Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_435/2024 vom 19. Mai 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des schweizerischen Bundesgerichts 1C_435/2024 vom 19. Mai 2025:

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_435/2024 vom 19. Mai 2025

Gegenstand des Urteils

Das Urteil betrifft die Beschwerde gegen einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich der Sperrung von Vermögenswerten gestützt auf Art. 4 des Bundesgesetzes über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG). Konkret geht es um Vermögenswerte, die im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens an die Ukraine gesperrt waren und nach dem Scheitern der Rechtshilfe bzw. dem Sistieren des ukrainischen Strafverfahrens durch den Schweizer Bundesrat nach Art. 4 SRVG weiter gesperrt wurden, im Hinblick auf eine mögliche Einziehung in der Schweiz.

Sachverhalt

Der Fall hat seinen Ursprung im Februar 2014 nach der Absetzung des damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Yanukovich. Der Bundesrat erliess eine Verordnung (aUkraine-Verordnung) zur administrativen Sperrung von Vermögenswerten, die Personen wie dem ehemaligen Volksabgeordneten E.__ zugeordnet wurden.

Parallel dazu leitete die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen E._ wegen Korruptionsdelikten ein und stellte im April 2015 (ergänzt im August 2015) ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz. Das Bundesamt für Justiz (BJ) trat auf das Gesuch ein und ordnete die Sperrung verschiedener Bankkonten an, an denen E._ wirtschaftlich berechtigt war. Die Sperren blieben auch nach der Übermittlung von Kontounterlagen an die Ukraine bestehen (gemäss Art. 33a der Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen, IRSV).

Eine von der Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) eingeleitete Strafuntersuchung gegen E.__ wegen Geldwäscherei wurde im Januar 2022 eingestellt, da die Straftaten bereits Gegenstand von Ermittlungen in der Ukraine waren (Art. 319 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 8 Abs. 3 StPO).

Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 beschloss der Schweizer Bundesrat am 25. Mai 2022, gestützt auf Art. 4 SRVG, die bereits rechtshilfeweise gesperrten Vermögenswerte auf den vier im Sachverhalt genannten Konten im Hinblick auf eine Einziehung in der Schweiz weiterhin zu sperren. Das BJ hob daraufhin die rechtshilfeweise angeordneten Sperren auf.

Die Inhaber und Inhaberinnen der betroffenen Konten (Beschwerdeführende A._, B._, C._ Inc., D._ SA) erhoben Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVGer). Sie rügten primär eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, da der Bundesrat die Sperrverfügungen ohne vorgängige Anhörung und Akteneinsicht erlassen habe. Während des Verfahrens vor dem BVGer stellten die Beschwerdeführenden ein Wiedererwägungsgesuch beim Bundesrat, in dem sie erstmals auch materielle Einwände gegen die Voraussetzungen von Art. 4 SRVG vorbrachten.

Der Bundesrat trat mit Verfügung vom 21. Februar 2024 formell nicht auf das Wiedererwägungsgesuch ein, begründete aber eventualiter auch, weshalb er es materiell abweisen würde. Dagegen erhoben die Beschwerdeführenden eine weitere Beschwerde an das BVGer, die mit den bereits hängigen Verfahren vereinigt wurde.

Das BVGer wies mit Urteil vom 4. Juni 2024 alle Beschwerden ab. Es bejahte zwar bestimmte Gehörsverletzungen durch den Bundesrat (insbesondere bezüglich der Aktenführung und neuer Beweismittel), erachtete diese aber als im Rechtsmittelverfahren vor ihm geheilt.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführenden Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragten im Wesentlichen die Aufhebung des BVGer-Urteils und die Rückweisung der Sache an den Bundesrat bzw. das BVGer zur erneuten Durchführung des Verfahrens unter Gewährung des rechtlichen Gehörs. Sie machten wiederum primär Verfahrensmängel geltend (insb. fehlende vorgängige Anhörung durch den Bundesrat, mangelnde Akteneinsicht und Stellungnahme zu neuen Beweismitteln), aber auch Sachverhaltsrügen und Kostenrügen. Materielle Rügen gegen die Voraussetzungen von Art. 4 SRVG erhoben sie vor Bundesgericht nicht.

Das BJ reichte eine Stellungnahme ein, die den schwierigen Stand des ukrainischen Strafverfahrens gegen E.__ und die Funktionsfähigkeit der Rechtshilfe mit der Ukraine beleuchtete und festhielt, dass die Ukraine voraussichtlich nicht in der Lage sein werde, ein rechtskräftiges Einziehungsurteil zu erwirken.

Erwägungen des Bundesgerichts

  1. Zulässigkeit und Kognition: Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein. Es bestätigt, dass Art. 6 Ziff. 1 EMRK den Beschwerdeführenden einen Anspruch auf gerichtliche Beurteilung der Vermögenssperren gewährt, weshalb die Ausschlussbestimmung von Art. 83 lit. a BGG nicht anwendbar ist. Die Kognitionseinschränkung für vorsorgliche Massnahmen gemäss Art. 98 BGG findet aufgrund der Schwere des Grundrechtseingriffs keine Anwendung. Das Bundesgericht ist grundsätzlich an den Sachverhalt des BVGer gebunden, prüft aber Rechtsverletzungen von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG). Allerdings prüft es Grundrechtsverletzungen nur, wenn sie präzise begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Da die Beschwerdeführenden die detaillierten materiellen Ausführungen des BVGer zu Art. 4 SRVG nicht angefochten haben, beschränkt sich die Prüfung des Bundesgerichts auf die geltend gemachten Sachverhalts-, Verfahrens- und Kostenrügen.

  2. Sachverhaltsrügen: Das Bundesgericht weist die geltend gemachten Sachverhaltsrügen zurück. Die Nicht-Erwähnung der Scheidung ist nicht entscheiderheblich. Die Darstellung der Vorwürfe gegen E.__ als "vorgeworfen" verletzt nicht die Unschuldsvermutung. Ein offensichtliches Versehen bezüglich einer Frist im Sachverhalt des BVGer ist unerheblich. Eine allfällige fehlende Anhörung im Rechtshilfeverfahren wird im Rahmen der Gehörsrügen behandelt.

  3. Pflicht zur vorgängigen Anhörung durch den Bundesrat (Art. 4 SRVG): Dies ist ein zentraler Punkt der Beschwerde.

    • Grundsätzlich unterliegen Verfügungen von Bundesbehörden dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG), welches einen Anspruch auf vorgängige Anhörung vorsieht (Art. 29, 30 Abs. 1 VwVG). Ausnahmen sind in Art. 30 Abs. 2 VwVG abschliessend geregelt.
    • Das Bundesgericht prüft, ob Art. 4 SRVG eine Abweichung vom Anhörungsrecht erlaubt. Während Art. 5 SRVG für administrative Sperrungen (Art. 3 SRVG) besondere Verfahren vorsieht (Verordnung, Publikation, Gesuch auf Streichung), die wohl "Gefahr im Verzug" im Sinne von Art. 30 Abs. 2 lit. e VwVG implizieren und das VwVG nicht anwendbar ist, sieht Art. 4 Abs. 1 SRVG explizit vor, dass der Bundesrat die Sperrung "verfügt".
    • Es gibt keine Bestimmung im SRVG, die eine Abweichung von Art. 30 VwVG für Sperrungen nach Art. 4 SRVG erlauben würde. Insbesondere die Übergangsbestimmung von Art. 32 SRVG betrifft nicht die erstmalige Anordnung einer Sperre nach Art. 4 SRVG.
    • Eine Sperrung nach Art. 4 SRVG tritt zwar an die Stelle einer Rechtshilfesicherung, unterliegt aber anderen, neuen Voraussetzungen (Scheitern der Rechtshilfe). Eine allfällige Anhörung im Rechtshilfeverfahren kann die Anhörung im Verfahren nach Art. 4 SRVG nicht ersetzen.
    • Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der Bundesrat die Beschwerdeführenden vorgängig hätte anhören und ihnen Gelegenheit zur Akteneinsicht und Beweisantragstellung geben müssen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch den Bundesrat wird bejaht.
  4. Heilung der initialen Gehörsverletzung: Das Bundesgericht prüft, ob dieser Mangel geheilt wurde.

    • Die Beschwerdeführenden hatten mit ihrer Beschwerde an das BVGer und insbesondere mit ihrem Wiedererwägungsgesuch an den Bundesrat das Ziel verfolgt, eine nachträgliche Anhörung und Prüfung ihrer materiellen Einwände durch den Bundesrat zu erwirken.
    • Obwohl der Bundesrat formell nicht auf das Wiedererwägungsgesuch eintrat, hat er hilfsweise dargelegt, weshalb er das Gesuch materiell abweisen würde, wenn er darauf eintreten würde. Damit hat er nach Erhalt der materiellen Einwände und Belege der Beschwerdeführenden eine inhaltliche Stellungnahme abgegeben und begründet, weshalb er an den Sperrverfügungen festhält.
    • Das Bundesgericht wertet dies als Nachholung der fehlenden Anhörung durch die erstinstanzliche Behörde selbst (den Bundesrat). Diese Konstellation ist mit der Heilung im Einspracheverfahren vergleichbar (Art. 30 Abs. 2 lit. b VwVG) und ist grundsätzlich zulässig.
    • Der Mangel des vollständigen Fehlens einer vorgängigen Anhörung durch den Bundesrat wurde damit geheilt.
  5. Weitere Gehörsverletzung im BVGer-Verfahren (neue Beweismittel): Die Beschwerdeführenden rügten, der Bundesrat habe sich im Wiedererwägungsentscheid auf neue Beweismittel gestützt, ohne ihnen vorher Akteneinsicht und Stellungnahme zu gewähren, und das BVGer habe diese Rüge nicht geprüft.

    • Das Bundesgericht stellt fest, dass das BVGer diese Rüge sehr wohl geprüft und eine Gehörsverletzung bejaht hat (Nicht-Orientierung über während des BVGer-Verfahrens eingegangene neue entscheidrelevante Akten). Die Verletzung betraf sowohl das ursprüngliche Beschwerdeverfahren als auch das Verfahren gegen den Wiedererwägungsentscheid.
  6. Heilung der weiteren Gehörsverletzung durch das BVGer: Das Bundesgericht prüft, ob dieser weitere Mangel im Rechtsmittelverfahren vor dem BVGer geheilt werden konnte.

    • Das BVGer hatte argumentiert, dass die Beschwerdeführenden die neuen Beweismittel erhalten und zweimal Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hätten, aber darauf verzichtet hätten, sich materiell zu äussern. Dies sei eine Verzögerung und rechtsmissbräuchlich. Das BVGer könne die Sach- und Rechtsfragen frei prüfen.
    • Die Beschwerdeführenden hielten dem entgegen, das BVGer hätte nicht in der Sache entscheiden dürfen, da Streitgegenstand einzig das Nichteintreten des Bundesrats auf das Wiedererwägungsgesuch gewesen sei.
    • Das Bundesgericht weist dieses Argument zurück: Der Entscheid des Bundesrats stützte sich auf zwei alternative Begründungen (Nichteintreten und eventualiter Abweisung in der Sache). Die Beschwerde musste beide anfechten. Das BVGer war daher befugt und verpflichtet, auch die alternative materielle Begründung zu prüfen und überschritt den Streitgegenstand nicht.
    • Die Heilung durch das BVGer wird als zulässig erachtet. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, was zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ausreicht, auch wenn sie die Gelegenheit nicht nutzen. Die Gehörsverletzung bezüglich der neuen Unterlagen war nicht so schwerwiegend, dass eine Heilung durch das BVGer ausgeschlossen wäre, insbesondere da eine Rückweisung zu einem "Leerlauf" geführt hätte, da der Bundesrat bereits erklärt hatte, dass er materiell abweisen würde.
    • Die formellen Rügen der Beschwerdeführenden erweisen sich somit als unbegründet. Die materiellen Ausführungen des BVGer zu Art. 4 SRVG wurden vom Bundesgericht nicht geprüft, da sie in der Beschwerde nicht angefochten wurden.
  7. Kosten- und Entschädigungsregelung: Die Beschwerdeführenden rügten, die Heilung der Gehörsverletzungen sei bei der Kosten- und Entschädigungsregelung durch das BVGer unzureichend berücksichtigt worden.

    • Das Bundesgericht erinnert an seine Praxis, wonach die Heilung eines Verfahrensfehlers im Rechtsmittelverfahren bei der Kosten- und Entschädigungsfrage angemessen berücksichtigt werden muss.
    • Das BVGer hatte die Gerichtskosten reduziert, berücksichtigte dabei aber nur die von ihm festgestellten (und geheilten) Verfahrensmängel (Aktenführung, Nicht-Orientierung über neue Akten). Es berücksichtigte jedoch nicht die Heilung des primären Mangels, nämlich der fehlenden vorgängigen Anhörung durch den Bundesrat selbst, da es die diesbezügliche Rüge als unbegründet erachtete (was das Bundesgericht korrigiert hat).
    • Der fehlenden vorgängigen Anhörung durch die erstinstanzliche Behörde kommt erhebliches Gewicht zu. Die Heilung dieses Mangels durch den nachträglichen Entscheid der erstinstanzlichen Behörde (Bundesrat im Wiedererwägungsverfahren) hätte bei der Kosten- und Entschädigungsregelung berücksichtigt werden müssen.
    • In diesem Punkt gibt das Bundesgericht der Beschwerde statt. Die Kosten- und Entschädigungsregelung des BVGer wird aufgehoben und zur Neuregelung an dieses zurückgewiesen.

Ergebnis

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, beschränkt auf den Punkt der Kosten- und Entschädigungsregelung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Hauptsache, nämlich die Rechtmässigkeit der Sperrung der Vermögenswerte nach Art. 4 SRVG (unabhängig von Verfahrensfragen, da die materiellen Voraussetzungen nicht angefochten wurden), wird vom Bundesgericht nicht geprüft und die Beschwerde insoweit abgewiesen.

Das Bundesgericht auferlegt den Beschwerdeführenden reduzierte Gerichtskosten und spricht ihnen eine reduzierte Parteientschädigung für das Verfahren vor Bundesgericht zu, da sie nur teilweise (bezüglich der Kostenregelung) obsiegt haben.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Die Sperrung von Vermögenswerten nach Art. 4 SRVG durch den Bundesrat stellt einen Grundrechtseingriff dar, der dem VwVG unterliegt und grundsätzlich eine vorgängige Anhörung der Betroffenen erfordert (Art. 29, 30 VwVG). Es liegt keine Ausnahme vor.
  • Die fehlende vorgängige Anhörung durch den Bundesrat im vorliegenden Fall stellte eine Gehörsverletzung dar.
  • Diese primäre Gehörsverletzung wurde jedoch dadurch geheilt, dass die Beschwerdeführenden im Rahmen ihres Wiedererwägungsgesuchs materielle Einwände vorbringen konnten und der Bundesrat diese (wenn auch nur eventualiter) materiell geprüft und seinen Standpunkt begründet hat.
  • Eine weitere Gehörsverletzung, die im BVGer-Verfahren im Zusammenhang mit neuen Beweismitteln auftrat, wurde ebenfalls als heilbar erachtet und vom BVGer korrekt geheilt, da die Beschwerdeführenden Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, diese aber nicht auf materieller Ebene nutzten und auf einer Rückweisung beharrten.
  • Die materiellen Voraussetzungen der Sperrung nach Art. 4 SRVG wurden vom Bundesgericht nicht geprüft, da die Beschwerdeführenden die entsprechende Begründung des BVGer in ihrer Beschwerde nicht angegriffen haben.
  • Die Heilung von Verfahrensmängeln im Rechtsmittelverfahren muss bei der Kosten- und Entschädigungsregelung berücksichtigt werden. Das BVGer hat dies nur teilweise getan, indem es die Heilung der primären Gehörsverletzung durch den Bundesrat nicht berücksichtigte. Dieser Teil des Urteils des BVGer wurde aufgehoben und zur Neuregelung zurückgewiesen.