Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 8C_745/2024 vom 25. Juni 2025:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 8C_745/2024 vom 25. Juni 2025
1. Einführung und Streitgegenstand
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (IV. öffentlich-rechtliche Abteilung) befasst sich mit einer Beschwerde gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau betreffend die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen. Die Beschwerdeführerin, A.__, wehrte sich primär gegen die Anrechnung eines sog. Konkubinatsbeitrags an ihre Sozialhilfeleistungen durch die Gemeinde Merenschwand, was zur Folge hatte, dass ihr letztlich keine Leistungen ausbezahlt wurden. Sie beantragte zudem die Nachzahlung wirtschaftlicher Sozialhilfe für Oktober 2022 und eine Neubeurteilung der Kostenverteilung.
2. Chronologie der Vorinstanzen und Sachverhalt
- Gemeinderat Merenschwand (27. Februar 2023): Setzte die monatliche Sozialhilfe für A.__ fest, reduzierte diese jedoch um einen Konkubinatsbeitrag, sodass keine Leistungen ausbezahlt wurden. Zudem wurden Auflagen und Weisungen erteilt (u.a. Suche einer günstigeren Wohnung, Einholung einer Auflösungsofferte für einen Auto-Leasingvertrag).
- Departement Gesundheit und Soziales, Kantonaler Sozialdienst (18. März 2024): Hiess die Verwaltungsbeschwerde von A.__ teilweise gut, indem es die Ablehnung der Finanzierung eines Autos und die Anordnung zur Hinterlegung der Kontrollschilder aufhob. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, womit die Anrechnung des Konkubinatsbeitrags bestätigt wurde.
- Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (30. Oktober 2024): Vereinte zwei Beschwerdeverfahren (A.__ und ihr Rechtsvertreter) und hiess A.__s Beschwerde teilweise gut, indem es Ziffer 4 des Gemeinderatsbeschlusses (betreffend nicht berücksichtigte Darlehensrückzahlungen des Konkubinatspartners) aufhob. Hinsichtlich der Auflage zur Wohnungssuche setzte es eine neue Frist an. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten wurde. Die Anrechnung des Konkubinatsbeitrags wurde somit bestätigt.
- Bundesgericht: A.__ (und ihr Rechtsvertreter separat) reichten Beschwerde ein, welche primär die rechtmässige Anrechnung des Konkubinatsbeitrags, die Nachzahlung für Oktober 2022 und die Kostenverteilung betraf.
3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht
3.1. Zulässigkeit der Beschwerde (Art. 90 ff. BGG)
Das Bundesgericht klärte zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde.
* Zwischenverfügungen: Auflagen und Weisungen zur Verwendung zugesprochener Sozialhilfemittel stellen gemäss Rechtsprechung Zwischenverfügungen im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG dar. Diese können grundsätzlich erst zusammen mit einer darauf gestützten Leistungskürzung angefochten werden.
* Auflage zur Wohnungssuche: Die Beschwerdeführerin konnte keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG oder die Herbeiführung eines sofortigen Endentscheids im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG glaubhaft machen. Das Bundesgericht verneint in sozialhilferechtlichen Auflagen in aller Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil (vgl. BGE 146 I 62 E. 5.4.5). Daher trat das Bundesgericht auf die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Auflage zur Wohnungssuche richtete, nicht ein.
* Konkubinatsbeitrag: Hingegen wurde die Beschwerde als zulässig erachtet, soweit eine bundes- und völkerrechtswidrige Berücksichtigung eines Konkubinatsbeitrags gerügt wurde.
3.2. Anwendbares Recht und Rügepflicht (Art. 95, 106 Abs. 2 BGG)
Das Bundesgericht legte dar, dass mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten primär die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden kann. Bei der Rüge von Grundrechten (inkl. Willkür bei der Anwendung kantonalen Rechts oder Sachverhaltsfeststellung) besteht eine qualifizierte Rügepflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG, d.h., die Verletzung muss klar und detailliert dargelegt werden. Ebenso müssen Sachverhaltsfeststellungen, die als offensichtlich unrichtig (willkürlich) gerügt werden, substanziiert vorgetragen werden.
3.3. Kantonales Recht zur Berücksichtigung des Konkubinatsbeitrags
Das Gericht verwies auf das massgebende kantonale Recht des Kantons Aargau:
* § 11 Abs. 2 SPG/AG: Ermächtigt den Regierungsrat, die Berücksichtigung der finanziellen und persönlichen Verhältnisse anderer Personen in gleicher Wohn- und Lebensgemeinschaft zu regeln, insbesondere bei eheähnlichen Beziehungen.
* § 12 Abs. 1 SPV/AG: Sieht vor, dass bei einer stabilen, eheähnlichen Beziehung die finanziellen Mittel des Partners ganz oder teilweise angerechnet werden, sofern nicht glaubhaft gemacht werden kann, dass die Beziehung keinen eheähnlichen Charakter hat.
* § 2a SPV/AG: Erklärt die Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) grundsätzlich als verbindlich.
* SKOS-Richtlinien Kapitel D.4.4: Bestimmen, dass in einem stabilen Konkubinat Einkommen und Vermögen einer nicht unterstützten Person angemessen zu berücksichtigen sind, um den Sozialhilfeanspruch des Partners zu bestimmen, in Form eines Konkubinatsbeitrags.
3.4. Die Anrechnung des Konkubinatsbeitrags – Grundrechtsfragen
Es war unbestritten, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Partner eine stabile, eheähnliche Beziehung im Sinne von § 12 Abs. 1 SPV/AG besteht.
- Unsubstantiierte Rügen: Die Rügen bezüglich Verletzung der Menschenwürde (Art. 7 BV), des Rechts auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV), des Rechts auf Familie (Art. 14 BV) sowie kantonaler verfassungsmässiger Rechte wurden vom Bundesgericht als nicht substanziiert gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG erachtet und daher nicht weiter behandelt.
-
Persönliche Freiheit und Schutz des Privatlebens (Art. 10 Abs. 2, 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK):
- Beschwerdeführerin: Rügte, die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags beschränke die freie Verfügung des Partners über seine Einkünfte und mache Hilfesuchende von nicht durchsetzbaren Ansprüchen abhängig, was zu schwerwiegenden finanziellen Konsequenzen führen könne.
- Bundesgericht: Hielt fest, dass Freiheitsrechte primär Abwehrrechte sind und nur ausnahmsweise Leistungsansprüche begründen. Art. 8 EMRK auferlegt den Staaten keine Verpflichtung, bestimmte finanzielle Leistungen zu erbringen. Das Bundesgericht sah keine Beeinträchtigung der Rechte, da der Konkubinatspartner die Beschwerdeführerin effektiv finanziell unterstützt. Eine solche Anrechnung widerspreche auch nicht dem im Sozialhilferecht geltenden Subsidiaritätsprinzip und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, da andernfalls Anreize geschaffen würden, weniger zum gemeinsamen Unterhalt beizutragen (vgl. BGE 141 V 153 E. 6.2.1).
- Rechtfertigung von Beschränkungen (Art. 36 BV): Selbst wenn die Freiheitsrechte betroffen wären, sind Beschränkungen zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind.
- Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV): Das Bundesgericht bestätigte, dass § 11 Abs. 2 SPG/AG i.V.m. § 12 SPV/AG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Anrechnung des Beitrags darstellen. Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen vom Gesetzgeber an die Exekutive sei im Bereich der Leistungsverwaltung, zu der die Sozialhilfe gehöre, im Allgemeinen zulässig, sofern die Grundzüge im Gesetz enthalten seien.
- Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 2, 3 BV): Das öffentliche Interesse an einer adäquaten Berücksichtigung des Einkommens des nicht unterstützten Partners wurde als gross erachtet und überwog das private Interesse. Die Vorinstanz habe keine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips festgestellt, und die Beschwerdeführerin habe dies nicht hinreichend widerlegt.
-
Gleichbehandlungs- und Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 1, 2 BV):
- Beschwerdeführerin: Rügte, die Gleichstellung von Konkubinatspaaren mit Ehepaaren nur in Bezug auf Pflichten, nicht aber Rechte, verstosse gegen das Gleichbehandlungsverbot.
- Bundesgericht: Hielt an seiner ständigen Rechtsprechung fest, wonach die angemessene Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des nicht unterstützten Konkubinatspartners bei einem stabilen Konkubinat weder willkürlich ist noch das Rechtsgleichheitsgebot verletzt (vgl. BGE 149 V 250 E. 4.3.2; 142 V 513 E. 4.1; 141 I 153 E. 5). Die Berücksichtigung heisst nicht, dass das Konkubinat einer Ehe gleichgestellt wird; es wird kein gemeinsames Budget erstellt wie bei Ehepaaren (§ 32 Abs. 3 SPV). Dennoch ist es aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise und unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit geboten, die Eigenmittel des gefestigten Konkubinatspartners zu berücksichtigen, da dies der tatsächlich gelebten Solidarität entspricht. Diese Betrachtungsweise basiert auf der Erfahrungstatsache, dass sich Konkubinatspartner gegenseitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen.
- Begehren auf Rechtsprechungsänderung: Die Beschwerdeführerin verlangte eine Änderung der dargelegten Rechtsprechung. Das Bundesgericht lehnte dies ab, da die Beschwerdeführerin keine ernsthaften sachlichen Gründe (z.B. neue Erkenntnisse, veränderte Verhältnisse oder gewandelte Rechtsanschauungen) aufzeigen konnte, die eine Abweichung von der bisherigen, gefestigten Praxis rechtfertigen würden (vgl. BGE 145 V 200 E. 4.5.3).
3.5. Anspruch auf Nachzahlung für Oktober 2022
- Beschwerdeführerin: Kritisierte, dass die Vorinstanz Kontokorrentschwankungen und ein Einkommensdefizit des Konkubinatspartners Ende September 2022 nicht berücksichtigt habe, weshalb für Oktober 2022 kein Konkubinatsbeitrag hätte angerechnet werden dürfen.
- Bundesgericht: Stützte die willkürfreie Feststellung der Vorinstanz, wonach das durchschnittliche Einkommen des Konkubinatspartners über die Monate August bis Dezember 2022 betrachtet mehr als ausreichend gewesen sei, um für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin aufzukommen. Die angegebenen Einnahmenüberschüsse in den anderen Monaten (z.B. Fr. 4'756.- im August 2022, Fr. 4'340.- im Oktober 2022, Fr. 7'436.- im November 2022) widerlegten die Behauptung eines Mangels. Die Beschwerdeführerin konnte keine Willkür oder Rechtsverletzung durch diese Gesamtbetrachtung aufzeigen (vgl. BGE 138 V 386 E. 4.5).
3.6. Verteilung der Verfahrens- und Parteikosten
- Beschwerdeführerin: Beanstandete die Kostenverteilung, da ein Antrag auf Aufhebung der Auflage zur Auflösung des Leasingvertrags vom Verwaltungsgericht nicht geprüft worden sei, weil er gegenstandslos geworden sei. Sie argumentierte, der Antrag hätte bei materieller Prüfung gutgeheissen werden müssen, was eine Neubeurteilung des Prozessausgangs erfordere.
- Bundesgericht: Bestätigte, dass die Vorinstanz die ursprüngliche Aufforderung zur Einholung einer Auflösungsofferte für rechtmässig befunden hatte. Die Angelegenheit sei aufgrund der Vertragslaufzeit tatsächlich gegenstandslos geworden. Die Beschwerdeführerin hatte diese Beurteilung nicht substanziiert bestritten und konnte keine Bundesrechtsverletzung bei der Kostenverteilung darlegen.
4. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Die Beschwerdeführerin drang mit keiner ihrer Rügen durch. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau wurde bestätigt. Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.
5. Kosten und unentgeltliche Rechtspflege
Die Gerichtskosten wurden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt. Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wurde stattgegeben (vorläufige Befreiung von Gerichtskosten, unentgeltliche Rechtsvertretung). Sie wurde jedoch auf die Ersatzpflicht gemäss Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, falls sie später dazu in der Lage ist.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Das Bundesgericht bestätigte die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrags an die Sozialhilfeleistungen der Beschwerdeführerin.
- Es hielt fest, dass die Berücksichtigung der finanziellen Mittel eines Partners in einem stabilen Konkubinat auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist.
- Die langjährige bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach die angemessene Berücksichtigung des Partner-Einkommens weder willkürlich ist noch das Rechtsgleichheitsgebot verletzt, wurde bestätigt. Die Anrechnung widerspricht nicht dem Subsidiaritätsprinzip und der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, da sie die tatsächliche gelebte Solidarität in einem gefestigten Konkubinat berücksichtigt.
- Ein Begehren auf Änderung dieser Rechtsprechung wurde mangels substantiierter Gründe abgewiesen.
- Der Anspruch auf Nachzahlung von Sozialhilfeleistungen für den Monat Oktober 2022 wurde verneint, da das durchschnittliche Einkommen des Konkubinatspartners als ausreichend erachtet wurde.
- Die Beschwerde betreffend die Auflage zur Wohnungssuche wurde als unzulässig erachtet, da es sich um eine Zwischenverfügung ohne nachweisbaren nicht wieder gutzumachenden Nachteil handelte.
- Die Rügen betreffend die Verletzung weiterer Grundrechte (Menschenwürde, Recht auf Hilfe in Notlagen, Recht auf Familie) sowie die Kostenverteilung wurden als unsubstanziiert oder unbegründet abgewiesen.