Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_91/2025 vom 23. Mai 2025

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Absolut. Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (4A_91/2025):

Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 4A_91/2025 vom 23. Mai 2025

1. Einleitung

Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_91/2025 vom 23. Mai 2025 befasste sich mit einer Beschwerde in Zivilsachen gegen ein Urteil des Bundespatentgerichts. Gegenstand des Verfahrens war die Frage der Nichtigkeit des schweizerischen Teils des europäischen Patents EP xxx (im Folgenden: Streitpatent) wegen angeblich fehlender erfinderischer Tätigkeit. Die Beschwerdeführerin, Inhaberin des Streitpatents, wehrte sich gegen die Nichtigkeitsfeststellung durch die Vorinstanz. Die Beschwerdegegnerin, ein Generikaunternehmen, hatte die Nichtigkeitsklage ursprünglich eingereicht.

2. Streitgegenstand und Vorgeschichte

Das Streitpatent EP xxx wurde am 19. Januar 2006 angemeldet und beansprucht ein Dosierungsschema für den Wirkstoff Rivaroxaban, einem direkten Faktor Xa-Inhibitor zur Behandlung thromboembolischer Erkrankungen. Anspruch 1 des Streitpatents ist als schweizerische Anspruchsfassung ("Swiss type claim") formuliert und betrifft die Verwendung einer schnell freisetzenden Tablette von Rivaroxaban zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung thromboembolischer Erkrankungen, das nicht mehr als einmal täglich (od) für mindestens fünf aufeinanderfolgende Tage verabreicht wird, wobei der Wirkstoff eine Plasma-Halbwertszeit von höchstens 10 Stunden aufweist.

Der Wirkstoff Rivaroxaban als solcher war durch ein älteres Grundpatent geschützt, das bereits abgelaufen ist. Das Streitpatent schützt somit nicht den Wirkstoff oder eine erstmalige medizinische Indikation, sondern ein spezifisches Verabreichungsregime (Dosierungshäufigkeit und Darreichungsform).

Das Bundespatentgericht hatte in erster Instanz das Streitpatent für nichtig erklärt, da es Anspruch 1 an erfinderischer Tätigkeit mangele. Auch die elf von der Beklagten (nun Beschwerdeführerin) gestellten Hilfsanträge wurden mangels erfinderischer Tätigkeit, insbesondere wegen fehlender rechtzeitiger Substantiierung, als nicht rechtsbeständig erachtet. Gegen dieses Urteil richtete sich die Beschwerde an das Bundesgericht.

3. Rechtlicher Rahmen: Erfinderische Tätigkeit

Das Bundesgericht wendet zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die Kriterien des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) an, die auch im schweizerischen Patentrecht (PatG) verankert sind (Art. 56 EPÜ 2000 i.V.m. Art. 1 Abs. 2 PatG). Eine Erfindung gilt als nicht patentierbar, wenn sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Entscheidend ist, ob ein durchschnittlich gut ausgebildeter Fachmann des einschlägigen Gebiets gestützt auf den Stand der Technik und sein allgemeines Fachwissen die beanspruchte Lösung ohne zusätzlichen schöpferischen Aufwand hätte finden können (BGE 138 III 111 E. 2.1).

Zur Vermeidung einer rückschauenden Betrachtungsweise (Ex-post-Betrachtung) empfiehlt das Bundesgericht den vom Europäischen Patentamt entwickelten "Aufgabe-Lösungs-Ansatz" (BGE 138 III 111 E. 2.2; BGE 144 III 337 E. 2.2.1). Dieser Ansatz umfasst drei Schritte: a) Ermittlung des nächstliegenden Stands der Technik. b) Formulierung der objektiven technischen Aufgabe basierend auf den Unterschieden zwischen dem nächstliegenden Stand der Technik und der beanspruchten Erfindung. c) Beurteilung, ob die beanspruchte Lösung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik hervorgeht, wobei ein Anlass ("motivation") und eine begründete Erfolgserwartung ("reasonable expectation of success") geprüft werden.

4. Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüfte die Anwendung des "Aufgabe-Lösungs-Ansatzes" durch die Vorinstanz.

4.1. Nächstliegender Stand der Technik (Schritt 1)

Die Vorinstanz wählte als Ausgangspunkt des nächstliegenden Stands der Technik das Abstract #3003 von Harder et al. und das zugehörige Poster ("Harder Poster"). Die Beschwerdeführerin rügte, die Vorinstanz habe rechtsfehlerhaft zwei verschiedene Publikationen kombiniert. Das Bundesgericht wies diese Rüge als unzulässig zurück, da die Beschwerdeführerin selbst zugestanden habe, dass die Vorinstanz den Offenbarungsgehalt dieser Publikationen richtig beschrieben und die objektive technische Aufgabe korrekt formuliert habe. Es fehle an einem schutzwürdigen Interesse, da die angebliche Rechtsverletzung keine nachteiligen Folgen gehabt habe. Zudem bestätigte das Bundesgericht, dass die Vorinstanz überzeugend begründet habe, weshalb die beiden Dokumente im vorliegenden Fall ausnahmsweise als Einheit betrachtet werden könnten.

4.2. Objektive technische Aufgabe (Schritt 2)

Die Vorinstanz formulierte die objektive technische Aufgabe als: "die Bereitstellung eines Behandlungsregimes zur sicheren und wirksamen Prophylaxe oder Behandlung thromboembolischer Krankheiten mittels Rivaroxaban in oraler Darreichungsform [...]." Die Beschwerdeführerin akzeptierte diese Formulierung als zutreffend.

4.3. Beurteilung des Naheliegens (Schritt 3)

Dies war der zentrale Streitpunkt. Die Beschwerdeführerin warf der Vorinstanz vor, bei der Prüfung des Naheliegens von der korrekt formulierten objektiven technischen Aufgabe abgewichen zu sein und eine unzulässige Ex-post-Betrachtung vorgenommen zu haben. Konkret beanstandete sie, die Vorinstanz habe in E. 50 die Frage gestellt, "ob die Fachperson eine Phase II-Studie mit einer nur einmal täglich zu verabreichenden schnell freisetzenden Darreichungsform (Tablette) von Rivaroxaban durchgeführt hätte". Diese Frage enthalte bereits Lösungselemente des Streitpatents.

Das Bundesgericht wies diesen Vorwurf zurück. Es stellte fest, dass diese beanstandete Fragestellung in E. 50 der Vorinstanz inhaltlich exakt derjenigen entsprach, welche die Beschwerdeführerin selbst in ihren vorinstanzlichen Rechtsschriften formuliert hatte. Es sei widersprüchlich und mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 52 Abs. 1 ZPO) unvereinbar, wenn die Beschwerdeführerin der Vorinstanz nun vorwerfe, ohne Begründung eine andere Aufgabe formuliert zu haben, nachdem sie die entsprechende Frage selbst mehrfach aufgeworfen hatte. Das Bundesgericht sah darin keine Formulierung einer neuen objektiven technischen Aufgabe, sondern eine naheliegende Zwischenüberlegung im Rahmen der Prüfung des Naheliegens. Es fehle der Nachweis eines rechtsverletzenden methodischen Vorgehens.

Weiter rügte die Beschwerdeführerin die angebliche "rechtsverletzende Annahme eines Erfahrungssatzes, dass eine einmal tägliche Verabreichung eines Medikaments angeblich immer vorteilhaft sei". Das Bundesgericht verwarf auch diese Rüge. Die Vorinstanz habe nicht gesagt, dass die od-Verabreichung immer vorteilhaft sei, sondern dass sie immer im Fokus des Fachmanns stehe, was sie mit besserer Einnahmedisziplin und daraus resultierender höherer Behandlungssicherheit begründet habe. Diese Annahme sei im Grundsatz zutreffend und wurde zudem von der Beschwerdeführerin selbst vor der Vorinstanz vertreten. Entscheidend sei aber, dass die Vorinstanz das Naheliegen bereits aufgrund des eindeutigen Hinweises im Stand der Technik bejaht hatte. Die Annahme zur od-Verabreichung diente lediglich als Bekräftigung dieses Ergebnisses. Selbst bei Annahme einer "rechtsverletzenden" Annahme (quod non) wäre diese somit nicht entscheidrelevant gewesen.

Das Bundesgericht schloss sich der Beurteilung der Vorinstanz an, wonach sich bereits im nächstliegenden Stand der Technik (Harder Poster/Abstract #3003) ein unmissverständlicher Hinweis darauf finde, dass Rivaroxaban (als schnell freisetzende Tablette, wie dem Fachmann bekannt) wohl zur einmal täglichen Verabreichung geeignet sei. Ein derart eindeutiger Hinweis zur Weiterentwicklung des Stands der Technik genüge nach ständiger Praxis, um eine Erfindung als naheliegend zu betrachten.

5. Behandlung der Hilfsanträge

Die Beschwerdeführerin hatte im vorinstanzlichen Verfahren elf Hilfsanträge zur Aufrechterhaltung des Patents in eingeschränkter Form gestellt. Die Vorinstanz lehnte diese ab, da die Beschwerdeführerin nicht rechtzeitig begründet habe, inwiefern die durch die Einschränkungen eingeführten Unterscheidungsmerkmale über den erteilten Anspruch 1 hinaus auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Die entsprechenden Ausführungen in der Stellungnahme zum Fachrichtervotum seien verspätet erfolgt (nach Aktenschluss).

Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und von Art. 8 ZGB. Sie argumentierte, sie habe in der Duplik lediglich die Zulässigkeit der Hilfsanträge darlegen müssen (Art. 24 PatG), nicht aber deren erfinderische Tätigkeit. Da die Beschwerdegegnerin die fehlende erfinderische Tätigkeit der Hilfsanträge erst später moniert habe, sei ihre Substantiierung in der Stellungnahme zum Fachrichtervotum zulässig gewesen.

Das Bundesgericht wies diese Rüge zurück. Es bestätigte die vorinstanzliche Feststellung, dass die Beschwerdeführerin die Hilfsanträge als Reaktion auf die bereits in Klage und Replik substantiierten Nichtigkeitsgründe der fehlenden erfinderischen Tätigkeit und mangelnden Offenbarung einbrachte. Wenn sie auf diese Angriffe reagieren und das Patent in modifizierter Form verteidigen wollte, hätte sie bereits mit dem Einbringen der Hilfsanträge in der Duplik substantiieren müssen, weshalb die eingeschränkten Fassungen diesen bereits erhobenen Nichtigkeitsargumenten standhalten, d.h., weshalb sie auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Die Vorinstanz habe demnach weder das rechtliche Gehör noch Art. 8 ZGB verletzt, indem sie die nach Aktenschluss vorgebrachten Ausführungen als verspätet unberücksichtigt liess.

Mangels rechtzeitiger Substantiierung der erfinderischen Tätigkeit der eingeschränkten Anspruchsfassungen durch die Beschwerdeführerin hielt der Schluss der Vorinstanz, wonach auch die Fassungen gemäss den Hilfsanträgen mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig seien, der bundesrechtlichen Überprüfung stand.

6. Ergebnis

Das Bundesgericht bestätigte das Urteil des Bundespatentgerichts. Die Beschwerde wurde abgewiesen. Das Streitpatent EP xxx wurde aufgrund fehlender erfinderischer Tätigkeit als nichtig erklärt.

7. Wesentliche Punkte

  • Das Bundesgericht bestätigt die Nichtigkeitserklärung des Streitpatents EP xxx durch die Vorinstanz wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit des Anspruchs 1.
  • Die Anwendung des "Aufgabe-Lösungs-Ansatzes" durch die Vorinstanz wird als rechtskonform erachtet.
  • Die Rüge der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe bei der Prüfung des Naheliegens eine unzulässige Ex-post-Betrachtung vorgenommen, wird zurückgewiesen, insbesondere da die beanstandete Fragestellung von der Beschwerdeführerin selbst in den Prozess eingebracht wurde.
  • Die Annahme der Vorinstanz, eine einmal tägliche Verabreichung stehe wegen besserer Compliance und daraus resultierender höherer Sicherheit im Fokus des Fachmanns, wird als zulässige und lediglich bekräftigende Überlegung im Rahmen der Naheliegenprüfung bestätigt.
  • Das Bundesgericht bekräftigt, dass ein eindeutiger Hinweis im Stand der Technik, der zur erfindungsgemässen Lösung führt, ausreicht, um Naheliegen zu bejahen.
  • Die Hilfsanträge wurden zu Recht als nicht rechtsbeständig erachtet, da die Beschwerdeführerin die erfinderische Tätigkeit der eingeschränkten Anspruchsfassungen nicht rechtzeitig (d.h. spätestens mit Einreichung der Hilfsanträge in der Duplik als Reaktion auf die Nichtigkeitsklage) substantiiert hatte. Nach Aktenschluss erfolgte Substantiierung wurde zu Recht als verspätet unberücksichtigt gelassen.

Das Urteil bekräftigt die Methodik zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach schweizerischem Recht in Anlehnung an die Praxis des Europäischen Patentamts und präzisiert die Anforderungen an die prozessuale Substantiierung von Hilfsanträgen im Nichtigkeitsverfahren, insbesondere im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit.