Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_61/2023 vom 3. Juni 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 7B_61/2023 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 3. Juni 2025:

Bundesgerichtsurteil 7B_61/2023 vom 3. Juni 2025

Gegenstand: Einstellungsverfügung Beschwerde gegen: Entscheid der Chambre pénale de recours des Kantons Genf vom 7. Februar 2023

I. Sachverhalt

Die vorliegende Strafuntersuchung (P/12242/2018) wurde vom Genfer Ministère public gegen B._ (die Intimée) wegen Urkundenfälschung und Mittäterschaft/Gehilfenschaft zur Geldwäscherei eröffnet. Sie steht im Zusammenhang mit einem grösseren Verfahren (P_1) gegen B.__s Ehemann, C._, das von A._ (dem Beschwerdeführer), einem Aktionär und Verwaltungsrat der Gesellschaft D._ SA, wegen Betrugs, subsidiär Untreue oder ungetreuer Geschäftsbesorgung, Geldwäscherei, Urkundenfälschung und versuchter Erpressung/Nötigung initiiert wurde.

In Verfahren P_1 wurde C._ im Wesentlichen vorgeworfen, A._ durch falsche Dokumente zur Annahme verleitet zu haben, er sei 50%-Aktionär der Gesellschaft, sich später als Alleinaktionär ausgegeben zu haben, um Gesellschaftsvermögen und Aktien zu übernehmen (einschliesslich zweier Inhaberaktienzertifikate), A._ zu Zahlungen an die Gesellschaft veranlasst zu haben, indem er z.B. eine Kapitalerhöhung vortäuschte, Gelder vom Gesellschaftskonto auf sein Privatkonto transferiert zu haben, sich in Dokumenten fälschlicherweise als Aktionär ausgewiesen zu haben und versucht zu haben, A._ durch Kündigung und Denunziation bei den Behörden aus der Schweiz ausweisen zu lassen.

Im Verfahren P/12242/2018 warf A._ der Intimée B._ vor, eine massgebliche Rolle bei den von ihrem Ehemann begangenen Delikten gespielt zu haben. Konkret ging es um Dokumente im Verfahren P_1, die angeblich gefälscht waren, sowie um den Erwerb einer Wohnung mit Geldern, die C._ angeblich veruntreut hatte (Geldwäscherei). Später beantragte A._ eine Ausweitung der Untersuchung gegen B.__ auf Falschaussage (bezüglich ihrer Einvernahme im Verfahren P_1) und Prozessbetrug.

Am 18. August 2022 verfügte das Ministère public die Einstellung des Verfahrens gegen B._ und wies die Beweisanträge von A._ ab.

II. Kantonales Verfahren

A._ erhob gegen die Einstellungsverfügung Beschwerde bei der Chambre pénale de recours des Genfer Cour de justice. Diese erklärte die Beschwerde mit Entscheid vom 7. Februar 2023 als unzulässig (irrecevable). Die Begründung war, dass A._ kein rechtlich geschütztes Interesse (intérêt juridique protégé) an der Beschwerde gegen die Einstellung hatte. Die von ihm angezeigten Sachverhalte (Urkundenfälschung, Mittäterschaft/Gehilfenschaft zur Geldwäscherei, Falschaussage), die von B._ begangen worden sein sollen, bezögen sich auf die Delikte der Untreue und Geldwäscherei – Gegenstand des Verfahrens P_1 –, die ausschliesslich zum Nachteil des Gesellschaftsvermögens der D._ SA begangen worden seien. Eine Identität mit dem Vermögen des Beschwerdeführers sei in den Vorverfahren ausdrücklich ausgeschlossen worden.

III. Bundesgerichtsverfahren

A._ legte gegen den kantonalen Entscheid Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein. Er beantragte im Wesentlichen die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Anweisung an das Ministère public, B._ wegen Mittäterschaft/Gehilfenschaft zur Geldwäscherei und Urkundenfälschung anzuklagen.

Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der Beschwerde von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG).

1. Zulässigkeit der Beschwerde vor Bundesgericht

Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat und ein rechtliches Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des angefochtenen Entscheids hat. Das Bundesgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer als Partei am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat.

Unabhängig von den Kriterien gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG kann eine Partei auch eine Verletzung ihrer Parteirechte, die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt, geltend machen. Dazu gehört insbesondere der Fall, dass die Vorinstanz eine kantonale Beschwerde wegen fehlender Beschwerdelegitimation als unzulässig erklärt hat (Verweis auf neuere Bundesgerichtsentscheide 7B_654/2023, 7B_19/2022, 7B_11/2023). Da die kantonale Instanz die Beschwerde von A.__ genau aus diesem Grund als unzulässig erklärt hatte, war er berechtigt, dies vor Bundesgericht anzufechten.

Allerdings ist das Bundesgericht in diesem Stadium auf die Prüfung der Zulässigkeit der kantonalen Beschwerde beschränkt. Es hat sich nicht mit der Begründetheit (dem materiellen Entscheid) der Einstellungsverfügung auseinanderzusetzen (Verweis auf neuere Bundesgerichtsentscheide 7B_654/2023, 7B_851/2024). Daher sind die Anträge und Ausführungen des Beschwerdeführers, die sich auf die Begründetheit der Einstellungsverfügung beziehen (z.B. Verletzung von Art. 319 StPO, Art. 251 StGB, Art. 307 StGB, Notwendigkeit weiterer Abklärungen, Verweigerung der Anklageerhebung gegen B.__), unzulässig, da sie untrennbar mit der materiellen Frage verbunden sind. Gleiches gilt für Rügen der Verletzung des rechtlichen Gehörs oder des Willkürverbots, soweit sie sich auf die Feststellung von Tatsachen beziehen, die den materiellen Aspekt betreffen.

2. Sachverhaltliche Grundlage

Das Bundesgericht legt seinem Entscheid den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz (kantonalen Gericht) festgestellt wurde. Abweichende Darstellungen des Beschwerdeführers werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie würden explizit als willkürlich gerügt (Art. 97, 106 Abs. 2 BGG).

3. Beschwerdelegitimation (Qualität als Lésé/Geschädigter)

Dies ist der zentrale rechtliche Prüfpunkt des Bundesgerichts.

  • Rechtliche Grundlagen:

    • Art. 382 Abs. 1 StPO: Beschwerdelegitimation hat, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Entscheids hat. Dies gilt insbesondere für den Geschädigten (Lésé), der sich als Zivilkläger konstituiert hat.
    • Art. 115 StPO: Geschädigt ist jede Person, deren Rechte durch die Straftat unmittelbar beeinträchtigt worden sind. In der Regel ist dies der Inhaber des durch die Strafnorm geschützten Rechtsguts (ATF 141 IV 1 E. 3.1).
    • Wenn die Norm nicht in erster Linie Individualrechtsgüter schützt, ist nur geschädigt, wessen Rechte durch die Straftat beeinträchtigt sind, sofern die Beeinträchtigung als direkte Folge des Täterverhaltens erscheint. Es genügt, wenn das individuelle Rechtsgut, dessen Verletzung der Geschädigte geltend macht, nur sekundär oder akzessorisch geschützt ist. Wer nur mittelbar von einer Straftat betroffen ist, die nur öffentliche Interessen verletzt, ist kein Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts (ATF 147 IV 269 E. 3.1).
  • Anwendung auf die im Sachverhalt genannten Delikte:

    • Art. 251 StGB (Urkundenfälschung): Schützt das besondere Vertrauen im Rechtsverkehr in die Beweiseignung einer Urkunde sowie die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs (ATF 142 IV 119 E. 2.2). Sie kann auch individuelle Interessen verletzen, wenn sie darauf abzielt, einem Einzelnen Schaden zuzufügen (ATF 140 IV 155 E. 3.3.3). Dies ist der Fall, wenn die Fälschung Teil eines Vermögensdelikts ist; die Person, deren Vermögen bedroht oder geschädigt ist, hat dann die Geschädigtenstellung (ATF 148 IV 170 E. 3.5.1).
    • Art. 305bis StGB (Geldwäscherei): Schützt in erster Linie die Rechtspflege (Staatsinteresse an der Einziehung). Zusätzlich schützt die Norm die Vermögensinteressen der durch das Vortatdelikt Geschädigten, wenn die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte aus Vermögensdelikten stammen (ATF 146 IV 211 E. 4.2.1; 145 IV 335 E. 3.1). Wenn die Vortat individuelle Vermögensrechte verletzte, kann die Geldwäschereihandlung die Interessen des Geschädigten gefährden, sein Gut im Rahmen der Rückgabe an den Geschädigten (Art. 70 Abs. 1 in fine StGB) oder der Zuweisung des Einziehungsertrags an ihn (Art. 73 Abs. 1 lit. b StGB) zurückzuerhalten. Der Geschädigte der Vortat kann daher vom Geldwäscher Schadenersatz aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 OR verlangen (Verweis auf 6B_931/2020).
    • Art. 307 StGB (Falschaussage): Schützt in erster Linie die Rechtspflege und die materielle Wahrheitssuche (ATF 141 IV 444 E. 3.2). Die Norm schützt auch die Privatinteressen der Parteien in gewissem Umfang (ATF 141 IV 444 E. 3.2). Die Rechtsprechung anerkennt, dass diese Bestimmung sekundär (und nicht nur indirekt) die Rechte einer Partei im Verfahren schützt, sodass diese als Geschädigte gelten kann. Diese Schädigung betrifft jedoch im Wesentlichen die Verfahrensrechte dieser Partei (Verweis auf neuere Bundesgerichtsentscheide 6B_314/2024, 7B_40/2022, 6B_140/2022).
  • Schädigung einer juristischen Person: Wenn eine Straftat zum Nachteil des Vermögens einer juristischen Person (Gesellschaft) begangen wird, erleidet nur diese einen Schaden und hat daher die Geschädigtenstellung. Ausgeschlossen sind Aktionäre einer AG, Gesellschafter einer GmbH, wirtschaftlich Berechtigte und Gläubiger (ATF 141 IV 380 E. 2.3.3; 140 IV 155 E. 3.3.1; Verweis auf neuere Bundesgerichtsentscheide 7B_654/2023, 7B_59/2022). Dies ist ein grundlegender Rechtssatz.

  • Anwendung auf den vorliegenden Fall (Begründung des Bundesgerichts):

    • Das Bundesgericht stützt sich auf die Feststellungen der kantonalen Vorinstanz, wonach sich die von A.__ angezeigten Sachverhalte (Falschdokumente, Falschaussagen der Intimée) auf die Delikte im Verfahren P_1 bezogen, nämlich Untreue und Geldwäscherei.
    • Die kantonale Vorinstanz hatte unter Bezugnahme auf die rechtskräftigen Urteile im Verfahren P_1 (kantonales Berufungsurteil vom 30. Januar 2020 und Bundesgerichtsurteil 6B_367/2020 - 6B_369/2020 vom 17. Januar 2022) festgestellt, dass die dort festgestellten Vermögensdelikte (Untreue, Geldwäscherei) ausschliesslich zum Nachteil des Vermögens der Gesellschaft D.__ SA begangen worden waren und eine direkte Schädigung des Vermögens des Beschwerdeführers ausdrücklich ausgeschlossen wurde (siehe Urteil der Chambre pénale d'appel et de révision vom 30. Januar 2020 E. 4.6.3 und Bundesgerichtsurteil vom 17. Januar 2022 E. 10.1 bezüglich der Veruntreuungen; siehe Urteil der Chambre pénale d'appel et de révision E. 4.6.2.1 und Bundesgerichtsurteil E. 3.2.4 bezüglich der Kapitalerhöhung).
    • Die Vorinstanz folgerte, dass selbst im Falle einer erfolgreichen Revisionsgesuchs von A._ im Verfahren P_1 oder einer Verurteilung von B._ in der vorliegenden Sache, dies nichts daran ändern würde, dass A.__ nicht direkt durch diese Straftaten geschädigt wurde, ungeachtet seiner Aktionärsstellung.
    • Das Bundesgericht bestätigt diese Schlussfolgerung. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Bundesgerichtsbeschwerde vermögen die Feststellung der Vorinstanz, dass die Schädigung ausschliesslich das Gesellschaftsvermögen betraf, nicht als willkürlich darzulegen (mangelnde genügende Begründung gemäss Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Seine pauschalen Behauptungen, die gefälschten Dokumente und falschen Aussagen der Intimée hätten die Überzeugungsbildung der Richter beeinflusst und seine Interessen beeinträchtigt, widerlegen nicht, dass die direkte Schädigung beim Gesellschaftsvermögen eingetreten ist.
    • Das Bundesgericht weist darauf hin, dass bei Schädigung des Vermögens einer Gesellschaft grundsätzlich nicht von einer Schädigung der Aktionäre ausgegangen werden kann (Grundsatz, keine Anwendung der Durchgriffstheorie im vorliegenden Kontext, Verweis auf 6B_1211/2023, ATF 141 IV 104). Die eigene Aussage des Beschwerdeführers, die Falschaussage der Intimée habe ihm "parallel" Schaden zufügen sollen, unterstützt die Annahme, dass die primäre und direkte Schädigung nicht ihn persönlich traf.
    • Auch bezüglich der Streitigkeit um das zweite Aktienzertifikat (50% der Aktien) verweist das Bundesgericht auf das Urteil in P_1, wo ein begründeter Zweifel an C._s Inhaberschaft bejaht wurde, und A._ die Willkür dieser Würdigung nicht darlegen konnte. Er legt auch vor Bundesgericht nicht dar, inwiefern die angezeigten Falschhandlungen von B._ (Verkauf von Wohnungen, finanzielle Verhältnisse des Ehepaars, Investitionen von C._) die konkrete Würdigung zur Inhaberschaft der Aktien auf eine Weise beeinflussen würden, die ihn als direkt geschädigt erscheinen liesse.
  • Schlussfolgerung des Bundesgerichts zur Legitimation: Der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, dass der angefochtene Entscheid, der seine kantonale Beschwerde mangels rechtlich geschützten Interesses als unzulässig erklärte, Recht verletzt.

4. Ergebnis

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie zulässig ist. Dem unterliegenden Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Unzulässigkeit der kantonalen Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Einstellungsverfügung im Verfahren gegen B._. Der entscheidende Grund dafür ist, dass der Beschwerdeführer nicht die erforderliche Beschwerdelegitimation als Geschädigter besitzt. Die von ihm angezeigten Straftaten (Urkundenfälschung, Geldwäscherei, Falschaussage) stehen im Zusammenhang mit Vermögensdelikten, die gemäss den rechtskräftigen Urteilen im parallelen Verfahren gegen B.__s Ehemann ausschliesslich das Vermögen der Gesellschaft D._ SA schädigten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei Schädigung des Vermögens einer juristischen Person nur diese und nicht ihre Aktionäre (auch nicht der Beschwerdeführer als Hauptaktionär) als Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts anzusehen, da sie nicht unmittelbar betroffen sind. Da der Beschwerdeführer keine direkte Schädigung seines persönlichen Vermögens, losgelöst vom Gesellschaftsvermögen, dartun konnte, fehlt ihm das rechtlich geschützte Interesse, die Einstellung des Verfahrens anzufechten. Das Bundesgericht konnte in diesem Stadium des Verfahrens nur die Frage der Legitimation prüfen und nicht die materielle Begründetheit der Einstellungsverfügung selbst.