Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_545/2024 vom 26. Mai 2025:
Bundesgerichtliches Urteil 6B_545/2024 vom 26. Mai 2025
Gegenstand: Sexuelle Handlungen mit Kindern, sexuelle Nötigung, Willkür, Pflichtverteidigung, Information des Angeschuldigten, Verwertbarkeit von Beweismitteln.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer, ein Mann geboren 1992 und als Erwachsener im schulischen und Betreuungsbereich tätig, wurde vom Tribunal correctionnel des Kantons Waadt am 3. Oktober 2023 (berichtigt am 13. Oktober 2023) der sexuellen Handlungen mit Kindern (Fälle 1.1, 1.2, 3, 6, 7, 8), der sexuellen Nötigung (Fälle 1.1, 2.1, 2.2, 3, 8), der versuchten sexuellen Nötigung (Fälle 2.3, 4, 5) sowie verschiedener Pornografie-Delikte schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 60 Monaten verurteilt. Das Urteil enthielt weitere Anordnungen betreffend Haftbedingungen, ambulante psychotherapeutische Behandlung, Sicherheitshaft, lebenslanges Berufs- und Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen sowie zivilrechtliche und Kontaktverbots-Anordnungen.
Gegen dieses Urteil erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die Cour d'appel pénale des Tribunal cantonal vaudois hiess die Berufung mit Urteil vom 2. April 2024 teilweise gut. Sie sprach den Beschwerdeführer neu von sexuellen Handlungen mit Kindern (Fälle 1.2, 6, 7 – wobei für 6 und 7 der Versuch beibehalten wurde), versuchter sexueller Nötigung (Fälle 4, 5) und Pornografie (Fälle 1.4, 6, 7) frei. Im Übrigen bestätigte sie das erstinstanzliche Urteil.
Dem Urteil der Berufungsinstanz lagen im Wesentlichen folgende (für den Bundesgerichtsentscheid relevante) Feststellungen zugrunde:
* Der Beschwerdeführer leidet gemäss psychiatrischem Gutachten an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (unreife und histrionische Züge) sowie an einer hebephilen Paraphilie (sexuelle Präferenz für Jugendliche um oder kurz vor der Pubertät). Er zeigte eine leichte Beeinträchtigung der Willensfähigkeit bei Taten an Minderjährigen, keine bei Taten an jungen Erwachsenen. Das Rückfallrisiko wurde als mittel bis hoch eingeschätzt. Eine ambulante Psychotherapie wurde empfohlen.
* Fall 1.1 (K.__, geb. 2008): Der Beschwerdeführer (ihr Gymnastiklehrer) streichelte ihr im Auto zweimal die Oberschenkel. Sie sagte ihm, dass sie dies «störe».
* Fälle 2.1, 2.2, 2.3 (E.__): Der Beschwerdeführer belästigte den jungen Erwachsenen E._ massiv, forderte unter Ausnutzung dessen psychisch labiler Situation (Burnout, Probleme mit Männern aufgrund früherer Missbräuche, Eheprobleme) und unter Druck (Drohung, falsche Informationen oder erhaltene Fotos an dessen Partnerin/Angehörige weiterzugeben) Nacktfotos von ihm und nötigte ihn bei einem unangekündigten Besuch, sein Geschlechtsteil zu zeigen, sich masturbieren zu lassen und ihn (den Beschwerdeführer) oral zu befriedigen. Die Nötigung fand trotz verbalem Ablehnen des Opfers statt und endete erst durch physisches Wegstossen des Opfers. Später kontaktierte der Beschwerdeführer E._ über neue Social-Media-Konten für weitere sexuelle Konversationen und Vorschläge.
* Fall 3 (G.G.__, geb. 2008): Während der Nachhilfe streichelte der Beschwerdeführer den Bauch des Kindes (über und unter der Kleidung) und berührte zweimal dessen Geschlechtsteil über dem Unterhosen. Auf die Frage "darf ich" (das Geschlechtsteil unter der Unterhosen berühren) sagte das Kind aus Schock "ja", woraufhin der Beschwerdeführer die Berührung spontan und regelmässig fortsetzte, trotz verbalem Ablehnen des Kindes. Er verlangte auch, das Kind nackt zu sehen, und stellte sexualisierte Fragen ("hast du Lust, Liebe zu machen, hast du Lust zu lutschen"). Er bat das Kind, über die Vorfälle zu schweigen.
* Fall 5 (L.__, geb. 2005): Der Beschwerdeführer führte sexuelle Konversationen mit dem ehemaligen Schüler und nötigte ihn, ein Foto seines Geschlechtsteils zu schicken.
* Fall 6 (M.__, geb. 2008): Der Beschwerdeführer führte sexuelle Konversationen mit der minderjährigen ehemaligen Schülerin, stellte sexualisierte Fragen, machte sexuelle Angebote und versuchte, sie zu weiteren Kontakten zu bewegen, nachdem sie ihn blockiert hatte.
* Fall 7 (N.N.__, geb. 2008): Der Beschwerdeführer führte sehr insistierende sexuelle Konversationen mit der minderjährigen N.N.__, stellte sexualisierte und sehr private Fragen und verlangte Fotos von ihrem Körper, insbesondere von der Vagina (erhielt aber nur andere Fotos). Er forderte sie regelmässig auf, die Konversationen zu löschen.
* Fall 8 (B.B.__, geb. 2011): Während das Kind auf dem Sofa lag, legte der Beschwerdeführer seine Hand über die Kleidung auf den Genitalbereich. Das Kind drehte sich weg, was er beendete. Als sich das Kind zurücklegte, berührte er den Genitalbereich erneut, diesmal unter dem Pyjama, über dem Slip. Bei einem dritten Versuch wurde er vom Kind durch ein Stofftier blockiert, das es zwischen Slip und Pyjama legte. Das Kind verliess schliesslich die Stelle.
Der Beschwerdeführer focht das Berufungsurteil vor Bundesgericht an. Er beantragte primär Freispruch von den meisten Anklagepunkten (mit Verurteilung nur für Fall 3, Fall 5, Versuch Fall 7), eine bedingte oder teilbedingte Strafe, Abweisung der Zivilklagen und sofortige Entlassung. Eventualiter beantragte er die Aufhebung des Urteils und Rückweisung an die Vorinstanz. Er rügte zudem die Unverwertbarkeit seiner ersten Aussagen bei der Polizei aufgrund der Verletzung der Pflichtverteidigung und der Informationspflicht über den Anklagevorwurf.
Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:
Das Bundesgericht prüfte zunächst die Frage der Verwertbarkeit der ersten Aussagen des Beschwerdeführers bei der Polizei am 28. August 2021 (vor Eintreffen seiner Anwältin).
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Verwertbarkeit der Beweismittel (Art. 130, 131, 158, 141 StPO a.F.):
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Rechtslage (a.F.): Das Bundesgericht erläuterte die massgebenden Bestimmungen der StPO in ihrer bis 31. Dezember 2023 geltenden Fassung (a.F.), da das erstinstanzliche Urteil vor diesem Datum erging (Art. 453 Abs. 1 StPO).
- Pflichtverteidigung (Art. 130 lit. b aStPO): Obligatorisch, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme zu erwarten ist. Die Erwartung bemisst sich an der konkret zu erwartenden und nicht an der abstrakt möglichen Höchststrafe. Nachträglich prüft das Gericht anhand der tatsächlich ausgesprochenen Strafe (ATF 149 IV 196 E. 1.4).
- Einsetzung der Verteidigung (Art. 131 Abs. 1, 2 aStPO): In Fällen der Pflichtverteidigung ist dem Beschuldigten "sofort" ein Verteidiger beizugeben. Gemäss der damaligen (widersprüchlichen) Fassung von Art. 131 Abs. 2 aStPO und der dazu ergangenen Rechtsprechung war dies vor Eröffnung der Untersuchung (aber nicht zwingend bereits beim ersten polizeilichen Verhör) zu tun, wenn die Voraussetzungen bei Verfahrenseröffnung vorlagen (BGer-Praxis).
- Verwertbarkeit ohne Verteidiger (Art. 131 Abs. 3 aStPO): Vor Einsetzung eines Verteidigers erhobene Beweise, obwohl die Notwendigkeit einer Pflichtverteidigung hätte erkannt werden müssen, sind nur verwertbar, wenn der Beschuldigte auf deren Wiederholung verzichtet. Das Erfordernis der Erkennbarkeit der Pflichtverteidigung ist dabei mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, ohne jedoch übermässige Anforderungen zu stellen (BGer-Praxis). Solche Beweise sind absolut unverwertbar (Art. 141 Abs. 1 Satz 2 aStPO), wenn der Beschuldigte keinen Wiederholungsverzicht leistet.
- Information über Anklagevorwurf (Art. 158 Abs. 1 lit. a aStPO): Polizei/Staatsanwaltschaft müssen den Beschuldigten zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihm verständlichen Sprache über die Eröffnung eines Vorverfahrens und die straftatbestandmässigen Fakten informieren (vgl. auch Art. 143 Abs. 1 lit. b und c StPO). Die Information muss hinreichend konkret sein, um eine sachgerechte Verteidigung zu ermöglichen. Eine zu generische Umschreibung genügt nicht (ATF 141 IV 20 E. 1.3.3).
- Folge der Verletzung von Art. 158 Abs. 1 lit. a aStPO (Art. 158 Abs. 2 aStPO): Einvernahmen, bei denen diese Informationen nicht gegeben wurden, sind absolut unverwertbar (Art. 141 Abs. 1 Satz 2 aStPO).
- Abgeleitete Beweismittel (Art. 141 Abs. 4 aStPO): Beweismittel, die dank relativ unverwertbaren Beweisen (Art. 141 Abs. 2) erhoben wurden, sind nur unverwertbar, wenn sie ohne den ersten Beweis nicht hätten erhoben werden können. Die neuere BGer-Praxis wendet diese Regel auch auf Beweismittel an, die von absolut unverwertbaren Beweisen (Art. 141 Abs. 1) abgeleitet sind (BGer 6B_525/2024 E. 2.5.2, 7B_257/2022 E. 3.2.4).
- Entfernung aus den Akten (Art. 141 Abs. 5 StPO): Unverwertbare Beweismittel sind aus den Akten zu entfernen.
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Anwendung auf den vorliegenden Fall:
- Pflichtverteidigung: Zu Beginn der ersten Einvernahme lag der Anklagevorwurf lediglich in der Pornografie-Anklage im Fall L._ (Art. 197 Abs. 5 StPO) vor. Hieraus war nach Auffassung des BGer zu diesem Zeitpunkt noch nicht zwingend eine Strafe von über einem Jahr zu erwarten, weshalb die Pflichtverteidigung noch nicht erkennbar war. Dies änderte sich jedoch schlagartig, als der Beschwerdeführer spontan begann, über die Vorkommnisse mit E._ (Fälle 2.1-2.3) zu berichten. Die von ihm geschilderten Handlungen erfüllten offensichtlich den Tatbestand der sexuellen Nötigung (Art. 189 StPO a.F.) oder des Versuchs, ein Verbrechen, das mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist. Ab diesem Moment war die Pflichtverteidigung unzweifelhaft geboten. Das BGer stellte fest, dass die Polizei die Einvernahme entgegen Art. 131 Abs. 1 aStPO ("aussitôt") nicht sofort unterbrach, um einen Verteidiger beizuziehen, sondern weiter Fragen stellte, was zu weiteren belastenden Aussagen (Fälle 6 und 7) führte. Daher sind die Aussagen zu den Fällen 6 und 7, die nach Erkennbarkeit der Pflichtverteidigung, aber vor deren Einsetzung erfolgten, gemäss Art. 131 Abs. 3 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 Satz 2 aStPO absolut unverwertbar.
- Informationspflicht: Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Einvernahme lediglich darüber informiert, dass ein Vorverfahren wegen "infraction à l'intégrité sexuelle" (Delikt gegen die sexuelle Integrität) gegen ihn geführt werde. Diese generische Umschreibung, die dreizehn verschiedene Delikte umfassen kann, genügt den Anforderungen von Art. 158 Abs. 1 lit. a aStPO nicht. Sie ist vergleichbar mit den vom Bundesrat in der Botschaft als unzureichend genannten Beispielen ("Drogenhandel"). Das BGer stellte fest, dass die unvollständige Information dazu führte, dass der Beschwerdeführer Aussagen zu drei Fällen (2, 6, 7) machte, von denen die Behörden noch keine Kenntnis hatten. Dies zeigt, dass er nicht in die Lage versetzt wurde, sich sachgerecht zu verteidigen. Daher wurden Art. 158 Abs. 1 lit. a aStPO verletzt. Gemäss Art. 158 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 Satz 2 aStPO sind alle Aussagen des Beschwerdeführers, die vor Eintreffen seiner Anwältin gemacht wurden (also betreffend Fälle 2.1-2.3, 6 und 7), absolut unverwertbar. Das BGer wies auch den Einwand der Staatsanwaltschaft zurück, der Beschwerdeführer hätte den Mangel früher rügen müssen; er hatte bereits während der Einvernahme (durch Nachfragen) und vor der ersten Instanz entsprechende Vorbehalte angebracht.
- Schlussfolgerung zur Verwertbarkeit: Das Bundesgericht gab dem Beschwerdeführer in Bezug auf die Unverwertbarkeit seiner ersten Aussagen betreffend die Fälle 2.1, 2.2, 2.3, 6 und 7 Recht. Das angefochtene Urteil muss in Bezug auf diese Fälle aufgehoben und an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. Die Vorinstanz muss die unverwertbaren Aussagen aus den Akten entfernen, prüfen, ob die verbleibenden Beweismittel für eine Verurteilung ausreichen (und ob diese ggf. als abgeleitete Beweismittel verwertbar sind, Art. 141 Abs. 4 aStPO), die Untersuchung ggf. ergänzen und sodann neu über diese Fälle sowie die Gesamtstrafe und Kosten entscheiden.
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Rügen betreffend die Fälle 1.1 und 8 (Verletzung Art. 187, 189 StPO, in dubio pro reo):
Da die Fälle 2, 6 und 7 zurückgewiesen wurden, prüfte das Bundesgericht nur noch die Rügen betreffend die Fälle 1.1 und 8.
- Definition "sexuelle Handlung" (Art. 187 Ziff. 1 StPO): Eine sexuelle Handlung liegt vor, wenn eine körperliche Aktivität an sich selbst oder einer anderen Person auf sexuelle Erregung oder Befriedigung mindestens eines Beteiligten abzielt. Bei Handlungen, die nicht eindeutig sexuell konnotiert sind, ist eine Gesamtbetrachtung der Umstände (Alter, Altersunterschied, Dauer/Intensität, Ort) vorzunehmen. Bei Kindern als Opfern ist die Definition weiter auszulegen; es ist zu fragen, ob die Handlung das Kind stören kann (BGer-Praxis). Eine Berührung der Genitalien, auch über der Kleidung, kann eine sexuelle Handlung darstellen.
- Definition "sexuelle Nötigung" (Art. 189 Abs. 1 StPO): Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Setzt die Nötigung einer Person zu einem sexuellen Akt mittels Drohung, Gewalt, psychischem Druck oder durch Ausserstandsetzen zum Widerstand voraus. Psychischer Druck liegt vor, wenn der Täter beim Opfer Zustände (Überraschung, Angst, Ausweglosigkeit) hervorruft, die es zur Nachgiebigkeit bewegen (BGer-Praxis). Bei Kindern und Jugendlichen kann kognitive Unterlegenheit oder emotionale/soziale Abhängigkeit einen ausserordentlichen psychischen Druck bewirken, der einer physischen Nötigung gleichkommt (ATF 131 IV 107 E. 2.2). Vorsatz ist erforderlich; der Täter muss wissen, dass das Opfer nicht einwilligt.
- Fall 1.1 (K.__): Die Vorinstanz beurteilte das Streicheln/Flippen an den Oberschenkeln des 8-12-jährigen Kindes im Auto als sexuelle Handlung, u.a. gestützt auf den Status des Täters, den Altersunterschied, den beengten Raum, die insistierende Art trotz Ablehnung und die weiteren Delikte des Beschwerdeführers. Sie bejahte auch sexuelle Nötigung aufgrund der Abhängigkeit des Kindes im beengten Raum und der Ausnutzung der Situation trotz Ablehnung. Der Beschwerdeführer rügte Willkür und eine falsche Anwendung des Begriffs der sexuellen Handlung/Nötigung, insb. durch Vergleich mit ATF 137 IV 263 (Berührung des Oberschenkels einer 15-16-jährigen Praktikantin, dort nicht als sexuelle Handlung qualifiziert).
- Das BGer wies die Willkürrüge wegen unzureichender Begründung zurück (appellatorisch).
- Betreffend sexuelle Handlung: Das BGer hielt fest, dass ATF 137 IV 263 aufgrund des unterschiedlichen Opferalters und Kontexts nicht pauschal übertragbar sei. Die Vorinstanz habe zu Recht die besonderen Umstände des Falles 1.1 berücksichtigt (junges Alter, grosser Altersunterschied, Status, Ort, Insistenz, Unangenehmheit für das Kind). Unter diesen Umständen sei die Einordnung der Berührungen als sexuelle Handlung im Sinne von Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StPO nicht bundesrechtswidrig.
- Betreffend sexuelle Nötigung: Die Vorinstanz habe auch zu Recht die objektive Nötigung bejaht. Der beengte Raum, die Abhängigkeit des Kindes von seinem Lehrer/Cousin einer Freundin, der Alters- und Kräfteunterschied sowie das Weitermachen trotz klarer Ablehnung stellten eine psychische Nötigung dar, die einer physischen gleichkomme. Dies ist nicht bundesrechtswidrig. Die Tatsache, dass keine Strafanzeige erfolgte, ist für die rechtliche Würdigung irrelevant. Die Rügen betreffend Fall 1.1 wurden abgewiesen.
- Fall 8 (B.B.__): Die Vorinstanz beurteilte die Berührungen im Genitalbereich des 10-jährigen Kindes, auch unter der Kleidung, trotz Abwehrversuchen des Kindes, als sexuelle Handlung und sexuelle Nötigung. Der Beschwerdeführer rügte Willkür und in dubio pro reo bei der Beweiswürdigung, insb. der Glaubwürdigkeit des Kindes.
- Das BGer wies die Rügen als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer beschränke sich darauf, seine eigene Sicht der Dinge an die Stelle der vorinstanzlichen Beweiswürdigung (Glaubwürdigkeit, Suggerierbarkeit) zu setzen, ohne Willkür darzulegen (appellatorisch).
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Gesamtschlussfolgerung:
Das Bundesgericht gab der Beschwerde teilweise statt und hob das Urteil in Bezug auf die Fälle 2.1, 2.2, 2.3, 6 und 7 auf, um es an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung zurückzuweisen. Diese Entscheidung beruht auf der Unverwertbarkeit der Aussagen des Beschwerdeführers zu diesen Fällen, die vor der gebotenen Einsetzung eines Pflichtverteidigers und/oder ohne ausreichende Information über den Anklagevorwurf erhoben wurden. Die Vorinstanz muss diese Aussagen aus den Akten entfernen und prüfen, ob andere Beweise für eine Verurteilung ausreichen. Die Rügen des Beschwerdeführers gegen die Verurteilungen in den Fällen 1.1 und 8 (sexuelle Handlung mit Kindern, sexuelle Nötigung) wurden abgewiesen, da die rechtliche Qualifikation und die Beweiswürdigung der Vorinstanz kein Bundesrecht verletzen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Beweismittelunverwertbarkeit: Die ersten Aussagen des Beschwerdeführers bei der Polizei zu mehreren Fällen (sexuelle Nötigung E._, Sexuelle Handlungen/Pornografie M._ und N.N._) sind absolut unverwertbar. Dies, weil er zu Beginn nicht ausreichend konkret über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert wurde (Verletzung Art. 158 Abs. 1 lit. a aStPO) und im Falle der Aussagen zu M._ und N.N.__ auch, weil eine Pflichtverteidigung erkennbar war, aber noch kein Verteidiger beigezogen wurde (Verletzung Art. 131 Abs. 3 aStPO).
- Konsequenz: Das Bundesgericht hebt das Urteil in Bezug auf die von der Unverwertbarkeit betroffenen Fälle (2.1-2.3, 6, 7) auf und weist sie zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Diese muss die unverwertbaren Beweise eliminieren und die Fälle auf Basis der verbleibenden, verwertbaren Beweise neu beurteilen.
- Definition sexuelle Handlung/Nötigung: Die Rügen gegen die Verurteilungen in den Fällen 1.1 und 8 wurden abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigte, dass der Begriff der "sexuellen Handlung" bei Kindern weiter auszulegen ist und die Umstände (Alter, Rolle, Ort, Insistenz) entscheidend sind. Es bestätigte auch, dass "sexuelle Nötigung" durch psychischen Druck erfolgen kann, insbesondere bei der Ausnutzung von Abhängigkeit und Autorität gegenüber Kindern, was zu einer der physischen Nötigung vergleichbaren Unterwerfung führen kann. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz in diesen Fällen wurde nicht als willkürlich befunden.