Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_148/2025 vom 12. Juni 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_148/2025 vom 12. Juni 2025:

1. Einführung

Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_148/2025 vom 12. Juni 2025 behandelt den Verfall einer Niederlassungsbewilligung EU/EFTA eines italienischen Staatsbürgers mit langjährigem Aufenthalt in der Schweiz. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die kantonalen Behörden und das kantonale Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hatten, dass die Bewilligung aufgrund von längerem Aufenthalt im Ausland verfallen sei.

2. Sachverhalt

A._, ein 1942 geborener italienischer Staatsbürger, reiste am 20. August 1964 in die Schweiz ein. Seit dem 1. September 1977 besass er eine Niederlassungsbewilligung, die nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens (FZA) am 1. Juni 2002 in eine Niederlassungsbewilligung EU/EFTA umgewandelt wurde. Er arbeitete stets für eine Gesellschaft mit Sitz in X._, deren Mehrheitsaktionär und Verwaltungsratspräsident er ist. Sein in der Schweiz wohnhafter Sohn ist Direktor der Firma, während seine in Italien lebende Tochter ebenfalls im Verwaltungsrat sitzt. Seit dem 1. Januar 2018 meldete A._ eine Wohnung innerhalb der Geschäftsräume der Firma in X._ als seinen Wohnsitz. Seine Ehefrau lebte permanent in Italien in ihrem gemeinsamen Haus.

Aufgrund von Zweifeln an seinem tatsächlichen Aufenthalt in der Schweiz befragte die Kantonspolizei A._ am 19. April 2022 im Auftrag der Sektion Bevölkerung des Kantons Tessin. Gestützt auf seine Aussagen widerrief bzw. erklärte die Sektion Bevölkerung seine Niederlassungsbewilligung EU/EFTA am 6. Dezember 2022 für verfallen und setzte ihm eine Ausreisefrist. Die Behörde kam im Wesentlichen zum Schluss, dass A._ seit Anfang 2020 tatsächlich in Italien lebe und nur noch für gelegentliche Kontrollen der Firma in die Schweiz reise. Die Aufrechterhaltung der Bewilligung sei daher missbräuchlich zur Erlangung unternehmerischer und steuerlicher Vorteile.

Die Rechtmässigkeit dieser Verfügung wurde vom Staatsrat am 13. März 2024 und vom Kantonalen Verwaltungsgericht am 5. Februar 2025 bestätigt. Dagegen erhob A.__ am 10. März 2025 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht.

3. Rechtliche Grundlage des Verfalls einer Niederlassungsbewilligung

Das Bundesgericht erläutert die rechtlichen Grundlagen für den Verfall einer Niederlassungsbewilligung. Gemäss Art. 34 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG; SR 142.20) ist die Niederlassungsbewilligung unbefristet und nicht an Bedingungen geknüpft. Sie kann jedoch verfallen (Art. 61 AIG) oder widerrufen werden (Art. 63 AIG).

Der Verfall tritt insbesondere ein: a) Mit der Abmeldung ins Ausland (Art. 61 Abs. 1 lit. a AIG). b) Wenn die ausländische Person die Schweiz verlassen hat, ohne die Aufrechterhaltung der Bewilligung für die nächsten vier Jahre zu beantragen, und sie sich während sechs Monaten im Ausland aufgehalten hat (Art. 61 Abs. 2 AIG; Art. 79 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Ausübung einer Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]).

Das Bundesgericht führt zur Auslegung von Art. 61 Abs. 2 AIG aus, dass die Aufrechterhaltung einer Bewilligung eine minimale Präsenz in der Schweiz voraussetzt. Der Gesetzgeber habe dafür weder auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen noch auf den zivilrechtlichen Wohnsitz abgestellt, sondern auf zwei formelle Kriterien: die Abmeldung oder einen Aufenthalt im Ausland von sechs Monaten. Letzterer sei grundsätzlich als ununterbrochen zu verstehen, gelte aber auch bei kurzen Unterbrechungen, wenn die Person nur für relativ kurze Perioden aus touristischen, familiären oder geschäftlichen Gründen in die Schweiz zurückkehrt (Art. 79 Abs. 1 VZAE; BGE 145 II 322 E. 2.2 f.). Solche Rückreisen unterbrechen die Abwesenheit im Ausland nicht, auch wenn die Person eine Unterkunft in der Schweiz hat (Verweis auf BGE 145 II 322).

4. Anwendung des FZA

Das Bundesgericht hält fest, dass das FZA (Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681) in diesem Punkt einen ähnlichen Ansatz wie Art. 61 Abs. 2 AIG verfolgt. Gemäss Art. 6 Abs. 5 und Art. 12 Abs. 5 Anhang I FZA führt nur ein Aufenthalt im Ausland von mehr als sechs Monaten, der durch die Erfüllung militärischer Pflichten gerechtfertigt ist, nicht zum Verfall einer Aufenthaltsbewilligung (Verweis auf BGE 149 I 66 E. 4.7; Urteile 2C_448/2024 E. 4.1 und 2C_958/2020 E. 3.1).

5. Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers gegen das kantonale Urteil.

5.1. Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung (Willkürrüge) Der Beschwerdeführer rügte in erster Linie Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und der Beweiswürdigung, insbesondere bezüglich seiner Aussagen bei der polizeilichen Befragung. Er machte geltend, das kantonale Gericht habe sich auf fragmentarische, aus dem Kontext gerissene Aussagen gestützt und diese parteiisch und willkürlich interpretiert. Das Bundesgericht wies diese Rüge ab. Es stellte fest, dass die Beschwerde in diesem Punkt im Wesentlichen eine eigene Interpretation des Befragungsprotokolls darstelle, ohne jedoch darzulegen, inwiefern die Schlussfolgerungen des kantonalen Gerichts daraus unhaltbar seien. Solche appellatorischen Rügen seien unzulässig. Auch bezüglich der fotografischen Dokumentation, auf die sich der Beschwerdeführer berief, stellte das Bundesgericht fest, dass er lediglich wörtlich die bereits vorinstanzlich vorgebrachten Argumente wiederholte, was gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG unzulässig sei und zur Unzulässigkeit der Rüge führe (Verweis auf BGE 145 V 161 E. 5.2). Da die festgestellten Tatsachen nicht willkürfrei bestritten wurden, sind sie für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG).

5.2. Kriterien für den Verfall der Bewilligung (Art. 61 Abs. 2 AIG) Der Beschwerdeführer machte geltend, seine Präsenz in der Schweiz sei nicht rein beruflich, da er weiterhin einen tatsächlichen Wohnsitz und den Mittelpunkt seiner Interessen in der Schweiz habe. Die Voraussetzungen für den Verfall gemäss Art. 61 Abs. 2 AIG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 VZAE seien daher nicht erfüllt. Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation nicht. Gestützt auf die verbindlich festgestellten Tatsachen, dass der Beschwerdeführer ab der Pandemie (Anfang 2020) seine Möbel aus der Wohnung in X.__ entfernt hatte, nicht mehr in der Schweiz wohnte, sondern in Italien, und nur noch gelegentlich zur Kontrolle seiner Firma in die Schweiz reiste, kam das Gericht zum Schluss, dass die kantonale Schlussfolgerung, wonach er seit Februar 2020 nicht mehr in der Schweiz lebe, korrekt sei. Seine gelegentliche Anwesenheit diene ausschliesslich geschäftlichen Zwecken. Dies erfülle die Kriterien der Abwesenheit im Ausland gemäss Art. 61 Abs. 2 AIG. Das Gericht betonte erneut, dass die Gründe für die Abwesenheit (freiwillig oder nicht) nicht entscheidend seien. Es genüge die Feststellung der Abwesenheit während sechs Monaten (Verweis auf BGE 149 I 66 E. 4.7). Die Tatsache, dass er nach einem kurzen Spitalaufenthalt im Juli 2021 im Tessin nach Italien zurückgekehrt sei, um die Hilfe seiner Frau in Anspruch zu nehmen, bestätige seine Abwesenheit und sei unerheblich für die Frage des Verfalls.

5.3. Gutglaubensprinzip Der Beschwerdeführer berief sich auf das Gutglaubensprinzip (Art. 9 BV) und machte geltend, er habe ein Recht auf Erneuerung seiner Niederlassungsbewilligung, gestützt auf einen Entscheid des Staatsrates aus dem Jahr 1994. Damals sei die Verfallsverfügung aufgehoben worden, weil die Behörde Kenntnis von seinen Übernachtungen in Italien gehabt habe und eine Grenzgängerbewilligung ihm damals keine täglichen Übernachtungen in der Schweiz erlaubt hätte. Das Bundesgericht prüfte die Voraussetzungen für den Schutz des Gutglaubensprinzips (behördliche Auskunft in einer konkreten Situation, Zuständigkeit der Behörde, nicht sofort erkennbare Unrichtigkeit der Auskunft, irreversible Dispositionen des Bürgers im Vertrauen auf die Auskunft, keine Gesetzesänderung; Verweis auf BGE 150 I 1 E. 4.1). Zunächst erklärte es die Rüge in weiten Teilen für unzulässig, da sie wörtlich aus der kantonalen Eingabe übernommen worden sei (Verweis auf Art. 42 Abs. 2 BGG). Aber selbst bei Eintreten seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Die massgebende Gesetzgebung habe sich seit 1994 geändert, insbesondere durch das FZA, dessen Art. 7 Abs. 1 Anhang I es Grenzgängern nun erlaube, in der Schweiz zu übernachten, was 1994 nicht der Fall war. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass die Migrationsbehörden ihm zugesichert hätten, dass die ab Februar 2020 entstandene Situation mit der geltenden Normativ konform sei. Er behaupte lediglich, die Situation sei ähnlich wie 1994, was jedoch nicht zutreffe, da er nun jede Nacht in Italien verbringe. Daher könne er sich nicht auf das Gutglaubensprinzip berufen, da der aktuelle Sachverhalt sich vom Sachverhalt von 1994 wesentlich unterscheide. Die bloss vorgebrachte Behauptung, er sei überzeugt gewesen, dass seine Situation konform sei, weil seine Bewilligung für weitere 20 Jahre erneuert worden sei und er nicht informiert worden sei, sei unzulässig. Er habe nicht bewiesen, dass die Behörden Kenntnis von seinen Umständen seit Februar 2020 hatten und diese akzeptierten. Eine Bewilligungserteilung allein begründe zudem keinen geschützten Vertrauenstatbestand für künftige Erneuerungen (Verweis auf BGE 126 II 377 E. 3b).

5.4. Verhältnismässigkeit Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips. Das Bundesgericht hielt fest, dass der Verfall der Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 61 Abs. 2 AIG ex lege eintritt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Verweis auf BGE 149 I 66 E. 4.7). Die Behörden hätten in diesem Fall kein Ermessen. Es gebe daher keinen Raum für eine Verhältnismässigkeitsprüfung bezüglich der Aufrechterhaltung der Bewilligung. Die Rüge sei folglich unbegründet.

6. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass die Beschwerde, soweit sie zulässig war, unbegründet ist und abgewiesen werden muss. Die Kosten des Verfahrens werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Der Verfall der Niederlassungsbewilligung tritt gemäss Art. 61 Abs. 2 AIG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 1 VZAE ex lege ein, wenn sich die ausländische Person während sechs Monaten im Ausland aufhält, ohne die Aufrechterhaltung der Bewilligung zu beantragen.
  • Gelegentliche Rückreisen in die Schweiz für kurze Perioden aus touristischen, familiären oder geschäftlichen Gründen unterbrechen die sechsmonatige Abwesenheit nicht, auch wenn eine Unterkunft in der Schweiz vorhanden ist.
  • Die Gründe für die Abwesenheit sind unerheblich; entscheidend ist der faktische Aufenthalt im Ausland über die Sechsmonatsfrist hinaus.
  • Das FZA hat einen ähnlichen Ansatz; nur Abwesenheit wegen Militärdienst unterbricht den Fristenlauf nicht.
  • Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht gestützt auf die bindend festgestellten Tatsachen fest, dass der Beschwerdeführer seit Februar 2020 nicht mehr in der Schweiz lebte und nur noch gelegentlich aus geschäftlichen Gründen zurückkehrte, was die Voraussetzungen für den Verfall erfüllte.
  • Das Gutglaubensprinzip war nicht anwendbar, da sich die rechtliche und faktische Situation seit dem vom Beschwerdeführer angerufenen Vorfall im Jahr 1994 wesentlich geändert hat (insbesondere durch das FZA und die Tatsache, dass er nun jede Nacht in Italien verbringt).
  • Da der Verfall ex lege eintritt, besteht kein Raum für eine Verhältnismässigkeitsprüfung.
  • Teile der Beschwerde waren wegen unzulässiger wörtlicher Wiederholung kantonaler Argumente unzulässig.

Das Urteil bestätigt die strenge Anwendung der formellen Kriterien für den Verfall der Niederlassungsbewilligung bei längerem Auslandsaufenthalt, unabhängig von den Gründen der Abwesenheit oder dem subjektiven Empfinden bezüglich des Lebensmittelpunktes, und präzisiert die Grenzen des Gutglaubensschutzes bei veränderter Gesetzeslage und faktischen Umständen.