Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_272/2023 vom 12. Juni 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 7B_272/2023 des Schweizerischen Bundesgerichts:

1. Einleitung

Das Urteil des Bundesgerichts (II. Strafrechtliche Abteilung) vom 12. Juni 2025 (Az. 7B_272/2023) befasst sich mit einem strafrechtlichen Fall, in dem der Beschwerdeführer (A.__) wegen Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB) und sexueller Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer focht das Urteil des Kantonsgerichts Wallis (Strafkammer I) vom 24. April 2023 an und rügte im Wesentlichen eine Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo sowie Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung.

2. Sachverhalt (nach den verbindlichen Feststellungen des Kantonsgerichts)

Das Kantonsgericht legte folgenden Sachverhalt zugrunde, der für das Bundesgericht, soweit nicht willkürlich, verbindlich ist: Im Sommer 2019 nahm der 1999 geborene A._ Kontakt mit der 2004 geborenen B._ über soziale Netzwerke auf. B._ gab an, 15 Jahre alt zu sein. Sie trafen sich am 29. Oktober 2019. Im Fahrzeug des A._ in der Nähe von C._ kam es zunächst zu einem gegenseitigen Kuss, den B._ erwiderte. B._ erklärte sich bereit, auf den Rücksitz zu wechseln, da sie dachte, es würde ein Moment der Zärtlichkeit, aber keine sexuelle Beziehung folgen. Dort angekommen, zog A._ ihr jedoch Hemd und BH aus, obwohl sie "nein" sagte und Ablehnung zeigte. Er streichelte ihre Brüste, obwohl sie ihn bat aufzuhören, da es ihr weh tat. Er zog ihr auch die Strumpfhose aus, obwohl sie "nein" sagte und weinte. Anschliessend entkleidete sich A._ vollständig, führte seine Finger in die Vagina von B._ ein, obwohl sie "nein" und "halte an" sagte. Trotz ihrer Gegenwehr und nachdem er ein Kondom übergezogen hatte, drang A._ mit seinem Penis vaginal in sie ein. B._ wollte sich wehren, war aber erstarrt und konnte sich nicht bewegen, da A._ ihre Hüften festhielt. Sie gab vor, noch Jungfrau zu sein, um ihn zu stoppen. Nach der Penetration forderte er sie auf zu lächeln und ihn zu küssen, und versuchte, ihre Hand auf seinen erigierten Penis zu legen. Nachdem sie sich wieder angezogen hatten, fuhr A._ B.__ wortlos zum Bahnhof zurück.

B._ war nach dem Vorfall aufgelöst (zerzaust, blaue Flecken unter den Augen, Kratzer im Gesicht, zerrissene Strumpfhose). Eine Kellnerin in einem Café in der Nähe des Bahnhofs bemerkte ihren Zustand. Ein Freund, den B._ kontaktierte, erkannte ebenfalls, dass sie etwas Schlimmes erlebt hatte, und nahm sie für die Nacht auf. Im November 2019 vertraute sich B._ zwei weiteren Personen an und berichtete von einem sexuellen Übergriff. Am 23. November 2019 traf sie A._ zufällig in einem Geschäft, worauf es zu einer Auseinandersetzung kam. Anschliessend erstattete B._ Anzeige bei der Polizei und zeigte Nachrichten vor, die A._ ihr geschickt hatte, in denen er jegliche sexuelle Beziehung bestritt, behauptete, Beweise für den Abend zu haben, und forderte sie auf, sich zu entschuldigen und so zu tun, als sei nichts geschehen. Am folgenden Tag wurde B.__ wegen Angstzuständen und depressiven Störungen im Zusammenhang mit einem sexuellen Übergriff ins Krankenhaus eingeliefert. Es wurde die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) infolge eines sexuellen Übergriffs gestellt.

3. Hauptargumente des Beschwerdeführers vor Bundesgericht

Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, das Kantonsgericht habe willkürlich und unter Verletzung von in dubio pro reo den Sachverhalt falsch festgestellt, indem es der Darstellung des Opfers Glauben schenkte und seine Darstellung zurückwies. Er behauptete, es habe lediglich einen unvollständigen und einvernehmlichen sexuellen Kontakt gegeben, der B.__ aufgrund ihrer Unfähigkeit zu einem vollständigen Verkehr "erschüttert" habe. Er stellte die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage und behauptete, ihre Aussagen seien widersprüchlich und ihre psychische Verfassung sowie ihr angeblich "enthemmtes sexuelles Verhalten" seien unzureichend berücksichtigt worden. Ferner bestritt er, gewusst zu haben, dass das Opfer erst fünfzehn war. Basierend auf dieser Rüge beantragte er im Ergebnis einen Freispruch von den Vorwürfen der Vergewaltigung und der sexuellen Handlungen mit Kindern sowie die Aufhebung der damit verbundenen Strafen, Massnahmen (Verbot beruflicher/organisierter Tätigkeiten mit Minderjährigen) und Zivilforderungen (Genugtuung, Verfahrenskosten).

4. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers, insbesondere die Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) und des Grundsatzes in dubio pro reo (Art. 10 StPO, Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 14 Abs. 2 UNO-Pakt II, Art. 6 Abs. 2 EMRK) bei der Beweiswürdigung.

  • Prüfungsstandard: Das Bundesgericht ist an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 LTF), es sei denn, diese wurden offensichtlich falsch oder rechtswidrig ermittelt (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 LTF), d.h. willkürlich (Art. 9 BV). Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung offensichtlich unhaltbar ist. Bei der Beweiswürdigung ist Willkür gegeben, wenn das Gericht einen stichhaltigen Beweis nicht berücksichtigt, sich über dessen Sinn und Tragweite irrt oder aus den Beweisen unhaltbare Schlussfolgerungen zieht. Die Rüge der Willkür und anderer Grundrechtsverletzungen bedarf einer präzisen Begründung (Art. 106 Abs. 2 LTF). Appellatorische Kritik, die lediglich eine abweichende eigene Würdigung vorträgt, ist unzulässig.
  • In dubio pro reo: Dieser Grundsatz bezieht sich sowohl auf die Beweislast (Anklage) als auch auf die Beweiswürdigung. Als Beweiswürdigungsregel bedeutet er, dass der Richter von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt nicht überzeugt sein darf, wenn objektiv ernsthafte und unüberwindliche Zweifel an dessen Existenz bestehen. Er hat im Rahmen der Beweiswürdigung keine über das Willkürverbot hinausgehende Bedeutung.
  • Gesamtwürdigung der Beweise: Das Bundesgericht betonte, dass es nicht genügt, einzelne Beweise isoliert zu betrachten und deren Unzulänglichkeit darzulegen, wenn die Vorinstanz ihre Überzeugung auf eine Gesamtheit konvergierender Elemente gestützt hat. Die Beweiswürdigung muss als Ganzes betrachtet werden.
  • Würdigung von Opferaussagen: Die Aussagen des Opfers sind ein Beweismittel, das der Richter frei würdigen muss. Sogenannte "Aussage-gegen-Aussage"-Konstellationen führen nicht zwingend zu einem Freispruch gestützt auf in dubio pro reo. Die endgültige Würdigung der Aussagen der Verfahrensbeteiligten obliegt dem Sachrichter.

5. Begründung des Bundesgerichts im Einzelnen

Das Bundesgericht wies die Rügen des Beschwerdeführers ab und bestätigte die Beweiswürdigung der Vorinstanz:

  • Opferaussagen: Das Kantonsgericht hatte die Aussagen von B.__ als konstant und kohärent beurteilt. Diese Beurteilung wurde durch verschiedene Elemente gestützt: ihre spontanen Eingeständnisse eigenen Fehlverhaltens, die Erwähnung von scheinbar unwichtigen Details, die Beschreibung ihres Zustands und ihrer Gefühle während und nach der Tat (Angst, Suizidgedanken, Erstarrung, Schuldgefühle). Der Bericht des Kinder- und Jugendentwicklungszentrums (CDTEA) bestätigte zudem einen spontanen, klaren und kohärenten Redefluss, was die Zuverlässigkeit erhöhte.
  • Zurückweisung der Einwände gegen die Glaubwürdigkeit des Opfers: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Zurückweisung der Argumente des Beschwerdeführers, wonach die Aussagen des Opfers widersprüchlich seien oder sie eine Neigung zum Lügen habe. Kleinere Berichtigungen und das Fehlen einer detaillierten Unterscheidung zwischen digitaler und penile Penetration wurden angesichts ihres Alters als verständlich beurteilt und untergruben nicht die Glaubwürdigkeit bezüglich der Kerngeschehnisse. Auch frühere Leiden oder sexuelle Erfahrungen des Opfers wurden zu Recht nicht als stichhaltige Gründe für eine mangelnde Zuverlässigkeit ihrer Aussage erachtet.
  • Unterstützende Beweise: Das Bundesgericht verwies auf die vom Kantonsgericht herangezogenen unterstützenden Beweise:
    • Die Zeugenaussagen der Kellnerin und des Freundes, die B.__ unmittelbar nach der Tat sahen und ihren schwer aufgelösten Zustand bezeugten. Beide waren überzeugt, dass etwas Schlimmes passiert war.
    • Die Aussagen der Personen, denen sich B.__ später anvertraute, die mit ihrer Darstellung übereinstimmten und Details enthielten, welche die Glaubwürdigkeit erhöhten.
    • Die psychischen Leiden des Opfers nach dem Vorfall, insbesondere die diagnostizierte PTBS infolge eines sexuellen Übergriffs.
  • Zurückweisung der Version des Beschwerdeführers: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Einschätzung, wonach die Version des Beschwerdeführers (unvollständiger, einvernehmlicher Sex, Erschütterung des Opfers wegen eigener Unfähigkeit) weder glaubwürdig noch mit den anderen Beweiselementen vereinbar sei. Diese Version erklärte weder den Zustand des Opfers unmittelbar nach der Tat, noch ihre Reaktionen oder ihren psychischen Distress. Die Behauptung des Beschwerdeführers, das Opfer leide an Vaginismus, fand keine medizinische Grundlage in den Akten.
  • Variierende Aussagen des Beschwerdeführers: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Aussagen des Beschwerdeführers im Gegensatz zu denen des Opfers variierten (versuchte Penetration vs. nicht einmal versucht einzudringen). Seine Aussagen widersprachen auch den Nachrichten, die er nach der zufälligen Begegnung im Geschäft an das Opfer sandte (Leugnung sexueller Beziehung, Behauptung von Beweisen, Forderung nach Entschuldigung).
  • Wissen um das Alter: Das Bundesgericht hielt fest, dass die vorinstanzliche Annahme, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass das Opfer 15 Jahre alt war, nicht willkürlich war. Die Argumentation des Beschwerdeführers, er habe wegen des angegebenen Geburtsdatums am Jahresende denken können, sie sei 16 geworden, widersprach seinen eigenen Aussagen in der Einvernahme, wonach er sich bewusst sei, "gewisse Dinge mit einem fünfzehnjährigen Mädchen unternommen zu haben".
  • Appellatorische Natur der Beschwerde: Das Bundesgericht qualifizierte die Kritik des Beschwerdeführers als weitgehend appellatorisch. Er habe lediglich versucht, seine eigene Sicht der Dinge der überzeugenden Beweiswürdigung des Kantonsgerichts entgegenzustellen, ohne aufzuzeigen, dass die Würdigung der Vorinstanz insgesamt unhaltbar sei, insbesondere angesichts der Vielzahl konvergierender Beweiselemente, die die Darstellung des Opfers stützten und seine Version widerlegten.

6. Schlussfolgerung bezüglich der Schuldsprüche

Aufgrund der Feststellung, dass die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht willkürlich erfolgte und der Grundsatz in dubio pro reo nicht verletzt wurde, bestätigte das Bundesgericht die Schuld des Beschwerdeführers für die ihm vorgeworfenen Taten (Vergewaltigung und sexuelle Handlungen mit Kindern) gemäss der Darstellung des Opfers. Die darauf basierenden Rügen gegen die Schuldsprüche wurden als unbegründet abgewiesen, da sie auf einem vom verbindlichen Sachverhalt abweichenden Geschehensablauf fussten.

7. Weitere Rügen

Der Beschwerdeführer erhob keine spezifischen Rügen gegen das Strafmass (die Dauer der Freiheitsstrafe). Seine Rügen bezüglich des Verbots beruflicher/organisierter Tätigkeiten mit Minderjährigen (Art. 67 Abs. 3 StGB) und der Zivilforderungen (Genugtuung, Verfahrenskosten zugunsten des Opfers) setzte einen Freispruch voraus, der nicht erfolgte. Diese Rügen wurden daher ebenfalls abgewiesen.

8. Nebensächliche Punkte

Die Fragen der formellen Zulässigkeit der Beschwerde und der Kostenverteilung des bundesgerichtlichen Verfahrens waren nicht entscheidend für die Begründung der Schuldsprüche und der damit verbundenen Konsequenzen und werden daher in dieser Zusammenfassung, wie verlangt, nicht vertieft behandelt, ausser dass die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt wurden, seine Armenrechtsgesuch abgelehnt und keine Parteientschädigung zugunsten der Intimierten gesprochen wurde.

9. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht wies die Beschwerde gegen das Urteil des Walliser Kantonsgerichts ab, das den Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung und sexueller Handlungen mit Kindern verurteilt hatte. Das Bundesgericht bestätigte, dass das Kantonsgericht weder willkürlich handelte noch den Grundsatz in dubio pro reo verletzte, indem es der Darstellung des Opfers als glaubwürdig befand. Die Vorinstanz stützte sich auf eine kohärente und konstante Aussage des Opfers, die durch Zeugenaussagen, Vertrauenspersonen und eine medizinische Diagnose (PTBS infolge sexuellen Übergriffs) gestützt wurde. Die gegenteilige Darstellung des Beschwerdeführers wurde als nicht glaubwürdig beurteilt, insbesondere aufgrund seiner variierenden Aussagen und der Unvereinbarkeit seiner Version mit den anderen Beweisen. Die Rügen gegen die Schuldsprüche, das Verbot der Tätigkeit mit Minderjährigen und die Zivilforderungen scheiterten, da sie auf der Annahme eines Freispruchs beruhten.