Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_983/2024 vom 24. März 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 6B_983/2024 vom 24. März 2025 des Schweizerischen Bundesgerichts:

Bundesgericht, Urteil 6B_983/2024 vom 24. März 2025

Einleitung: Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1. Strafrechtliche Abteilung) vom 24. März 2025 (Verfahren 6B_983/2024) betrifft eine Beschwerde gegen einen Entscheid der Strafkammer für Berufung und Revision des Kantons Genf (CPAR) vom 15. November 2024, mit dem ein zweites Revisionsgesuch des Beschwerdeführers A.__ abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer war im Hauptverfahren am 28. März 2023 von der CPAR wegen Korruption fremder Amtsträger (Art. 322septies StGB) verurteilt worden.

Sachverhalt: Der Beschwerdeführer A._ wurde am 28. März 2023 von der CPAR Genf u.a. der Korruption fremder Amtsträger schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren (teilbedingt, 18 Monate unbedingt) sowie zu einer Ersatzforderung von 50 Millionen CHF verurteilt. Grundlage der Verurteilung war die Annahme, dass A._ zusammen mit zwei Mitbeschuldigten das Verfahren zur Vergabe von Bergbaurechten in der Region U._ (Republik V._) beeinflusst habe, indem dem Präsidenten D._ über dessen vierte Ehefrau E._ erhebliche Beträge versprochen und später 8.5 Millionen USD ausbezahlt wurden. Gegen dieses Urteil liefen separate Beschwerdeverfahren beim Bundesgericht (u.a. 6B_669/2023 des Beschwerdeführers), über die am gleichen Tag entschieden wurde.

Bereits am 12. April 2024 hatte A.__ ein erstes Revisionsgesuch eingereicht, gestützt auf einen Entscheid eines w.__ischen Gerichts und Dokumente eines Journalisten. Dieses Gesuch wurde von der CPAR am 3. Mai 2024 als unzulässig (unbegründet, da vorgelegte "Beweismittel" nur auf Hörensagen basierten und nicht neu/ernsthaft waren) erklärt und die dagegen erhobene Beschwerde vom Bundesgericht am gleichen Tag wie das vorliegende Urteil abgewiesen (6B_463/2024).

Am 12. September 2024 reichte A._ ein zweites Revisionsgesuch ein. Er legte dabei eine grosse Menge an Dokumenten vor (zwei Ordner, USB-Stick), die im Wesentlichen aus Korrespondenz zwischen seinem Anwalt und dem Journalisten G._ sowie von Letzterem stammenden Dokumenten (angeblich aus w._ischen Verfahren) bestanden. Das Gesuch stützte sich primär auf den Vorwurf, der zuständige Genfer Staatsanwalt H._ habe eine unerlaubte Absprache oder Immunitätszusage mit dem Hauptzeugen I._ getroffen. Gestützt darauf beantragte A._ die Revision des Haupturteils, die Ablehnung (Récusation) von StA H.__ sowie die Aufhebung und Wiederholung aller von ihm seit dem 26. Juni 2017 durchgeführten Verfahrenshandlungen.

Die CPAR wies das zweite Revisionsgesuch am 15. November 2024 als unzulässig gemäss Art. 412 Abs. 2 StPO ab. Sie begründete dies damit, dass das Gesuch missbräuchlich sei, da es auf zahlreichen Dokumenten basiere, deren Edition sie bereits im Hauptverfahren abgelehnt habe. Im Übrigen sei es offensichtlich unbegründet (manifestement infondée), da insbesondere die vorgelegten w._ischen Dokumente keine neuen Fakten enthielten, sondern lediglich die Wahrnehmung der w.__ischen Behörden wiedergäben und eine Absprache mit I._ nicht belegten.

Gegen diesen Entscheid gelangte A.__ an das Bundesgericht.

Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts:

  1. Verbindung von Verfahren: Das Bundesgericht lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Verbindung der beiden Revisionsverfahren (6B_463/2024 und 6B_983/2024) ab.

  2. Ergänzung des Sachverhalts (Art. 105 Abs. 2 BGG): Der Beschwerdeführer beantragte mehrfach eine Ergänzung des von der CPAR festgestellten Sachverhalts, u.a. betreffend die Aussagekraft der Aussagen von I._ und E._, die Indizien für eine angebliche Absprache mit I.__ und die Texte spezifischer Dokumente. Das Bundesgericht entschied, diese Elemente bei der materiellen Prüfung der Beschwerde (insb. Willkür und Anwendung von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO) zu berücksichtigen, soweit erforderlich.

  3. Unzulässigkeit des Revisionsgesuchs (Art. 410 Abs. 1 lit. a, 412 Abs. 2 StPO):

    • Grundlagen: Das Bundesgericht erläuterte die Voraussetzungen für eine Revision nach Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO: Es müssen neue und ernsthafte (nouveaux et sérieux) Fakten oder Beweismittel vorliegen, die dem früheren Gericht unbekannt waren und geeignet sind, einen Freispruch oder eine signifikant mildere/härtere Verurteilung zu begründen. Neu ist ein Beweismittel, wenn es dem Gericht nicht zur Kenntnis gebracht wurde (in keiner Form). Ernsthaft ist es, wenn es geeignet ist, die der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhaltsfeststellungen zu erschüttern, und der geänderte Sachverhalt einen deutlich günstigeren Entscheid ermöglicht. Im vorgelagerten Unzulässigkeitsverfahren (rescindant) genügt es, wenn die geltend gemachten Revisionsgründe offensichtlich unplausibel oder unbegründet sind (Art. 412 Abs. 2 StPO). Ein Revisionsgesuch kann auch bei Rechtsmissbrauch abgewiesen werden, namentlich wenn eine Partei Fakten oder Beweismittel zurückhält, die sie bereits kannte und hätte vorlegen können.
    • Prüfung der "Neuheit" der Dokumente: Das Bundesgericht bestätigte die Auffassung der CPAR, dass ein Grossteil der vorgelegten Dokumente nicht neu im Sinne des Revisionsrechts sei. Der Beschwerdeführer hatte bereits im Hauptverfahren die Edition dieser Dokumente (persönliche Notizen des StA, E-Mails, Rechtshilfedossier W._) beantragt, um das angebliche Abkommen mit I._ zu beweisen. Die CPAR hatte die Edition damals gestützt auf eine antizipierte Beweiswürdigung abgelehnt. Das Bundesgericht stellte klar, dass ein Beweismittel nicht mehr als "unbekannt" gilt, wenn es dem Richter bereits im früheren Verfahren - in welcher Form auch immer - zur Prüfung vorgelegt wurde. Es ist unerheblich, ob das Gericht den Inhalt der Dokumente kannte; es reicht, dass die Bedeutung des Beweismittels für die behauptete Tatsache (Existenz einer Absprache) dem Gericht im Hauptverfahren bekannt war. Die Unterscheidung des Beschwerdeführers zwischen "Einreichung" und "Edition" von Dokumenten sei unbehelflich. Der Einwand der Willkür bezüglich der Formulierung der CPAR ("expressément refusé le versement") sei unbegründet. Der Verweis auf ATF 116 IV 353 (neuer Fakt basierend auf bekanntem Zeugen) sei ebenfalls unpassend; hier gehe es um die Beweismittel selbst, die bereits im Hauptverfahren thematisiert und deren Edition abgelehnt wurde.
    • Prüfung der "Ernsthaftigkeit" der W.__ Dokumente: Bezüglich der restlichen Dokumente, die nicht bereits im Hauptverfahren abgelehnt worden waren (v.a. aus w._ischen Verfahren stammende Dokumente), prüfte das Bundesgericht, ob die CPAR willkürlich entschieden habe, indem sie deren Ernsthaftigkeit verneinte. Die CPAR hatte ausgeführt, diese Dokumente seien primär interne w.__ische Mitteilungen, die nur die Wahrnehmung der dortigen Behörden wiedergäben. Gewisse Formulierungen seien im Kontext des Schweizer Rechts sinnlos oder zeigten Missverständnisse der w.__ischen Behörden. Die zentrale Passage ("il est possible de conclure une sorte d'arrangement conditionnel selon lequel H._ s'engagera à ne pas l'inculper") sei zweideutig und könne auch als Erklärung des Einstellungsverfahrens und der Rechtsmittelwege interpretiert werden, nicht zwingend als Immunitätsgarantie. Das Bundesgericht befand, dass diese Würdigung der CPAR nicht willkürlich sei. Die Dokumente seien tatsächlich unklar und mehrdeutig; sie belegten keine Absprache, sondern höchstens die Diskussion über eine solche Möglichkeit. Die CPAR durfte daher feststellen, dass die Dokumente selbst unter dem Vorauszulässigkeitsmassstab der Vraisemblance nicht geeignet seien, die Feststellung im Haupturteil, dass keine unerlaubte Absprache getroffen wurde, zu erschüttern. Das Bundesgericht hielt fest, dass die CPAR angesichts der offensichtlichen Irrelevanz der neuen Dokumente nicht verpflichtet war, alle im Laufe der drei Verfahren (Hauptverfahren, 1. Revision, 2. Revision) vorgebrachten Indizien für eine Absprache zusammen zu würdigen. Der Einwand, die CPAR hätte den StA oder den Journalisten einvernehmen müssen (Verletzung Untersuchungspflicht, Art. 412 Abs. 4, 139 StPO), ging ins Leere, da die vorgelegten Dokumente keine relevanten Fakten enthielten.
  4. Prüfung der rechtlichen Relevanz (Ernsthaftigkeit im zweiten Sinne): Das Bundesgericht prüfte, ob selbst unter der Annahme, dass die neuen Dokumente die Existenz einer Absprache mit I.__ belegen würden und dessen Aussagen infolgedessen inexploitable wären, dies zu einem Freispruch oder einer signifikant milderen Strafe führen würde.

    • Das Bundesgericht verneinte dies. I._ sei kein entscheidender oder zentraler Zeuge für die Verurteilung des Beschwerdeführers. Seine Aussagen beträfen im Wesentlichen nur eine Zahlung von 1.5 Millionen USD, die zudem durch andere Dokumente im Dossier gestützt werde. Die Inexploitabilität seiner Aussage allein würde die Verurteilung wegen Korruption (Art. 322septies StGB als fortgesetztes Delikt) nicht in Frage stellen. Auch eine signifikant mildere Strafe sei unwahrscheinlich, da die fraglichen 1.5 Millionen USD nur einen kleinen Teil des Gesamtbetrags von 8.5 Millionen USD ausmachten und der Betrag nur einer unter mehreren Strafzumessungsfaktoren sei. Es handle sich um eine einzige Korruptionsstraftat, nicht um separate Taten, sodass der Wegfall dieses Teils keinen "Freispruch" für diesen Teil bedeuten würde. Die Schweizer Zuständigkeit basiere zudem nicht nur auf dem Transit dieser 1.5 Millionen USD, sondern auch auf der Tätigkeit des Mitbeschuldigten C._.
    • Die vom Beschwerdeführer ebenfalls erhobene Behauptung, die neuen Dokumente stellten auch die Exploitabilität der Aussage von E.__ in Frage, wies das Bundesgericht als unbegründet und unsubstanziiert zurück (Art. 106 Abs. 2, 42 Abs. 2 BGG), da keine neuen Elemente vorgebracht wurden, die direkt ihre Aussage betreffen würden.
    • Auch die Behauptung, die neuen Dokumente zeigten geheime Manöver des StA, welche die Gesamt fairness des Verfahrens (Art. 6 EMRK) verletzten und zur Aufhebung führen müssten, wies das Bundesgericht zurück. Die Dokumente belegten keine unerlaubten Absprachen, und selbst eine hypothetische Absprache mit I.__ würde das gesamte Verfahren nicht als unfair erscheinen lassen, da er kein entscheidender Zeuge war.
  5. Antrag auf Ablehnung des Staatsanwalts: Der Antrag auf Ablehnung von StA H.__ (Art. 56 lit. f, 60 Abs. 3 StPO) wurde ebenfalls abgewiesen.

    • Das Bundesgericht bestätigte, dass keine Absprache mit I.__ belegt sei, weshalb dieser Hauptablehnungsgrund entfalle.
    • Die vom Beschwerdeführer zusätzlich vorgebrachten Elemente (Kontakte mit I._/Anwälten, Kontakte mit w.__ischen Behörden, Verweigerung der Beteiligung an der E._ Anhörung, Verweigerung Herausgabe von Notizen) konnten eine Ablehnung ebenfalls nicht begründen. Die Kontakte betrafen primär Rechtshilfe. Die E-Mails mit w._ischen Behörden enthielten keine unerlaubten Informationen und stellten informelle, zulässige Koordination dar. Die Verweigerung der Beteiligung an der E._ Anhörung in Z.__ verletzte die Teilnahmerechte (Art. 147 StPO) des Beschwerdeführers nicht, da er Fragen stellen und das Protokoll einsehen konnte; die Behauptung, der StA habe dies aus Furcht vor Kreuzverhör verhindert, sei reine Hypothese. Die Verweigerung der Herausgabe von Notizen war von der CPAR selbst im Hauptverfahren gestützt auf antizipierte Beweiswürdigung verfügt worden.
  6. Kostenfestsetzung: Der Einwand gegen die Höhe der Gerichtskosten von 15'000 CHF für das Revisionsverfahren vor CPAR wurde zurückgewiesen. Das Bundesgericht befand, dass dieser Betrag im Rahmen des kantonalen Tarifs liege (Art. 14 Abs. 1 lit. e RTFMP) und die Begründung der CPAR (insb. "erhebliches Volumen der Akten" - 53 Stücke in zwei Ordnern) die Festsetzung rechtfertige. Die Prüfung eines solchen Aktenvolumens stelle eine erhebliche Arbeit dar, selbst wenn die Dokumente schliesslich als irrelevant befunden wurden. Die Kostenfestsetzung sei nicht willkürlich.

Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, soweit sie zulässig war. Der Beschwerdeführer als unterliegende Partei wurde kostenpflichtig. Der Antrag auf Sistierung der Hauptbeschwerdeverfahren wurde gegenstandslos.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: Das Bundesgericht bestätigte die Abweisung des zweiten Revisionsgesuchs des Beschwerdeführers durch die Vorinstanz. Es urteilte, dass die vorgelegten Dokumente entweder nicht neu im Sinne des Revisionsrechts seien (da ihre Edition bereits im Hauptverfahren beantragt und abgelehnt wurde) oder, soweit sie als potenziell neu gelten konnten, keine ernsthaften Revisionsgründe darstellten. Die aus w._ischen Verfahren stammenden Dokumente wurden als ungeeignet beurteilt, die behauptete geheime Absprache zwischen dem Staatsanwalt und dem Zeugen I._ auch nur plausibel zu belegen, da sie unklar seien und primär die Wahrnehmung von Drittbehörden wiedergäben. Das Bundesgericht befand zudem, dass selbst eine bewiesene Absprache mit I._ und die daraus folgende Inexploitabilität seiner Aussage keinen Freispruch oder eine signifikant mildere Strafe zur Folge hätte, da I._ kein entscheidender Zeuge war und seine Aussagen nur einen Teilaspekt der Verurteilung betrafen. Auch der Antrag auf Ablehnung des Staatsanwalts wurde mangels Belegs für die behaupteten Gründe abgewiesen. Die Höhe der vorinstanzlichen Gerichtskosten wurde als nicht willkürlich befunden.