Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_579/2024 vom 11. Juni 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des bereitgestellten Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_579/2024 vom 11. Juni 2025):

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 1C_579/2024 vom 11. Juni 2025

1. Einleitung und Parteien Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts betrifft ein Rekursverfahren im öffentlichen Baurecht, spezifisch die Erteilung einer Baubewilligung für eine neue Mobilfunkanlage. Die Beschwerdeführenden sind die Gemeinde Meyrin und eine Privatperson (E._), die sich gegen die von der Swisscom (Suisse) SA beantragte und von den Genfer Behörden erteilte Bewilligung wehren. Die Beschwerdegegnerinnen sind Swisscom (Suisse) SA und F._ Sàrl (Eigentümerin der Parzelle). Als weitere involvierte Behörde tritt das Departement für Raumentwicklung des Kantons Genf auf, und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat sich ebenfalls geäussert.

2. Sachverhalt (Kurzfassung) Swisscom reichte am 7. März 2019 ein Baugesuch für eine Mobilfunkanlage mit sechs konventionellen Antennen auf drei Masten auf einem Gebäude in Meyrin ein. Das kantonale Departement für Raumentwicklung erteilte am 4. April 2022 die Baubewilligung, gestützt auf positive Vorbescheide, u.a. des kantonalen Amts für Luft, Lärm und nichtionisierende Strahlung (SABRA). Das SABRA hatte festgestellt, dass die geplante Anlage keine adaptiven Antennen umfasse und die Immissionen innerhalb eines Radius von 61.5 Metern die Anlagegrenzwerte (AGW) überschreiten könnten, wobei sich der Betreiber zur Integration ins Qualitätssicherungssystem verpflichten müsse. Die Gemeinde Meyrin und E.__ erhoben Rekurs, insbesondere mit der Begründung, dass die kumulierte Strahlung mit einer bereits bestehenden Sunrise-Anlage in der Nähe die AGW überschreiten würde. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof des Kantons Genf die Rekurse abgewiesen hatte, gelangten die Beschwerdeführenden an das Bundesgericht.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

A. Zulässigkeit des Rekurses Das Bundesgericht trat auf den Rekurs ein. E.__, wohnhaft innerhalb des von der Rechtsprechung definierten Schutzperimeters, ist als besonders betroffene Person legitimiert (vgl. BGE 133 II 409 E. 1.3). Die Gemeinde Meyrin ist ebenfalls rekursberechtigt, da sie wichtige öffentliche Interessen, wie den Schutz ihrer Bevölkerung vor schädlichen Immissionen, verteidigt (vgl. BGE 133 II 400 E. 2.4.2).

B. Materielle Prüfung der Rügen

Die Beschwerdeführenden rügten im Wesentlichen eine Verletzung des Vorsorgeprinzips und der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV), eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung sowie eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Sie bezweifelten die Angaben im Standortdatenblatt von Swisscom und argumentierten, die Anlage bilde eine Antennengruppe mit einer benachbarten Sunrise-Anlage, wodurch die Anlagegrenzwerte überschritten würden.

1. Rechtlicher Rahmen und Vorsorgeprinzip * Immissionsschutz: Der Schutz vor Immissionen ist im Umweltschutzgesetz (USG) und der NISV geregelt. Überall, wo sich Menschen aufhalten können, müssen die Immissionsgrenzwerte (IGW) eingehalten werden (Art. 13 Abs. 1 NISV). Für Mobilfunkanlagen gelten zudem die strengeren Anlagegrenzwerte (AGW) an Orten mit empfindlicher Nutzung (OEN), also in Gebäuden, in denen sich Personen regelmässig und über längere Zeit aufhalten (Art. 3 Abs. 2 lit. a NISV, Art. 65 Anhang 1 NISV). * Festlegung der AGW und Vorsorgeprinzip: Die AGW sind tiefer als die IGW und konkretisieren das Vorsorgeprinzip gemäss Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 USG. Sie wurden vom Bundesrat unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Betriebsbedingungen und der wirtschaftlichen Tragbarkeit festgelegt, ohne direkte Referenz zu erwiesenen oder angenommenen Gesundheitsgefahren, aber mit einem Sicherheitsspielraum (vgl. Urteil 1A.134/2003). Die AGW betragen je nach Frequenzbereich 4.0 V/m, 6.0 V/m oder 5.0 V/m (Ziff. 64 lit. c Anhang 1 NISV). Das Bundesgericht hält in ständiger Rechtsprechung fest, dass das Vorsorgeprinzip als erfüllt gilt, wenn die AGW an den anwendbaren OEN eingehalten werden (BGE 126 II 399 E. 3c). * Wissenschaftlicher Wissensstand: Das BAFU ist als spezialisierte Bundesbehörde beauftragt, die Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen nichtionisierender Strahlung (NIS) zu verfolgen. Nur fundierte, wissenschaftlich begründete neue Erkenntnisse rechtfertigen eine Neubewertung der AGW (Urteil 1C_296/2022 E. 2.1). Die Beratende Expertengruppe NIS (BERENIS) des BAFU kommt in ihrer Spezialausgabe vom Januar 2021 zum Schluss, dass die präventive Begrenzung der Emissionen durch die Anwendung der aktuellen Grenzwerte das Vorsorgeprinzip respektiert, auch wenn weitere Studien zum oxidativen Stress notwendig sind (Urteil 1C_94/2023 E. 8.1).

2. Standortdatenblatt und Berechnung der Immissionen * Projektwerte: Die strittige Anlage ist eine neue Installation im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c NISV und unterliegt einem maximalen AGW von 5 V/m (Ziff. 64 lit. c Anhang I NISV). Gemäss dem von Swisscom eingereichten Standortdatenblatt (Art. 11 Abs. 1 NISV) beträgt der höchste Emissionswert in einem der fünf relevanten OEN 3.94 V/m, liegt also unter dem AGW. * Fehlende Empfangsmessung: Da der berechnete Strahlungswert in keinem OEN 80% des AGW erreichte, war keine Empfangsmessung der NIS bei Inbetriebnahme der Anlage vorgeschrieben (vgl. Vollzugsempfehlung NISV, S. 20). Die Rügen der Beschwerdeführenden bezüglich fehlender Standortkontrollen oder illegaler Nebenbestimmungen wurden als gegenstandslos abgewiesen, da sie auf einem "Copier-Coller" aus einem anderen Verfahren basierten und hier nicht zutreffen. * Verlässlichkeit der Daten und der Prüfung: Das Bundesgericht stellte fest, dass die von Swisscom gelieferten Daten vom BAFU und vom SABRA kontrolliert und bestätigt wurden. Das SABRA als kantonale Fachstelle für NIS-Schutz verfügt über die nötige Kompetenz und Unabhängigkeit zur Prüfung der Daten. Die Behauptungen der Beschwerdeführenden bezüglich "Intransparenz" der SABRA-Prüfung wurden als appellatorisch und ohne konkrete Anhaltspunkte verworfen. Unsicherheiten und Ungenauigkeiten bei der Bestimmung der Prognosewerte sind der Natur dieser Berechnungen vor Inbetriebnahme der Anlage geschuldet und können nicht alle Details der Strahlungsausbreitung berücksichtigen. Die vom Bund vorgegebene Methode für die Berechnung der Prognosewerte gilt als massgebend. Eine weitere Expertise wäre denselben Unsicherheiten unterworfen und daher nicht zwingend notwendig. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde somit abgewiesen.

3. Antennengruppen * Definition und Kriterien: Das Bundesgericht befasste sich mit der Rüge, die Swisscom-Anlage bilde eine Antennengruppe mit einer Sunrise-Anlage in der Nähe, was zu einer Überschreitung der AGW führen würde. Gemäss Art. 62 Abs. 2 Anhang 1 NISV zählen Antennengruppen, die in räumlicher Nähe emittieren, als eine einzige Anlage. Räumliche Nähe liegt vor, wenn mindestens eine Antenne jeder Gruppe im Perimeter der anderen Gruppe liegt (Art. 62 Abs. 3 Anhang 1 NISV). Der Perimeter wird durch Kreise um jede Antenne des Antennengruppe mit einem bestimmten Radius bestimmt (Art. 62 Abs. 4 Anhang 1 NISV). * Anwendung auf den Fall: Der Perimeter-Radius der geplanten Swisscom-Anlage beträgt 61.51 Meter und wurde von den Beschwerdeführenden nicht bestritten. Die Beschwerdeführenden kritisierten jedoch den Referenzpunkt für die Berechnung des Radius. Das Bundesgericht bestätigte die Vorinstanz, wonach die Messungen der Beschwerdeführenden fehlerhaft waren, da sie auf den Distanzen zwischen Gebäudefassaden und nicht zwischen den Antennen selbst basierten. Zudem wurde eine Inter-Site-Kommunikationsantenne von Sunrise (Richtfunkantenne) berücksichtigt, die gemäss Art. 61 lit. a Anhang 1 NISV nicht unter den Anwendungsbereich der NISV fällt. Das Bundesgericht verwies zudem auf die BAFU-Bestätigung, dass sich keine Sunrise-Antenne im Perimeter der geplanten Anlage befindet. Die Rügen bezüglich der (angeblichen) Unrechtmässigkeit des neuen Art. 62 Abs. 3 Anhang I NISV (in Kraft seit 2009) wurden als irrelevant und unzutreffend abgewiesen. Die Bestrahlung eines OEN durch mehrere autonome Anlagen führt nicht einfach zu einer Addition der elektrischen Feldstärken; es müssten über 100 Anlagen die AGW ausschöpfen, um die IGW zu überschreiten, was als unrealistisch erachtet wird (Urteil 1C_296/2022 E. 2.6).

4. Qualitätssicherungssysteme (QSS) * Funktionsweise und frühere Rechtsprechung: Die Beschwerdeführenden bezweifelten die Wirksamkeit der QSS. Das Bundesgericht erläuterte die Funktionsweise der QSS, die in den Leitstellen der Betreiber installiert sind und tägliche Vergleiche der effektiven Abstrahlleistung mit den bewilligten Werten vornehmen (Urteil 1C_296/2022 E. 2.7). Das Bundesgericht hatte in früheren Urteilen festgestellt, dass punktuelle Abweichungen in einem Kanton nicht auf eine generelle Ineffizienz der QSS schliessen lassen (Urteil 1C_97/2018). Es hatte das BAFU jedoch beauftragt, eine landesweite Überprüfung der QSS durchzuführen. * Aktuelle Kontrollen und Bewertung: Das BAFU führt derzeit eine solche nationale Überprüfung durch. Ein Pilotprojektbericht vom 2. April 2024 zeigte, dass der Datentransfer vom Standort zum QSS im Allgemeinen korrekt funktioniert, aber 37% der Antennen Abweichungen von den Parametern aufwiesen. Dies führte in 32% der OEN zu einer höheren Exposition, jedoch in den meisten Fällen um weniger als 0.1 V/m und ohne Überschreitung der NISV-Anlagegrenzwerte. Der Pilotbericht schloss, dass Standortkontrollen entscheidend seien, um die Einhaltung der Bewilligungen sicherzustellen. Das BAFU hat 2024 weitere Kontrollen durchgeführt, deren Ergebnisse im ersten Halbjahr 2025 veröffentlicht werden sollen. * Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht befand, dass die bisherigen Kontrollergebnisse die aktuelle Rechtsprechung nicht grundlegend in Frage stellen oder die QSS als unzuverlässig erscheinen lassen. Zwar können fehlerhafte Informationen der Betreiber (z.B. zur Antennenhöhe oder Azimut) das QSS verfälschen, doch die Ergebnisse des Pilotprojekts haben zu keinen AGW-Überschreitungen geführt. Das Bundesgericht wartet die definitiven Ergebnisse der BAFU-Prüfung ab. Sollten diese regelmässige Standortkontrollen erfordern, so obliege deren Durchführung der kantonalen Fachstelle SABRA, was die Gültigkeit der erteilten Baubewilligung nicht in Frage stellen würde.

5. Weitere Argumente * Datenschutz und EMRK: Das Bundesgericht hielt fest, dass bei Einhaltung der USG-Anforderungen die Berufung auf verfassungs- und konventionsrechtliche Bestimmungen zum Schutz der Privatsphäre (Art. 8 EMRK) keine eigenständige Bedeutung hat (BGE 128 II 300 E. 5c). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits bestätigt, dass die Schädlichkeit von Antennen für die Bevölkerung nicht erwiesen und weitgehend spekulativ sei (EGMR, Luginbühl c. Schweiz vom 17. Januar 2006). Der NISV-Grenzwert respektiere den Vorsorgegrundsatz. * Bedarf an Netzausbau: Die Rüge der Beschwerdeführenden, der Ausbau des Swisscom-Mobilfunknetzes sei angesichts der bereits optimalen Abdeckung nicht notwendig, wurde als unzureichend begründet abgewiesen. Das Bedürfnis für Mobilfunkabdeckung muss grundsätzlich nicht nachgewiesen werden, wenn die Anlage in der Bauzone geplant ist (Urteil 1C_308/2023 E. 2.3). Der Bedarf wird durch das stetig wachsende Datenvolumen, die Zunahme vernetzter Geräte und den Ausbau von 5G gerechtfertigt (Urteil 1C_100/2021 E. 10.2).

6. Ergebnis Das Bundesgericht wies den Rekurs, soweit darauf einzutreten war, ab. Die Gerichtskosten und eine Parteientschädigung zugunsten der Swisscom (Suisse) SA wurden den Beschwerdeführenden auferlegt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Vorsorgeprinzip und Grenzwerte: Das Bundesgericht bestätigt, dass die in der NISV festgelegten Anlagegrenzwerte (AGW) das Vorsorgeprinzip gemäss USG erfüllen. Diese Werte liegen deutlich unter den Immissionsgrenzwerten und berücksichtigen den wissenschaftlichen Wissensstand.
  • Standortdatenblatt: Die von Swisscom vorgelegten Daten wurden von den kantonalen und eidgenössischen Fachstellen (SABRA, BAFU) geprüft und bestätigt. Ungenauigkeiten in Prognosewerten sind systembedingt und rechtfertigen keine weiteren Gutachten.
  • Antennengruppen: Es wurde keine räumliche Nähe zwischen der Swisscom- und einer Sunrise-Anlage festgestellt, die eine Gruppierung der Antennen und damit eine kumulierte Grenzwertbetrachtung nach NISV erfordern würde. Die Messungen der Beschwerdeführenden waren fehlerhaft.
  • Qualitätssicherungssysteme (QSS): Obwohl ein Pilotprojekt des BAFU Abweichungen in den QSS festgestellt hat, führten diese nicht zu Überschreitungen der Anlagegrenzwerte. Das Bundesgericht wartet die abschliessenden nationalen Ergebnisse ab und sieht derzeit keinen Grund, die Zuverlässigkeit der QSS grundsätzlich in Frage zu stellen oder die Baubewilligung zu widerrufen.
  • Grundrechte und Ausbau: Die Einhaltung der NISV-Grenzwerte schliesst in der Regel eigenständige Rügen aufgrund des Rechts auf Privatsphäre aus. Das Bedürfnis nach Mobilfunknetzausbau wird aufgrund des steigenden Datenverkehrs grundsätzlich bejaht.