Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_306/2024 vom 19. Juni 2025

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Hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 1C_306/2024 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 19. Juni 2025:

1. Einleitung und Streitgegenstand

Das Urteil 1C_306/2024 des Bundesgerichts vom 19. Juni 2025 betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Luzern. Der Kern der Auseinandersetzung ist eine Baubewilligung des Gemeinderats Grosswangen vom 27. September 2022 für verschiedene Anlagen auf einem landwirtschaftlichen Grundstück (Nr. 1045) in der Landwirtschaftszone (Empfindlichkeitsstufe III), namentlich den Anbau eines Luftwäschers, den Ersatz einer bestehenden Wärmepumpe durch zwei neue, die Erstellung einer Photovoltaikanlage, eines Seuchenschutzzauns und eines Kamins sowie die nachträgliche Bewilligung einer Notstromanlage. Die Beschwerdeführerin A.__, Eigentümerin eines benachbarten Grundstücks (Nr. 819), wehrt sich primär gegen die Bewilligung der beiden neuen Wärmepumpen am vorgesehenen Standort (Nordseite des Gebäudes Nr. 145a, eines Schweinestalls), da sie erhebliche Lärmimmissionen auf ihr Wohnhaus befürchtet.

Sie beantragte vor dem Kantonsgericht und erneut vor dem Bundesgericht, die Baubewilligung bezüglich der Wärmepumpen aufzuheben und zur umfassenden Standortevaluation an den Gemeinderat zurückzuweisen, insbesondere zur Prüfung einer Aufstellung der Wärmepumpen im Innern des Gebäudes oder auf dessen Südseite. Das Kantonsgericht Luzern wies die Beschwerde ab.

2. Verfahren vor Bundesgericht

Das Bundesgericht trat auf die frist- und formgerechte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein, da die Beschwerdeführerin als Nachbarin besonders betroffen und somit zur Beschwerde legitimiert ist (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 BGG).

Hinsichtlich der neuen Tatsachen und Beweismittel (sog. "echte Noven") wies das Bundesgericht Schreiben und Unterlagen, die nach dem angefochtenen kantonsgerichtlichen Urteil datieren und die (nicht im Fokus stehende) Bewilligungssituation der zu ersetzenden Wärmepumpe oder anderer Gebäudeteile betreffen, als unzulässig zurück (Art. 99 Abs. 1 BGG, E. 2.4). Die Frage der Bewilligung anderer Anlageteile war bereits vor der Vorinstanz Thema und stellt kein erst durch deren Urteil veranlasstes Novum dar.

Anträge der Beschwerdeführerin auf Beweismassnahmen (Augenschein, Einholung Neubeurteilung/Zweitgutachten) wurden vom Bundesgericht im Rahmen der materiellen Prüfung des Sachverhalts und des rechtlichen Gehörs behandelt und abgewiesen (E. 3 und E. 5).

3. Rügen der Beschwerdeführerin und rechtliche Beurteilung durch das Bundesgericht

Die Beschwerdeführerin rügte im Wesentlichen Verletzungen des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV), eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 9 BV) und eine Verletzung des Vorsorgeprinzips im Lärmschutzrecht (Art. 11 Abs. 2 USG, Art. 7 Abs. 1 lit. a LSV).

3.1. Rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)

Die Beschwerdeführerin machte mehrere Gehörsverletzungen geltend: a) Unterlassung der Befragung der Parteien und eines Augenscheins (E. 5.1). b) Unterlassung der Einholung eines neutralen Zweitgutachtens und weiterer Stellungnahmen trotz angeblicher Mängel des vorliegenden Lärmgutachtens (Gutachten D._ AG) (E. 5.2, E. 5.3). c) Versäumte Zustellung der Stellungnahme der Dienststelle rawi durch den Gemeinderat (E. 6.2). d) Fehlende Auseinandersetzung des Gemeinderats/Dienststellen mit ihrer Aktennotiz (C._ AG) zum Lärmgutachten und mit von ihr vorgeschlagenen Alternativstandorten (E. 6.3).

Das Bundesgericht prüfte diese Rügen unter dem Aspekt der Heilung von Verfahrensmängeln (E. 6.1). Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann geheilt werden, wenn die betroffene Person vor einer Beschwerdeinstanz mit freier Kognition Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Auch bei schwerwiegenden Verletzungen kann von einer Rückweisung abgesehen werden, wenn dies zu einem formalistischen Leerlauf führen würde.

  • Verzicht auf Augenschein und Parteibefragung: Das Bundesgericht bejahte das Ermessen der Vorinstanz. Angesichts der vorhandenen Akten (Pläne, Fotos, Berichte, Gutachten) sei der Sachverhalt hinreichend klar ersichtlich, und weitere Erkenntnisse seien nicht zu erwarten gewesen. Dies sei nicht willkürlich. Ein Augenschein des Bundesgerichts erübrige sich ebenfalls (E. 5.1).
  • Verzicht auf Zweitgutachten: Das Bundesgericht führte aus, dass Gerichte Expertisen frei würdigen, in Fachfragen aber nur aus triftigen Gründen davon abweichen dürfen (E. 5.3.1; BGE 150 II 133 E. 4.1.3). Die Vorinstanz habe das Gutachten der D._ AG, die kritische Aktennotiz der C._ AG und die Stellungnahme der D._ AG dazu geprüft (E. 5.2). Sie hielt fest, dass die Dienststelle uwe das Gutachten als korrekt erachtete und die Ergänzungen der D._ AG in der Stellungnahme vom 21. Dezember 2022 die in der Aktennotiz C._ aufgeworfenen Fragen schlüssig und nachvollziehbar beantwortet hätten (E. 5.2.2, E. 5.3.2). Die Beschwerdeführerin habe trotz Aufforderung keine substanziellen Gegenargumente gegen die Stellungnahme der D._ AG vorgebracht (E. 5.3.3) und ihre Kritik sei rein appellatorischer Natur (E. 5.3.4). Auch das BAFU bestätigte die Schlüssigkeit des Gutachtens und die Einhaltung der Planungswerte (E. 5.3.5). Unter diesen Umständen war die Vorinstanz nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen oder weitere Abklärungen zu treffen. Eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes liege nicht vor (E. 5.3.3).
  • Heilung der Verfahrensmängel: Das Bundesgericht bestätigte, dass der Gemeinderat die Stellungnahme der Dienststelle rawi nicht zugestellt und die Aktennotiz C._ sowie die Stellungnahme der Beschwerdeführerin nicht in seinem Entscheid gewürdigt habe (E. 6.2.1, E. 6.3.2). Diese Gehörsverletzungen seien aber durch das Kantonsgerichtsverfahren geheilt worden. Das Kantonsgericht verfüge über volle Kognition (§ 161a VRG/LU) und die Beschwerdeführerin habe umfassend Gelegenheit gehabt, sich zu allen relevanten Unterlagen (einschliesslich der Stellungnahme rawi, des Lärmgutachtens und der Stellungnahme D._ AG dazu) zu äussern (E. 6.2.2, E. 6.3.2). Angesichts der Tatsache, dass die kantonalen Dienststellen und der Gemeinderat ihre Position beibehalten hätten und keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien, stelle eine Rückweisung an den Gemeinderat einen formalistischen Leerlauf dar, der vermieden werden dürfe (E. 6.2.3, E. 6.3.2; BGE 147 IV E. 4.11.3). Die Gehörsverletzungen seien somit als geheilt zu betrachten.

Insgesamt wies das Bundesgericht die Rügen der Gehörsverletzung ab (E. 6.4).

3.2. Sachverhaltsfeststellung und Vorsorgeprinzip im Lärmschutz (Art. 11 Abs. 2 USG, Art. 7 LSV)

Die Beschwerdeführerin beanstandete die unzureichende Prüfung von Alternativstandorten für die Wärmepumpen und eine Verletzung des Vorsorgeprinzips.

  • Anwendbares Recht: Das Bundesgericht hielt fest, dass Wärmepumpen ortsfeste Anlagen gemäss Art. 7 Abs. 7 USG und Art. 2 Abs. 1 LSV sind und den Lärmschutzbestimmungen unterliegen (E. 7.2). Neuanlagen dürfen die Planungswerte nicht überschreiten (Art. 25 Abs. 1 USG, Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV, Anhang 6 LSV). Für Empfindlichkeitsstufe III gelten 60 dB(A) tagsüber und 50 dB(A) nachts (Anhang 6 Ziff. 2 LSV). Diese Werte werden gemäss Gutachten D.__ AG (und bestätigt durch BAFU) eingehalten (E. 5.4, E. 8.3).
  • Vorsorgeprinzip: Das Bundesgericht erläuterte die Kumulativität der Einhaltung der Planungswerte und des Vorsorgeprinzips (Art. 11 Abs. 2 USG, Art. 7 Abs. 1 lit. a LSV). Emissionen sind so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist (E. 7.3; BGE 141 II 476 E. 3.2). Dies erfordert die Wahl der Massnahme, die im Rahmen der Verhältnismässigkeit den besten Lärmschutz gewährleistet (Urteil 1C_506/2008). Der Schutz Dritter ist dabei auch bei der Standortwahl zu berücksichtigen (BGE 141 II 476 E. 3.2). Allerdings gilt die Einschränkung, dass das Vorsorgeprinzip primär die umweltrechtliche Optimierung des Projekts an der Quelle verlangt, nicht zwingend eine alternative Neuplanung an einem anderen Standort (E. 7.4; BGE 124 II 517 E. 5d). Der Nachbar kann nicht den für sein Grundstück günstigsten Standort verlangen, sondern einen, der insgesamt zu einer geringeren Lärmentwicklung führt. Zusätzliche Massnahmen über die Planungswerte hinaus kommen nur in Betracht, wenn sie mit relativ geringem Aufwand eine wesentliche zusätzliche Reduktion ermöglichen (E. 7.3; BGE 127 II 306 E. 8). Das Bundesgericht erwähnte auch den neuen Art. 7 Abs. 3 LSV (seit 1.11.2023), wonach bei eingehaltenen Planungswerten weitere Emissionsbegrenzungen nur verlangt werden können, wenn mit höchstens 1% der Investitionskosten eine Reduktion von mindestens 3 dB erzielt werden kann (E. 7.4 a.E., E. 9.4).
  • Prüfung der Alternativstandorte: Die Vorinstanz stützte sich auf die Beurteilung der E.__ AG (E. 8.1). Eine Innenaufstellung erfordere umfangreiche, teure Umbauten (~Fr. 217k Mehrkosten) und viel Platz (78m2), was technisch schwierig und unverhältnismässig sei (E. 8.1.1). Eine Aufstellung auf der Südseite sei ebenfalls mit erheblichen Mehrkosten (~Fr. 97k) verbunden, da Fernleitungen nötig wären (E. 8.1.2). Das BAFU bestätigte, dass beide Alternativen nachvollziehbar ausgeschlossen wurden und eine Südaufstellung sogar zu einer insgesamt ungünstigeren Lärmsituation beim Wohnhaus des Beschwerdegegners führen würde (E. 8.3). Das Bundesgericht bekräftigte, dass nach ständiger Rechtsprechung die Plausibilität des Ausschlusses von Alternativstandorten genügt, nicht eine umfassende Interessenabwägung aller denkbaren Orte (E. 9.1; Urteile 1C_569/2022 E. 5.6, 1C_389/2019 E. 4.3). Diese Anforderung sei erfüllt. Die Beschwerdeführerin habe nicht plausibel darlegen können, dass ihre Vorschläge (z.B. Innenaufstellung, andere Modelle, Aufstellung im Osten/Westen) technisch machbar oder verhältnismässig wären (E. 9.2.2, E. 9.2.3).
  • Bedeutung der angeblich unbewilligten Bauten: Das Bundesgericht wies das Argument der Beschwerdeführerin zurück, wonach die Verhältnismässigkeitsprüfung durch die angeblich unbewilligte bestehende Wärmepumpe oder andere Bauten (Silos, Personalräume) des Beschwerdegegners verzerrt werde (E. 9.3). Die Kosten für die Entfernung der alten Pumpe seien nicht relevant gewesen. Die Prüfung der Verhältnismässigkeit beziehe sich auf die Kosten/den Aufwand für die Installation der neuen Wärmepumpen an den alternativen Standorten im Vergleich zum geplanten Standort. Eine Pflicht zur Entfernung der Silos bestehe nicht.
  • Zusätzliche Lärmschutzmassnahmen: Die Beschwerdeführerin forderte weitere Massnahmen (leiseres Modell, Lärmschutzhaube). Das Bundesgericht bestätigte, dass solche bei eingehaltenen Planungswerten nur verlangt werden können, wenn sie mit relativ geringem Aufwand umsetzbar sind (E. 9.4). Das BAFU schätzte die geforderten Massnahmen als unverhältnismässig ein, da sie mehr als nur geringen Aufwand erfordern (E. 8.3, E. 9.4). Dies stehe auch im Einklang mit dem Schwellenwert von Art. 7 Abs. 3 LSV. Der von der Beschwerdeführerin erwähnte "Flüstermodus" sei bereits durch den Nachtmodus abgedeckt.

4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem sie die Baubewilligung für die Wärmepumpen am gewählten Standort schützte (E. 9.5). Die Planungswerte werden eingehalten, und die vorgeschlagenen alternativen Standorte sowie zusätzliche Lärmschutzmassnahmen wurden im Rahmen des Vorsorgeprinzips plausibel als technisch schwierig, unverhältnismässig aufwändig oder nicht zu einer wesentlichen Lärmreduktion führend beurteilt.

Die Beschwerde erwies sich als unbegründet und wurde abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt, und sie wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung an den Beschwerdegegner verpflichtet.

5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

  • Streitgegenstand: Lärmimmissionen durch neue Wärmepumpen auf einem landwirtschaftlichen Nachbargrundstück (Landwirtschaftszone) und deren Standortwahl.
  • Gehörsrecht: Vom Gemeinderat begangene Gehörsverletzungen (fehlende Zustellung von Stellungnahme, fehlende Würdigung von Einwänden/Aktennotiz) wurden durch das Kantonsgericht geheilt, da dieses volle Kognition hatte, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme gab und eine Rückweisung als formalistischen Leerlauf erschien. Der Verzicht auf Augenschein, Parteibefragung und Zweitgutachten durch die Vorinstanz war nicht willkürlich.
  • Lärmschutzrecht (USG/LSV): Die Planungswerte für die Lärmempfindlichkeitsstufe III werden am geplanten Standort der Wärmepumpen gemäss geprüftem Gutachten eingehalten.
  • Vorsorgeprinzip: Das Vorsorgeprinzip verlangt Emissionsbegrenzungen, soweit technisch/betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar, und die Wahl der verhältnismässig besten Lösung. Es verlangt aber nicht zwingend den für den Nachbarn am wenigsten störenden Standort, sondern die umweltrechtliche Optimierung.
  • Standortalternativen: Die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen alternativen Standorte (innen, Südseite) wurden als technisch schwierig umsetzbar und mit unverhältnismässig hohen Kosten verbunden beurteilt, was vom Bundesgericht als plausibel erachtet wurde. Eine umfassende Interessenabwägung aller denkbaren Standorte war nicht erforderlich.
  • Zusätzliche Massnahmen: Weitere Lärmschutzmassnahmen (z.B. Einhausung) wurden als unverhältnismässig eingestuft, da sie bei eingehaltenen Planungswerten mehr als nur geringen Aufwand verursachen würden.
  • Ergebnis: Das Bundesgericht bestätigte das vorinstanzliche Urteil und wies die Beschwerde ab, da keine Verletzung von Bundesrecht vorliege.