Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_61/2025 vom 6. Juni 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 5A_61/2025 des schweizerischen Bundesgerichts vom 6. Juni 2025:

1. Parteien und Verfahrensgegenstand

Das Urteil betrifft einen Rechtsstreit zwischen unverheirateten, getrennt lebenden Eltern (A._, Beschwerdeführer, Vater, und B._, Beschwerdegegnerin, Mutter) um vorsorgliche Massnahmen bezüglich der Obhut, der Betreuungsanteile und des Kindesunterhalts für ihre beiden minderjährigen Kinder.

2. Ausgangslage und Vorinstanzen

Nach der Trennung der Eltern konnte keine Einigung über die Betreuungsregelung und den Unterhalt erzielt werden. Der Vater leitete ein Verfahren auf vorsorgliche Massnahmen beim Bezirksgericht March ein. Dieses stellte die Kinder vorsorglich unter alternierende Obhut und legte die Betreuungsanteile schrittweise fest (zuerst ca. 70% Mutter/30% Vater, später 60% Mutter/40% Vater ab Januar 2025). Weiter verpflichtete das Bezirksgericht den Vater zur Zahlung von Kindesunterhalt.

Gegen diesen Entscheid legten beide Parteien Berufung beim Kantonsgericht Schwyz ein. Die Mutter beantragte weiterhin die alleinige Obhut und höhere Unterhaltsbeiträge, während der Vater im Wesentlichen hälftige Betreuungsanteile und (zumindest zeitweise) eine Unterhaltspflicht der Mutter ihm gegenüber verlangte.

Das Kantonsgericht hiess die Berufung des Vaters teilweise gut und regelte die vom Vater zu zahlenden Kindesunterhaltsbeiträge in sechs verschiedenen Phasen neu, mit jeweils angepassten Beträgen pro Kind.

3. Anrufung des Bundesgerichts und wesentliche Rügen

Der Vater gelangte mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragte im Wesentlichen die Reduktion der von ihm zu zahlenden Unterhaltsbeiträge. Der Kernpunkt seiner Beschwerde bildete die Berechnung seines Einkommens durch die Vorinstanzen.

Der Beschwerdeführer ist im Familienunternehmen seiner Eltern angestellt und arbeitet dort zu 50%. Die Vorinstanzen rechneten ihm jedoch ein höheres hypothetisches Einkommen an, basierend auf einem unterstellten Pensum von 80% (bis Ende 2024) bzw. 60% (ab 2025, angepasst an den erhöhten Betreuungsanteil) und einer Lohnberechnung mittels des Lohnrechners Salarium, da sein tatsächlich bezahlter Lohn als nicht angemessen erachtet wurde. Zusätzlich wurden ihm diverse Leistungen seiner Eltern (Wohnung, Auto, Krankenkassenprämien) als Einkommen angerechnet (was spiegelbildlich in seinem Bedarf berücksichtigt wurde).

Vor Bundesgericht focht der Vater nicht mehr die Anrechnung eines höheren Pensums oder die Berücksichtigung der weiteren Leistungen der Eltern an. Seine zentrale Rüge richtete sich gegen die Anrechnung eines hypothetischen Lohns, der anhand von Salarium ermittelt wurde, anstatt einfach seinen tatsächlichen Lohn auf das unterstellte Pensum hochzurechnen. Er machte geltend, es sei ihm nicht möglich und zumutbar, in der Familienunternehmung einen höheren Lohn als den tatsächlich bezahlten zu erzielen. Er rügte in diesem Zusammenhang insbesondere eine willkürliche Anwendung von Art. 8 ZGB (Beweislast), eine Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) und diverse weitere Verfassungsrechte (Art. 10, 14, 26, 27 BV) sowie Art. 11 des UNO-Pakts I.

4. Prüfung der Rügen durch das Bundesgericht und rechtliche Würdigung

Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde gestützt auf Art. 98 BGG. Gemäss dieser Bestimmung kann gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen grundsätzlich nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Solche Rügen müssen gemäss dem strengen Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG detailliert begründet und, soweit möglich, belegt werden. Reine appellatorische Kritik oder unsubstanziierte Sachverhaltsdarstellungen, die von den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichen, sind unbeachtlich.

  • UNO-Pakt I: Das Bundesgericht stellte fest, dass aus Art. 11 des UNO-Pakts I grundsätzlich keine verfassungsmässigen Individualrechte abgeleitet werden können, weshalb eine darauf gestützte Rüge unzulässig ist (E. 3.2.1).
  • Weitere Verfassungsrechte (BV): Die Rüge der Verletzung anderer Verfassungsrechte (Art. 10, 14, 26, 27 BV) im Zusammenhang mit der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens wurde als nicht selbständig zu prüfend erachtet. Eine Anrechnung eines hypothetischen Einkommens verstösst nicht per se gegen diese Rechte, sofern die dafür geltenden Voraussetzungen (Zumutbarkeit und Möglichkeit der Erzielung) erfüllt sind. Die Prüfung konzentrierte sich daher darauf, ob die Vorinstanz diese Voraussetzungen willkürlich bejahte (E. 3.2.2).
  • Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV): Das Bundesgericht verneinte eine Verletzung der Begründungspflicht. Die Vorinstanz habe die für ihren Entscheid wesentlichen Überlegungen dargelegt und ihre Schlüsse begründet. Sie musste nicht jedes einzelne Vorbringen des Beschwerdeführers im Detail widerlegen (E. 4).
  • Voraussetzungen der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens (E. 5.1 ff.):

    • Grundprinzip: Unterhaltspflichtige Eltern sind zur vollen Ausschöpfung ihrer Erwerbskraft verpflichtet. Ein hypothetisches Einkommen kann angerechnet werden, wenn es zu erzielen zumutbar und möglich ist. Die Zumutbarkeit der aufzunehmenden Tätigkeit ist Rechtsfrage, die Möglichkeit der Erzielung des angenommenen Einkommens ist Tatfrage.
    • Erfordernis eines Mankos: Der Beschwerdeführer argumentierte, ein hypothetisches Einkommen könne nur bei einer Unterdeckung angerechnet werden, was die Vorinstanz nicht geprüft habe. Das Bundesgericht wies dies zurück. Erstens hätte der Beschwerdeführer diesen Einwand bereits vor der Vorinstanz erheben müssen, da die Erstinstanz das hypothetische Einkommen bereits anrechnete (mangelnde materielle Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG). Zweitens ergab selbst die Berechnung des Beschwerdeführers ein Manko in fast allen Phasen, was seine Argumentation inhaltlich infrage stellte. Seine weiteren Ausführungen zum Manko im Zusammenhang mit der Privatschule wurden ebenfalls als neu und unzulässig qualifiziert (E. 5.2).
    • Zumutbarkeit und Möglichkeit im Familienunternehmen: Der Beschwerdeführer bestritt die Zumutbarkeit und Möglichkeit, im Familienunternehmen den von der Vorinstanz angenommenen Lohn zu erzielen. Die Vorinstanz hatte dies explizit als möglich und zumutbar erachtet.
    • Beweislast (Art. 8 ZGB): Der Beschwerdeführer rügte eine willkürliche Umkehr der Beweislast. Zwar trägt im Unterhaltsprozess grundsätzlich die Partei, die ein hypothetisches Einkommen geltend macht (hier die Mutter/Beschwerdegegnerin), die Beweislast für dessen Möglichkeit und Zumutbarkeit. Das Bundesgericht stellte jedoch klar, dass die Vorinstanz nicht wegen Beweislosigkeit entschied, sondern aufgrund ihrer Beweiswürdigung zum Schluss kam, dass der Beschwerdeführer das Einkommen tatsächlich erzielen kann. Dem Beschwerdeführer oblag eine Behauptungs- und Substanziierungsobliegenheit, d.h., er hätte im kantonalen Verfahren konkret darlegen müssen, warum er das angenommene Einkommen im Familienunternehmen nicht erzielen könne und welches Einkommen ihm möglich und zumutbar sei. Dies hat er nach eigener Aussage nicht getan. Seine erst vor Bundesgericht vorgebrachten detaillierten Ausführungen dazu sind mangels Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs unzulässig (E. 5.3.3). Die Vorinstanz habe weder Art. 8 ZGB willkürlich angewendet noch eine Rechtsverweigerung begangen.
    • Salarium-Berechnung: Der Beschwerdeführer kritisierte die konkrete Anwendung des Salarium-Lohnrechners und insbesondere die Einstufung als "Kader". Das Bundesgericht hielt fest, dass er sich nicht substanziiert mit den vorinstanzlichen Erwägungen auseinandersetze und seine Argumentation auf einem vom angefochtenen Entscheid abweichenden Sachverhalt basiere, ohne zulässige Sachverhaltsrügen zu erheben. Insbesondere habe die Vorinstanz die Einstufung als Kader u.a. auf das LinkedIn-Profil des Beschwerdeführers gestützt, wo er als Mitglied der Geschäftsleitung geführt sei (E. 5.4).
    • Anrechnung weiterer Leistungen: Auch wenn der Beschwerdeführer im Grundsatz der Anrechnung der weiteren Leistungen der Eltern zum Einkommen zustimmte, kritisierte er dies im Zusammenhang mit der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens. Das Bundesgericht wies diese Rüge mangels zulässiger verfassungsrechtlicher Rügen ebenfalls zurück (E. 5.5).
  • Weitere Berechnungen: Da keine Verfassungsverletzungen im Zusammenhang mit der Einkommensermittlung festgestellt werden konnten, erübrigte sich eine Prüfung der weiteren Rügen des Beschwerdeführers zur konkreten Unterhaltsberechnung (E. 5.6).

5. Ergebnis des Bundesgerichts

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der Beschwerdegegnerin wurde keine Parteientschädigung zugesprochen, da ihr kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstand.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Das Bundesgericht bestätigte die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens an den unterhaltspflichtigen Vater, basierend auf einem unterstellten Arbeitspensum und einer Lohnberechnung mittels Salarium, da sein tatsächlicher Lohn im Familienunternehmen als nicht angemessen erachtet wurde.
  • Gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen ist die Beschwerde in Zivilsachen auf die Rüge verfassungsmässiger Rechte beschränkt (Art. 98 BGG, strenges Rügeprinzip Art. 106 Abs. 2 BGG).
  • Die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens selbst verletzt die gerügten Verfassungsrechte (Art. 10, 14, 26, 27 BV) nicht per se, sofern die Voraussetzungen (Zumutbarkeit und Möglichkeit der Erzielung) erfüllt sind.
  • Das Bundesgericht bekräftigte die Rechtsprechung zur Beweislast (grundsätzlich fordernde Partei) und zur Substantiierungsobliegenheit (Partei, die hypothetisches Einkommen bestreitet) im Zusammenhang mit hypothetischem Einkommen. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit der Erzielung des Einkommens im Familienunternehmen vor der Vorinstanz nicht rechtsgenüglich bestritten bzw. seine Rügen vor Bundesgericht nicht prozesskonform erhoben hatte (mangelnde Sachverhaltsrügen gegen Beweiswürdigung, Nichtausschöpfung des Instanzenzugs).
  • Rügen betreffend die Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) und die konkrete Berechnung (z.B. Einstufung als Kader) wurden mangels substanziierter Argumentation oder zulässiger Sachverhaltsrügen abgewiesen.