Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_761/2024 vom 24. Juni 2025

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Im Folgenden wird das Urteil des schweizerischen Bundesgerichts 5A_761/2024 vom 24. Juni 2025 detailliert zusammengefasst.

1. Parteien und Gegenstand des Verfahrens

  • Beschwerdeführer (Ehemann): A.__
  • Beschwerdegegnerin (Ehefrau): B.__
  • Gegenstand: Scheidung (Auseinandersetzung einer Miteigentümergemeinschaft an einer Wohnung, Renovationskosten).
  • Vorinstanz: Chambre civile de la Cour de justice des Kantons Genf (im Folgenden: Cour de justice).
  • Ersuchte Entscheidung: Aufhebung des Urteils der Cour de justice vom 26. September 2024 und Verurteilung der Beschwerdegegnerin zur Zahlung von CHF 130'979.15 für Renovationskosten sowie Verrechnung dieser Forderung mit dem geschuldeten Betrag aus der güterrechtlichen Auseinandersetzung.

2. Sachverhalt und Gang des Verfahrens

Die 1975 geborenen deutschen Eheleute heirateten 2007. Sie schlossen keinen Ehevertrag. Im Januar 2019 beendeten sie das Zusammenleben. Der Ehemann verblieb in der ehelichen Wohnung, an der die Parteien Miteigentümer waren (4-Zimmer-Attikawohnung und Garage).

Am 22. März 2021 reichte der Ehemann eine einseitige Scheidungsklage ein.

Das erstinstanzliche Gericht, das Tribunal de première instance de Genève, ordnete im Scheidungsurteil vom 6. November 2023 u.a. an, dass die Wohnung und die Garage freihändig verkauft werden sollen (Ziff. 3) und, falls dies nicht innert sechs Monaten geschieht, öffentlich versteigert werden (Ziff. 4). Der Nettoerlös aus dem Verkauf sollte nach Abzug der Hypothek, der für den Erwerb verwendeten Vorsorgegelder (2. Säule) und weiterer Kosten hälftig geteilt werden (Ziff. 5). Der Ehemann wurde zur Zahlung von CHF 78'739.20 an die Ehefrau zur güterrechtlichen Auseinandersetzung verurteilt, exklusive der Immobilienverteilung (Ziff. 6). Das Urteil stellte fest, dass die güterrechtliche Auseinandersetzung damit abgeschlossen sei und keine weiteren güterrechtlichen Ansprüche mehr bestünden (Ziff. 8).

Der Ehemann erhob Berufung gegen die Ziffern 4, 8 und 18 des Urteils. Die Cour de justice des Kantons Genf bestätigte das erstinstanzliche Urteil weitgehend, änderte lediglich den Beginn der Sechsmonatsfrist für den freihändigen Verkauf auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils (Ziff. 4).

3. Streitgegenstand vor Bundesgericht

Vor Bundesgericht stand einzig die Frage im Streit, wie die Kosten für die Sanierung der Veranda, die der Beschwerdeführer nach Einreichung der Scheidungsklage an der im Miteigentum stehenden Liegenschaft vornehmen liess, im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu behandeln sind. Der Sanierungsbetrag beläuft sich auf CHF 261'958.26.

4. Argumentation der Vorinstanz (Cour de justice)

Die Cour de justice stellte fest, dass die Wohnung 2017 für CHF 1'281'900 erworben wurde und die Parteien sich über den aktuellen Wert von CHF 1'520'000 einig waren, wobei die Veranda-Sanierung zu dieser Wertsteigerung beigetragen habe. Die Sanierungsarbeiten wurden aufgrund von Wassereintrittsproblemen, die bereits während des Zusammenlebens auftraten und auf Wunsch der Stockwerkeigentümergemeinschaft erfolgten, ab April 2021 durchgeführt, d.h. nach Einreichung der Scheidungsklage und somit nach Auflösung des Güterstandes.

Die Cour de justice hielt fest, dass der Ehemann nicht nachgewiesen habe, die Kosten von CHF 261'958.26 ausserhalb der Errungenschaft bezahlt zu haben. Sie führte aus, dass bis März 2021 die Einkünfte der Parteien Errungenschaften bildeten. Da der Ehemann von Januar 2021 bis November 2022 arbeitslos gemeldet war, sei es unwahrscheinlich, dass er kurz nach Auflösung des Güterstandes genügend Ersparnisse für die Sanierungskosten bilden konnte. Ein behauptetes Darlehen seiner neuen Partnerin sei ebenfalls nicht bewiesen.

Die Vorinstanz folgerte, dass die für die Renovationskosten verwendeten Beträge notwendigerweise während der Ehe angesammelte Errungenschaften waren. Sie verwies dabei auf ein gemeinsames Konto der Parteien mit einem Saldo von fast CHF 290'000 am Tag der Güterstandsauflösung. Mangels Nachweises, dass die Kosten aus Eigengut oder von Dritten getragen wurden, seien sie gemäss Art. 200 Abs. 3 ZGB als Errungenschaften vermutet. Die Tatsache, dass die Zahlung nach Auflösung des Güterstandes erfolgte, habe keinen Einfluss auf die Qualifikation der verwendeten Mittel, da deren Herkunft (Errungenschaften vor Auflösung) unberührt bleibe.

5. Rügen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer machte geltend, die Cour de justice habe den zum Zeitpunkt der Güterstandsauflösung vorhandenen Vermögenswerten den Betrag der Renovationskosten zugeschlagen, ohne die Finanzierungsquelle zu kennen, mit der Begründung, es handle sich um Errungenschaften. Er bestritt, dass die Parteien dies je behauptet oder bewiesen hätten. Die Vorinstanz habe ohne Beweiserhebung und kontradiktorisches Verfahren eine Beweisregel des Errungenschaftsanteils auf eine Frage der Rückgriffsforderung im Miteigentumsverhältnis angewandt, was gegen das Gesetz, insbesondere die Verhandlungsmaxime, verstosse. Eine nach der Auflösung des Güterstandes entstandene Forderung unterliege nicht Art. 206 und 209 ZGB sowie der Vermutung von Art. 200 Abs. 3 ZGB, sondern den Bestimmungen über das einfache Miteigentum (Art. 647a Abs. 1, 649 Abs. 1 ZGB) und Art. 8 ZGB (Beweislast). Da die Beschwerdegegnerin die Finanzierung durch ihn nicht bestritten habe, müsse er die Herkunft der Mittel nicht beweisen. Die Vorinstanz habe ihn damit seines Rechts auf Rückforderung seiner Forderung beraubt.

6. Argumentation der Beschwerdegegnerin

Die Beschwerdegegnerin entgegnete, es sei Sache des Beschwerdeführers gewesen, nach der Verhandlungsmaxime (Art. 55 Abs. 1 ZPO) zu behaupten und zu beweisen, dass es sich um Eigengut handelte. Seine Erklärung über ein Darlehen sei nicht ausreichend. Er habe lediglich Kostenvoranschläge, aber keinen Zahlungsbeweis vorgelegt. Die Vorinstanz habe Art. 200 Abs. 3 ZGB korrekt angewendet, indem sie davon ausging, dass die Arbeiten mit Errungenschaften bezahlt wurden. Der Zeitpunkt der Güterstandsauflösung sei irrelevant für die Qualifikation der verwendeten Mittel. Sie habe zudem nie an den Entscheidungen zu den Arbeiten teilgenommen, da diese vom Beschwerdeführer allein nach Klageeinreichung getroffen worden seien.

7. Erwägungen des Bundesgerichts

7.1. Grundsätze der güterrechtlichen Auseinandersetzung und Miteigentumsausscheidung Das Bundesgericht hält fest, dass im Falle einer Scheidung die Auseinandersetzung eines im Miteigentum stehenden Gutes sowie die Regelung anderer besonderer Rechtsverhältnisse zwischen den Ehegatten vor der eigentlichen güterrechtlichen Auseinandersetzung nach Art. 205 ff. ZGB erfolgen müssen (BGE 138 III 150 E. 5.1.1). Erst danach erfolgt die güterrechtliche Auseinandersetzung in zwei Schritten: Zuerst werden die Vermögen der Ehegatten (Aktiva und Passiva) getrennt (Art. 205 f. ZGB), wobei Forderungen eines Ehegatten gegen den anderen dazugehören (Art. 205 Abs. 3 ZGB). Dann werden diese Forderungen den Vermögensmassen (Eigengut und Errungenschaft) zugeordnet. Abschliessend müssen alle Forderungen zwischen den Ehegatten (ordentliche, variable Forderungen nach Art. 206 ZGB und die Forderung auf Beteiligung am Errungenschaftsüberschuss) endgültig geregelt werden. In Ausnahmefällen kann von der Regelung bestimmter Schulden zwischen Ehegatten abgesehen werden, wenn die Schuld sowohl aus Sicht des Schuldners als auch des Gläubigers der Errungenschaft zuzuordnen ist, der Errungenschaftsüberschuss hälftig geteilt wird und kein Defizit auf einem Errungenschaftskonto entsteht.

7.2. Auflösung des Güterstandes und nachfolgende Investitionen Der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung wird im Scheidungsfall auf den Tag der Einreichung des Scheidungsbegehrens aufgelöst (Art. 204 Abs. 2 ZGB). Nach der Auflösung können grundsätzlich keine neuen Errungenschaften mehr gebildet oder bestehende erhöht werden, noch kann sich das Passiv des Errungenschaftskontos ändern (BGE 137 III 337 E. 2.1.2). Mittelverwendungen, Verluste, Verwaltungskosten und neue Schulden gehen grundsätzlich zu Lasten des jeweiligen Eigentümers und können nicht mehr im Errungenschaftsvermögen berücksichtigt werden. Dieses Prinzip kennt Ausnahmen, namentlich bei Unternehmen oder wenn Schulden, die zwischen Auflösung und Liquidation des Güterstandes eingegangen werden, der Verbesserung oder Werterhaltung von Errungenschaften dienen (BGE 136 III 209 E. 5.3). In diesem Fall können die Schulden berücksichtigt werden, wenn ein Gegenwert in der Errungenschaft ausgewiesen wird. BGE 136 III 209 weist jedoch darauf hin, dass die Berücksichtigung von nach der Güterstandsauflösung getätigten Investitionen in den Wert einer Immobilie zu heiklen Problemen führen kann, insbesondere wenn die Mittel aus Eigengut stammen (Frage einer Ersatzforderung nach Art. 209 Abs. 3 ZGB). Die Rechtsprechung lehnt es aber grundsätzlich ab, die während des Güterstandes geltenden Bestimmungen nach dessen Auflösung anzuwenden. Es ist daher vorzuziehen, in solchen Fällen die nach der Auflösung des Güterstandes eingegangene Schuld nicht zu berücksichtigen und das Gut im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung nur mit dem Wert zu veranschlagen, den es ohne die nachträglichen Investitionen gehabt hätte (BGE 136 III 209 E. 5.4.3).

7.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall Das Bundesgericht hält fest, dass die Sanierungsarbeiten an der Veranda unstreitig nach Auflösung des Güterstandes durchgeführt wurden. Es wirft die Frage auf, ob nicht die bevorzugte Lösung aus BGE 136 III 209 anzuwenden wäre, d.h. die Investitionen nach der Auflösung des Güterstandes unberücksichtigt zu lassen und das Gut nur mit seinem Wert vor diesen Investitionen zu veranschlagen. Dies würde die Anwendung von Güterrechtsregeln nach der Auflösung des Güterstandes vermeiden. Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Fall offenbleiben.

Entscheidender Punkt der Bundesgerichts: Getrennte Behandlung der Liegenschaft Das Bundesgericht betont, dass die streitige Immobilie im Rahmen des Scheidungsverfahrens nicht als Teil der eigentlichen güterrechtlichen Auseinandersetzung und somit nicht bei der Berechnung der Beteiligungsforderung behandelt wurde. Weder der Wert der Miteigentumsanteile noch die damit verbundenen Schulden wurden den ehelichen Gütermassen zugeordnet. Die Vorinstanzen haben die Liegenschaft gesondert behandelt, indem sie deren Verkauf und die hälftige Teilung des Nettoerlöses nach Abzug von Hypotheken und Vorsorgegeldern angeordnet haben. Die Parteien bestreiten diese separate Behandlung der Liegenschaft nicht.

In diesem Kontext sieht das Bundesgericht nicht, inwiefern die Finanzierung der Arbeiten mit Errungenschaften relevant sein und die Ansprüche des Beschwerdeführers auf Rückerstattung eines Teils des in den Miteigentumsanteil der Beschwerdegegnerin investierten Betrags ausschliessen könnte. Die Möglichkeit, von der Regelung einer Schuld zwischen Ehegatten aufgrund ihrer Zuordnung zur Errungenschaft abzusehen, kommt hier nicht in Betracht, da dies voraussetzt, dass der Gläubiger-Ehegatte durch die Beteiligungsforderung am Errungenschaftsüberschuss des Schuldner-Ehegatten entschädigt wird.

Die Frage, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer gegenüber der Beschwerdegegnerin eine Forderung für die an ihrem Miteigentumsanteil vorgenommenen Arbeiten hat (Art. 649 Abs. 2 ZGB, Regeln über das Miteigentum), konnte daher nicht mit der Begründung umgangen werden, die Arbeiten seien angeblich mit Errungenschaften bezahlt worden. Diese Frage musste der güterrechtlichen Auseinandersetzung vorgängig entschieden werden, und eine eventuelle Schuld aus der Miteigentumsauseinandersetzung, wie jede andere ordentliche Schuld, bei der Endabrechnung der Forderungen zwischen den Ehegatten nach Abschluss der eigentlichen güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt werden.

Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer mit ihrer Argumentation zu Unrecht sein Recht auf Geltendmachung seiner Forderung aus der Miteigentumsauseinandersetzung entzogen. Auch der Hinweis der Beschwerdegegnerin auf ein gemeinsames Konto führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Existenz eines solchen Kontos keine Rückschlüsse auf die Rechtsverhältnisse zwischen den Kontoinhabern oder die Eigentumsverhältnisse an den Einlagen zulässt. Gleiches gilt für ihr Argument, sie habe den Arbeiten nicht zugestimmt, da das angefochtene Urteil feststellt, dass sie ihre Zustimmung erteilt hatte, ohne dass dies von der Beschwerdegegnerin willkürlich gerügt wurde.

8. Entscheid und Konsequenzen

Das Bundesgericht gab der Beschwerde statt, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache an die Cour de justice zurück. Diese hat, allenfalls nach ergänzender Sachverhaltsermittlung, den Betrag der Forderung zu bestimmen, die dem Beschwerdeführer gegenüber der Beschwerdegegnerin gemäss den Regeln über das Miteigentum (Art. 649 Abs. 2 ZGB) aufgrund der von ihm an ihrem Anteil veranlassten Arbeiten zusteht, und diese Forderung sodann im Rahmen der endgültigen Regelung der Vermögensverhältnisse zwischen den Ehegatten zu berücksichtigen.

9. Kosten und Parteientschädigung

Die Gerichtskosten wurden der Beschwerdegegnerin auferlegt. Die Beschwerdegegnerin wurde zur Zahlung einer Parteientschädigung an den Beschwerdeführer verpflichtet. Die Cour de justice hat über die Kosten und Parteientschädigungen des kantonalen Verfahrens neu zu entscheiden.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Kernproblem: Beantragung von Renovationskosten an einer im Miteigentum stehenden Wohnung, die nach Einreichung der Scheidungsklage (Auflösung des Güterstandes) entstanden sind.
  • Fehler der Vorinstanz: Die Cour de justice hatte die Kosten für die Renovationsarbeiten als aus Errungenschaften finanziert betrachtet und diese Annahme als Begründung verwendet, um eine separate Forderung des Ehemannes abzulehnen. Dies geschah unter Anwendung einer Vermutung aus dem Güterrecht (Art. 200 Abs. 3 ZGB).
  • Bundesgerichtliche Korrektur: Das Bundesgericht stellte klar, dass die Liegenschaft gesondert von der güterrechtlichen Auseinandersetzung behandelt wurde (Verkauf und hälftige Teilung des Erlöses). Da sie nicht in die Errungenschaftsrechnung einbezogen wurde, waren die güterrechtlichen Regeln zur Herkunft der Finanzierung (Errungenschaft oder Eigengut) hier irrelevant.
  • Anwendbares Recht: Die Forderung des Ehemannes für die Renovationskosten ist vielmehr nach den Regeln des einfachen Miteigentums (Art. 649 Abs. 2 ZGB) zu beurteilen, da es sich um eine Forderung aus einem ordentlichen Rechtsverhältnis (Miteigentum) handelt, die vor der eigentlichen güterrechtlichen Auseinandersetzung zu regeln ist.
  • Folge: Die Vorinstanz hat dem Ehemann zu Unrecht die Geltendmachung seiner Forderung verwehrt. Die Sache wird zur Bestimmung der Forderung unter Miteigentumsrecht und deren Berücksichtigung bei der abschliessenden Vermögensregelung zwischen den Ehegatten zurückgewiesen.