Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_522/2024 vom 24. Juni 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_522/2024 vom 24. Juni 2025

1. Einleitung Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (I. strafrechtliche Abteilung) vom 24. Juni 2025 (Az. 6B_522/2024) befasst sich mit einer Beschwerde in Strafsachen von A.__ (Beschwerdeführer) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern. Streitgegenstand ist die Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Abs. 2 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG), namentlich das Nichtanpassen der Geschwindigkeit. Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen eine willkürliche Beweiswürdigung und die Verletzung der Unschuldsvermutung.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen Der Sachverhalt betrifft einen Selbstunfall vom 27. März 2021. Der Beschwerdeführer fuhr mit seinem Personenwagen auf der U.__strasse in einer S-Kurve, als das Fahrzeugheck unmittelbar bei der Einfahrt in eine Rechtskurve nach links ausbrach. Das Fahrzeug drehte sich, kam rückwärts auf die linke Fahrbahnseite, anschliessend von der Fahrbahn ab und rutschte eine Böschung hinunter, wo es zum Stillstand kam. Es wurden keine Personen verletzt.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern warf dem Beschwerdeführer mittels Strafbefehl vom 29. Juli 2021 eine grobe Verkehrsregelverletzung (Nichtanpassen der Geschwindigkeit) im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG vor. Er sei mit übersetzter Geschwindigkeit von mindestens 60 km/h in eine 180°-Kehre eingefahren, wodurch er die Kontrolle verloren und ins Schleudern geraten sei. Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte ihn gestützt darauf zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Auf Berufung des Beschwerdeführers hin stellte das Obergericht des Kantons Bern mit Urteil vom 24. Mai 2024 die Unverwertbarkeit bestimmter Aussagen fest, bestätigte aber im Übrigen die Verurteilung vollumfänglich.

3. Massgebende Rechtsfragen und Argumente des Bundesgerichts

3.1. Zulässigkeit neuer Beweismittel (Noven) Der Beschwerdeführer reichte mit seiner Beschwerde ein Gutachten vom 24. Juni 2024 zum Unfallhergang ein und berief sich auf Art. 105 Abs. 2 BGG. Das Bundesgericht hielt fest, dass neue Tatsachen und Beweismittel vor Bundesgericht nur vorgebracht werden dürfen, soweit erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG, sogenannte "unechte Noven"). Bei dem eingereichten Gutachten handelte es sich jedoch um ein "echtes Novum", da es nach dem vorinstanzlichen Urteil vom 24. Mai 2024 erstellt wurde. Echte Noven sind vor Bundesgericht grundsätzlich unbeachtlich. Zudem war die gefahrene Geschwindigkeit bereits Gegenstand der kantonalen Verfahren, und das Bundesgericht führt keine eigene Beweiserhebung durch (Art. 105 Abs. 2 BGG ist hier nicht einschlägig). Das Gutachten wurde daher als unzulässig erklärt.

3.2. Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung

A. Rügen des Beschwerdeführers Der Beschwerdeführer rügte eine willkürliche Beweiswürdigung und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo". Er machte geltend, die Vorinstanz habe unbefugterweise auf nicht verwertbare Aussagen und Aktenstellen abgestellt, insbesondere im Zusammenhang mit seiner Erstaussage zur behaupteten Geschwindigkeit von 60 km/h. Er beanstandete, dass der festgestellte Sachverhalt widersprüchlich und willkürlich sei und die Vorinstanz alternative Unfallursachen (Rutschen auf der Mittellinie) pauschal ausgeschlossen habe, ohne die Unfallursache abschliessend zu klären.

B. Begründung des Obergerichts (Vorinstanz) – vom Bundesgericht gewürdigt

1. Beweisverwertbarkeit Das Obergericht stellte fest, dass die Erstaussagen des Beschwerdeführers absolut unverwertbar waren (Art. 158 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 2 StPO). Dies aufgrund einer offensichtlich schwierigen Verständigung zwischen dem Beschwerdeführer (französischsprachig) und dem einvernehmenden Polizisten (wenig Französischkenntnisse) sowie der unterlassenen Belehrung über das Recht auf Beizug eines Übersetzers gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. d StPO. Das Obergericht prüfte zudem die "Fernwirkung" (Art. 141 Abs. 4 StPO) und befand, dass jene Aussagen des Beschwerdeführers an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, die unmittelbar Bezug auf seine Erstaussagen nahmen oder auf Vorhalt dieser erfolgt waren, ebenfalls unverwertbar seien. Wichtig hierbei: Das Obergericht erachtete jedoch die Aussage des Zeugen B.__ (Beifahrer) hinsichtlich der Geschwindigkeitsangabe von 60 km/h als verwertbar und mass ihr bei der nachfolgenden Beweiswürdigung bedeutendes Gewicht bei. Auch übrige Aussagen des Beschwerdeführers an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung, die keinen Bezug zu den unverwertbaren Erstaussagen hatten, wurden als verwertbar erachtet. Die im Unfallaufnahmeprotokoll enthaltenen, vor Ort gemachten Aussagen des Beschwerdeführers zur Geschwindigkeit wurden als unverwertbar aus den Akten verwiesen.

2. Feststellung der Geschwindigkeit Die Vorinstanz stellte fest, dass der Beschwerdeführer vor dem Unfall mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h unterwegs gewesen sei. Dies ergab sich hauptsächlich aus den Aussagen des Zeugen B._, der ohne Vorhalt ausgesagt hatte, dass sie bei der Unfallaufnahme "60 km/h" genannt hätten und dies damals für korrekt gehalten hätten. Obwohl B._ und der Beschwerdeführer später ihre ursprüngliche Schätzung als fehlerhaft und im Schockzustand getroffen bezeichneten, hielt die Vorinstanz an der ursprünglichen Angabe fest. Die Vorinstanz unterschied klar zwischen der Geschwindigkeit vor der Kurve und der Geschwindigkeit in der Kurve. Dem Beschwerdeführer wurde nicht vorgeworfen, mit 60 km/h in die enge 180°-Kehre gefahren zu sein (was als physikalisch unmöglich erachtet wurde), sondern dass er seine Geschwindigkeit vorgängig nicht genügend angepasst hatte. Bei einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h vor dieser engen, unübersichtlichen Kurve sei die Geschwindigkeit für die Strassenverhältnisse übersetzt gewesen, was zum Kontrollverlust geführt habe.

3. Ausschluss alternativer Unfallursache (Rutschen auf der Mittellinie) Das Obergericht qualifizierte die vom Beschwerdeführer und den Zeugen B._ und C._ präsentierte alternative Unfallursache des "Rutscheins auf der weissen Linie" als "nachgeschobene Schutzbehauptung", die auf einer Absprache beruhen könnte. Es räumte zwar ein, dass es nicht von einer "ausgeklügelten Absprache" ausgehe, die Aussagen seien aber "wenig überzeugend", da sie nicht über blosse Mutmassungen hinausgingen und der Beschwerdeführer selbst nicht vollumfänglich überzeugt schien. Gegen diese alternative Unfallursache sprachen nach Ansicht der Vorinstanz insbesondere die Angaben im Unfallaufnahmeprotokoll, wonach die Witterung schön und der Strassenzustand trocken gewesen sei. Das Vorhandensein von Schnee abseits der Strasse wurde als nicht relevant für den Fahrbahnzustand erachtet. Auch der Umstand, dass die Gruppe unterwegs war, um Fotos zu machen, deutete auf schönes Wetter hin. Die Vorinstanz schloss daher eine feuchte Fahrbahn als Unfallursache aus und führte den Unfall auf die übersetzte Geschwindigkeit zurück.

C. Würdigung durch das Bundesgericht

1. Prüfungsstandard Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und für den Ausgang des Verfahrens entscheidend ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Willkür liegt vor, wenn die Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist; eine andere plausible Lösung genügt nicht. Der Grundsatz "in dubio pro reo" (Art. 10 Abs. 3 StPO) hat in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung.

2. Anwendung auf die Rügen * Zur Verwertbarkeit der Aussagen: Das Bundesgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer die Verwertbarkeit der vom Obergericht als verwertbar erachteten Aussagen (insbesondere des Zeugen B.__) nicht ausreichend begründet gerügt hatte (Art. 42 Abs. 2 BGG). Daher musste es auf diesen Punkt nicht näher eingehen. * Zur Geschwindigkeit von 60 km/h: Der Einwand des Beschwerdeführers, die Beweiswürdigung sei widersprüchlich hinsichtlich der 60 km/h, ging fehl. Das Bundesgericht bestätigte die Unterscheidung der Vorinstanz zwischen der Geschwindigkeit unmittelbar vor der Kurve und der Geschwindigkeit in der Kurve. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit ca. 60 km/h vor der Kurve unterwegs war, wurde als nicht willkürlich erachtet. * Zum Ausschluss alternativer Unfallursachen: Das Bundesgericht befand, dass die Sachverhaltsrüge des Beschwerdeführers bezüglich des Rutschens auf der Mittellinie die qualifizierten Begründungsanforderungen nicht erfüllte und jedenfalls keine Willkür begründen konnte. Es handelte sich weitgehend um appellatorische Kritik. Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen hatte und willkürfrei folgern konnte, dass die Zeugenaussagen die Feststellung im Unfallprotokoll (trockene Strasse) nicht erschüttern. Der Schluss, der Unfall sei nicht auf eine nasse Fahrbahn zurückzuführen, sondern auf übersetzte Geschwindigkeit, hielt vor Bundesrecht stand.

D. Eventualantrag (Einfache Verkehrsregelverletzung) Der Eventualantrag des Beschwerdeführers, ihn der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 1 SVG schuldig zu sprechen, wurde vom Bundesgericht mangels rechtsgenüglicher Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht behandelt.

4. Endgültiger Entscheid Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte * Das Bundesgericht wies ein vom Beschwerdeführer eingereichtes, nach dem vorinstanzlichen Urteil erstelltes Gutachten als unzulässiges "echtes Novum" ab. * Es bestätigte die Beweiswürdigung des Obergerichts hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer vor der Kurve mit einer für die dortigen Verhältnisse übersetzten Geschwindigkeit von ca. 60 km/h unterwegs war. * Die anfängliche Unverwertbarkeit bestimmter Aussagen des Beschwerdeführers aufgrund fehlender Belehrung und Sprachbarriere sowie die daraus resultierende "Fernwirkung" wurde zwar anerkannt, aber als für das Beweisergebnis nicht entscheidend betrachtet, da andere verwertbare Beweismittel (insbesondere Zeugenaussagen) die Geschwindigkeit belegten. * Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte alternative Unfallursache (Rutschen auf der Mittellinie) wurde vom Bundesgericht als willkürfrei ausgeschlossen befunden, da die Vorinstanz deren Glaubwürdigkeit detailliert geprüft und überzeugend widerlegt hatte. * Die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich willkürlicher Sachverhaltsfeststellung und Verletzung der Unschuldsvermutung wurden als unbegründet oder unzureichend substanziiert erachtet. * Der Antrag auf Verurteilung wegen einfacher Verkehrsregelverletzung wurde nicht behandelt, da er nicht ausreichend begründet war. * Das Urteil des Obergerichts wurde in der Sache bestätigt.