Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_293/2024 vom 15. Mai 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_293/2024 vom 15. Mai 2025):

Bundesgerichtsurteil 6B_293/2024 vom 15. Mai 2025

1. Gegenstand und Parteien Das Urteil betrifft eine Beschwerde in Strafsachen des Beschwerdeführers A.__ gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 18. Januar 2024. Hauptgegenstand der Beschwerde sind die Strafzumessung und der Widerruf eines bedingt gewährten Strafvollzugs.

2. Sachverhalt und Vorinstanzen Der Beschwerdeführer A.__ wurde ursprünglich am 22. Dezember 2021 vom Obergericht des Kantons Aargau der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG), des mehrfachen geringfügigen Diebstahls und der Widerhandlung gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Gleichzeitig wurde der mit Urteil des Bezirksgerichts Aarau vom 18. Mai 2016 bedingt gewährte Vollzug eines Freiheitsstrafenanteils von 18 Monaten widerrufen. Die damals ausgesprochene Gesamtstrafe betrug 25 Monate unbedingt plus eine Busse.

Auf Beschwerde des A.__ hin hob das Bundesgericht am 18. August 2023 (Verfahren 6B_184/2022) das Urteil des Obergerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung eines spezifischen Anklagepunkts (Veräusserung einer Folie mit Heroingemisch) und einer damit einhergehenden neuen Strafzumessung zurück.

Im neuen Urteil vom 18. Januar 2024 stellte das Obergericht eine Verletzung des Beschleunigungsgebots fest und sprach A._ vom Vorwurf der Veräusserung der Heroinfolie frei. Es bestätigte jedoch die weiteren Schuldsprüche wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Veräusserung von "Sevre Long" und Besitz von Betäubungsmitteln) sowie gegen das Waffengesetz und wegen geringfügigen Diebstahls. Erneut widerrief das Obergericht den bedingt gewährten Vollzug des 18-monatigen Strafanteils und verurteilte A._ zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von 22 Monaten (reduziert von 25 Monaten) sowie einer Busse.

Der Beschwerdeführer beantragt vor Bundesgericht die Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Sanktion und der Kostenverteilung, insbesondere eine Verurteilung zu einer Geldstrafe oder einer kürzeren, allenfalls bedingten oder teilbedingten Freiheitsstrafe sowie den Verzicht auf den Widerruf.

3. Begründung des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüft die Beschwerde primär auf Rechtsverletzungen, da es keine Sachgericht ist (E. 2.2). Die Rügen müssen spezifisch die Begründung der Vorinstanz angreifen (Art. 42 Abs. 2 BGG).

3.1. Strafzumessung (Art. 47 ff. StGB)

  • Grundsätze: Das Bundesgericht verweist auf seine ständige Rechtsprechung zur Strafzumessung und der Gesamtstrafenbildung nach dem Asperationsprinzip (Art. 49 Abs. 1 StGB; BGE 144 IV 313 E. 1.1, 217 E. 3). Dem Sachgericht stehe ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Eine bundesgerichtliche Überprüfung erfolgt nur bei Über-/Unterschreitung des Strafrahmens, Berücksichtigung rechtlich irrelevanter Kriterien oder Missachtung wesentlicher Gesichtspunkte (BGE 149 IV 395 E. 3.6.1). Die Strafzumessung muss nachvollziehbar begründet werden (Art. 50 StGB).
  • Analyse der Vorinstanz: Die Vorinstanz legte eine hypothetische Einsatzstrafe von 7.5 Monaten für die neuen Schuldsprüche fest, die vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wird. Sie erhöhte diese um drei Monate aufgrund der Täterkomponenten.
  • Rügen des Beschwerdeführers und bundesgerichtliche Würdigung:
    • Suchtmittelabhängigkeit und "Vier-Säulen-Prinzip": Der Beschwerdeführer rügte, seine Heroin- und Medikamentenabhängigkeit sowie sein Reintegrationswille seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Vorinstanz die Drogenabhängigkeit sehr wohl als leicht eingeschränkte Entscheidungsfreiheit zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt habe, auch wenn sie eine Strafmilderung gemäss Art. 19 Abs. 3 lit. b BetmG (Verkauf zur Finanzierung des Eigenkonsums) oder Art. 48 lit. a Ziff. 2 StGB (Handeln in schwerer Bedrängnis) verneint habe. Letzteres setze eine Notlage nahe dem Notstand voraus, die hier nicht vorliege (BGE 149 IV 217 E. 1.4.1). Das "Vier-Säulen-Prinzip" des BetmG sei eine programmatische Vorgabe und keine direkte Strafzumessungsgrundlage. Die Behauptung des Eigenkonsums stehe im Widerspruch zum rechtskräftig festgestellten Sachverhalt der Weiterveräusserung (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
    • Reue und Geständnis: Die Vorinstanz habe zu Recht ein strafmilderndes Geständnis verneint, da der Beschwerdeführer den Besitz zum Weiterverkauf weiterhin bestreite, was auf erhebliche Uneinsichtigkeit hindeute.
    • Persönliche/berufliche Situation: Die Vorinstanz habe die stabilen Lebensverhältnisse als strafzumessungsneutral beurteilt und eine erhöhte Strafempfindlichkeit verneint, da der Verlust von Arbeit und Wohnung typische Folgen eines Freiheitsentzugs seien und aussergewöhnliche Umstände hier nicht vorlägen (Urteile 6B_246/2024 E. 2.8.3).
    • Verletzung des Beschleunigungsgebots: Die Reduktion um einen Monat für die Verletzung des Beschleunigungsgebots sei im Ergebnis nicht bundesrechtswidrig, auch wenn die methodische Reihenfolge (Reduktion nach Asperation) nicht ideal gewesen sei. Die pauschale Kritik an der Höhe der Reduktion sei ungenügend begründet.
    • Anspruch auf rechtliches Gehör: Der Vorwurf, der Sachverhalt sei einseitig zu Lasten des Beschwerdeführers festgestellt worden, sei unbegründet, da er sich an der Verhandlung äussern konnte und die Vorinstanz die relevanten Umstände (Suchtproblematik, Reintegrationswille, etc.) hinreichend berücksichtigt habe.
  • Fazit Strafzumessung: Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz ihr Ermessen bei der Strafzumessung nicht überschritten oder missbraucht und kein Bundesrecht verletzt habe. Die Rügen des Beschwerdeführers seien, soweit darauf eingetreten werden konnte, unbegründet.

3.2. Bedingter Strafvollzug und Widerruf (Art. 42 f., 46 StGB)

  • Grundsätze:
    • Bedingter Vollzug (Art. 42 StGB): Der Aufschub des Vollzugs einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren ist die Regel, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von weiteren Delikten abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Bei einer Vortat innerhalb der letzten fünf Jahre (hier: Urteil vom 18. Mai 2016) von über sechs Monaten ist der Aufschub nur bei besonders günstigen Umständen zulässig (Art. 42 Abs. 2 StGB). Solche Umstände müssen die indizielle Befürchtung einer schlechten Prognose kompensieren (BGE 134 IV 1 E. 4.2.3).
    • Widerruf (Art. 46 StGB): Begeht die verurteilte Person während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist zu erwarten, dass sie weitere Straftaten verüben wird, so wird die bedingte Strafe widerrufen (Art. 46 Abs. 1 StGB). Der Widerruf ist nicht zwingend, sondern erfordert eine Schlechtprognose (BGE 134 IV 140 E. 4.3). Die Prognose muss unter Berücksichtigung der neuen Tat neu formuliert werden. Eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren (Tatumstände, Vorleben, Leumund, etc.) ist vorzunehmen (BGE 134 IV 140 E. 4.4).
  • Analyse der Vorinstanz: Die Vorinstanz verneinte das Vorliegen besonders günstiger Umstände und eine positive Prognose. Sie begründete dies mit den Rückfällen des Beschwerdeführers in den Heroinkonsum und in die Straffälligkeit. Trotz gewisser positiver Bemühungen (betäubungsmittelfreies Leben, Berufstätigkeit, Schuldenabbau) zeige sein Verhalten eine "erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsordnung" und eine "andauernde Unverbesserlichkeit". Er sei zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren wegen einschlägiger Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden, was zeige, dass unbedingte Strafen oder drohende Widerrufe keine abschreckende Wirkung hätten.
  • Bundesgerichtliche Würdigung: Das Bundesgericht stützte die Legalprognose der Vorinstanz. Es bestätigte, dass die strengen Voraussetzungen von Art. 42 Abs. 2 StGB wegen der Vortat anzuwenden seien. Die Vorinstanz habe die Bemühungen des Beschwerdeführers zwar positiv gewürdigt, aber auch seine mangelnde Umsetzung (erneuter Konsum, Abbruch der Methadon-Behandlung, keine Therapie nach Rückfall) und fehlende stabile Beziehungen berücksichtigt. Angesichts der einschlägigen Vorstrafen und des Weiterdelinquierens während laufender Probezeit und hängiger Verfahren (u.a. Verkehr, Diebstahl, erneuter BetmG-Konsum) sei die Annahme einer "Unbelehrbarkeit" und "Rückfallgefahr" nicht zu beanstanden. Die Prognose halte sich im Rahmen des sachrichterlichen Ermessens.

3.3. Gesamtstrafenbildung / Asperationsprinzip (Art. 46 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Art. 49 StGB)

  • Grundsätze: Wenn widerrufene und neue Strafe gleicher Art sind, bildet das Gericht eine Gesamtstrafe in sinngemässer Anwendung von Art. 49 StGB. Methodisch wird dabei die Strafe für die neue Tat als "Einsatzstrafe" festgelegt und diese dann im Hinblick auf die zu widerrufende Vorstrafe angemessen erhöht (BGE 145 IV 146 E. 2.4.2).
  • Analyse der Vorinstanz: Die Vorinstanz ging von der neuen Strafe (10.5 Monate) als Einsatzstrafe aus und erhöhte diese aufgrund der widerrufenen 18-monatigen Strafe angemessen auf 23 Monate. Sie berücksichtigte dabei, dass die widerrufene Strafe teilweise in einem sachlichen Zusammenhang zu den neuen Delikten stand. Die Reduktion der 18 Monate auf 12.5 Monate sei grosszügig.
  • Bundesgerichtliche Würdigung: Das Bundesgericht bestätigte die korrekte Anwendung des Asperationsprinzips durch die Vorinstanz. Die vorgenommene Erhöhung halte sich im Rahmen des Ermessens. Es sei richtig gewesen, die Strafzumessungskriterien nicht erneut bei der Gesamtstrafenbildung zu berücksichtigen.

3.4. Kostenverteilung (Art. 426, 428 StPO)

Obwohl die Zusammenfassung grundsätzlich nebensächliche Punkte (wie Kostenverteilung) ausklammern soll, wird dieser Punkt hier berücksichtigt, da er vom Beschwerdeführer explizit gerügt wurde und das Gericht ihn detailliert behandelt.

  • Grundsätze: Die beschuldigte Person trägt die Kosten, wenn sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 StPO), nach dem Verursacherprinzip. Bei teilweisem Schuldspruch erfolgt eine quotenmässige Aufteilung (Urteil 6B_794/2024 E. 2.1.2). Bei Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens (Art. 428 Abs. 1 StPO). Das Sachgericht hat hierbei einen weiten Ermessensspielraum (Urteil 6B_794/2024 E. 2.1.5).
  • Analyse der Vorinstanz: Trotz des Freispruchs im Punkt der Heroinfolie auferlegte die Vorinstanz die erstinstanzlichen Kosten vollumfänglich dem Beschwerdeführer. Dies, weil die Vorwürfe in einem engen Zusammenhang zu den verurteilten Betäubungsmitteldelikten standen und keine nicht notwendigen Untersuchungshandlungen ersichtlich waren. Die Kosten des ersten Berufungsverfahrens wurden im Umfang von 7/8 dem Beschwerdeführer auferlegt (da hier ein Teilerfolg erzielt wurde), und für das zweite Berufungsverfahren wurden keine zusätzlichen Kosten erhoben.
  • Bundesgerichtliche Würdigung: Das Bundesgericht befand, dass diese Kostenverteilung im Einklang mit seiner Rechtsprechung stehe, wonach die Gesamtkosten auferlegt werden dürfen, wenn die Handlungen in einem engen und direkten Zusammenhang stehen und alle Untersuchungshandlungen notwendig waren. Die Rügen des Beschwerdeführers erschöpften sich in appellatorischer Kritik.

4. Fazit und Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens

Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 1'200.--, da sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege infolge Aussichtslosigkeit abgewiesen wird.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Strafzumessung: Das Bundesgericht bestätigt die vom Obergericht ausgesprochene Freiheitsstrafe von 22 Monaten als im Ermessen der Vorinstanz liegend. Es weist die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich der Nichtberücksichtigung seiner Suchtmittelabhängigkeit, seines Reintegrationswillens, seiner Reue und einer angeblich erhöhten Strafempfindlichkeit zurück. Die Vorinstanz habe diese Aspekte hinreichend gewürdigt, aber die fehlende konsequente Umsetzung der Bemühungen und die fortgesetzte Uneinsichtigkeit zu seinen Lasten gewertet.
  • Bedingter Vollzug/Widerruf: Der Widerruf des bedingten Strafanteils und die Verweigerung eines bedingten Vollzugs der neuen Strafe werden aufgrund einer negativen Legalprognose (Schlechtprognose) bestätigt. Die vielfachen Rückfälle und das Weiterdelinquieren des Beschwerdeführers während laufender Probezeit und Verfahren belegen laut Bundesgericht seine "Unbelehrbarkeit" und eine erhebliche "Rückfallgefahr", wodurch die strengen Voraussetzungen für einen Aufschub (Art. 42 Abs. 2 StGB: "besonders günstige Umstände") nicht erfüllt sind.
  • Asperationsprinzip: Die Gesamtstrafenbildung nach dem Asperationsprinzip (Art. 49 StGB i.V.m. Art. 46 StGB), bei der die neue Strafe mit der widerrufenen Strafe zu einer Gesamtstrafe von 22 Monaten verbunden wurde, wird als methodisch korrekt und im Ermessen der Vorinstanz liegend befunden.
  • Kostenverteilung: Die Auferlegung der Verfahrenskosten wird als rechtmässig erachtet, da die Anklagepunkte, die zum Freispruch führten, in engem Zusammenhang mit den Verurteilungen standen und die Untersuchungshandlungen insgesamt notwendig waren.