Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1042/2023 vom 30. April 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 7B_1042/2023 vom 30. April 2025:

Urteil des Bundesgerichts 7B_1042/2023 vom 30. April 2025

Parteien: * Beschwerdeführer: A.__ * Beschwerdegegnerin: Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich

Gegenstand: Mehrfache Pornografie; Tätigkeitsverbot; Landesverweisung; Willkür

Vorinstanzen: * Bezirksgericht Horgen (Urteil vom 16. Dezember 2021): Schuldspruch wegen mehrfacher Pornografie (Art. 197 Abs. 4 und 5 StGB), bedingte Freiheitsstrafe von 24 Monaten, lebenslängliches Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB) für Tätigkeiten mit Minderjährigen, Landesverweisung von fünf Jahren (Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB). * Obergericht des Kantons Zürich (Urteil vom 13. März 2023): Feststellung der Rechtskraft des Schuldspruchs nach Art. 197 Abs. 5 StGB, Bestätigung des Schuldspruchs nach Art. 197 Abs. 4 StGB, Bestätigung der bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten, Bestätigung des lebenslänglichen Tätigkeitsverbots und der fünfjährigen Landesverweisung.

Sachverhalt (massgebend für die Beschwerde): Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, eine sehr grosse Menge kinderpornografischer Dateien (ca. 758'800 mit realen sexuellen Handlungen, ca. 920 mit virtuellen sexuellen Handlungen) im Zeitraum Oktober 2018 bis April 2019 beschafft, gespeichert, angeschaut, Dritten zugänglich gemacht und in Verkehr gebracht zu haben. Der Beschwerdeführer gestand den Download, die Speicherung und das teilweise Anschauen der Dateien sowie das Zugänglichmachen über ein Filesharing-Programm ("Download Station"). Er bestritt jedoch, durch den konstanten Einsatz des Programms die Verbreitung (Inverkehrbringen) an unbekannte Dritte billigend in Kauf genommen zu haben.

Rechtliche Argumentation des Bundesgerichts:

Das Bundesgericht prüfte die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen, insbesondere betreffend die Sachverhaltsfeststellung (Willkür), das Tätigkeitsverbot und die Landesverweisung.

  1. Sachverhaltsfeststellung und Willkür (E. 3):

    • Rüge des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer beanstandete die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts, insbesondere die Annahme, er habe das Verbreiten der Dateien (Inverkehrbringen) billigend in Kauf genommen. Er behauptete, er habe die Upload-Funktion des Filesharing-Programms nicht verstanden oder bemerkt.
    • Begründung des Bundesgerichts: Das Gericht wies die Willkürrüge zurück. Es stützte sich auf die detaillierte Begründung der Vorinstanz:
      • Das Programm "Download Station" sei eine Peer-to-Peer (P2P) Filesharing-Anwendung. Beim erstmaligen Starten und nach jedem Neustart des Systems werde ein Hinweisfenster angezeigt, dem der Nutzer zustimmen müsse und das auf die P2P-Funktionalität hinweise. Der Beschwerdeführer musste diesem Hinweis somit mindestens einmal aktiv zustimmen.
      • In der Standardansicht des Programms seien permanent zahlreiche Informationen über Uploads und den Teilungsprozess angezeigt worden (z.B. Begriffe wie "Uploading", "Seeding", sich verändernde Zahlen, Datenmengen). Diese Informationen habe der Beschwerdeführer, der die Plattform unzählige Male genutzt habe, nicht übersehen können.
      • Als computeraffine, englischsprachige Person habe ihm mit durchschnittlichen Informatikkenntnissen bewusst sein müssen, dass Begriffe wie "Upload" das Verbreiten bedeuten.
      • Die Behauptung der Verteidigung, er könnte "seeding" oder "uploading" als Verschieben auf einen anderen eigenen Datenträger missverstanden haben, sei eine reine Mutmassung ohne Grundlage im Sachverhalt.
    • Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Die vorinstanzliche Beweiswürdigung, wonach der Beschwerdeführer das Verbreiten der kinderpornografischen Erzeugnisse angesichts der enormen Datenmenge und der transparenten Anzeige der Upload-Vorgänge billigend in Kauf genommen habe, sei nicht willkürlich. Der Beschwerdeführer setze dem lediglich seine eigene, für ihn günstige Würdigung entgegen, ohne darzulegen, inwiefern die vorinstanzliche Feststellung schlechterdings unhaltbar sei.
  2. Verfahrensrechtliche Rügen (E. 3.2.1, E. 4):

    • Der Beschwerdeführer erhob verschiedene verfahrensrechtliche Einwände (Verletzung des Rechts auf faires Verfahren, doppelten Instanzenzug, wirksame Beschwerde, ungenügende Verteidigung).
    • Begründung des Bundesgerichts: Das Gericht trat auf diese Rügen nicht ein, da sie nach dem Grundsatz der formellen und materiellen Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs erstmals vor Bundesgericht erhoben wurden. Im angefochtenen Urteil finden sich keine Erwägungen dazu, und der Beschwerdeführer rügte diesbezüglich keine Gehörsverletzung. Auch die erstmals vor Bundesgericht erhobene Behauptung, die von der Polizei qualifizierten "Beispielbilder/-filme" seien falsch gewürdigt worden, wurde nicht geprüft, da dies im kantonalen Verfahren nicht thematisiert worden sei.
    • Die Rüge der ungenügenden Verteidigung wurde ebenfalls als unsubstanziiert und nicht zur Unverwertbarkeit der Verfahrenshandlungen führend abgewiesen.
    • Die pauschale Rüge gegen das Tätigkeitsverbot wurde ebenfalls abgewiesen, teils wegen einer verfahrensrechtlichen Rüge, die nicht in der Vorinstanz vorgebracht wurde (E. 4), teils weil die Auffassung, dass Taten vor dem 1. Januar 2019 kein Tätigkeitsverbot begründen können, falsch sei (Verweis auf aArt. 67 Abs. 3 lit. c i.V.m. Abs. 6 StGB).
  3. Landesverweisung (E. 5):

    • Grundlage: Die Verurteilung wegen Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB führt gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. h StGB zu einer obligatorischen Landesverweisung von 5 bis 15 Jahren. Die Vorinstanz ordnete eine solche für 5 Jahre an.
    • Härtefallklausel (Art. 66a Abs. 2 StGB): Von der Landesverweisung kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn sie für den Ausländer kumulativ einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen am Verbleib nicht überwiegen. Diese Klausel ist restriktiv anzuwenden.
    • Prüfung des Härtefalls: Das Bundesgericht zieht zur Beurteilung des Härtefalls die Kriterien von Art. 31 Abs. 1 VZAE heran (Grad der Integration, familiäre Bindungen, Aufenthaltsdauer, Gesundheit, Resozialisierungschancen). Ein schwerer Härtefall liegt bei einem Eingriff von gewisser Tragweite in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 13 BV und Art. 8 EMRK vor. Das Familienleben schützt in erster Linie die Kernfamilie (Ehegatten mit minderjährigen Kindern).
    • Würdigung der Vorinstanz: Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die obligatorische Landesverweisung für den Beschwerdeführer keine besondere persönliche Härte darstelle. Sie begründete dies damit, dass er und seine Freundin keine gemeinsamen Kinder hätten und es sich bei der Freundin nicht um seine Kernfamilie handle. Auch wenn es seine Freundin hart treffen könnte, sei dies kein gewichtiges Argument für ihn. Selbst wenn sie ihre Beziehung nicht gemeinsam im Ausland fortsetzen könnten, sei es zumutbar, dass er sich im grenznahen Ausland niederlasse, um die Beziehung aufrechtzuerhalten.
    • Ergänzende Würdigung der Erstinstanz (auf die die Vorinstanz verweist): Der Beschwerdeführer kam erst im Alter von 39 Jahren in die Schweiz (2011), lebte den Grossteil seines Lebens im Herkunftsland (Niederlande) bei seiner Familie, absolvierte dort die Ausbildung und sammelte Berufserfahrung. Er sei in der Schweiz nicht nennenswert sozial verwurzelt. Die Beziehung zu seiner chinesischen Lebenspartnerin bestehe seit ca. drei Jahren. Er stehe finanziell auf eigenen Füssen und sei im Arbeitsmarkt integriert, was aber keinen derart engen Bezug zur Schweiz begründe, dass ein Verlassen des Landes inakzeptabel wäre. Es sollte ihm nicht allzu schwerfallen, im Ausland wieder Fuss zu fassen. Die Beziehung zur Lebenspartnerin sei auch aufgrund der Ungewissheit, ob sie nach Bekanntwerden des Strafverfahrens fortbestehe, prekär.
    • Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht befand, dass der Beschwerdeführer sich mit diesen Feststellungen der Vorinstanz nicht begründet auseinandergesetzt habe. Die vorinstanzliche Würdigung, es liege kein Härtefall vor, halte vor Bundesrecht stand. Es seien keine massgebenden Kriterien unberücksichtigt gelassen oder falsch gewürdigt worden. Der Beschwerdeführer habe nicht in genügender Weise dargelegt, inwiefern der Schutzbereich von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV betroffen sei. Folglich erübrige sich eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 66a Abs. 2 Satz 1 StGB. Die Landesverweisung erweise sich als rechtskonform.

Querverweise / Kontext: Das Bundesgericht stützt seine Ausführungen zur obligatorischen Landesverweisung und zur Härtefallklausel auf seine gefestigte Rechtsprechung seit der Einführung der Bestimmungen (vgl. BGE 146 IV 105, 144 IV 332, 144 IV 168, 144 I 266, 144 II 1), die die restriktive Anwendung der Härtefallklausel und die Kriterien für ihre Beurteilung präzisieren. Die Betonung, dass in erster Linie die Kernfamilie (Ehegatten mit minderjährigen Kindern) für die Begründung eines Härtefalls relevant ist, ist ein wiederkehrendes Element dieser Rechtsprechung im Kontext des Schutzes des Familienlebens gemäss EMRK und BV. Auch die Anwendbarkeit der Landesverweisung unabhängig von der Strafhöhe oder Strafart (bedingt/unbedingt) ist ständige Praxis.

Ergebnis: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen mehrfacher Pornografie, das lebenslängliche Tätigkeitsverbot und die fünfjährige obligatorische Landesverweisung. Das Gericht wies die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung bezüglich des Inverkehrbringens der Dateien via Filesharing zurück und befand, die Vorinstanz habe plausibel dargelegt, dass der Beschwerdeführer die Verbreitung billigend in Kauf genommen habe, insbesondere aufgrund der transparenten Anzeigen im verwendeten Programm. Verfahrensrechtliche Einwände, die nicht im kantonalen Verfahren geltend gemacht wurden, wies das Bundesgericht aufgrund des Grundsatzes der Ausschöpfung des Instanzenzugs ab. Hinsichtlich der Landesverweisung bestätigte das Gericht, dass kein schwerer persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB vorliege, da die Beziehung zu seiner Lebenspartnerin keine Kernfamilie darstelle und der Beschwerdeführer keine ausreichenden Argumente gegen die Würdigung der Vorinstanz vorgebracht habe. Ohne Vorliegen eines schweren Härtefalls sei die Interessenabwägung unnötig und die obligatorische Landesverweisung rechtskonform.