Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_149/2025 vom 13. Juni 2025

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Zusammenfassung des Urteils 6B_149/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 13. Juni 2025

Gericht und Gegenstand Das Urteil erging durch die I. strafrechtliche Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts am 13. Juni 2025 (Verfahrensnummer 6B_149/2025). Gegenstand des Verfahrens war die Beschwerde gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 3. Dezember 2024 betreffend mehrfachen, teilweise versuchten Diebstahl, Strafzumessung sowie die Anordnung einer nicht obligatorischen Landesverweisung mit Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS).

Sachverhalt und Vorinstanzen Der Beschwerdeführer, ein 1997 in Afghanistan geborener und seit 2015 in der Schweiz vorläufig aufgenommener Staatsangehöriger, wurde vom Bezirksgericht Aarau am 26. Juni 2023 wegen diverser Delikte, primär im Zusammenhang mit Diebstählen aus Fahrzeugen, verurteilt. Das Bezirksgericht sprach eine unbedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten sowie eine Busse aus und ordnete eine fünfjährige Landesverweisung an. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte in seinem Urteil vom 3. Dezember 2024 die Schuldsprüche und die Strafhöhe. Es bestätigte ebenfalls die fünfjährige Landesverweisung, ordnete jedoch zusätzlich deren Ausschreibung im SIS an.

Anfechtungspunkte vor Bundesgericht Der Beschwerdeführer focht das Obergerichts-Urteil in drei Hauptpunkten an: 1. Die Qualifikation der Diebstähle als qualifizierter Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 StGB statt als geringfügiger Diebstahl gemäss Art. 172ter Abs. 1 StGB. 2. Die Wahl der unbedingten Freiheitsstrafe und die Verweigerung des bedingten Vollzugs. 3. Die Anordnung der nicht obligatorischen Landesverweisung und insbesondere deren Ausschreibung im SIS.

Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

1. Schuldspruch wegen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB vs. geringfügiger Diebstahl Art. 172ter Abs. 1 StGB)

  • Argument des Beschwerdeführers: Er argumentierte, bei Diebstählen aus Fahrzeugen sei typischerweise nicht mit einer Beute über Fr. 300.-- zu rechnen, weshalb nur geringfügiger Diebstahl vorliege.
  • Argument der Vorinstanz: Der Vorsatz des Beschwerdeführers sei auf eine möglichst hohe Beute gerichtet gewesen, unabhängig vom tatsächlich erlangten Wert.
  • Rechtliche Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht führte aus, dass für die Anwendung von Art. 172ter Abs. 1 StGB (geringfügiger Vermögenswert) das subjektive Kriterium der Absicht des Täters massgebend ist, nicht der eingetretene Erfolg (Verweis auf BGE 123 IV 197 E. 2a). Ein Vermögenswert von maximal Fr. 300.-- gilt als gering (ständige Rechtsprechung, BGE 149 IV 273 E. 1.5.1). Die Frage des Vorsatzes ist eine Tatfrage, die nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüft wird. Frei überprüfbar sind hingegen Schlüsse aus der allgemeinen Lebenserfahrung (BGE 123 IV 197 E. 2c). Das Bundesgericht bestätigte die Vorinstanz darin, dass es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass sich in Fahrzeugen keine Gegenstände von über Fr. 300.-- Wert befinden (Beispiele: Handtaschen, Mobiltelefone, Markensonnenbrillen). Analog zur Rechtsprechung bei Taschendiebstählen (BGE 123 IV 197) sei ohne konkrete Gegenindizien vom Eventualvorsatz bezüglich eines Werts über Fr. 300.-- auszugehen. Solche Indizien fehlten im vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer wahllos Fahrzeuge durchsuchte. Die Vorinstanz verneinte die Anwendbarkeit von Art. 172ter StGB daher zu Recht.
  • Fazit: Die Beschwerde wurde in diesem Punkt abgewiesen.

2. Wahl der Strafart und des unbedingten Strafvollzugs

  • Argument des Beschwerdeführers: Seine überwundene Betäubungsmittelabhängigkeit, die seit der Haftentlassung im Juli 2024 erfolgte Straffreiheit und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sprächen für eine bedingte Geld- oder Freiheitsstrafe.
  • Argument der Vorinstanz: Geldstrafe sei unzweckmässig; "eigentliche Schlechtprognose" rechtfertige unbedingte Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe (Art. 49 Abs. 2 StGB).
  • Rechtliche Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht stellte klar, dass eine Gesamtfreiheitsstrafe auch bei retrospektiver Konkurrenz (Art. 49 Abs. 2 StGB) zulässig ist, wenn die Taten zeitlich/sachlich eng verknüpft sind und eine Geldstrafe ungenügend präventiv wirkt (Verweis auf Urteil 6B_246/2024). Die Wahl der Strafart nach Art. 47 StGB richtet sich nach Verschulden, Zweckmässigkeit und Prävention. Bei der Prüfung des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 Abs. 1 StGB) ist die Gewährung die Regel, es sei denn, eine ungünstige Prognose liegt vor (BGE 134 IV 1 E. 4.2.2). Die Prognose erfolgt anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanter Umstände, wobei dem Sachgericht ein erheblicher Ermessensspielraum zusteht (BGE 145 IV 137 E. 2.2).
  • Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht bestätigte die Vorinstanz darin, dass angesichts der wiederholten Vermögensdelikte des Beschwerdeführers, welche die vorliegende Zusatzstrafe begründeten, eine Geldstrafe unzweckmässig erscheine. Insbesondere habe der Beschwerdeführer, wie die Vorinstanz festhielt, selbst nach seiner erstinstanzlichen Verurteilung und während des Berufungsverfahrens weiterdelinquiert (sog. gewerbsmässiger Diebstahl, rechtskräftig verurteilt am 21. März 2024). Ein solches Verhalten lasse eine Geldstrafe als ungeeignet erscheinen. Zwar habe die Vorinstanz die von ihm geltend gemachten positiven Entwicklungen (nicht mehr abhängig, Arbeitsstelle) berücksichtigt, an deren Nachhaltigkeit aber nachvollziehbar gezweifelt, da er bereits früher Arbeitsstellen wegen Suchtrückfällen verlor. Ebenso wenig verletzte die Vorinstanz Bundesrecht bei der Verneinung des bedingten Vollzugs. Sie habe die positive Entwicklung berücksichtigt, aber die kurze Dauer dieser veränderten Umstände und das fortgesetzte Delinquieren als gewichtiger eingestuft. Eine Verletzung des Ermessensspielraums liege nicht vor.
  • Fazit: Die Beschwerde wurde auch in Bezug auf die Wahl der Strafart und des Vollzugs abgewiesen.

3. Anordnung der nicht obligatorischen Landesverweisung und Ausschreibung im SIS

  • Argument des Beschwerdeführers: Rückführung nach Afghanistan sei gefährlich (familiär bedingte Gefahr, kein soziales Netz), er sei in der Schweiz ausreichend integriert ("regelmässig", aber nur "minderschwer" delinquiert, nun clean und mit Job), gehe keine Gefahr mehr aus. Gehörsverletzung, da Vorinstanz Gefahr in Afghanistan nicht würdigte und nicht auf drohende SIS-Ausschreibung hinwies.
  • Argument der Vorinstanz: Gewicht. öffentliches Interesse überwiege geringes privates Interesse. Afghanistan-Situation sei kein definitives Vollzugshindernis.
  • Rechtliche Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erklärte, dass eine nicht obligatorische Landesverweisung nach Art. 66a bis StGB (auch bei wiederholten, wenig schweren Taten) im Rahmen einer Verhältnismässigkeitsprüfung (Art. 5 Abs. 2, 36 Abs. 2/3 BV) und der Anforderungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK (Interessenabwägung, EGMR-Kriterien wie Art/Schwere der Tat, Aufenthaltsdauer, Verhalten nach Tat, soziale Bindungen) zu erfolgen hat. Allfällige Vollzugshindernisse sind vom Strafgericht nur zu berücksichtigen, wenn sie definitiv sind; ansonsten ist die Vollzugsbehörde zuständig. Die Stabilität eines Vollzugshindernisses beurteilt sich nach dem Zeithorizont bis zum Vollzug und der Dynamik der Verhältnisse im Herkunftsland (Urteil 6B_382/2024 E. 6.4.3.1). Betreffend die SIS-Ausschreibung verwies das Gericht auf BGE 147 IV 340 und 146 IV 172 und betonte, dass das Berufungsgericht, wenn es die Ausschreibung erstmals anordnet, die betroffene Person explizit darauf hinweisen muss (Gehörsrecht, Art. 29 Abs. 2 BV, BGE 146 IV 172 E. 3.4.2).
  • Würdigung des Bundesgerichts (Landesverweisung): Die Vorinstanz qualifizierte die Integration des Beschwerdeführers als nicht gelungen (9 Jahre Aufenthalt, "einigermassen gut" Deutsch, schlechte Arbeitsgeschichte, Schulden, Asylunterkunft, nur 1 Bruder hier), was das geringe private Interesse am Verbleib stütze. Das öffentliche Interesse sei angesichts der wiederholten und gesteigerten Delinquenz sowie der schlechten Legalprognose als hoch einzustufen (wobei die nachträgliche Verurteilung wegen gewerbsmässigen Diebstahls im Rahmen des Verhaltens nach der Tat berücksichtigt werden durfte). Der Beschwerdeführer habe keine Angehörigen in Afghanistan, sei jung, gesund, spreche die Amtssprache, seine Chancen dort seien nicht wesentlich ungünstiger. Bezüglich der Gefahr in Afghanistan beurteilte die Vorinstanz die Lage als "prekär", aber kein definitives Vollzugshindernis. Das Bundesgericht verwies auf sein jüngstes Urteil 6B_607/2024 vom 2. April 2025, das die Instabilität der massgebenden Verhältnisse in Afghanistan bejahte, und die Angaben des SEM, wonach Rückführungen straffälliger Personen wieder möglich seien (unter Bedingungen). Dies stütze die Auffassung, dass kein definitives Hindernis vorliege. Die pauschale Behauptung einer individuellen Gefahr genüge nicht; der BFH sei seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
  • Fazit (Landesverweisung): Die Beschwerde gegen die Anordnung der Landesverweisung selbst wurde abgewiesen.
  • Würdigung des Bundesgerichts (SIS Ausschreibung/Gehör): Das Bundesgericht gab dem Beschwerdeführer Recht, dass sein rechtliches Gehör verletzt wurde. Die Vorinstanz ordnete die SIS-Ausschreibung erstmals an. Dies stellte eine Verschlechterung für den Beschwerdeführer dar. Die Vorinstanz hätte ihn vor dieser Entscheidung explizit auf die drohende Ausschreibung hinweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Da dies unterblieb, liegt eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV gemäss der Rechtsprechung (BGE 146 IV 172 E. 3.4.2) vor.
  • Fazit (SIS Ausschreibung): Die Beschwerde wurde in diesem Punkt gutgeheissen. Das Urteil wurde bezüglich der SIS-Ausschreibung aufgehoben und zur Neubeurteilung unter Gewährung des Gehörs an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Ergebnis Das Bundesgericht hiess die Beschwerde teilweise gut, nämlich einzig im Punkt der Ausschreibung der Landesverweisung im SIS aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz. Das Urteil des Obergerichts wurde in diesem Teil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen, d.h. die Schuldsprüche (einschliesslich der Qualifikation als Diebstahl und nicht geringfügiger Diebstahl), die unbedingte Freiheitsstrafe sowie die Anordnung der Landesverweisung selbst wurden vom Bundesgericht bestätigt.

Wesentliche Punkte in Kürze

  • Der Schuldspruch wegen Diebstahls (nicht geringfügiger Diebstahl) wurde bestätigt, da der Vorsatz des Täters auf eine Beute über CHF 300.-- gerichtet sein konnte, was nicht gegen die allgemeine Lebenserfahrung verstösst und durch Eventualvorsatz gedeckt sein kann.
  • Die unbedingte Freiheitsstrafe und die Verneinung des bedingten Vollzugs wurden bestätigt, da die wiederholte, auch nach der Erstinstanz fortgesetzte Delinquenz eine ungünstige Legalprognose begründet, welche die milderen Sanktionsformen als unzweckmässig erscheinen lässt.
  • Die Anordnung der nicht obligatorischen Landesverweisung wurde bestätigt, da das öffentliche Interesse angesichts der Delinquenz und geringen Integration des Beschwerdeführers das private Interesse am Verbleib überwiegt. Die Situation in Afghanistan wurde als kein definitives Vollzugshindernis erachtet.
  • Die Anordnung der SIS-Ausschreibung wurde aufgehoben und an die Vorinstanz zurückgewiesen, da diese die Ausschreibung erstmals anordnete, ohne dem Beschwerdeführer zuvor explizit Gehör zu gewähren, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt.