Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_588/2024 vom 28. Mai 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des schweizerischen Bundesgerichts 2C_588/2024 vom 28. Mai 2025:

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand

Das Urteil des Bundesgerichts 2C_588/2024 vom 28. Mai 2025 betrifft die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege (URP) und unentgeltlichen Verbeiständung (URV) in einem Staatshaftungsverfahren vor den kantonalen Instanzen. Der Beschwerdeführer, Kläger in der Staatshaftungssache, stellte in erster Instanz (Bezirksgericht Winterthur) ein Gesuch um URP/URV. Nach dessen Abweisung durch das Bezirksgericht focht er dies erfolglos beim Obergericht des Kantons Zürich an. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht wehrte sich der Beschwerdeführer primär gegen die Bestätigung der Verweigerung der URP/URV durch das Obergericht.

2. Verfahrensgeschichte in den Vorinstanzen

Der Beschwerdeführer reichte am 15. Mai 2024 beim Bezirksgericht Winterthur eine unbezifferte Forderungsklage gegen die Stadt Winterthur ein, verbunden mit einem Gesuch um URP/URV. Das Bezirksgericht wies das Gesuch am 10. Juni 2024 ab, da der Nachweis der Bedürftigkeit fehle, und setzte eine Kostenvorschussfrist. Gegen diesen Beschluss reichte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich ein, erneut verbunden mit einem Gesuch um URP/URV für das Rechtsmittelverfahren. Das Obergericht wies mit Beschluss und Urteil vom 21. Oktober 2024 das Gesuch um URP/URV im Rechtsmittelverfahren wegen Aussichtslosigkeit ab und wies die Beschwerde gegen den bezirksgerichtlichen Beschluss ab. Es bestätigte somit die Verweigerung der URP/URV für das Verfahren vor erster Instanz und setzte erneut eine Kostenvorschussfrist an.

3. Rechtliche Kernfrage und Argumentation des Beschwerdeführers

Die zentrale rechtliche Frage im Verfahren vor Bundesgericht war, ob die Vorinstanzen die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu Recht verweigert hatten. Dies hing insbesondere davon ab, ob der Beschwerdeführer seine prozessuale Bedürftigkeit hinreichend dargelegt und belegt hatte und ob die Gerichte verpflichtet gewesen wären, den Sachverhalt von Amtes wegen weiter abzuklären oder dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine Nachfrist zur Verbesserung des Gesuchs anzusetzen.

Der Beschwerdeführer machte geltend, seine Mittellosigkeit ergebe sich aus den eingereichten Unterlagen (IV-Rentenverfügung vom 1. Februar 2022 und Berechnung der Zusatzleistungen zur AHV/IV vom 30. März 2022). Das Gericht hätte die Mittellosigkeit auf dieser Basis als glaubhaft machen müssen oder ihm zumindest eine Nachfrist zur Nachreichung aktuellerer Unterlagen einräumen müssen. Die Verweigerung der URP/URV sei unverhältmässig und verletze unter anderem den Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 EMRK, Art. 14 UNO-Pakt II), das Verbot des überspitzten Formalismus, die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) sowie die Untersuchungsmaxime (Art. 55 und Art. 119 ZPO).

4. Begründung der Vorinstanz

Das Obergericht hatte die Abweisung des Gesuchs durch das Bezirksgericht geschützt, da der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer seine aktuelle Bedürftigkeit nicht rechtsgenüglich nachgewiesen habe. Der blosse Nachweis des Anspruchs auf IV und/oder Zusatzleistungen genüge nicht, um ohne Weiteres auf prozessuale Mittellosigkeit zu schliessen, insbesondere bei Vorhandensein von Vermögen. Die eingereichten Unterlagen seien über zwei Jahre alt und somit für die Beurteilung der aktuellen Verhältnisse unzureichend. Eine übersichtliche Darstellung der aktuellen finanziellen Verhältnisse fehle. Da der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten war, sei es nicht zu beanstanden, dass ihm keine Nachfrist zur Gesuchsverbesserung angesetzt worden sei.

5. Detaillierte Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers, insbesondere im Hinblick auf die Verletzung von Bundesverfassungsrecht.

  • Rechtlicher Rahmen der URP/URV: Das Gericht rekapitulierte die verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 29 Abs. 3 BV und die Ausführung im Zivilprozessrecht (Art. 117 ff. ZPO). Als bedürftig gelte, wer die Prozesskosten nicht aufbringen kann, ohne den eigenen notwendigen Lebensunterhalt und den der Familie zu gefährden.
  • Mitwirkungspflicht und Untersuchungsgrundsatz: Das Bundesgericht betonte die umfassende Mitwirkungspflicht des Gesuchstellers, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie finanziellen Verpflichtungen darzulegen und zu belegen. Je komplexer die Verhältnisse, desto höhere Anforderungen werden an die Darstellung gestellt. Im URP/URV-Verfahren gelte ein eingeschränkter Untersuchungsgrundsatz: Das Gericht muss den Sachverhalt nicht von sich aus in jeder Richtung abklären, wohl aber dort, wo Unsicherheiten und Unklarheiten bestehen.
  • Anwaltliche Vertretung und Nachfrist: Bei anwaltlich vertretenen Parteien sei das Gericht grundsätzlich nicht verpflichtet, eine Nachfrist zur Verbesserung eines unvollständigen oder unklaren Gesuchs anzusetzen. Das Gesuch könne in solchen Fällen abgewiesen werden. Allerdings gebe es Ausnahmen, etwa bei "notorischer Mittellosigkeit", bei der eine Information über nachzureichende Belege und eine Fristansetzung auch gegenüber rechtskundig begleiteten Gesuchstellern angezeigt sein könne (Verweis auf ältere Rechtsprechung, z.B. Urteil 6B_578/2020 E. 3.4).
  • EL-Bezug als Indiz: Das Bundesgericht bekräftigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach der Bezug von Ergänzungsleistungen zwar ein Indiz für prozessuale Bedürftigkeit darstellen könne, diese sich daraus aber nicht zwangsläufig ergebe. Insbesondere bei Vorhandensein von Vermögen könne dies anders zu beurteilen sein. Die EL-Berechnung binde die Gerichtsbehörde nicht.
  • Anwendung auf den vorliegenden Fall: Das Bundesgericht gelangte zur Auffassung, dass im vorliegenden Fall alles auf eine "notorische Mittellosigkeit" hindeutete. Die eingereichten Unterlagen aus dem Jahr 2022 (IV-Rente, EL-Berechnung mit einem Vermögen von nur Fr. 68.--, Auflistung der anerkannten Ausgaben, Nicht-Erwerbstätigkeit) erlaubten es, die damaligen Verhältnisse einzuschätzen und liessen eine geringe Differenz zwischen Leistungen und notwendigen Ausgaben vermuten. Es sei nicht ersichtlich, wie der Beschwerdeführer mit einem allfälligen Überschuss die Kosten für eine anwaltliche Vertretung im Staatshaftungsverfahren hätte bezahlen können. Starke Indizien für eine fortbestehende Mittellosigkeit seien auch die fehlende Ausbildung, die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers (vom Obergericht nicht bestritten) und der Umstand, dass er bereits seit 2019 eine IV-Rente bezieht (Invalidität als voraussichtlich bleibend oder länger dauernd). Es hätten keine Hinweise darauf bestanden, dass sich seine wirtschaftliche oder gesundheitliche Situation wesentlich verbessert hätte.
  • Schlussfolgerung des Bundesgerichts zur Nachfrist: Vor dem Hintergrund dieser starken Indizien für eine "notorische Mittellosigkeit" und angesichts der (vermutlich) simplen finanziellen Verhältnisse, an die keine allzu hohen Anforderungen an den Bedürftigkeitsnachweis zu stellen seien, hätte das Obergericht den Sachverhalt weiter erhellen müssen. Im Sinne eines fairen Verfahrens wäre es ausnahmsweise angezeigt bzw. verhältnismässig gewesen, dem Beschwerdeführer trotz anwaltlicher Vertretung eine Nachfrist zur Einreichung zusätzlicher bzw. aktuellerer Belege anzusetzen, um die verbleibenden Unsicherheiten zu beseitigen. Indem das Obergericht davon ausging, dass das Bezirksgericht zu Recht von einer solchen Nachfristansetzung abgesehen habe, und die Verweigerung der URP/URV bestätigte, verletzte es (mindestens) den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren (Art. 29 Abs. 1 BV etc.) und im Ergebnis auch Art. 29 Abs. 3 BV.

  • Nebenpunkte (Zulässigkeit, Novum): Das Bundesgericht erklärte die Beschwerde als zulässig, da es sich um einen Zwischenentscheid handle, der einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könne (hier: die verweigerte Verbeiständung, da der Kostenvorschuss für die Rechtspflege inzwischen bezahlt wurde). Auf die vom Beschwerdeführer unaufgefordert nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereichten Unterlagen (Nachtrag) ging das Bundesgericht nicht ein, da es sich um unzulässige Noven handelte (nach Ablauf der Frist, ohnehin nicht entscheidend für den Verfahrensausgang).

6. Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, soweit darauf einzutreten war. Der Beschluss und das Urteil des Obergerichts vom 21. Oktober 2024 wurden aufgehoben. Die Sache wurde zur neuen Entscheidung an das Bezirksgericht Winterthur zurückgewiesen, damit dieses nach allfälligen Abklärungen erneut über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung entscheidet. Die Sache wurde zudem an das Obergericht zurückgewiesen, damit dieses die Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens neu regelt. Für das Verfahren vor Bundesgericht wurden keine Gerichtskosten erhoben, und der Kanton Zürich wurde verpflichtet, den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zu entschädigen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wurde damit gegenstandslos.

7. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hob das Urteil des Zürcher Obergerichts auf, welches die unentgeltliche Rechtspflege/Verbeiständung in einem Staatshaftungsverfahren verweigert hatte. Zentrales Element der Begründung des Bundesgerichts war, dass die vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen (IV-Rente und EL-Berechnung von 2022 mit sehr geringem Vermögen) starke Indizien für eine "notorische Mittellosigkeit" darstellten. In solchen Fällen, auch wenn die Unterlagen nicht ganz aktuell sind, hätte das Gericht trotz anwaltlicher Vertretung des Gesuchstellers eine Nachfrist zur Einreichung aktuellerer Belege ansetzen müssen, um verbleibende Unklarheiten zu beseitigen. Die Verweigerung dieser Nachfrist verletzte das Recht auf ein faires Verfahren und damit auch den Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Die Sache wurde zur Neubeurteilung an die erste Instanz zurückgewiesen.