Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 5A_614/2024 vom 5. Juni 2025 detailliert zusammen.
Einleitung
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit der Beschwerde der Ehefrau (Beschwerdeführerin) gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Schwyz betreffend die Nebenfolgen einer Scheidung, insbesondere die güterrechtliche Auseinandersetzung und die Verfahrenskosten. Im Kern dreht sich der Streit um die Höhe der der Ehefrau zustehenden güterrechtlichen Ausgleichszahlung und die Frage, inwieweit das erstinstanzliche Gericht von Amtes wegen in die Sachverhaltsermittlung eingreifen durfte.
Sachverhalt (Kurzfassung der massgebenden Punkte)
Die Parteien heirateten 2017 und haben einen gemeinsamen Sohn (geb. 2017). Nach der Trennung im Januar 2020 wurde die Scheidung im Januar 2022 von der Ehefrau anhängig gemacht. Das Bezirksgericht schied die Ehe und sprach der Ehefrau eine güterrechtliche Ausgleichszahlung von Fr. 59'777.25 zu. Nachehelichen Unterhalt sprach es keinen zu. Beide Parteien erhoben Berufung. Die Berufung des Ehemannes wurde nicht behandelt. Die Berufung der Ehefrau wurde vom Kantonsgericht teilweise gutgeheissen, jedoch nur hinsichtlich des Kindesunterhalts. Die güterrechtliche Ausgleichszahlung wurde bestätigt. Die Ehefrau gelangte daraufhin ans Bundesgericht und beantragte eine wesentlich höhere güterrechtliche Ausgleichszahlung (Fr. 247'648.82, subsidiär Fr. 100'034.70).
Massgebende Rechtsfragen und Argumentation
Der zentrale Streitpunkt vor dem Bundesgericht betraf die Höhe der güterrechtlichen Ausgleichszahlung und die Zulässigkeit der Sachverhaltsermittlung durch das Bezirksgericht.
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Güterrechtliche Auseinandersetzung und Beweislast (Art. 200 ZGB, Art. 277 ZPO)
- Grundsatz: Der hier geltende Güterstand ist die Errungenschaftsbeteiligung. Gemäss Art. 200 Abs. 3 ZGB gilt alles Vermögen eines Ehegatten bis zum Beweis des Gegenteils als Errungenschaft. Wer die Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zum Eigengut behauptet, trägt die Beweislast.
- Verhandlungsgrundsatz: Für die güterrechtliche Auseinandersetzung gilt gemäss Art. 277 Abs. 1 ZPO der Verhandlungsgrundsatz, wonach die Parteien die Tatsachen zu behaupten und die Beweismittel anzugeben haben.
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Die Rolle des Gerichts: Richterliche Fragepflicht (Art. 56 ZPO)
- Problemstellung: Die Beschwerdeführerin machte geltend, der Beschwerdegegner habe ihre güterrechtliche Forderung (dass sein gesamtes Vermögen Errungenschaft sei) weder rechtzeitig noch substanziiert bestritten. Das Bezirksgericht habe stattdessen den Beschwerdegegner durch Fragen an der Hauptverhandlung dazu veranlasst, sich zu güterrechtlichen Fragen zu äussern und Unterlagen zu seinen Vermögensverhältnissen beizubringen.
- Grundsatz der richterlichen Fragepflicht: Art. 56 ZPO verpflichtet das Gericht, einer Partei Gelegenheit zur Klarstellung und Ergänzung zu geben, wenn ihr Vorbringen unklar, widersprüchlich, unbestimmt oder offensichtlich unvollständig ist. Ihr Zweck ist es, zu verhindern, dass eine Partei aufgrund von Unbeholfenheit ihr Recht verliert.
- Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht bestätigte die Ausübung der richterlichen Fragepflicht durch das Bezirksgericht als zulässig. Es stellte fest, dass der Beschwerdegegner als juristischer Laie nicht anwaltlich vertreten war und seine Einlassungen zum Güterrecht (z.B. "es gebe keinen Grund für eine Gütertrennung, weil beim Zusammenleben die Gütertrennung gelebt worden sei") nicht leicht verständlich waren. Angesichts seiner offensichtlichen prozessualen Unbeholfenheit war das Bezirksgericht gehalten, mittels Fragen nach Art. 56 ZPO in Erfahrung zu bringen, wie sein Vorbringen zu verstehen sei. Die Verneinung der Frage, ob es etwas zu teilen gebe, war somit eine Klarstellung seiner Haltung und eine Bestreitung der Höhe der geforderten Ausgleichszahlung. Die Fragepflicht dient in solchen Fällen auch der Präzisierung unklarer Rechtsbegehren. Die richterliche Fragepflicht darf zwar nicht prozessuale Nachlässigkeiten kompensieren, bei unvertretenen Laienparteien ist ihre Tragweite jedoch grösser.
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Amtswegige Beweiserhebung (Art. 153 Abs. 2 ZPO)
- Problemstellung: Die Beschwerdeführerin rügte, die amtswegige Beweiserhebung (Edition von Kontoauszügen, Vorsorgeguthaben) sei unzulässig gewesen und das Gericht habe die gesetzliche Vermutung von Art. 200 Abs. 3 ZGB unzulässig in Frage gestellt. Dies sei eine unzulässige Beweislastumkehr.
- Grundsatz des Amtsbeweises: Art. 153 Abs. 2 ZPO erlaubt dem Gericht, von Amtes wegen Beweis zu erheben, wenn an der Richtigkeit einer nicht streitigen Tatsache erhebliche Zweifel bestehen. Diese Bestimmung relativiert den Verhandlungsgrundsatz zugunsten der materiellen Wahrheit.
- Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht bejahte die Anwendung von Art. 153 Abs. 2 ZPO. Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die vom Beschwerdeführerin behauptete Errungenschaft von über Fr. 500'000 innerhalb von rund vier Jahren angesichts der Einkommens- und Ausgabeverhältnisse der Parteien als "höchst unwahrscheinlich" erschien. Das Bundesgericht bestätigte, dass diese "erheblichen Zweifel" die amtswegige Beweiserhebung rechtfertigten. Die Rüge der Beschwerdeführerin, dass der Sachverhalt willkürlich festgestellt worden sei, ging ins Leere, da die Anwendung von Art. 153 Abs. 2 ZPO gerade voraussetzt, dass keine rechtsgenügliche Bestreitung erfolgt ist. Die gesetzliche Vermutung des Art. 200 Abs. 3 ZGB ist widerlegbar; die amtswegige Beweiserhebung dient dazu, diese Vermutung zu umstossen, wenn ernsthafte Zweifel an der behaupteten Tatsache bestehen. Eine unzulässige Umkehr der Beweislast lag nicht vor, da das Gericht selbst Beweise erhob und nicht die Beschwerdeführerin mit dem Beweis belastete, dass das Vermögen nicht Errungenschaft sei.
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Spezifische Vermögenswerte und Verfahrenskosten
- Die Beschwerdeführerin machte subsidiär geltend, bestimmte Vermögenswerte (Liegenschaft, Sparkonto) seien der Errungenschaft des Beschwerdegegners zuzuordnen. Ebenso focht sie die Parteientschädigung und Kostenverteilung an.
- Würdigung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht trat auf diese Rügen mangels genügender Begründung nicht ein. Die Beschwerdeführerin wiederholte lediglich ihre bereits im kantonalen Verfahren vorgetragenen Argumente, ohne sich mit den detaillierten Erwägungen der Vorinstanz auseinanderzusetzen, was der Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht genügt.
Querverweise auf ähnliche Entscheidungen und Bedeutung im Kontext
Das Bundesgericht stützt sich in seinen Erwägungen auf seine gefestigte Rechtsprechung zur richterlichen Fragepflicht (Art. 56 ZPO), insbesondere im Kontext von nicht anwaltlich vertretenen Parteien (vgl. Urteile 4A_495/2024 vom 7. Januar 2025 E. 4.2.1; 4A_556/2021 vom 21. März 2022 E. 4.1). Ebenso verweist es auf seine Judikatur zur amtswegigen Beweiserhebung nach Art. 153 Abs. 2 ZPO (vgl. Urteile 4A_367/2022 vom 10. November 2022 E. 2.2; 4A_553/2021 vom 1. Februar 2023 E. 4.2.1), welche die Relativierung des Verhandlungsgrundsatzes zugunsten der materiellen Wahrheit zum Ziel hat. Diese Querverweise auf eigene Präzedenzfälle unterstreichen die Konsistenz und Vorhersehbarkeit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in diesen prozessual wichtigen Fragen. Das Urteil verdeutlicht die Flexibilität des Zivilprozessrechts im Familienrecht, um die materiellen Verhältnisse umfassend abzuklären, insbesondere wenn die Behauptungen der Parteien erhebliche Zweifel aufwerfen und eine Partei prozessual weniger erfahren ist.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
- Richterliche Fragepflicht (Art. 56 ZPO): Das Gericht ist bei unklaren oder unvollständigen Vorbringen, insbesondere bei nicht anwaltlich vertretenen juristischen Laien, verpflichtet, durch Fragen zur Klärung beizutragen. Dies kann auch die Präzisierung von unklar formulierten Rechtsbegehren umfassen.
- Amtswegige Beweiserhebung (Art. 153 Abs. 2 ZPO): Bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit einer nicht explizit bestrittenen Tatsache (hier: die Höhe der Errungenschaft, die angesichts der Einkommensverhältnisse als unwahrscheinlich erscheint), darf das Gericht von Amtes wegen Beweise erheben, um die materielle Wahrheit zu ermitteln.
- Widerlegung der Errungenschaftsvermutung (Art. 200 Abs. 3 ZGB): Die gesetzliche Vermutung, wonach alles Vermögen Errungenschaft ist, ist widerlegbar. Dies kann auch durch amtswegige Beweiserhebung gemäss Art. 153 Abs. 2 ZPO erfolgen, ohne dass dies eine unzulässige Beweislastumkehr darstellt oder den Verhandlungsgrundsatz verletzt.
- Begründungspflicht: Rein appellatorische Kritik oder das blosse Wiederholen von bereits vorinstanzlich vorgebrachten Argumenten ohne Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Entscheids führt zur Unzulässigkeit der Beschwerde (Art. 42 Abs. 2 BGG).