Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_205/2024 vom 2. Juni 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (6B_205/2024 vom 2. Juni 2025) detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_205/2024 vom 2. Juni 2025

1. Einleitung und Verfahrensverlauf

Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen ein Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 17. November 2023 zu befinden. Gegenstand waren Schuldsprüche wegen Förderung der Prostitution, einfacher Körperverletzung und Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung.

In der ersten Instanz (Strafgericht Basel-Stadt, 20. Februar 2020) wurde A.__ unter anderem wegen Menschenhandels, Förderung der Prostitution, einfacher Körperverletzung, Drohung und weiterer Delikte schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diverse Anklagepunkte wurden freigesprochen oder das Verfahren eingestellt.

Auf Berufung hin (Appellationsgericht Basel-Stadt, 17. November 2023) wurden die Schuldsprüche des Menschenhandels (Tatzeitpunkt 2016), der Drohung und der Förderung der rechtswidrigen Ein-, Ausreise oder des rechtswidrigen Aufenthalts aufgehoben und A.__ in diesen Punkten freigesprochen. Bestätigt wurden die Schuldsprüche wegen Förderung der Prostitution, einfacher Körperverletzung und Förderung der Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung. Die Freiheitsstrafe wurde auf 28 Monate reduziert.

Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht die Feststellung der Rechtskraft der von der Vorinstanz ausgesprochenen Freisprüche, die Aufhebung der verbleibenden Schuldsprüche und seinen Freispruch sowie gegebenenfalls die Rückweisung zur Neubeurteilung der Strafzumessung.

2. Massgebende Punkte und rechtliche Argumente des Bundesgerichts

Das Bundesgericht konzentrierte sich auf die vom Beschwerdeführer erhobenen substanziellen Rügen bezüglich der Verwertbarkeit von Beweismitteln, der Sachverhaltsfeststellung und der Strafzumessung.

2.1. Antrag auf Feststellung der Rechtskraft von Freisprüchen (Nichteintreten) Das Bundesgericht trat auf den Antrag des Beschwerdeführers, die Rechtskraft der vorinstanzlichen Freisprüche festzustellen, nicht ein. Es verwies auf Art. 438 Abs. 1 und 3 StPO, wonach die Feststellung der Rechtskraft in die Zuständigkeit der Behörde fällt, die den Entscheid gefällt hat, nicht aber in die Zuständigkeit des Bundesgerichts. Dieser prozessuale Punkt wurde als nicht entscheidungsrelevant für die materiellen Schuldsprüche eingestuft und dementsprechend nicht weiter vertieft.

2.2. Neue Tatsachen und Beweismittel (Art. 99 Abs. 1 BGG) Der Beschwerdeführer reichte die Übersetzung eines ungarischen Fernsehinterviews der Beschwerdegegnerin B.__ aus dem Jahr 2009 als neues Beweismittel ein. Das Bundesgericht wies dies mit Verweis auf Art. 99 Abs. 1 BGG ab. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur vorgebracht werden, wenn erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Der Beschwerdeführer legte nicht dar, weshalb diese Aufnahme, die auf einer gängigen Videoplattform verfügbar war, vor dem vorinstanzlichen Urteil nicht zur Verfügung stand oder nicht bereits im vorinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden können. Echte Noven (nach dem vorinstanzlichen Entscheid entstandene Beweismittel) sind vor Bundesgericht grundsätzlich unzulässig (vgl. BGE 149 III 465 E. 5.5.1). Die pauschale Behauptung reichte nicht aus, um die Anforderungen an die Zulassung neuer Beweismittel zu erfüllen.

2.3. Verwertbarkeit von Einvernahmen (Verletzung von Art. 147 StPO)

a) Argumentation des Beschwerdeführers: Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung von Art. 147 StPO (Recht auf Parteiöffentlichkeit bei Beweiserhebungen). Er machte geltend, dass sämtliche Einvernahmen der Beschwerdegegnerin B.__, die vor der ersten parteiöffentlichen Einvernahme am 28. Mai 2019 stattfanden (insbesondere am 7. November 2016 und 2. Februar 2017), unverwertbar seien, da ihm die Teilnahme nicht ermöglicht wurde. Er behauptete, die Untersuchung sei zu diesem Zeitpunkt bereits eröffnet gewesen.

b) Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht legte dar, dass das Recht auf Parteiöffentlichkeit gemäss Art. 147 Abs. 1 StPO nur bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte besteht. Bei polizeilichen Einvernahmen von Auskunftspersonen (Art. 306 Abs. 2 lit. b StPO) vor Eröffnung einer Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft besteht dieses Recht nicht (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario; vgl. BGE 143 IV 397 E. 3.3.2).

Entscheidend für das Teilnahmerecht ist zudem die Parteistellung. Das Bundesgericht hielt fest, dass dieses Recht nur in dem Verfahren besteht, in dem die Person, die es beansprucht, tatsächlich Partei ist (vgl. BGE 141 IV 220 E. 4.5). Wird ein Verfahren gegen unbekannte Täterschaft geführt, kommt der belasteten, aber noch nicht identifizierten Person keine Parteistellung zu. Eine Verletzung des Teilnahmerechts ist in solchen Fällen ausgeschlossen (Urteil 6B_1320/2020 vom 12. Januar 2022 E. 4.4.1, nicht publ. in BGE 148 IV 22).

c) Anwendung im vorliegenden Fall: Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die fraglichen Einvernahmen (7. November 2016, 2. Februar 2017) im polizeilichen Untersuchungsverfahren stattfanden. Die Strafuntersuchung sei zu diesem Zeitpunkt weder materiell noch formell eröffnet gewesen. Der Beschwerdeführer wurde erst am 16. März 2018 durch die ungarischen Behörden identifiziert. Da die strittigen Einvernahmen vor dieser Identifizierung stattfanden, hatte der Beschwerdeführer zu den Zeitpunkten der Einvernahmen keine Parteistellung. Eine Verletzung des Teilnahmerechts konnte somit verneint und eine Unverwertbarkeit nach Art. 147 Abs. 4 StPO ausgeschlossen werden.

Das Bundesgericht betonte, dass dem Beschwerdeführer nach seiner Identifizierung als beschuldigte Person mehrfach Gelegenheit gegeben wurde, die Aussagen der Beschwerdegegnerin B.__ in Frage zu stellen, und dass keine Verletzung des Konfrontationsanspruchs vorlag. Die Vorinstanz durfte die Einvernahmen vom 7. November 2016 und 2. Februar 2017 zu Recht als verwertbar erachten.

2.4. Willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 Willkürverbot i.V.m. Art. 105 Abs. 1, 97 Abs. 1 BGG)

a) Grundsätze der Beweiswürdigung: Das Bundesgericht legt dem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels entscheidend ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist. Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h., wenn sie in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht. Eine andere vertretbare Lösung genügt nicht. Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).

Die Strafbehörden klären gemäss Art. 6 StPO von Amtes wegen alle bedeutsamen Tatsachen ab und untersuchen belastende sowie entlastende Umstände mit gleicher Sorgfalt. Sie können auf die Abnahme weiterer Beweise verzichten, wenn der Sachverhalt bereits genügend abgeklärt ist und ein Beweismittel die Überzeugung nicht ändern würde (antizipierte Beweiswürdigung), was nur unter dem Aspekt der Willkür geprüft wird.

b) Sachverhaltliche Feststellungen der Vorinstanz: Die Vorinstanz erachtete es als erstellt, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin B.__ die Zähne ausgeschlagen und die Nase verletzt hat. Ferner habe er auf ihre Prostitution in Basel und Zürich im Jahr 2016 Einfluss genommen, indem er sie beobachtete, überwachte, ihre Papiere einzog, Geld abzog, Dienstleistungen und Freier vorschrieb, Örtlichkeiten festlegte, ihr das Beenden der Arbeit verbot und dies im Kontext einer fehlenden Bewilligung zur Prostitutionsausübung geschah.

c) Würdigung der Rügen des Beschwerdeführers: * Abweisung von Beweisanträgen: Der Beschwerdeführer rügte die Abweisung seines Antrags, die Zeugin C._ zu befragen. Die Vorinstanz hatte dies mit widersprüchlichen Angaben der Zeugin (Aufenthalt in der Schweiz, Kenntnis der Parteien) begründet. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz ohne Willkür davon ausgehen konnte, dass C._ keine glaubhaften Aussagen zum relevanten Sachverhalt machen könne. Die erneute Befragung der Beschwerdegegnerin B._ wurde abgewiesen, da die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Unverwertbarkeit ihrer früheren Einvernahmen verneint wurde. * Beweiswürdigung der Aussagen der Beschwerdegegnerin B.__: Die Vorinstanz stützte ihre Glaubhaftigkeitsbeurteilung auf eine aussagepsychologische Analyse, die eine sehr grosse Anzahl von Realkennzeichen in den Aussagen der Beschwerdegegnerin B._ feststellte. Dazu gehörten sich gegenseitig bedingende Interaktionen, konkrete Gesprächsinhalte, Komplikationen, vergebliche Bemühungen, enttäuschte Erwartungen und Schilderungen psychischer Vorgänge. Der Beschwerdeführer stellte dieser detaillierten Begründung lediglich seine eigene Darstellung gegenüber, ohne sich substanziiert mit den schlüssigen Erwägungen der Vorinstanz auseinanderzusetzen. Seine pauschale Behauptung, B._ habe sich durch belastende Aussagen einen Aufenthaltstitel verschaffen wollen, vermochte die vorinstanzliche Würdigung nicht in Frage zu stellen. Auch seine Bestreitung der Körperverletzung ohne Vorliegen von Arztberichten wurde entkräftet, da die Vorinstanz die Aussage von B._, wonach ihr der Beschwerdeführer einen Arztbesuch verboten habe, berücksichtigte – ein Punkt, mit dem sich der Beschwerdeführer nicht auseinandersetzte.

Zusammenfassend konnte der Beschwerdeführer keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung oder Beweiswürdigung der Vorinstanz aufzeigen.

2.5. Strafzumessung (Art. 47 ff. StGB)

a) Grundsätze der Strafzumessung: Dem Sachgericht steht bei der Strafzumessung ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der gesetzliche Strafrahmen überschritten, von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen oder das Ermessen überschritten oder missbraucht wurde (vgl. BGE 144 IV 313 E. 1.2). Vergleiche mit anderen Urteilen sind nur beschränkt aussagekräftig, wenn die konkreten Tatumstände nicht annähernd vergleichbar sind.

b) Begründung der Vorinstanz für die Strafzumessung bei Förderung der Prostitution: Die Vorinstanz legte detailliert dar, weshalb sie das Tatverschulden des Beschwerdeführers als "nicht mehr leicht" einstufte: * Objektives Tatverschulden: Der Beschwerdeführer nahm der Beschwerdegegnerin B._ den gesamten Verdienst ab, machte Vorschriften zur Tätigkeit auf dem Strassenstrich, kontrollierte sie, und zwang sie zu ungewollten und ungeschützten sexuellen Handlungen, was zu Geschlechtskrankheiten führte. Sie konnte Freier nicht ablehnen. Die Dauer der Beschränkung der Handlungsfreiheit (mehrere Wochen) wurde nicht als entlastend gewertet, da das Selbstbestimmungsrecht erheblich beeinträchtigt wurde und die Situation nur endete, weil B._ selbst Hilfe suchte. * Subjektives Tatverschulden: Dem Beschwerdeführer wurde eine "nicht nur geringe kriminelle Energie" attestiert, da er B.__ vehement psychisch unter Druck setzte und körperlich misshandelte, wenn sie sich seinen Anweisungen nicht fügte. Er ging "äusserst professionell" vor, war gut im Rotlichtmilieu vernetzt und wechselte die Standorte. Seine persönlichen Ziele der finanziellen Bereicherung setzte er äusserst rücksichtslos durch, was eine erhebliche Geringschätzung der körperlichen und psychischen Unversehrtheit der Beschwerdegegnerin zeigte. Er hätte einer legalen Tätigkeit nachgehen können.

Aufgrund dieser Erwägungen erachtete die Vorinstanz eine Einsatzstrafe von 30 Monaten Freiheitsstrafe für die Förderung der Prostitution als gerechtfertigt.

c) Würdigung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz ausführlich begründet hatte, weshalb das Tatverschulden nicht mehr als leicht wiegt. Die festgelegte Einsatzstrafe von 30 Monaten sei angesichts des Strafrahmens von Art. 195 StGB (bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) nicht unverhältnismässig hoch. Die pauschalen Vergleiche des Beschwerdeführers mit anderen Urteilen vermochten keine relevante Diskrepanz aufzuzeigen, da die konkreten Tatumstände nicht als annähernd vergleichbar dargelegt wurden. Das Bundesgericht stellte keine Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens fest.

3. Fazit

Das Bundesgericht wies die Beschwerde von A.__ ab, soweit darauf eingetreten wurde. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Verwertbarkeit von Einvernahmen: Einvernahmen der Beschwerdegegnerin B.__ vor der Identifizierung des Beschwerdeführers wurden als verwertbar erachtet. Der Beschwerdeführer hatte zu diesem Zeitpunkt keine Parteistellung, da das Verfahren gegen unbekannte Täterschaft geführt wurde und er noch nicht identifiziert war. Somit bestand kein Anspruch auf Parteiöffentlichkeit gemäss Art. 147 StPO.
  • Beweiswürdigung: Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz, insbesondere die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdegegnerin B.__, wurde als nicht willkürlich bestätigt. Die Vorinstanz stützte sich auf die hohe Anzahl von Realkennzeichen in den Aussagen und wies die vom Beschwerdeführer erhobenen substanzlosen Einwände und Beweisanträge überzeugend zurück.
  • Strafzumessung: Die Einsatzstrafe von 30 Monaten Freiheitsstrafe für die Förderung der Prostitution wurde als verhältnismässig und im Ermessensspielraum der Vorinstanz liegend beurteilt. Die Vorinstanz begründete das "nicht mehr leichte" Tatverschulden detailliert mit der Schwere der Einflussnahme, der rücksichtslosen Durchsetzung finanzieller Ziele, der psychischen und physischen Gewalt sowie der professionalisierten Vorgehensweise des Beschwerdeführers.
  • Verfahrensrechtliche Nebenaspekte: Anträge auf Feststellung der Rechtskraft von Freisprüchen und die Einführung neuer Beweismittel wurden aus prozessualen Gründen abgewiesen (fehlende Zuständigkeit des Bundesgerichts bzw. nicht erfüllte Voraussetzungen für Noven).
  • Gesamtergebnis: Die Beschwerde wurde abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts bestätigt.