Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 5A_290/2024 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 14. Mai 2025:
1. Parteien und Gegenstand
Parteien sind der Rekurrent A._ (Vater) sowie die Intimierten B._ (Mutter) und C._ (Kind), vertreten durch ihre jeweiligen Rechtsvertreter. Gegenstand des Verfahrens ist die Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen für das Kind C._ im Rahmen der Wirkungen der Abstammung.
2. Verfahrensgeschichte (relevant für den Entscheid)
Das Kind C.__ wurde 2017 geboren. Die Eltern trennten sich früh. Der Vater anerkannte die Vaterschaft 2018. Zunächst hatte die Mutter die alleinige elterliche Sorge und Obhut. Ein erstinstanzliches Gericht (Président du Tribunal civil) homologierte 2022 eine Konvention betreffend Obhut (Mutter), Besuchsrecht und ausserordentliche Kosten. Zudem setzte es die monatlichen Unterhaltsbeiträge des Vaters in gestaffelten Beträgen fest. Eine kantonale Appellationsinstanz (Ie Cour d'appel civil) wies die Obhut und elterliche Sorge ab Februar 2023 dem Vater zu, nachdem die Mutter mit dem Kind ins Ausland gezogen war, und wies die Appellation der Mutter ab.
Gegen diesen Entscheid der Appellationsinstanz erhob die Mutter Beschwerde beim Bundesgericht (Verfahren 5A_53/2023). Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut und reformierte den Entscheid dahin gehend, dass die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind wiederhergestellt wurde. Im Übrigen wies das Bundesgericht die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die kantonale Appellationsinstanz zurück.
Der hier angefochtene Entscheid ist der erneute Entscheid der kantonalen Appellationsinstanz vom 4. April 2024, der nach der Rückweisung durch das Bundesgericht erging. Die kantonale Instanz stellte fest, dass die gemeinsame elterliche Sorge durch den Bundesgerichtsentscheid vom 21. August 2023 (5A_53/2023) angeordnet wurde, wies die Obhut der Mutter zu und setzte die Unterhaltsbeiträge des Vaters für das Kind in gestaffelten Beträgen fest (645 Fr. ab Mai 2024, später steigend bis 845 Fr. und ab 2034 700 Fr., ab Volljährigkeit 185 Fr.), zuzüglich Familienzulagen und indexiert.
Der Vater (Rekurrent) erhob gegen diesen kantonalen Entscheid Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht und beantragte im Wesentlichen, seine Unterhaltsbeiträge auf 170 Fr. pro Monat ab Mai 2024 festzusetzen.
3. Massgebende rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hatte im vorliegenden Verfahren die Rechtmässigkeit des nach Rückweisung ergangenen kantonalen Entscheids zu prüfen, insbesondere die erfolgte Unterhaltsfestsetzung.
- Rückweisung und Bindungswirkung (Consid. 2.1): Das Bundesgericht erinnert an die Autorität des Rückweisungsentscheids. Die kantonale Behörde ist an die rechtlichen Erwägungen des Bundesgerichtsentscheids gebunden.
- Prüfungsbefugnis und Rügeprinzip (Consid. 2.2, 2.3): Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft aber grundsätzlich nur die formell erhobenen und begründeten Rügen (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen Vorinstanz sind für das Bundesgericht bindend (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, sie wurden offensichtlich unrichtig (willkürlich im Sinne von Art. 9 BV) oder unter Verletzung anderen Bundesrechts festgestellt, und die Behebung dieses Mangels ist für den Ausgang des Verfahrens entscheidend (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung muss detailliert dargelegt werden (qualifizierte Rügepflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG).
- Einkommen der Mutter (Intimierte B) (Consid. 3):
- Rüge des Vaters: Der Vater rügte, die kantonale Vorinstanz habe der Mutter ein zu geringes Einkommen angerechnet und ein hypothetisches Einkommen zu spät (erst ab 1. September 2030) imputiert. Er machte geltend, die Mutter habe früher (vor ihrem Wegzug) bei alleiniger Obhut am Kind einen Erwerbspensum von 70% ausgeübt und der Vorinstanz hätte zumindest auf dieses Pensum basierend ein hypothetisches Einkommen ab März 2022 angerechnet werden müssen.
- Kantonale Begründung: Die Vorinstanz berücksichtigte das aktuelle effektive Einkommen der Mutter aus zwei Teilzeitstellen (75%, ca. 3'000 Fr. netto), da dieses "peu ou prou" dem entspreche, was von ihr gemäss der Rechtsprechung zu den Schulstufen (50% Erwerbspensum bis Sekundarschuleintritt des jüngsten Kindes, hier C.__ geboren 2017) gefordert werde. Erst ab Sekundarschuleintritt (1. September 2030) imputierte sie ein hypothetisches Einkommen aus einem 80%-Pensum (6'284 Fr.) und ab dem 16. Geburtstag des Kindes (1. Januar 2034) ein 100%-Pensum (7'798 Fr.).
- Bundesgerichtliche Beurteilung: Das Bundesgericht stimmt der Rüge des Vaters zu. Die Rechtsprechung zu den Schulstufen (50%, 80%, 100%) sind zwar Richtlinien, aber keine starren Regeln. Wesentlich ist auch der Grundsatz der Kontinuität (vgl. ATF 144 III 481). Ein Elternteil, der bereits vor der Trennung oder danach eine höhere Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, als es die Schulstufen-Richtlinien vorsehen, ist grundsätzlich nicht berechtigt, dieses Pensum zu reduzieren, es sei denn, die Beibehaltung des bisherigen Pensums stünde im Widerspruch zum Kindeswohl oder wäre für den betroffenen Elternteil unzumutbar. Im vorliegenden Fall hat die Mutter, selbst als sie bereits die alleinige Obhut hatte und das Besuchsrecht des Vaters eingeschränkt war, ein Erwerbspensum von 70% ausgeübt. Ihre spätere Aufgabe dieser Tätigkeit und ihr Wegzug waren eine von ihr getroffene Entscheidung. Sie kann sich nicht auf die Schulstufen-Richtlinien berufen, um ihr Pensum auf 50% zu reduzieren, da ein Pensum von 70% unter den gegebenen Umständen erwartbar und zumutbar wäre. Indem die Vorinstanz das effektive Einkommen der Mutter berücksichtigte mit der Begründung, es entspreche "peu ou prou" einem 50%-Pensum, verletzte sie das der Unterhaltsberechnung zugrunde liegende Recht, da ein höheres Pensum (mindestens 70%) hätte zugrunde gelegt werden müssen. Die Vorinstanz hätte prüfen müssen, ob und in welcher Höhe ein hypothetisches Einkommen auf der Basis eines Pensums von mindestens 70% für die Mutter realisierbar ist.
- Konsequenz: Die kantonale Vorinstanz hat ihr Ermessen missbraucht, indem sie der Mutter kein hypothetisches Einkommen auf der Grundlage eines höheren Pensums als 50% vor 2030 angerechnet hat. Der Entscheid ist daher bezüglich des Kindesunterhalts aufzuheben und zur Neuregelung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
- Einkommen des Vaters (Rekurrent A) (Consid. 4):
- Rüge des Vaters: Der Vater rügte die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens von 3'700 Fr. monatlich durch die Vorinstanz. Er sei nur zu 70% angestellt und sein tatsächliches Nettoeinkommen betrage 3'217.65 Fr.
- Bundesgerichtliche Beurteilung: Das Bundesgericht weist diese Rüge ab. Es hält fest, dass der Vater die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens von 3'700 Fr. durch die erstinstanzliche Behörde in seiner ersten Appellation (vor der ersten Bundesgerichtsrückweisung) nicht bestritten hat. Erst in seinen späteren Eingaben nach der Rückweisung hat er dies getan. Zudem wertet das Bundesgericht seine Ausführungen zu seinem aktuellen Pensum und zur Möglichkeit der Einkommenssteigerung als unzulässige appellatorische Kritik oder als auf nicht festgestellten Sachverhalten beruhend, die nicht ordentlich als willkürlich gerügt wurden. Der Vater hat die volle Erwerbsfähigkeit zur Bestreitung des Kindesunterhalts auszuschöpfen. Die kantonalen Erwägungen zur Anrechnung des hypothetischen Einkommens von 3'700 Fr. (basierend auf 100% Erwerbsfähigkeit, unter Berücksichtigung seiner beruflichen Qualifikationen und der Tatsache, dass er seit langem nicht mehr in seinem ursprünglichen Beruf als Konditor tätig ist) sind nicht zu beanstanden.
- Konsequenz: Die Rüge betreffend das Einkommen des Vaters wird abgewiesen.
- Bedarfspositionen des Vaters (Consid. 5):
- Rüge des Vaters: Der Vater beanstandete diverse Bedarfspositionen, namentlich den Grundbetrag, die Krankenkassenprämien (unter Berücksichtigung von Subventionen) und die Essenskosten.
- Bundesgerichtliche Beurteilung: Das Bundesgericht weist sämtliche Rügen betreffend die Bedarfspositionen ab:
- Grundbetrag (750 Fr. vs 850 Fr.): Der Vater rügt den von der Vorinstanz festgesetzten Grundbetrag von 750 Fr. als zu tief (er fordert 850 Fr.), begründet dies aber nicht substantiiert unter Auseinandersetzung mit der kantonalen Begründung (750 Fr. als halber Grundbetrag für ein Paar abzüglich 100 Fr. aufgrund seiner Wohnsituation). Die Rüge ist unzulässig (unmotiviert).
- Krankenkassen-Subs: Der Vater rügt die Anrechnung einer höheren Subvention als von ihm geltend gemacht, beruft sich dabei aber auf kantonales Recht (Arrêté du Conseil d'État de Neuchâtel). Die Verletzung kantonalen Rechts kann vor Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür gerügt werden, was der Vater nicht getan hat. Die Rüge ist unzulässig.
- Essenskosten: Die Vorinstanz berücksichtigte keine zusätzlichen Essenskosten, da diese im Grundbetrag enthalten seien und der Vater sie nicht substantiiert begründet habe, insbesondere nicht nach seinem früheren eigenen Vortrag, dass er seine Mahlzeiten mitnehme. Die Rüge des Vaters, die sich auf eine angebliche Änderung seiner Situation stützt und eine nicht relevante Vergleich mit der Mutter zieht, ist unzulässig oder unbegründet, da er eine Änderung seiner Essenskosten nicht substantiiert dargelegt hat.
- Konsequenz: Die Rügen betreffend die Bedarfspositionen des Vaters werden abgewiesen.
- Berechnung des Unterhaltsbeitrags (Consid. 6): Da das Einkommen der Mutter auf Geheiss des Bundesgerichts neu festzusetzen ist, kann die konkrete Berechnung des Unterhaltsbeitrags durch das Bundesgericht im aktuellen Zeitpunkt nicht überprüft werden. Dies wird der kantonalen Vorinstanz obliegen, nachdem sie das Einkommen der Mutter neu bestimmt hat.
4. Ergebnis des Bundesgerichts
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit sie zulässig ist. Der angefochtene Entscheid der kantonalen Appellationsinstanz vom 4. April 2024 wird aufgehoben, soweit er den Kindesunterhalt betrifft. Die Sache wird an die kantonale Vorinstanz zur Neubeurteilung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen zurückgewiesen. Insbesondere hat die Vorinstanz das hypothetische Einkommen der Mutter basierend auf einem Erwerbspensum von mindestens 70% neu zu prüfen und zu bestimmen und anschliessend den Unterhaltsbeitrag neu festzusetzen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen (betreffend das Einkommen des Vaters und dessen Bedarfspositionen).
Die Gesuche beider Parteien um unentgeltliche Rechtspflege werden gutgeheissen. Die Gerichtskosten werden hälftig zwischen den Parteien aufgeteilt und vorläufig von der Bundesgerichtskasse getragen. Die Parteikosten werden kompensiert. Die Anwälte beider Parteien erhalten eine Entschädigung als amtliche Rechtsvertreter aus der Bundesgerichtskasse. Die Parteien werden auf ihre Rückzahlungspflicht bei verbesserter finanzieller Lage hingewiesen. Die kantonale Vorinstanz wird über die Kosten des kantonalen Verfahrens neu entscheiden müssen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht hob den Entscheid der kantonalen Instanz zur Höhe des Kindesunterhalts auf und wies die Sache zur Neuregelung zurück. Ausschlaggebend war die fehlerhafte Berechnung des der Mutter anrechenbaren Einkommens. Unter Abweichung von den starren Schulstufen-Richtlinien ist gemäss Bundesgericht das frühere Erwerbspensum der Mutter (70% vor Wegzug und Arbeitsaufgabe) massgeblich (Kontinuitätsprinzip), sofern es nicht dem Kindeswohl widerspricht oder unzumutbar ist. Die kantonale Vorinstanz hätte ein hypothetisches Einkommen auf der Basis eines Pensums von mindestens 70% prüfen müssen und nicht nur das tiefere aktuelle Einkommen, das einem 50%-Pensum entspreche. Die Rügen des Vaters betreffend sein eigenes Einkommen und seine Bedarfspositionen wurden vom Bundesgericht grösstenteils als unbegründet oder unzulässig (mangels substantiierter Rüge oder weil sie auf kantonalem Recht basierten, dessen Anwendung nicht als willkürlich gerügt wurde) abgewiesen.