Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_23/2025 vom 2. Juni 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_23/2025 vom 2. Juni 2025

1. Einleitung und Parteien Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts, 1. Strafrechtliche Abteilung, Aktenzeichen 6B_23/2025, datiert vom 2. Juni 2025, betrifft eine Beschwerde in Strafsachen von A.A.__ (Beschwerdeführerin) gegen den Kanton Jura, vertreten durch das Ministère public de la République et canton du Jura (Staatsanwaltschaft des Kantons Jura). Gegenstand des Verfahrens ist eine Frage des Verfahrensrechts.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen Die Beschwerdeführerin A.A._ wurde ursprünglich am 30. Mai 2023 vom Juge pénal des Tribunal de première instance des Kantons Jura wegen Verstössen gegen das kantonale jurassische Natur- und Landschaftsschutzgesetz (LPNP), das Bau- und Raumplanungsgesetz (LCAT) sowie gegen die kommunale Bauordnung von C._ zu einer Busse von 7'000 Franken verurteilt und zu einem Drittel der Gerichtskosten verpflichtet.

Gegen dieses Urteil legte A.A.__ Rekurs ein, welcher von der Cour pénale des Tribunal cantonal jurassien (kantonalem Gericht) am 23. Oktober 2024 abgewiesen wurde.

Die kantonalen Instanzen hatten im Wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt: Die Eheleute B.A._ und A.A._ (Beschwerdeführerin) hatten auf ihrer Parzelle xxx in C._, die in einer Landschaftsschutzzone liegt, erhebliche Erd- und Abtragsarbeiten vorgenommen. Zunächst handelte es sich um ein Volumen von rund 400 m³, was bei einer Kontrolle durch das Umweltamt und die Polizei am 25. Oktober 2021 als illegal festgestellt wurde. Die Arbeiten überschritten die nach einer Vor-Ort-Besichtigung am 11. August 2021 genehmigten Umfänge. Trotz einer am 2. November 2021 von der Gemeindebehörde erlassenen sofortigen Einstellung der Arbeiten setzten die Eheleute A._ die Tätigkeiten im November 2021 auf einer Fläche von über 1'000 m² fort. Diese Arbeiten führten zu einer erheblichen Veränderung der Landschaft und des Bodens, einschliesslich der Zerstörung des Muttergesteins, der Zerkleinerung und Vermischung der Bodenelemente sowie deren unsachgemässer Wiederherstellung ohne Beachtung der Bodenschichten. Zudem wurden eine Hecke und ein Gehölz zerstört, wodurch deren natürliche und landschaftliche Funktion beeinträchtigt wurde. Die Arbeiten erfolgten, obwohl die Eheleute A.__ Kenntnis von der sofortigen Einstellung der Arbeiten hatten und obwohl die Parzelle in einer Natur- und Landschaftsschutzzone lag, was ihnen vernünftigerweise nicht unbekannt sein konnte.

3. Anträge der Beschwerdeführerin Die Beschwerdeführerin A.A.__ beantragte in ihrer Beschwerde an das Bundesgericht hauptsächlich ihren Freispruch von den Vorwürfen der Verstösse gegen das LPNP, LCAT und die kommunale Bauordnung. Eventualiter verlangte sie die Aufhebung des Urteils vom 23. Oktober 2024 und die Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen. Sie stellte zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

4. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

4.1. Die zentrale Rüge: Verletzung des Anspruchs auf obligatorische Verteidigung Die Beschwerdeführerin rügte eine Verletzung der Art. 130 ff. StPO, insbesondere Art. 130 lit. d StPO, da ihr keine obligatorische Verteidigung bestellt worden sei, obwohl die Staatsanwaltschaft vor dem erstinstanzlichen Gericht und vor dem Appellationsgericht persönlich aufgetreten sei.

4.1.1. Massgebliche Rechtsgrundlagen und Zweck der Norm Das Bundesgericht erinnert an Art. 130 lit. d der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), wonach die beschuldigte Person eine Verteidigung haben muss, wenn die Staatsanwaltschaft persönlich vor dem erstinstanzlichen Gericht oder der Appellationsinstanz auftritt. In einem solchen Fall hat die Verfahrensleitung gemäss Art. 131 Abs. 1 StPO dafür zu sorgen, dass die beschuldigte Person sofort einen Verteidiger erhält. Diese obligatorische Verteidigung kann nicht ausgeschlagen werden (Verweis auf BGE 143 I 164 E. 2.2; 131 I 350 E. 2.1) und kann gegebenenfalls auch gegen den Willen der beschuldigten Person angeordnet werden.

Der Zweck dieser Bestimmung über die obligatorische Verteidigung liegt in der Gewährleistung der Waffengleichheit zwischen der beschuldigten Person und der anklagenden Staatsanwaltschaft. Dieses Prinzip der Waffengleichheit ist ein wesentlicher Bestandteil des umfassenderen Begriffs des fairen Verfahrens. Es verlangt, dass jede Partei eine angemessene Möglichkeit erhält, ihren Fall unter Bedingungen darzulegen, die sie gegenüber ihrem Gegner nicht in eine deutliche Benachteiligung versetzen. Dies impliziert insbesondere ein Gleichgewicht zwischen dem Beschuldigten und der die Anklage vertretenden Staatsanwaltschaft (Verweis auf BGer 6B_990/2022 vom 12. September 2023 E. 2.1; 1B_165/2014 vom 8. Juli 2014 E. 2.1).

4.1.2. Anwendung im vorliegenden Fall Das Bundesgericht stellte fest, dass die Staatsanwaltschaft nach Erlass der Anklageschrift vom 25. August 2022 sowohl vor dem erstinstanzlichen Richter (Juge pénal) als auch vor dem kantonalen Appellationsgericht (Cour cantonale) persönlich aufgetreten war. Die Anträge der Staatsanwaltschaft betrafen dabei nicht nur den Ehemann der Beschwerdeführerin, sondern auch die Beschwerdeführerin selbst. Obwohl der Ehemann während des gesamten kantonalen Verfahrens von einem amtlichen Verteidiger vertreten wurde, war dies bei der Beschwerdeführerin nicht der Fall; sie handelte allein.

Da die Vorinstanzen es versäumt hatten, der Beschwerdeführerin ebenfalls einen Rechtsbeistand zu stellen, obwohl dies nach den zitierten Bestimmungen vorgeschrieben war, gelangte das Bundesgericht zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin in der ersten Instanz und im Berufungsverfahren keine effektive Verteidigung hatte. Die von der kantonalen Instanz festgestellten Fakten wurden somit unter Verletzung der Verteidigungsrechte der Beschwerdeführerin erhoben.

4.1.3. Bedeutung im Kontext und Querverweise Die Entscheidung des Bundesgerichts unterstreicht die fundamentale Bedeutung des Prinzips der Waffengleichheit im schweizerischen Strafprozessrecht. Insbesondere wenn die Staatsanwaltschaft, als professioneller und erfahrener Verfahrensbeteiligter, persönlich auftritt, muss dem Beschuldigten ein entsprechender Beistand in Form einer obligatorischen Verteidigung zur Seite gestellt werden. Dies dient nicht nur dem Schutz der Rechte des Einzelnen, sondern auch der Sicherstellung der Integrität des gesamten Verfahrens. Die zitierten Bundesgerichtsentscheide (ATF 143 I 164 und 131 I 350) verdeutlichen die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Unverzichtbarkeit dieser Form der Verteidigung, sobald die Voraussetzungen von Art. 130 lit. d StPO erfüllt sind. Die Verletzung dieses Grundsatzes stellt einen derart schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, dass er allein zur Aufhebung des Urteils führt, ohne dass andere Rügen geprüft werden müssen.

4.2. Weitere Rügen Die weiteren von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Rügen – betreffend die Unverwertbarkeit von Zeugenaussagen und die willkürliche Sachverhaltsfeststellung – wurden vom Bundesgericht als gegenstandslos erachtet, da die Verletzung des Anspruchs auf obligatorische Verteidigung bereits die Aufhebung des gesamten angefochtenen Urteils in Bezug auf die Beschwerdeführerin rechtfertigte.

5. Ergebnis und Kosten Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut. Das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts wurde in Bezug auf die Beschwerdeführerin aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Cour pénale des Tribunal cantonal jurassien zurückgewiesen.

Da die Beschwerdeführerin obsiegte, wurden ihr keine Gerichtskosten auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde somit gegenstandslos. Da sie sich selbst vertreten hatte, konnte sie keine Parteientschädigung beanspruchen (Art. 68 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht hob das Urteil des Kantonsgerichts Jura in Bezug auf die Beschwerdeführerin auf und wies die Sache zur Neubeurteilung zurück. Der zentrale Grund war die Verletzung des Rechts auf obligatorische Verteidigung (Art. 130 lit. d StPO). Da die Staatsanwaltschaft in beiden kantonalen Instanzen persönlich aufgetreten war, hätte der Beschwerdeführerin ein Verteidiger beigestellt werden müssen, um die verfassungsrechtlich garantierte Waffengleichheit und ein faires Verfahren zu gewährleisten. Da dies unterblieb, lag ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung des Urteils rechtfertigt und weitere Rügen gegenstandslos machte.