Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_456/2024 vom 28. Mai 2025.
1. Einleitung
Das Urteil des Bundesgerichts (BG) 1C_456/2024 vom 28. Mai 2025 betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz. Im Kern geht es um die nachträgliche Bewilligung einer Steganlage im Zugersee, deren Verweigerung und die Anordnung des Rückbaus, sowie die Frage der Beschwerdelegitimation einer Mieterin des Grundstücks zur Anfechtung der Rückbauverfügung.
2. Sachverhalt und Verfahrensgang
Die Erbengemeinschaft B.C.__ ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Küssnacht (SZ) mit einem ca. 5 m in den Zugersee ragenden Steg. Auf behördliche Aufforderung hin reichte die Erbengemeinschaft ein nachträgliches Baugesuch für den Steg ein. Nach der ablehnenden Haltung des kantonalen Amts für Raumentwicklung (ARE/SZ) zog die Bauherrschaft das Gesuch zurück und reichte stattdessen ein Rückführungsprojekt ein.
Der Bezirksrat Küssnacht verweigerte daraufhin am 18. Mai 2022 die nachträgliche Bewilligung für den Steg und bewilligte das Rückbauprojekt, verbunden mit einer Frist zum Abbruch und Androhung der Ersatzvornahme.
A.__, die Mieterin der Liegenschaft, ersuchte den Bezirksrat am 4. Juli 2022 um Aufhebung dieses Beschlusses. Da dies verspätet erfolgte und als Verwaltungsbeschwerde behandelt wurde, leitete der Bezirk die Eingabe an den Regierungsrat des Kantons Schwyz weiter. Der Regierungsrat trat am 6. Dezember 2022 auf die Beschwerde der Mieterin nicht ein.
Die Mieterin gelangte daraufhin an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, welches die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Regierungsrats mit Entscheid vom 27. Juni 2024 abwies, soweit es darauf eintrat. Dagegen erhob die Mieterin Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht.
3. Entscheid der Vorinstanzen
- Regierungsrat: Begründete sein Nichteintreten im Wesentlichen damit, dass die Mieterin am vorgängigen Einspracheverfahren gegen das publizierte Baugesuch nicht teilgenommen habe und ihr deshalb die formelle Beschwerdelegitimation fehle. Zudem sei sie als Mieterin des Grundstücks, insbesondere im Verhältnis zu ihrem Vermieter, nicht hinreichend materiell betroffen; eine allfällige Beeinträchtigung des Mietvertrags sei zivilrechtlicher Natur. Schliesslich wurde die Beschwerdebegründung als ungenügend erachtet.
- Verwaltungsgericht: Bestätigte das Nichteintreten des Regierungsrats im Ergebnis, aber mit einer differenzierten Begründung. Es unterschied zwischen dem nachträglichen Baubewilligungsverfahren und dem Rückbauverfahren. Am Baugesuchsverfahren habe die Mieterin unstreitig nicht teilgenommen und sei daher zur Anfechtung des Bauabschlags nicht legitimiert gewesen. Der Rückbau einer illegalen Baute stelle dagegen kein Bauprojekt im Sinne des kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG/SZ) dar und müsse nicht publiziert werden. Es sei jedoch zu prüfen, ob die Mieterin in das Verfahren der Wiederherstellung (Rückbau) hätte einbezogen werden müssen. Dies verneinte das Verwaltungsgericht, da der Rückbau die Situation der Mieterin als Mieterin nur marginal beeinflusse und sie materiell nicht derart betroffen sei, dass sie sich am Wiederherstellungsverfahren hätte beteiligen können müssen. Die Beschwerdelegitimation sei im Ergebnis zu Recht verneint worden.
4. Massgebende Rügen vor Bundesgericht
Die Beschwerdeführerin (Mieterin) rügt vor Bundesgericht in erster Linie, dass das Rückbaugesuch hätte publiziert werden müssen und sie daher an der Teilnahme am Verfahren gehindert worden sei. Im Zentrum steht jedoch die Rüge, ihre Beschwerdelegitimation als Mieterin und Nutzerin des Stegs sei zu Unrecht verneint worden, da sie vom Rückbau mehr als nur marginal betroffen sei.
5. Würdigung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte primär die Frage der Beschwerdelegitimation der Mieterin zur Anfechtung des Rückbauentscheids. Rügen betreffend die Verweigerung der Baubewilligung selbst oder die Zuständigkeit des Regierungsrats wurden als ungenügend begründet abgewiesen (E. 3.3 f.).
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Beschwerdelegitimation (E. 4):
- Das BG rekapituliert die Grundsätze der Beschwerdelegitimation nach Art. 89 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 111 BGG und Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG. Zur Beschwerde ist berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit dazu hatte, durch den Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung hat. Eine besondere Betroffenheit liegt vor, wenn der Beschwerdeführer stärker als eine beliebige Drittperson betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht. Ein praktischer Nutzen aus dem Prozessausgang ist erforderlich. Ein bloss mittelbares Interesse genügt grundsätzlich nicht (E. 4.4).
- Für Nachbarn wird die Legitimation bei Immissionen bejaht (BGE 136 II 281). Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch für Mieter (BGE 131 III 414). Das BG verweist auf eigene Urteile, die die Legitimation von Mietern bejahten, etwa gegen die Errichtung von Parkplätzen mit Lärmimmissionen und Gartenverkleinerung (Urteil 1C_572/2011), oder gegen lärmige Renovationsarbeiten (Urteil 1C_206/2019). Die Legitimation wurde dagegen verneint, wo keine substantielle Beeinträchtigung der Mietnutzung dargelegt wurde (Urteil 1C_145/2022 bei geringfügiger Landabtretung).
- Das BG unterscheidet Fälle, in denen der Mieter gegen den Adressaten des Entscheids (meist Vermieter) vorgeht, von Fällen, in denen er zugunsten des Adressaten ("pro Adressat") interveniert. Im letzteren Fall werden in der Regel strengere Anforderungen gestellt. Ein blosses Vertragsverhältnis genügt nicht, wenn der Nachteil nur mittelbar ist (z.B. Weiterverrechnung einer Gebühr, Urteil 2C_76/2022; Verkauf der Wohnung, Urteil 2A.220/2005).
- Die Legitimation wurde jedoch bejaht, wenn der Mieter durch die behördliche Anordnung in besonderem Masse und unmittelbar betroffen war (z.B. Stromsperre wegen Schulden des Vermieters, BGE 137 I 120; Räumungsbefehl gegen den Vermieter einer illegalen Wohnung, wenn dieser die Mieter kurzfristig trifft, Urteil 1C_293/2018; Nutzungsverbot für Pferdestallungen, das zur Kündigung von Pensionsverträgen zwingt, Urteil 1C_66/2021).
- Auch unter altem Recht (OG) wurde die Legitimation von Mietern bejaht, wenn sie in ihren Rechten als Mieter, namentlich ihrem Besitz, betroffen waren, z.B. bei Nutzungsverboten, welche die Nutzung des Mietobjekts beschränken (BGE 105 Ia 43, Urteile 1P.771/2001, 1P.34/1990), oder bei der Fällung von Bäumen auf dem Mietgrundstück (Urteil P.591/1987). Aktuelle kantonale Praxis bestätigt dies für Beseitigungsanordnungen (Berner VG 100.2016.74).
- Anwendung auf den Fall (E. 4.5): Das BG kommt zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin als Mieterin des Wohngrundstücks vom Rückbau der Steganlage in besonderer Weise betroffen ist. Auch wenn der Abbruch die Nutzung des Grundstücks nur "am Rande" einschränke, bilde die Steganlage Teil des gemieteten Umschwungs. Die Beschwerdeführerin sei zumindest in tatsächlicher Hinsicht besonders betroffen. Der Steg sei nicht öffentlich zugänglich, sondern werde von ihr, ihrer Familie und Gästen genutzt, insbesondere zum Einstieg in den See. Insofern treffe sie der Wiederherstellungsbefehl unmittelbar und in besonderer Weise, "gleich oder womöglich sogar noch stärker als die Grundeigentümerschaft". Sie habe daher ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des Entscheids.
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Rechtliches Gehör im Wiederherstellungsverfahren (E. 5):
- Da die Beschwerdeführerin legitimiert ist, musste ihr Gelegenheit zur Beteiligung am Wiederherstellungsverfahren (Rückbau) gegeben werden.
- Das Rückbaugesuch wurde unstreitig weder publiziert noch der Mieterin zugestellt oder ihr auf andere Weise das rechtliche Gehör gewährt.
- Das BG teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Wiederherstellungsverfahren vom (erfolglosen) nachträglichen Baubewilligungsverfahren zu unterscheiden ist.
- Es sei nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen wäre, am Einspracheverfahren gegen das nachträgliche Baugesuch (das sie befürwortete) teilzunehmen, nur um ihre Rechte in einem eventuellen späteren Rückbauverfahren zu wahren.
- Unter diesen Umständen war es ihr nicht möglich, sich am erstinstanzlichen Verfahren betreffend den Rückbau des Stegs zu beteiligen.
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Fazit und Rückweisung (E. 6):
- Aufgrund der bejahten Beschwerdelegitimation und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
- Da das Verwaltungsgericht nicht über alle vom Regierungsrat genannten Nichteintretensgründe entschieden hat, wird die Sache zur Neubeurteilung (unter Beachtung der Legitimation der Mieterin) an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
- Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.
6. Kosten und Entschädigung (E. 6.2 - 6.4)
Das Bundesgericht auferlegt sowohl der Beschwerdeführerin als auch der Erbengemeinschaft geringe Gerichtskosten, da beide unnötigen Aufwand durch nicht wahrgenommene Akteneinsichtsgesuche verursacht haben. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben (Kanton und Bezirk prozessieren in amtlicher Eigenschaft). Eine Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin wird verweigert, da der Fall nicht besonders komplex war und kein aussergewöhnlicher Aufwand dargelegt oder ersichtlich ist.
7. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht hat die Beschwerdelegitimation einer Mieterin zur Anfechtung einer behördlichen Rückbauverfügung für einen Steg auf dem gemieteten Grundstück bejaht. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen ist das BG zum Schluss gekommen, dass die Mieterin als Nutzerin des Stegs und der Liegenschaft, deren Umschwung der Steg bildet, unmittelbar und besonders vom Rückbau betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung hat. Da der Mieterin im erstinstanzlichen Rückbauverfahren, das vom vorgängigen Baugesuchsverfahren zu unterscheiden ist, kein rechtliches Gehör gewährt wurde, hat das BG das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückgewiesen. Der Entscheid präzisiert die Anforderungen an die Beschwerdelegitimation von Mietern bei behördlichen Anordnungen, die die Nutzung des Mietobjekts beeinträchtigen, insbesondere im Kontext von Wiederherstellungsverfahren.