Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_272/2024 vom 29. April 2025

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Gerne. Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_272/2024 vom 29. April 2025:

Urteilszusammenfassung Bundesgericht 1C_272/2024 vom 29. April 2025

1. Gegenstand des Verfahrens und Parteien

Das Urteil des Bundesgerichts (1C_272/2024 vom 29. April 2025) betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der A.__ SA (Beschwerdeführerin) gegen einen Entscheid der Cour de droit public des Tribunal cantonal des Kantons Neuenburg vom 26. März 2024. Dieser kantonale Entscheid hatte eine von der Gemeinde Rochefort erteilte Baubewilligung für ein Projekt der Beschwerdeführerin aufgehoben. Die Intimierten sind Nachbarn der Beschwerdeführerin, die sich gegen das Bauprojekt gewehrt hatten. Weitere Verfahrensbeteiligte waren das Departement für räumliche Entwicklung und Umwelt des Kantons Neuenburg, der Staatsrat des Kantons Neuenburg und der Gemeinderat von Rochefort. Gegenstand des Rechtsstreits waren die Zulässigkeit des Bauprojekts hinsichtlich der kommunalen Wohnformvorschriften sowie die Vereinbarkeit mit dem Schutz eines schutzwürdigen Biotops auf dem Baugrundstück.

2. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstücks (Parzelle Nr. 3020) in Rochefort, das in der Wohnzone geringer Dichte 1 (ZHFD1) liegt. Das 5'138 m² grosse Grundstück umfasst einen Garten und einen kleinen Pavillon. Ein früheres Projekt aus dem Jahr 2014 sah den Bau von zwei Gebäuden mit je drei Wohnungen vor. Damals wurde eine Bewilligung zur Rodung bestimmter Gehölze erteilt.

Das hier strittige, überarbeitete Projekt aus dem Jahr 2019 sah den Bau von vier Gebäuden mit je drei Wohnungen sowie einer gemeinsamen, unterirdischen Einstellhalle mit 24 Plätzen vor. Gegen dieses Projekt erhoben die Intimierten Einsprachen. Die Gemeinde Rochefort und kantonale Dienststellen erteilten positive Vorbescheide und die erforderlichen Bewilligungen/Ausnahmen (u.a. Ausnahme von Strassenabstand für Einstellhalle, Rodungsbewilligung für 3'300 m² Gehölz unter Auflagen von Ersatzmassnahmen). Der Gemeinderat erteilte am 10. Mai 2021 die Baubewilligung und hob die Einsprachen auf, gestützt auf die Konformität mit der ZHFD1 (bestimmt für Einzelwohnen) und den weiteren Vorschriften. Der Neuenburger Staatsrat bestätigte diese Entscheide am 18. Januar 2023, insbesondere die Konformität mit der Wohnform "Einzelwohnen" und die Angemessenheit der Kompensationsmassnahmen für das Biotop.

Das Kantonsgericht Neuenburg hiess die Beschwerde der Nachbarn gut und hob die Baubewilligung am 26. März 2024 auf. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass das Projekt nicht der in der ZHFD1 zulässigen Wohnform entspreche und dass die Interessenabwägung zur Genehmigung der Rodung des schutzwürdigen Biotops ungenügend gewesen sei und kein überwiegendes öffentliches Interesse für eine Ausnahme vom Biotopschutz vorliege.

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hatte alsdann die Rügen der Beschwerdeführerin gegen diesen kantonalen Entscheid zu prüfen.

3.1. Rüge betreffend Wohnform und Gemeindeautonomie

Die Beschwerdeführerin machte geltend, das Kantonsgericht habe kantonales und kommunales Recht betreffend Wohnformen willkürlich angewandt und dabei die Autonomie der Gemeinde Rochefort verletzt.

  • Rechtlicher Rahmen (Kantons- und Kommunalrecht): Das Bundesgericht erläuterte zunächst den rechtlichen Rahmen in Neuenburg. Die Gemeinden verfügen über eine geschützte Autonomie bei der Zonenplanung und den Bauvorschriften, insbesondere bei der Festlegung der Wohnformen (Art. 59 Abs. 2 Bst. o des kantonalen Raumplanungsgesetzes LCAT). Diese müssen sich jedoch an die Definitionen der Art. 42-45 der kantonalen Raumplanungsverordnung (RELCAT) halten. Art. 42 RELCAT definiert "Einzelwohnen" als Bauten mit maximal drei Wohnungen (Abs. 1), wobei die Wohnungen superponiert oder juxtaponiert sein können und Service-Räume gemeinschaftlich sein können (Abs. 2). Art. 43 RELCAT definiert "Gruppenwohnen" als juxtaponiertes Wohnen ab vier Einheiten (hier als Bauten verstanden). Die ZHFD1 gemäss kommunalem Plan (RAC) ist für "Einzelwohnen" bestimmt (Art. 10.02.03 RAC) und zeichnet sich durch isolierte Bauten aus (Art. 10.02.01 RAC), wobei eine leichte Verdichtung gewünscht ist (Art. 10.02.02 RAC).
  • Prüfungsstandard: Das Bundesgericht prüft die Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht nur auf Willkür (Art. 9 BV). Willkür liegt vor, wenn ein Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, eine klare Norm oder einen klaren Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossendem Widerspruch zum Gerechtigkeitsgefühl steht. Nicht willkürlich ist eine Auslegung, auch wenn sie nicht die einzig mögliche oder gar vorzugswürdige ist, solange sie vertretbar ist. Bei der Rüge der Verletzung von Verfassungsrecht (hier Gemeindeautonomie gestützt auf Art. 50 BV) gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 LTF).
  • Analyse des Bundesgerichts: Das Bundesgericht hielt fest, dass die Gemeinden zwar bei der Ausgestaltung der Zonenplanung autonom sind, nicht aber bei der Definition der Wohnformen, die kantonal (in der RELCAT) abschliessend geregelt sind. Es ging daher primär um die Auslegung von Art. 42 Abs. 2 RELCAT. Das Kantonsgericht hatte diese Bestimmung so ausgelegt, dass gemeinschaftliche Service-Räume nur innerhalb eines einzelnen Gebäudes mit mehreren Wohnungen zulässig seien, nicht aber zwischen mehreren separaten Gebäuden. Das Bundesgericht qualifizierte diese Auslegung als vertretbar (défendable). Die Formulierung in Art. 42 Abs. 2 RELCAT, die die Möglichkeit gemeinsamer Service-Räume direkt nach der Erwähnung superponierter oder juxtaponierten Wohnungen in einem einzelnen Gebäude nennt, lässt eine solche Auslegung zu. Sie entspricht einem traditionellen Verständnis von Einzelwohnen als isolierten Bauten und hilft, diese Wohnform vom Gruppenwohnen abzugrenzen. Auch wenn eine andere Auslegung denkbar wäre, war jene des Kantonsgerichts nicht offensichtlich unhaltbar. Das Bundesgericht unterschied den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheid 1C_389/2021 (FR), da dort die betroffene Zone Gruppenwohnen erlaubte und die spezifische Frage gemeinsamer Räume zwischen separaten Bauten nicht im Fokus stand. Das Bundesgericht verneinte auch eine Verletzung der Gemeindeautonomie. Da die Wohnformen kantonal definiert sind, hatte die Gemeinde in Bezug auf die Auslegung dieser Definitionen keinen autonomen Spielraum. Das Kantonsgericht war als Rechtsmittelinstanz nicht an die (andere) Auslegung des Staatsrats gebunden. Die Rüge wurde abgewiesen.

3.2. Rüge betreffend Biotopschutz und Interessenabwägung

Die Beschwerdeführerin beanstandete zweitens, das Kantonsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ein schutzwürdiges Biotop auf der Parzelle dem Bauprojekt entgegenstehe. Obwohl die Baubewilligung bereits wegen der Wohnform hätte verweigert werden können, prüfte das Bundesgericht diese Rüge im Interesse der Beschwerdeführerin für zukünftige Projekte (Interesse an Klärung für allfällige neues Baugesuch).

  • Rechtlicher Rahmen (Bundesrecht und kantonales Recht): Das Bundesgericht rekapitulierte die Bestimmungen des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG / LPN). Art. 18 Abs. 1bis NHG verpflichtet zum besonderen Schutz von Hecken, Feldgehölzen etc., die eine Rolle im Naturhaushalt spielen. Art. 18 Abs. 1ter NHG verlangt, dass bei technischen Eingriffen in schutzwürdige Biotope, die unvermeidbar sind, Schutz-, Wiederherstellungs- oder Ersatzmassnahmen getroffen werden müssen. Gemäss Art. 14 Abs. 6 der Natur- und Heimatschutzverordnung (NHV / OPN) darf ein Eingriff, der zur Verschlechterung eines schutzwürdigen Biotops führen kann, nur bewilligt werden, wenn er am vorgesehenen Standort zwingend ist und einem überwiegenden Interesse entspricht. Die Kantone müssen Biotope von regionaler und lokaler Bedeutung schützen (Art. 18b NHG). Neuenburg schützt pauschal alle Hecken und Feldgehölze (Arrêté du 19 avril 2006). Ausnahmen sind gemäss kantonalem Recht (Art. 35 LCPN) nur bei überwiegendem öffentlichem Interesse möglich.
  • Anwendung im Fall: Das Bundesgericht stellte fest, dass das Grundstück (trotz früherer Rodung) 3'300 m² Feldgehölze aufweist. Diese sind zwar kantonal geschützt, aber angesichts ihrer Fläche und ökologischen Bedeutung (Ecotone, Rolle im Naturhaushalt für Biocönosen gemäss Studie/OFEV) auch direkt durch Bundesrecht (Art. 18 Abs. 1bis NHG) geschützt. Bundesrechtliche Schutzbestimmungen haben Vorrang. Selbst wenn kantonales Recht autonom Biotopschutz regeln würde, müssten die Mindestanforderungen des Bundesrechts, insbesondere eine umfassende Interessenabwägung, erfüllt werden.
  • Interessenabwägung nach Art. 18 Abs. 1ter NHG: Die Abwägung muss gemäss Bundesrecht erfolgen. Kompensationsmassnahmen werden grundsätzlich erst nach der Abwägung berücksichtigt, d.h., nur wenn der Eingriff als solcher aufgrund der Abwägung zugelassen wird. Eine Berücksichtigung der Kompensation in der Abwägung ist nur ausnahmsweise zulässig. Die Abwägung kann auch in einer Bauzone erfolgen. Dabei ist die bestehende Zonierung und das Interesse an der Bebaubarkeit zu berücksichtigen, aber das Baupotential ist nicht absolut. Das Bundesgericht prüft die kantonale Interessenabwägung mit Zurückhaltung.
  • Analyse des Bundesgerichts zur Abwägung:
    • Der ökologische Wert des Gehölzes ist unbestritten. OFEV und Studie attestierten einen gewissen, wenn auch nicht "aussergewöhnlichen" Wert für die Biodiversität (Insekten, Vögel, Säugetiere). Es wurden keine gefährdeten Arten nachgewiesen. Der Wert wurde angesichts des Anteils nicht-autochthoner Arten relativiert. Der Eintrag ins kommunale Inventar (April 2024) ist im aktuellen Verfahren nicht ausschlaggebend (da die Gemeinde festhielt, dass das Grundstück wegen des Projekts nicht geschützt sei), kann aber für ein neues Gesuch relevant werden.
    • Abzuwägen ist dieser relative ökologische Wert mit dem Bauinteresse der Beschwerdeführerin in der Bauzone und dem öffentlichen Interesse an der Siedlungsentwicklung nach innen. Diese Interessen sprechen grundsätzlich für eine Bebaubarkeit.
    • Das Bundesgericht kritisierte die Dimensionierung des aktuellen Projekts. Es ist grösser als das ursprüngliche Gesuch und erstreckt sich über den südlichen Teil des Grundstücks, wo sich der Grossteil der Bäume und Feldgehölze befindet, einschliesslich wertvollerer autochthoner Bäume und Hochstammobstbäume. Das Projekt erfordert die Rodung praktisch der gesamten Gehölzstruktur in diesem Bereich. Die geplanten Ersatzmassnahmen (Pflanzung von Bäumen, Hecken, Magerwiese) sind zwar vorgesehen, aber sie erzielen keine sofortige Wirkung und kompensieren nicht alle ökologischen Verluste vollständig. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, warum die Kompensationsmassnahmen ausnahmsweise bereits in die Abwägung einbezogen werden müssten.
    • Schlussfolgerung: Obwohl das Bauinteresse in einer Bauzone stark ist, ist das aktuelle Projekt mit seiner Dimensionierung und Platzierung nicht genügend rücksichtsvoll gegenüber dem Biotop. Ein moderateres Projekt, das den südlichen Teil des Grundstücks mit seinem Baumbestand schont, könnte die beste mögliche Schonung gemäss Art. 18 Abs. 1ter NHG ermöglichen. Die Abwägung des Kantonsgerichts, dass das Biotop dem diesem Projekt entgegensteht, verstösst daher nicht gegen das Bundesrecht. Die Rüge wurde abgewiesen.

3.3. Ausblick für zukünftige Projekte

Das Bundesgericht betonte, dass nicht jedes Bauprojekt auf diesem Grundstück am Biotopschutz scheitern müsse, da dessen ökologischer Wert nicht als "aussergewöhnlich" qualifiziert wurde. Die Beschwerdeführerin muss ihr Projekt ohnehin überarbeiten, um die Vorschriften zur Wohnform in der ZHFD1 einzuhalten. Für ein neues Projekt muss von den kantonalen Behörden eine erneute Interessenabwägung (gemäss Art. 18 Abs. 1ter NHG) vorgenommen werden. Dabei wäre es ratsam, eine neue Expertise über die natürlichen Werte des Grundstücks einzuholen (die einzige Studie stammt von 2018, nach der Rodung), um ein vollständiges Inventar der vorkommenden Arten zu erhalten. Dieses Ergebnis kann auch für die Gemeinde relevant sein, wenn sie das Grundstück in ein lokales Inventar aufnehmen will.

4. Ergebnis und Kosten

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab. Die Gerichtskosten wurden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt. Den Intimierten wurden keine Parteikosten zugesprochen, da ihre Anwältin in eigener Sache handelte und keine besonderen Kosten nachgewiesen wurden.

5. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Aufhebung der Baubewilligung durch das Kantonsgericht Neuenburg aus zwei Hauptgründen bestätigt: 1. Wohnform: Das Projekt (vier separate Gebäude mit je drei Wohnungen, verbunden durch eine gemeinsame Tiefgarage) wurde als unzulässig in der Zone für "Einzelwohnen" (ZHFD1) qualifiziert. Die Auslegung des kantonalen Rechts (Art. 42 Abs. 2 RELCAT), wonach gemeinsame Service-Räume nur innerhalb eines einzelnen Wohngebäudes (und nicht zwischen mehreren Gebäuden) zulässig sind, wurde vom Bundesgericht als nicht willkürlich erachtet. 2. Biotopschutz und Interessenabwägung: Die auf dem Grundstück vorhandenen Feldgehölze sind schutzwürdig gemäss Bundesrecht (Art. 18 Abs. 1bis NHG). Die für die Rodung erforderliche Interessenabwägung nach Art. 18 Abs. 1ter NHG ergab für das konkret geplante, gross dimensionierte Projekt, das den Grossteil des wertvollen Baumbestandes zerstören würde, dass das Bauinteresse das Naturinteresse nicht überwiegt. Das Ergebnis der kantonalen Interessenabwägung wurde als nicht bundesrechtswidrig bestätigt.

Ein modifizierteres, rücksichtsvolleres Projekt könnte unter Umständen zulässig sein, wofür eine neue Interessenabwägung auf Basis eines neuen Gesuchs notwendig wäre.

Diese Zusammenfassung hebt die entscheidenden rechtlichen Argumente des Bundesgerichts hervor, insbesondere die Auslegung der kantonalen Wohnformvorschriften unter dem Blickwinkel der Willkürprüfung sowie die Durchführung und das Ergebnis der bundesrechtlichen Interessenabwägung nach Art. 18 Abs. 1ter NHG im Kontext eines Bauprojekts in einer Bauzone und eines schutzwürdigen Biotops. Sie erläutert, warum das Gericht die Auslegung des Kantonsgerichts stützte und die Interessenabwägung als korrekt für dieses Projekt befand. Der Verweis auf den anderen Bundesgerichtsentscheid (1C_389/2021) dient der Abgrenzung und Verdeutlichung. Nebensächliche Aspekte wie die Details zur Zulässigkeit der Beschwerde oder die genaue Kostenverteilung wurden weggelassen, sofern sie nicht direkt die Begründung beeinflussten.