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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (BGer) detailliert zusammen.
Bundesgericht, Urteil 6B_62/2025 vom 13. Mai 2025
I. Parteien und Gegenstand des Verfahrens
Parteien des Verfahrens sind der Beschwerdeführer A.__, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Fäs, und die Beschwerdegegnerin, die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau. Gegenstand der Beschwerde in Strafsachen ist das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 29. August 2024, welches den Beschwerdeführer wegen mehrfacher Pornografie und mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz verurteilte, eine unbedingte Freiheitsstrafe aussprach, den Vollzug einer früheren bedingten Geldstrafe anordnete und eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme befahl.
II. Sachverhalt und Vorinstanzlicher Entscheid
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau erhob am 29. November 2022 Anklage gegen A.__ wegen mehrfacher Pornografie, mehrfacher Gewaltdarstellung und mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz (WG).
Das Obergericht des Kantons Aargau stellte in zweiter Instanz eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest. Es sprach A.__ teilweise frei (mehrfache Pornografie gemäss Art. 197 Abs. 5 Satz 1 StGB und mehrfache Gewaltdarstellungen). Es verurteilte ihn jedoch wegen mehrfacher Pornografie gemäss Art. 197 Abs. 4 Satz 2 StGB und Art. 197 Abs. 5 Satz 2 StGB sowie wegen mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz. Das Obergericht verhängte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten und ordnete den Vollzug einer vom Gerichtspräsidium Aarau am 24. August 2015 bedingt ausgesprochenen Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu Fr. 150.-- an. Zudem wurde eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme gemäss Art. 63 StGB angeordnet und gestützt auf Art. 67 Abs. 3 lit. d Ziff. 2 StGB ein lebenslanges Tätigkeitsverbot mit Kontakt zu Minderjährigen erlassen.
Der Beschwerdeführer A.__ beantragte mit seiner Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht den Freispruch vom Vorwurf des mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz. Bezüglich der Pornografie-Delikte forderte er, die 18-monatige Freiheitsstrafe sei zugunsten der ambulanten Massnahme aufzuschieben, und auf den Vollzug der bedingten Geldstrafe sei zu verzichten. Eventualiter verlangte er die Rückweisung der Sache zur Einholung eines Ergänzungsgutachtens.
III. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers in Bezug auf das Waffengesetz, den Vollzug der bedingten Geldstrafe und den beantragten Strafaufschub zugunsten der ambulanten Massnahme.
1. Verurteilung wegen mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz
1.1. Sachverhalt und Beschwerdepunkt: Unbestritten war, dass der Beschwerdeführer zwischen 2000 und 2004 in Italien ein Schmetterlingsmesser und einen Wurfstern erworben, anschliessend in die Schweiz eingeführt und bis zum 17. Dezember 2020 an seinem Wohnort aufbewahrt hatte. Die Vorinstanz stellte fest, dass diese Gegenstände im massgebenden Zeitpunkt Waffen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 WG waren. Sie hielt fest, dass der Erwerb und die Einfuhr der Waffen für sich genommen verjährt seien, diese aber als Hinweis auf den unrechtmässigen Besitz angeklagt und berücksichtigt wurden, was der Beschwerdeführer nicht beanstandete. Der Beschwerdeführer machte geltend, Art. 5 Abs. 2 WG verbiete lediglich die Übertragung, den Erwerb, das Vermitteln und das Verbringen in die Schweiz, nicht aber den reinen Besitz von Schmetterlingsmessern und Wurfsternen. Er forderte daher einen Freispruch.
1.2. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Verurteilung und wies die Argumentation des Beschwerdeführers zurück: * Art. 12 WG als massgebliche Bestimmung für den Besitz: Das Bundesgericht führte aus, dass es zwar zutreffe, dass Art. 5 Abs. 2 WG den Besitz nicht explizit verbiete. Dies bedeute jedoch nicht, dass der Besitz nicht anderweitig reguliert sei. Entscheidend sei Art. 12 WG, wonach zum Besitz einer Waffe nur berechtigt sei, wer den Gegenstand rechtmässig erworben hat. Die Rechtmässigkeit des Erwerbs richte sich nach dem zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Recht (vgl. BGE 141 IV 132 E. 2.4.4; Urteil 6B_1440/2021 vom 26. Oktober 2022 E. 2.1). * Einfuhr ohne Bewilligung als unrechtmässiger Erwerb: Gemäss Art. 25 Abs. 1 WG benötige man für das nichtgewerbsmässige Verbringen von Waffen in die Schweiz eine Bewilligung, die nur erteilt werde, wenn die Person zum Erwerb berechtigt sei. Wer eine Waffe ohne die erforderliche Bewilligung einführe, gelte nicht als Person, die sie legal erworben habe und sich auf Art. 12 WG zur Rechtfertigung ihres Besitzes berufen könne (vgl. Urteile 6B_1440/2021 E. 2.1; 6B_864/2015 vom 1. November 2016 E. 1.3). * Strafbarer Besitz bei unrechtmässigem Erwerb: Der Besitz einer Waffe ist strafbar, wenn sie nicht rechtmässig erworben wurde (Art. 12 WG). Ein Schuldspruch gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a WG habe auch dann zu erfolgen, wenn die Waffe – wie hier das Schmetterlingsmesser und der Wurfstern – nicht unter Art. 5 Abs. 1 WG (verbotene Waffen), sondern unter Art. 5 Abs. 2 WG falle (vgl. Urteile 6B_1440/2021 E. 2.1; 6B_1013/2015 vom 16. August 2016 E. 3.2; 6B_884/2013 vom 9. Oktober 2014 E. 5.1 und 5.2). * Fehlende Bewilligung: Da der Beschwerdeführer weder vor der Vorinstanz noch vor Bundesgericht geltend gemacht habe, über einen Waffenerwerbsschein oder eine Ausnahmebewilligung für den Erwerb und die Einfuhr verfügt zu haben, konnte er sich nicht auf Art. 12 WG berufen. * Fazit: Das Bundesgericht erachtete die Verurteilung wegen mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz als zutreffend.
2. Anordnung des Vollzugs der bedingten Geldstrafe
2.1. Rechtliche Grundlagen des Widerrufs (Art. 46 StGB) und der Prognose (Art. 42 StGB): * Bedingter Vollzug (Art. 42 Abs. 1 StGB): Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe zur Abschreckung nicht notwendig erscheint. * "Besonders günstige Umstände" (Art. 42 Abs. 2 StGB): Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, ist der Aufschub nur bei "besonders günstigen Umständen" zulässig. Diese liegen vor, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung zulässt (BGE 145 IV 137 E. 2.2). * Widerruf (Art. 46 Abs. 1 StGB): Begeht die verurteilte Person während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist zu erwarten, dass sie weitere Straftaten verüben wird, widerruft das Gericht die bedingte Strafe. Bei Strafen gleicher Art wird eine Gesamtstrafe gebildet. Ein Widerruf ist nicht zwingend, setzt aber eine eigentliche Schlechtprognose voraus (BGE 134 IV 140 E. 4.3). * Wechselwirkung: Die Legalprognose ist unter Berücksichtigung der neuen Straftat neu zu formulieren. Es ist zu prüfen, ob der Vollzug der neuen Strafe die Person von weiterer Straffälligkeit abhält oder ob der nachträgliche Vollzug der früheren Strafe eine Schlechtprognose für die neue Strafe entfallen lässt (BGE 144 IV 277 E. 3.2). * Gesamtwürdigung: Die Bewährungsaussichten sind anhand einer Gesamtwürdigung von Tatumständen, Vorleben, Leumund und weiteren relevanten Tatsachen zu beurteilen (BGE 134 IV 140 E. 4.4). Dem Sachgericht steht hier ein Ermessensspielraum zu.
2.2. Anwendung auf den vorliegenden Fall: * Art. 42 Abs. 2 StGB – Die Fünf-Jahres-Frist: Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz habe Art. 42 Abs. 2 StGB zu Unrecht angewendet, da seine frühere Verurteilung aus dem Jahr 2015 nicht in die Fünf-Jahres-Frist der Pornografie-Taten (ab September 2020) falle. Das Bundesgericht wies dies zurück, da der Beschwerdeführer auch wegen des Waffengesetzes verurteilt wurde, welches den Besitz der Waffen bis zum 17. Dezember 2020 umfasste und somit die frühere Verurteilung aus dem Jahr 2015 in die Fünf-Jahres-Frist fiele. * Schlechtprognose und Massnahmenanordnung: Die Vorinstanz ordnete eine vollzugsbegleitende ambulante Massnahme gemäss Art. 63 StGB an. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Anordnung einer Massnahme stets eine ungünstige Prognose bedinge und den bedingten Aufschub einer Strafe ausschliesse (BGE 135 IV 180 E. 2.3). Dies gelte auch für den Vollzug der bedingten Geldstrafe. * Unabhängige Prognose der Vorinstanz: Die Vorinstanz begründete die Schlechtprognose zudem sorgfältig und unabhängig von der Massnahmenanordnung. Obwohl der Beschwerdeführer eine stabile Arbeitsstelle habe, sei dies bereits bei den früheren Taten der Fall gewesen. Sein Wohlverhalten und die Therapie könnten die Schlechtprognose nicht entfallen lassen. Der Sachverständige Dr. med. B._ habe ein hohes Rückfallrisiko für Hands-off-Delikte und ein wesentlich erhöhtes Risiko für Hands-on-Delikte festgestellt, auch wenn die Gefahr für Hands-off-Delikte später als moderat eingestuft wurde. Der aktuelle Therapieverlaufsbericht von Dr. med. C._ empfehle eine Weiterführung der Massnahme, was die Massnahmenbedürftigkeit und damit die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers unterstreiche. * Gesamtwürdigung und Wechselwirkung: Das Bundesgericht befand, die Vorinstanz habe eine detaillierte Gesamtwürdigung vorgenommen. Sie habe berücksichtigt, dass die Anordnung der ambulanten Massnahme eine Schlechtprognose indiziert. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer durch den Vollzug der neuen Freiheitsstrafe von weiterer Straffälligkeit abgehalten werde oder dass der nachträgliche Vollzug der bedingt ausgesprochenen Geldstrafe die Schlechtprognose hinsichtlich der neuen Freiheitsstrafe entfallen lasse. * Fazit: Das Bundesgericht sah keine Beanstandung am Entscheid der Vorinstanz, den Vollzug der bedingten Geldstrafe anzuordnen.
3. Strafaufschub zugunsten der ambulanten Massnahme
3.1. Rechtliche Grundlagen des Strafaufschubs (Art. 63 Abs. 2 StGB): * Kumulation (Art. 57 Abs. 1 StGB): Sind die Voraussetzungen für eine Strafe und eine Massnahme erfüllt, werden beide angeordnet. * Strafaufschub (Art. 63 Abs. 2 StGB): Der Vollzug einer unbedingten Freiheitsstrafe kann zugunsten einer ambulanten Behandlung aufgeschoben werden, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Dies ist jedoch eine Ausnahme, die einer besonderen Rechtfertigung bedarf (Urteile 6B_549/2023 vom 25. September 2023 E. 4.2). * Priorität der Therapie: Die Therapie geht vor, falls eine sofortige Behandlung gute Resozialisierungschancen bietet, die der Strafvollzug klarerweise verhindern oder vermindern würde (BGE 129 IV 161 E. 4.1). * Voraussetzung der Ungefährlichkeit: Ein Strafaufschub kommt nur in Betracht, wenn die betroffene Person ungefährlich ist (Urteile 6B_1399/2021 vom 7. Dezember 2022 E. 3.2). * Gutachten als Grundlage: Der Entscheid muss sich auf eine sachverständige Begutachtung stützen (BGE 129 IV 161 E. 4.1). Das Gericht darf in Fachfragen nur mit triftigen Gründen vom Gutachten abweichen.
3.2. Anwendung auf den vorliegenden Fall: * Gefährlichkeit des Beschwerdeführers: Die Vorinstanz stützte sich auf das Gutachten von Dr. med. B._ und die Aussagen von Dr. med. C._. Es wurde eine pädophile Störung (ICD-10 F65.4) diagnostiziert, die eindeutig im Zusammenhang mit den Delikten steht. Die Gefahr weiterer Hands-off-Delikte wurde als moderat und das Risiko für Hands-on-Delikte als wesentlich erhöht eingeschätzt. Die Massnahmenbedürftigkeit wurde als klar etablierte Gefährlichkeit des Beschwerdeführers interpretiert. Das Bundesgericht sah hier keine willkürliche Abweichung vom Gutachten. * Vordringlichkeit der ambulanten Behandlung: Die Vorinstanz entnahm den Gutachten, dass die Art der Behandlung auch bei gleichzeitigem oder vorherigem Strafvollzug Rechnung getragen werden könne. Obwohl eine Haft für den Therapieprozess nicht optimal sei und eine Verzögerung oder ein Stillstand zu erwarten sei, sei der Therapieerfolg als solcher nicht ernstlich gefährdet. Selbst ein Stillstand würde nicht ausschliessen, dass später an die bestehende Therapie angeknüpft werden könne. Zudem bringe ein Therapeutenwechsel auch die Chance mit sich, dass sich der Beschwerdeführer weiteren Personen öffne, was als Vorteil gewertet wurde. * Abwägung: Die Vorinstanz berücksichtigte die Beeinträchtigung der beruflichen Stellung und des sozialen Umfelds durch den Strafvollzug, stellte jedoch fest, dass dies allein keinen Grund für einen Aufschub bilde, insbesondere da der Beschwerdeführer kein Ersttäter sei und voll schuldfähig handelte. * Fazit: Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Vorinstanz den Vollzug der Freiheitsstrafe zu Recht nicht zugunsten der ambulanten Massnahme aufgeschoben hat. Ein Ergänzungsgutachten war nicht erforderlich.
IV. Ergebnis
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wird. Die Gerichtskosten trägt der Beschwerdeführer.
V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte (Fazit)
Das Bundesgericht bestätigte die Verurteilung von A.__ wegen mehrfacher Pornografie und Vergehens gegen das Waffengesetz. 1. Waffengesetz: Der Besitz von Schmetterlingsmessern und Wurfsternen war strafbar, da diese Waffen unrechtmässig (ohne die erforderliche Einfuhrbewilligung) erworben und in die Schweiz verbracht wurden. Art. 12 WG knüpft den rechtmässigen Besitz an einen rechtmässigen Erwerb. 2. Vollzug der bedingten Geldstrafe: Der Widerruf und die Anordnung des Vollzugs der früheren bedingten Geldstrafe waren gerechtfertigt. Die Anordnung einer ambulanten Massnahme indiziert per se eine ungünstige Prognose, die durch die Begutachtungen zum hohen/moderaten Rückfallrisiko weiter untermauert wurde. Die für Art. 42 Abs. 2 StGB relevante Fünf-Jahres-Frist war aufgrund der fortgesetzten Waffengesetz-Verletzung erfüllt. 3. Kein Strafaufschub für Massnahme: Der Vollzug der unbedingten Freiheitsstrafe wurde nicht zugunsten der ambulanten Massnahme aufgeschoben. Die Voraussetzungen für diesen Ausnahmecharakter waren nicht erfüllt, da die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers klar erstellt war und der Therapieerfolg durch den Strafvollzug (trotz möglicher Verzögerung) nicht ernstlich gefährdet würde.