Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (BGE 6B_874/2023 vom 23. Juni 2025) detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_874/2023 vom 23. Juni 2025
1. Einleitung und Verfahrensgegenstand
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft eine Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 2. Februar 2023. Der Beschwerdeführer, A.A._, wurde wegen mehrfacher übler Nachrede nach Art. 173 StGB verurteilt. Die Verurteilung erfolgte aufgrund mehrerer E-Mails aus den Jahren 2017 und 2018, in denen der Beschwerdeführer die Beschwerdegegner B._ und C.__, die als Willensvollstrecker im Nachlass seiner Mutter tätig waren, in ehrverletzender Weise beschuldigte.
2. Sachverhalt und inkriminierte Äusserungen
Die Streitigkeiten wurzelten in der Willensvollstreckung des Nachlasses der Mutter des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer warf den Willensvollstreckern (B._ und C._) vor, parteiisch, korrupt und intrigant zu sein, Lügen zu verbreiten, sich zu bereichern und das Erbteilungsverfahren unnötig in die Länge zu ziehen. Er kritisierte insbesondere ihr Vorgehen betreffend erbrechtliche Informationsansprüche, die Auslegung von Erb- und Schenkungsverträgen sowie die Vergabe eines Verwaltungsauftrags.
Die zentralen inkriminierten Äusserungen, die per E-Mail an diverse Personen (darunter die Beschwerdegegner selbst sowie Dritte) verbreitet wurden, umfassten unter anderem Bezeichnungen wie:
* "parteiischer Willensvollstrecker" und "aufgeilender Intrigant" (gegen B._, E-Mail vom 1. September 2017)
* "unzählige (!!) verbreiteten Lügengeschichten (!!!)", "machtmissbrauchenden Vollstreckers B._", "höchst unanständiger, verachtenswerter Weise auch noch über alle Masse bereichert" (gegen B._, E-Mail vom 6. September 2017)
* "Lügen verbreitest", "korrupt", "Vetternwirtschaft", "Nepotismus" (gegen B._, E-Mail vom 20. September 2017)
* "korrupten' Rechnung", "Lügen zu verbreiten", "Pakt des Teufels geschlossen", "Intrigant", "fahnenflüchtiger, hinterhältiger Intrigant", "wissentlich und absichtlich vollends zerstört hat, um sich daran in unermesslichem Umfang zu bereichern" (gegen C._, E-Mail vom 11. Oktober 2017)
* "heuchlerisches Individuum" (gegen C._, E-Mail vom 13. Dezember 2017)
* "verlogen", "Lügen verbreitet" (gegen C._, E-Mail vom 14. Juni 2018)
* "Lügenverbreiters", "böses Verhalten", "schuldfähig" (gegen C._, E-Mail vom 5. Oktober 2018)
3. Rechtliche Grundlagen der üblen Nachrede (Art. 173 StGB)
- Tatbestand (Art. 173 Ziff. 1 StGB): Bestraft wird, wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer rufschädigender Tatsachen beschuldigt oder verdächtigt. Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz bezüglich des ehrverletzenden Charakters und der Rufschädigung, nicht aber der Unwahrheit. Eine besondere Beleidigungsabsicht ist nicht zwingend erforderlich (obwohl im vorliegenden Fall bejaht).
- Entlastungsbeweis (Art. 173 Ziff. 2 StGB): Der Beschuldigte ist nicht strafbar, wenn er beweist, dass die Äusserung der Wahrheit entspricht (Wahrheitsbeweis) oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten (Gutglaubensbeweis). Der Wahrheitsbeweis eines strafbaren Verhaltens kann grundsätzlich nur durch ein rechtskräftiges Strafurteil erbracht werden.
- Ausschluss vom Entlastungsbeweis (Art. 173 Ziff. 3 StGB): Dies ist die zentrale Norm im vorliegenden Fall. Der Beschuldigte wird vom Entlastungsbeweis ausgeschlossen und bleibt strafbar, wenn die Äusserungen "ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen". Diese beiden Voraussetzungen (Fehlen einer begründeten Veranlassung UND überwiegende Absicht, Übles vorzuwerfen) müssen kumulativ erfüllt sein. Die Norm ist restriktiv auszulegen; der Entlastungsbeweis darf nur ausnahmsweise verwehrt werden.
- Begründete Veranlassung: Muss objektiv bestehen und Beweggrund für die Äusserung sein. Eine blosse Vorstellung des Täters genügt nicht. Auch ein geringer Teil einer begründeten Veranlassung kann genügen, es sei denn, sie dient als blosser Vorwand. Öffentliches Interesse ist ein Beispiel, aber auch andere zureichende Gründe können vorliegen.
- Tat- und Rechtsfrage: Die Absicht, Übles vorzuwerfen, ist eine Tatfrage (Willkürprüfung durch Bundesgericht). Das Bestehen einer begründeten Veranlassung ist eine Rechtsfrage (volle Kognition durch Bundesgericht).
- Ehrbegriff und Werturteile: Die strafrechtlich geschützte Ehre bezieht sich auf den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein. Äusserungen, die lediglich die Geltung als Geschäfts- oder Berufsmann herabsetzen, sind nur ehrverletzend, wenn sie zugleich die Geltung als ehrbarer Mensch betreffen. Bei "gemischten Werturteilen" (eine Wertung mit erkennbarem Bezug zu Tatsachen) finden Art. 173 Ziff. 2 und 3 StGB analoge Anwendung.
4. Verfahrensgang und vorinstanzliche Beurteilung
- Strafgericht (erste Instanz): Verurteilte den Beschwerdeführer wegen mehrfacher übler Nachrede. Es bejahte eine Beleidigungsabsicht. Interessanterweise bejahte es zudem eine objektiv begründete Veranlassung für die Äusserungen, weil sich die von den Willensvollstreckern geäusserten Erwartungen hinsichtlich gewisser Nachlassforderungen (z.B. aus Aktienverkauf, Provisionsguthaben) nicht bestätigt hätten und ein zivilgerichtlicher Entscheid die Position des Beschwerdeführers teilweise gestützt habe. Daher liess das Strafgericht den Beschwerdeführer zum Entlastungsbeweis zu, kam aber zum Schluss, dass er diesen nicht erbringen konnte.
- Appellationsgericht (zweite Instanz): Bestätigte die Verurteilung. Es bejahte ebenfalls die Beleidigungsabsicht. Anders als die erste Instanz verneinte es jedoch eine begründete Veranlassung für die ehrverletzenden Äusserungen und schloss den Beschwerdeführer daher vom Entlastungsbeweis aus. Seine Begründung:
- Die Willensvollstrecker hätten ihre Aufgabe der Inventarisierung wahrnehmen müssen und der Beschwerdeführer habe durch Verweigerung von Auskünften eine Auskunftsklage selbst provoziert.
- Die zivilgerichtliche Auskunftsklage gegen den Beschwerdeführer (Urteil Zivilkreisgericht Basel-Landschaft West vom 7. April 2017) sei in zwei von drei Punkten gutgeheissen worden (Herausgabe Schmuck/Goldmünzen für Schätzung, Auskunft über bezahlten Aktienkaufpreis). Dies zeige, dass die Abklärungen der Willensvollstrecker nicht als unbegründete Schikane abgetan werden könnten, selbst wenn die materielle Forderung sich später als unbegründet erwiesen haben sollte.
- Der Beschwerdeführer sei bereits vor seinen E-Mails im Besitz eines Urteils (Kantonsgericht Basel-Landschaft vom 11. August 2017) gewesen, das seine Annahme einer "paritätischen" Willensvollstreckung widerlegte.
- Der Beschwerdeführer habe die ihm legal zur Verfügung stehenden Rechtsmittel (Absetzungsbegehren, Strafanzeigen, Aufsichtsbeschwerden) genutzt, wenngleich erfolglos. Die Tatsache, dass er in diesen Verfahren unterlegen war, begründe keine Veranlassung für Ehrverletzungen.
5. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht
Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, des Grundsatzes von Treu und Glauben, des Rechts auf wirksame Verteidigung, der Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 Abs. 2 BV) sowie von Art. 173 Abs. 2 und 3 StGB und Art. 10 Abs. 3 StPO (Unschuldsvermutung). Er machte geltend, die Vorinstanz habe ihn zu Unrecht vom Entlastungsbeweis ausgeschlossen, insbesondere, weil sie eine im Vergleich zur ersten Instanz neue rechtliche Würdigung vorgenommen habe, ohne dies zu thematisieren. Er habe nicht in reiner Beleidigungsabsicht gehandelt, sondern um Transparenz und Gerechtigkeit zu schaffen.
6. Beurteilung durch das Bundesgericht
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
- Zu den neuen Tatsachen und Beweismitteln (E. 1): Das Bundesgericht lässt die vom Beschwerdeführer eingereichten neuen Unterlagen nicht zu. Neue Tatsachen und Beweismittel sind vor Bundesgericht nur zulässig, wenn der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt. Dies sei hier nicht der Fall, da die Rügen bereits im Berufungsverfahren hätten vorgebracht werden können. Zudem gehe es im bundesgerichtlichen Verfahren ausschliesslich um die Frage, ob der Entlastungsbeweis verweigert werden durfte, und nicht darum, ob die Aussagen des Beschwerdeführers der Wahrheit entsprachen.
- Zum Ausschluss vom Entlastungsbeweis (Art. 173 Ziff. 3 StGB) (E. 4):
- Beleidigungsabsicht (Tatfrage): Das Bundesgericht bestätigt die willkürfreie Feststellung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer in der Absicht handelte, den Beschwerdegegnern Übles vorzuwerfen. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung sei nicht dargetan.
- Begründete Veranlassung (Rechtsfrage): Hier prüft das Bundesgericht mit voller Kognition. Es anerkennt, dass die Akten Anhaltspunkte dafür liefern, dass das Vorgehen der Willensvollstrecker nicht in jeder Hinsicht gerechtfertigt war und sie möglicherweise auch lange zurückliegende, erbrechtlich irrelevante Vorgänge aufzurollen versuchten. So wies das Zivilkreisgericht (entgegen der Darstellung der Vorinstanz) einen Teil der Auskunftsbegehren der Willensvollstrecker ab. Das Bundesgericht hält fest, dass Kritik an der Mandatsführung von Willensvollstreckern grundsätzlich zulässig sein muss, auch wenn sie unbegründet ist oder wenn rechtliche Verfahren erfolglos waren.
- ABER: Das Bundesgericht betont, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf sachliche Kritik beschränkt hat. Die E-Mails, die an eine Vielzahl von Adressaten gerichtet waren, waren durchwegs polemisch, abfällig und auf eine pauschale Verunglimpfung der Beschwerdegegner als Personen ausgerichtet (z.B. "Lügner", "Intriganten", "korrupt", wobei "korrupt" den Vorwurf eines qualifizierten, potenziell strafbaren Fehlverhaltens impliziert). Eine solche breite Streuung von polemisch verfassten pauschalen Herabwürdigungen lasse jede Sachlichkeit vermissen. Für ein solches Vorgehen bestehe weder ein öffentliches noch ein anderweitiges berechtigtes Interesse. Folglich bestand keine begründete Veranlassung im Sinne von Art. 173 Ziff. 3 StGB.
- Da die kumulativen Voraussetzungen für den Ausschluss vom Entlastungsbeweis gegeben waren (keine begründete Veranlassung und überwiegende Absicht, Übles vorzuwerfen), war die Vorinstanz zu Recht nicht zum Entlastungsbeweis zugelassen.
- Zu den Verfahrensrügen (E. 5):
- Rechtliches Gehör / Treu und Glauben: Das Bundesgericht verneint eine Verletzung. Art. 344 StPO (Hinweispflicht bei Änderung der rechtlichen Würdigung) sei nicht anwendbar, da die Vorinstanz von der erstinstanzlichen Begründung abwich, nicht aber von der Anklageschrift. Eine Pflicht zur Anhörung zu Rechtsfragen bestehe nur beschränkt. Die Prüfung der Voraussetzungen von Art. 173 Ziff. 3 StGB sei eine richterliche Aufgabe von Amtes wegen, und es sei nicht überraschend gewesen, dass diese Frage im Berufungsverfahren geprüft wurde, zumal die Beschwerdegegner dies explizit beantragten. Zudem wäre eine allfällige Gehörsverletzung durch die volle Kognition des Bundesgerichts in Rechtsfragen geheilt.
- Art. 398 Abs. 2 StPO (Umfassende Überprüfung durch Berufungsgericht): Die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe zu Unrecht Voraussetzungen geprüft, die er nicht angefochten hatte, ist unbegründet. Das Berufungsgericht überprüft das angefochtene Urteil in allen angefochtenen Punkten umfassend und fällt ein neues Urteil, das das erstinstanzliche ersetzt. Die Begründung des erstinstanzlichen Urteils erwächst nicht in Rechtskraft.
7. Meinungsäusserungsfreiheit (Art. 16 Abs. 2 BV) (E. 7):
Der Beschwerdeführer zeigt keine rechtsgenügende Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit auf. Art. 173 StGB verfolgt das Ziel, den guten Ruf und die Rechte Dritter zu schützen, was grundsätzlich die Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit rechtfertigt.
8. Schlussfolgerung:
Das Bundesgericht bestätigt die vorinstanzliche Verurteilung wegen mehrfacher übler Nachrede. Es hält fest, dass die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Recht vom Entlastungsbeweis ausgeschlossen hat, da für die breit gestreuten, polemischen und persönlich herabwürdigenden Äusserungen keine begründete Veranlassung vorlag. Die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers werden ebenfalls abgewiesen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Verurteilung wegen übler Nachrede: Der Beschwerdeführer wurde für zahlreiche ehrverletzende E-Mails gegen Willensvollstrecker verurteilt.
- Ausschluss vom Entlastungsbeweis (Art. 173 Ziff. 3 StGB) bestätigt: Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Recht vom Wahrheits- und Gutglaubensbeweis ausgeschlossen hat.
- Fehlen begründeter Veranlassung: Obwohl der Beschwerdeführer im Erbstreit teils berechtigte Kritikpunkte gehabt haben mag und auch zivilrechtliche Verfahren nicht vollumfänglich zugunsten der Willensvollstrecker ausgingen, war die Form seiner Äusserungen entscheidend.
- Form und Inhalt entscheidend: Die an einen breiten Kreis gerichteten E-Mails waren durchwegs polemisch, abfällig und auf eine pauschale, persönliche Verunglimpfung (z.B. "Lügner", "korrupt") der Willensvollstrecker als Personen ausgerichtet. Für solche Äusserungen fehlte eine objektive, begründete Veranlassung im Sinne des Gesetzes.
- Verfahrensrügen abgewiesen: Das Bundesgericht verneinte Verletzungen des rechtlichen Gehörs, des Grundsatzes von Treu und Glauben und der umfassenden Überprüfungsbefugnis des Appellationsgerichts, da dieses mit voller Kognition über den Schuldspruch entscheiden konnte.
- Meinungsäusserungsfreiheit nicht verletzt: Die Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit durch den Schutz der Ehre (Art. 173 StGB) wird als zulässig erachtet.