Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts vom 12. Juni 2025 (7B_1257/2024, 7B_410/2025).
1. Einleitung und Verfahrensvereinigung
Das Urteil betrifft zwei Beschwerden in Strafsachen (7B_1257/2024 und 7B_410/2025) gegen Entscheide der Strafkammer des Kantonsgerichts Genf vom 29. Oktober 2024 und 3. April 2025. Beide Beschwerden richten sich gegen die Abweisung von Ausstandsbegehren (Récusation) des Beschwerdeführers A.__ gegen Staatsanwalt Frédéric Scheidegger (und teilweise gegen Gerichtsschreiberin Lucile Baudier) im Rahmen eines gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens (Verfahren P_1). Angesichts der Ähnlichkeit der geltend gemachten Rügen und der Beteiligung desselben Staatsanwalts und desselben zugrundeliegenden Verfahrens hat das Bundesgericht die beiden Verfahren vereinigt (Erwägung 1).
2. Zulässigkeit und Gegenstand der Beschwerde
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen die Zulässigkeit der Beschwerden (Erwägung 2). Entscheidungen über Ausstandsbegehren von Mitgliedern der Staatsanwaltschaft können unmittelbar mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden, da sie von einer einzigen kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 2 lit. a LTF i.V.m. Art. 380 StPO) getroffen wurden und einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 78 und Art. 92 Abs. 1 LTF). Der Beschwerdeführer als beschuldigte Person hat ein rechtliches Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Entscheide (Art. 81 Abs. 1 LTF).
Der Gegenstand der Beschwerde ist auf die angefochtenen Entscheide begrenzt, d.h. auf die von der Vorinstanz beurteilten Ausstandsgesuche gegen den Staatsanwalt und die Gerichtsschreiberin (Erwägung 2.2).
- Abgrenzung zum zugrundeliegenden Verfahren: Das Bundesgericht stellt klar, dass die Beschwerde nicht dazu dient, die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten im Verfahren P_1 zu bestreiten oder bereits in früheren Verfahren beurteilte Fragen neu aufzuwerfen (Erwägung 2.2.1).
- Dokument vom 21. Dezember 2022: Insbesondere wird auf die Ausführungen zur angeblichen Unregelmässigkeit bezüglich des Schreibens der Anwältin der Gegenpartei vom 21. Dezember 2022 verwiesen, die bereits im Urteil 7B_259/2023 vom 20. Januar 2025 behandelt wurden. Dort wurde festgestellt, dass das Dokument im Originaldossier P_1 vorhanden ist und dass eine Einsichtsgesuch einer Partei, die unzweifelhaft ein solches Recht hat, keinen Ablehnungsgrund darstellt. Selbst wenn nur die E-Mail-Version vorhanden wäre, genügte dies nicht für die Annahme eines schwerwiegenden Fehlers, der einen Ablehnungsgrund begründen könnte. Diese Feststellung reicht aus, um die Abweisung des Ausstandsgesuchs vom 27. Februar 2025, das im Wesentlichen auf diesem Dokument basierte, zu bestätigen (Erwägung 2.2.1).
- Behauptung von Straftaten: Vorbringen des Beschwerdeführers, die darauf abzielen, die Begehung von Straftaten durch den Staatsanwalt zu belegen, sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (Erwägung 2.2.2). Das Bundesgericht bekräftigt zudem seine ständige Rechtsprechung, wonach die Ankündigung oder Einreichung einer Strafanzeige für sich allein keinen Ablehnungsgrund darstellt (unter Verweis auf diverse Urteile, z.B. 7B_876/2024).
- Ausstand der Vorinstanz: Ein Ablehnungsgesuch gegen die Strafkammer des Kantonsgerichts selbst kann nicht erstmalig vor dem Bundesgericht vorgebracht werden, da hierfür gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. c StPO die obere kantonale Gerichtsinstanz (die Beschwerdeinstanz) zuständig ist (Erwägung 2.2.3).
- Sachverhaltsdarstellung: Das Bundesgericht legt den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz festgestellt wurde, es sei denn, dieser sei willkürlich (Art. 9 Cst., Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 LTF). Die eigene Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers wird nicht berücksichtigt, wenn sie nicht Willkür der Vorinstanz belegt. Auch die Behauptung, eine Behörde habe durch fehlende ausdrückliche Stellungnahme Sachverhaltsbehauptungen des Beschwerdeführers zugestimmt, wird zurückgewiesen (Erwägung 2.3). Das Bundesgericht ist auch nicht verpflichtet, unklare oder umfangreiche Vorbringen zu suchen oder deren Substanz herauszuarbeiten.
In den Grenzen der so umschriebenen Zulässigkeit tritt das Bundesgericht auf die Beschwerden ein (Erwägung 2.4).
3. Formelle Rechtsverweigerung und rechtliches Gehör
Der Beschwerdeführer rügt im Verfahren 7B_1257/2024 eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und eine formelle Rechtsverweigerung, weil die Vorinstanz angeblich nicht auf seine Anfragen zur Registrierungsnummer eines Ausstandsgesuchs geantwortet habe. Das Bundesgericht weist diese Rüge als unbegründet zurück. Eine einfache Lektüre des angefochtenen Entscheids der Vorinstanz (ACPR/785/2024) hätte die gewünschte Information geliefert. Zudem hat der Beschwerdeführer in seinen Eingaben argumentiert, sodass ihm kein Nachteil entstanden ist (Erwägung 3.1).
Bezüglich der behaupteten formellen Rechtsverweigerung (fehlende Behandlung eines Ausstandsgesuchs vom 29. Juli 2024 durch die Vorinstanz) hält das Bundesgericht fest, dass die Vorinstanz kein Gesuch beurteilen kann, das ihr nicht vorgelegt wurde. Der Staatsanwalt hat bestätigt, dieses Gesuch noch nicht an die Vorinstanz weitergeleitet zu haben. Das Bundesgericht erachtet dieses Verhalten des Staatsanwalts jedoch angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers als vertretbar. Der Beschwerdeführer trage zur Verwirrung bei, indem er zahlreiche, oft lange Eingaben an verschiedene Behörden sendet und häufig Ausstandsgesuche stellt, wenn der Staatsanwalt seinen Begehren nicht umgehend nachkommt oder unliebsame Antworten gibt. Solches Verhalten stellt per se keinen Ablehnungsgrund dar (Erwägung 3.2).
Im Verfahren 7B_410/2025 wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, entschieden zu haben, ohne über das vollständige Dossier P_1 zu verfügen. Das Bundesgericht entgegnet, dass der Beschwerdeführer seit Februar 2025 wusste, dass das Dossier beim Bundesgericht war. Er hat jedoch keinen Antrag auf Rücksendung des Dossiers an die Vorinstanz gestellt. Einen Verfahrensmangel erst nach Ergehen des (negativen) Entscheids geltend zu machen, verstösst gegen Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 Cst. und Art. 3 Abs. 2 lit. a StPO) und wird daher nicht geschützt (Erwägung 3.3).
4. Verspätung der Ausstandsgesuche
Der Beschwerdeführer bestreitet die von der Vorinstanz festgestellte Verspätung seiner Ausstandsgesuche (Erwägung 4.1).
- Rechtliche Grundlage: Gemäss Art. 58 Abs. 1 StPO ist das Ausstandsgesuch unverzüglich, d.h. innert sechs bis sieben Tagen nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes, zu stellen, andernfalls das Recht verwirkt wird (Erwägung 4.2, unter Verweis auf ATF und eigene Urteile).
- Anwendung auf das Gesuch gegen die Gerichtsschreiberin: Die Vorinstanz hat das Ausstandsgesuch gegen die Gerichtsschreiberin vom 6. Mai 2024 als verspätet erachtet (Erwägung 4.3.1). Der Beschwerdeführer wusste seit der Zustellung des Urteils ACPR_4 am 17. April 2024 von den (vermeintlichen) Ablehnungsgründen. Er hat jedoch bis zum 6. Mai 2024 gewartet und sich zudem an das Bundesgericht gewandt, obwohl er wusste, dass dieses für Ausstandsgesuche gegen kantonale Behörden nicht die erste Instanz ist. Die Argumentation der Vorinstanz wird bestätigt.
- Anwendung auf die Gesuche gegen den Staatsanwalt: Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer in späteren Gesuchen (30. Juni/1. Juli, 6. August, 27. August und 3. Oktober 2024) keine neuen, sondern bereits bekannte Rügen vorgebracht bzw. kumuliert hat (Erwägung 4.3.2). Diese Gesuche seien daher verspätet gewesen. Da der Beschwerdeführer keine klare Argumentation vorlegt, welche Rügen neu waren und fälschlicherweise als verspätet abgewiesen wurden, geht das Bundesgericht auf diese Problematik nicht weiter ein.
5. Fehlende Stellungnahme der betroffenen Person
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 58 Abs. 2 StPO, wonach die vom Ausstandsgesuch betroffene Person dazu Stellung nehmen muss (Erwägung 5.1). Diese Bestimmung ist zwingend und dient der Sachverhaltsermittlung sowie dem rechtlichen Gehör (Erwägung 5.2).
- Ausnahme bei missbräuchlichen Gesuchen: Das Bundesgericht hält fest, dass die zuständige Behörde ausnahmsweise von der Einholung einer Stellungnahme absehen kann, wenn ein Ausstandsgesuch offensichtlich verspätet oder missbräuchlich ist (Erwägung 5.2, unter Verweis auf neuere Urteile und Analogie zu Art. 36 Abs. 2 LTF).
- Anwendung auf die Gesuche gegen den Staatsanwalt: Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Staatsanwalt die Ausstandsgesuche (betreffend 7B_1257/2024 und 7B_410/2025) ohne Stellungnahme weitergeleitet hat (Erwägung 5.3.1). Angesichts der in diesen Gesuchen vorgebrachten Motive, die im Wesentlichen die Richtung der Untersuchung in Frage stellen, seien die Gesuche offensichtlich missbräuchlich gewesen. In dieser Konstellation könne der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, keine Stellungnahme des Staatsanwalts eingeholt zu haben. Zudem könne die Vorinstanz, da der Staatsanwalt keine Stellungnahme einreichte, davon ausgehen, dass er darauf verzichtet habe (antizipierte Beweiswürdigung). Diese Rüge wird daher abgewiesen.
- Gesuch gegen die Gerichtsschreiberin: Bezüglich des Gesuchs gegen die Gerichtsschreiberin ist der Staatsanwalt nicht die "betroffene Person" im Sinne von Art. 58 Abs. 2 StPO (Erwägung 5.3.2). Wenn die Rüge darauf abzielt, dass die Vorinstanz nicht die Gerichtsschreiberin angehört hat, so wird sie ebenfalls abgewiesen, da die Vorinstanz das Gesuch als verspätet erachtet hat, was ein zulässiger Grund ist, die betroffene Person nicht anzuhören.
6. Ausstandsgründe
Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz keine Ablehnungsgründe festgestellt habe (Erwägung 6.1).
- Rechtliche Grundlage: Gemäss Art. 56 lit. f StPO liegt ein Ablehnungsgrund vor, wenn andere Gründe (neben den in Lit. a-e genannten), wie z.B. ein enges Freundschafts- oder Feindschaftsverhältnis mit einer Partei, geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der Person zu wecken (Erwägung 6.2, unter Verweis auf die Prinzipien im Urteil 7B_259/2023).
- Anwendung auf die vorliegenden Rügen: Das Bundesgericht bestätigt die Argumentation der Vorinstanz im Urteil ACPR/785/2024 (Erwägung 6.3.1).
- Keine Befangenheit durch Verfahrensleitung: Eine Mitteilung über den bevorstehenden Verfahrensabschluss oder eine Anklageerhebung stellt für sich allein keinen Ablehnungsgrund dar, auch wenn sie ergeht, während frühere Ausstandsgesuche noch hängig sind (Art. 59 Abs. 3 StPO). Das Ausstandsverfahren dient nicht dazu, die Art der Verfahrensleitung oder Zwischenentscheide anzufechten (Erwägung 6.3.2, unter Verweis auf ATF 143 IV 69).
- Akteneinsicht: Auch die Aufforderung an den Beschwerdeführer, sich zwecks Akteneinsicht an das Bundesgericht zu wenden, weil sich das Dossier dort befand, begründet keinen Anschein der Befangenheit. Der Beschwerdeführer bestreitet die Lokalisierung des Dossiers nicht (Erwägung 6.3.2).
- Fristverlängerung: Die bereits gewährte Fristverlängerung für Beweisanträge entkräftet die diesbezügliche Rüge (Erwägung 6.3.2).
7. Ergebnis
Die Beschwerden in den Verfahren 7B_1257/2024 und 7B_410/2025 werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist (Erwägung 7). Dem unterliegenden Beschwerdeführer werden die Gerichtskosten auferlegt (Art. 66 Abs. 1 LTF), wobei die Verfahrensvereinigung und die Länge der Eingaben berücksichtigt werden. Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen (Art. 68 Abs. 3 LTF). Das Gesuch um aufschiebende Wirkung im Verfahren 7B_410/2025 wird gegenstandslos (Erwägung 7).
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht weist die Beschwerden des Beschwerdeführers A.__ gegen die Abweisung seiner Ausstandsbegehren gegen Staatsanwalt Scheidegger und Gerichtsschreiberin Baudier ab. Die wesentlichen Gründe dafür sind:
- Begrenzter Gegenstand: Das Verfahren beschränkt sich auf die Ausstandsfragen. Vorbringen zum zugrundeliegenden Strafverfahren oder bereits entschiedene Fragen werden nicht neu beurteilt. Insbesondere die Frage des Dokuments vom 21. Dezember 2022 wurde bereits entschieden und stellt keinen Ablehnungsgrund dar.
- Verspätung: Einige Ausstandsgesuche, insbesondere dasjenige gegen die Gerichtsschreiberin und spätere Gesuche gegen den Staatsanwalt, wurden zu spät gestellt, da die Ablehnungsgründe dem Beschwerdeführer bereits länger bekannt waren.
- Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs bezüglich Stellungnahme: Obwohl die betroffene Person gemäss Art. 58 Abs. 2 StPO eine Stellungnahme abgeben soll, kann hiervon bei offensichtlich missbräuchlichen Gesuchen abgewichen werden, wie es hier der Fall war. Zudem hat der Staatsanwalt konkludent auf eine Stellungnahme verzichtet.
- Keine willkürliche Entscheidung ohne vollständiges Dossier: Die Rüge, die Vorinstanz habe ohne vollständiges Dossier entschieden, wird abgewiesen, da der Beschwerdeführer wusste, wo sich das Dossier befand und nicht rechtzeitig dessen Rücksendung beantragt hat, was gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
- Keine gültigen Ablehnungsgründe: Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe (Mitteilung des Verfahrensabschlusses, Art der Verfahrensleitung, Akteneinsicht, Fristverlängerungen) stellen gemäss ständiger Rechtsprechung keine Ablehnungsgründe dar, da sie nicht geeignet sind, objektiv den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Das Ausstandsverfahren dient nicht der Anfechtung der Verfahrensführung.
- Ankündigung von Strafanzeigen: Die Ankündigung oder das Erstatten einer Strafanzeige gegen die betroffene Person stellt für sich allein keinen Ablehnungsgrund dar.
Die Beschwerden werden daher, soweit darauf eingetreten wurde, abgewiesen und die Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt.