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Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 12. Juni 2025, Aktenzeichen 5A_136/2024, befasst sich primär mit der Frage des nachehelichen Unterhaltsbeitrags für die Ehefrau im Scheidungsverfahren, insbesondere im Kontext der "lebensprägenden Ehe". Es ist eine Rückweisungssache, in der das BGer die Anwendung seiner jüngsten Rechtsprechung zur lebensprägenden Ehe durch die kantonale Instanz überprüft.
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
Die Parteien, 1977 (Ehemann, Beschwerdeführer) und 1986 (Ehefrau, Beschwerdegegnerin) geboren, heirateten 2008 im Sudan. Die Ehefrau folgte dem Ehemann 2009 in die Schweiz. Aus der Ehe ging 2010 eine Tochter hervor.
Nach der Trennung 2015 erliess das Genfer Tribunal de première instance (TPI) Schutzmassnahmen: Die Obhut über die Tochter wurde der Mutter zugewiesen, der Vater zu einem Kinderunterhaltsbeitrag von CHF 360.– verurteilt. Ein nachehelicher Unterhalt für die Ehefrau wurde nicht zugesprochen.
Im Scheidungsverfahren von 2018 bestätigte das TPI 2020 die Scheidung, die gemeinsame elterliche Sorge und die Obhut der Mutter, erhöhte den Kinderunterhalt auf CHF 640.–, sprach jedoch weiterhin keinen nachehelichen Unterhalt für die Ehefrau zu.
Auf Berufung beider Parteien hin verurteilte die Cour de justice des Kantons Genf (2022) den Ehemann zusätzlich zum Kinderunterhalt zu einem nachehelichen Unterhaltsbeitrag für die Ehefrau: CHF 800.– pro Monat vom April bis August 2022, danach CHF 200.– pro Monat bis Ende Februar 2026. Danach sollte kein Unterhalt mehr geschuldet sein.
Gegen dieses Urteil legte der Ehemann Beschwerde beim Bundesgericht ein. Das BGer hob das kantonale Urteil bezüglich des nachehelichen Unterhaltsbeitrags am 17. Mai 2023 (5A_397/2022) auf und wies die Sache zur erneuten Beurteilung an die kantonale Instanz zurück. Die kantonale Instanz sollte erneut prüfen, ob die Ehe eine "lebensprägende" Auswirkung auf die Lebensumstände der Ehefrau hatte.
Nach dieser Rückweisung erliess die Genfer Cour de justice am 20. Dezember 2023 ein neues Urteil, das die bereits zuvor zugesprochenen Unterhaltsbeiträge für die Ehefrau (CHF 800.– bzw. CHF 200.– bis Februar 2026) in gleicher Höhe erneut festlegte.
Gegen dieses erneute Urteil erhob der Ehemann abermals Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht und beantragte primär, dass ihm kein nachehelicher Unterhaltsbeitrag auferlegt werde.
II. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht
Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde unter Berücksichtigung der Bindungswirkung seines früheren Rückweisungsentscheids und der geltenden Grundsätze des Zivilrechts.
Autorität des Rückweisungsentscheids (Art. 105 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 BGG) Das BGer hielt fest, dass die kantonale Behörde an die Rechtsauffassung und die Sachverhaltsfeststellungen des Bundesgerichts im Rückweisungsentscheid gebunden ist. Neue Tatsachen können nur berücksichtigt werden, wenn sie den Rückweisungspunkt betreffen und nicht über dessen Rahmen hinausgehen. Diese Bindung gilt auch für die Parteien und das Bundesgericht selbst.
Unzulässige Rügen und Beweisanträge
Anwendbares Recht Die Zuständigkeit der Schweizer Gerichte und die Anwendbarkeit des Schweizer Rechts (Art. 8 Haager Unterhaltsabkommen i.V.m. Art. 49, 61 Abs. 1 und 63 Abs. 2 IPRG) waren unbestritten.
Die zentrale Frage der "lebensprägenden Ehe" (Art. 125 ZGB, Art. 4, 9, 29 BV) Der Beschwerdeführer rügte eine willkürliche Feststellung einer "lebensprägenden Ehe" und damit eine Verletzung von Art. 4, 8 und 125 ZGB sowie Art. 9 und 29 BV.
Rechtliche Grundlagen (Art. 125 ZGB): Das BGer wiederholte die Grundsätze des nachehelichen Unterhalts gemäss Art. 125 Abs. 1 ZGB, wonach ein Ehegatte Anspruch auf einen angemessenen Beitrag hat, wenn ihm die Selbstversorgung nicht zuzumuten ist. Die Bemessung erfolgt nach den nicht abschliessenden Kriterien von Art. 125 Abs. 2 ZGB und liegt weitgehend im Ermessen des Sachrichters (Art. 4 ZGB). Entscheidend ist, ob die Ehe das Leben des unterhaltsberechtigten Ehegatten "dauerhaft geprägt" (lebensprägende Ehe) hat. In diesem Fall soll der gemeinsam gewählte Lebensstandard, soweit finanziell möglich, beibehalten werden (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB). Hierbei wird das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten in die Kontinuität der Ehe und die Aufrechterhaltung der vereinbarten Rollenverteilung geschützt (ATF 148 III 161 E. 4.1). Hat die Ehe hingegen keinen Einfluss auf die Lebensumstände gehabt, kann im Einzelfall auf die Situation vor der Ehe abgestellt werden. Das BGer verwies auf seine jüngste Rechtsprechung, wonach die bisherigen tatsächlichen Vermutungen für eine lebensprägende Ehe (insbesondere Ehedauer und gemeinsame Kinder) nicht schematisch, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls anzuwenden sind. Diese Vermutungen haben keinen absoluten Wert und müssen relativiert werden (ATF 147 III 249 E. 3.4.2; 148 III 161 E. 4.2). Gleiches gelte für die kulturelle Entwurzelung.
Anwendung im vorliegenden Fall: Die kantonale Instanz stellte fest, dass die Ehefrau 2009, kurz nach der Heirat, ohne Französischkenntnisse und ohne Ausbildung oder Berufserfahrung in die Schweiz kam. Nach der Geburt der Tochter 2010 widmete sie sich der Kinderbetreuung und dem Haushalt, während der Ehemann vollzeitlich arbeitete und für den finanziellen Unterhalt der Familie aufkam. Diese traditionelle Rollenverteilung dauerte bis zur Trennung 2015 an. Das BGer befand, dass die kantonale Instanz mit ihrer Schlussfolgerung, die Ehe habe die Fähigkeit der Ehefrau zur Selbstversorgung nach der Trennung konkret beeinflusst, ihr Ermessen (Art. 4 ZGB) nicht missbraucht und kein Bundesrecht verletzt hat.
Die Argumente des Beschwerdeführers wurden zurückgewiesen: * Der Vorwurf fehlender "umfassender ergänzender Abklärungen" wurde verneint, da der Rückweisungsentscheid keine solchen angeordnet hatte und der Beschwerdeführer selbst auf besondere Bemerkungen nach der Rückweisung verzichtet hatte. * Der Umstand, dass die Ehefrau vor der Ehe keine Ausbildung hatte und nicht erwerbstätig war, sei irrelevant. Sie habe die Heimat verlassen, um dem Ehemann in die Schweiz zu folgen, und sich bis zur Trennung der Haushaltsführung und Kinderbetreuung gewidmet. Dadurch sei sie wirtschaftlich vom Ehemann abhängig geworden. Ohne diese von den Ehegatten gewählte Aufgabenverteilung hätte sie früher in den Arbeitsmarkt integriert werden können. * Entscheidend war für das BGer, dass die über sechs Jahre andauernde finanzielle Abhängigkeit der Ehefrau aufgrund der Haushaltsführung und der Betreuung des gemeinsamen Kindes als ausreichend erachtet wurde, um die Ehe als "lebensprägend" zu qualifizieren (vgl. auch BGer-Urteil 5A_801/2022 E. 5.3). Dies wurde im Gegensatz zu einem Fall (ATF 148 III 161) gesehen, wo ein gemeinsames Kind und eine einjährige klassische Rollenverteilung nicht als lebensprägend erachtet wurden.
Subsidiäre Erwägungen: Selbst wenn man nicht von einer lebensprägenden Ehe ausgegangen wäre, decke der zugesprochene Unterhaltsbeitrag (CHF 800.– bzw. CHF 200.–) lediglich das auf der Basis ihres (geschätzten) Einkommens für ihre aktuelle 62,5%ige bzw. 80%ige Tätigkeit berechnete Defizit ab. Dies würde voraussichtlich nicht über die Differenz zu dem Einkommen hinausgehen, das die Beschwerdegegnerin ohne die Ehe hätte erzielen können. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Ehefrau sei vollumfänglich erwerbsfähig, wurde mit Verweis auf die Rechtsprechung zu den "Schulstufenmodellen" (50% Erwerbstätigkeit ab Schuleintritt des jüngsten Kindes, 80% ab Sekundarstufe, 100% ab 16 Jahren; ATF 147 III 308 E. 5.2) zurückgewiesen. Dieser Punkt lag zudem ausserhalb des Rahmens des Rückweisungsentscheids und war unzulässig. Die Rüge des Beschwerdeführers, sein Existenzminimum werde durch den nachehelichen Unterhaltsbeitrag stark beeinträchtigt, wurde ebenfalls als unzulässig beurteilt, da die Frage seiner finanziellen Leistungsfähigkeit bereits im Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts definitiv entschieden worden war.
III. Fazit
Das Bundesgericht weist die Beschwerde insofern sie zulässig war, als unbegründet ab. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, wobei ihm aufgrund seiner knappen finanziellen Mittel und der nicht von vornherein aussichtslosen Rechtsbegehren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde. Auch der Beschwerdegegnerin wurde die unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen, da sie nicht zur Sacheinreichung aufgefordert wurde und ihr Antrag auf aufschiebende Wirkung teilweise gutgeheissen wurde.
IV. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte