreite und nur einen vorübergehenden Verzicht auf Wiederholung erklärt habe. Dies genüge, um die Gefahr einer zukünftigen Verletzung anzunehmen.

Die Beschwerde der A.A.__ wird daher abgewiesen.