Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_56/2025)
Gericht: Bundesgericht, I. Corte di diritto pubblico
Datum: 12. Juni 2025
Aktenzeichen: 1C_56/2025
Parteien: A.__ (Beschwerdeführer) gegen den Staatsrat des Kantons Tessin
Gegenstand: Öffentlichrechtliches Arbeitsverhältnis, Lohnklassifikation
I. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte
Der Beschwerdeführer A.__ war seit dem 1. Januar 1995 im Dienst des Kantons Tessin und ab dem 1. November 1997 als Teilzeitsekretär (60%) im damaligen Ufficio dell'insegnamento medio superiore (heute: Sezione dell'insegnamento medio superiore) angestellt. Im alten Lohnsystem erreichte er die höchste Lohnstufe der Klasse 30 (CHF 66'907.75 bei 60%).
Mit Inkrafttreten des neuen Lohnsystems (Gesetz über die Gehälter der Staatsangestellten und der Lehrer, LStip/TI) am 1. Januar 2018 wurde A._ zunächst als "Segretario I" in die Lohnklasse 5 eingestuft, wobei ihm sein bisheriger Lohn garantiert wurde, der über dem Maximum der neuen Klasse 5 lag. A._ beantragte daraufhin eine Höhergruppierung aufgrund seiner tatsächlichen Aufgaben, mindestens in Lohnklasse 9. Der Staatsrat bestätigte die Einstufung in Klasse 5.
Im Laufe des Verfahrens und aufgrund eines Konflikts am Arbeitsplatz wurde A.__ mit Wirkung vom 1. Januar 2020 intern in eine andere Abteilung (Divisione della cultura e degli studi universitari) versetzt, und zwar in der "gleichen Funktion und zu gleichen Lohnbedingungen".
Das kantonale Verwaltungsgericht hob die anfänglichen Entscheide des Staatsrates zweimal auf. Insbesondere mit Urteil vom 11. November 2021 ordnete es die Höhergruppierung von A.__ für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2019 in die Funktion eines "Aggiunto" (Adjunkt/Assistent des Sektionschefs) der Lohnklasse 11 an und verwies die Sache zur Festsetzung der Anzahl der Lohnstufen an den Staatsrat zurück. Eine Beschwerde des Kantons Tessin gegen dieses Urteil wurde vom Bundesgericht mit Urteil 8C_815/2021 vom 29. September 2022 abgewiesen, womit die Einreihung in Lohnklasse 11 für den genannten Zeitraum rechtskräftig wurde.
Infolgedessen setzte der Staatsrat mit Entscheid vom 1. März 2023 die Lohnstufen für A._ für die Jahre 2018 und 2019 fest (7 Stufen für 2018, 8 Stufen für 2019, resultierend in einem Lohn von CHF 115'836.- bei 60% im Jahr 2019). Gleichzeitig legte er fest, dass A._ ab dem 1. Januar 2020, dem Zeitpunkt seiner Versetzung, wieder die Funktion "Segretario I" der Lohnklasse 5 übernehme, aber den für 2019 festgelegten Lohn (Klasse 11 mit 8 Lohnstufen) beibehalte. Gegen diesen Entscheid gelangte A.__ erneut an das kantonale Verwaltungsgericht, das seine Beschwerde mit Urteil vom 11. Dezember 2024 abwies. Dies ist der Gegenstand der vorliegenden Beschwerde an das Bundesgericht.
Der Beschwerdeführer beantragt im Wesentlichen die Annullierung des Urteils der Vorinstanz und die Anerkennung von 19 Lohnstufen in Klasse 11 ab dem 1. Januar 2018. Eventualiter verlangt er die schrittweise jährliche Anerkennung von Lohnstufen bis zum Maximum der Klasse 11. Er rügt Willkür, Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, des Gleichheitsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs sowie eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung.
II. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht
Das Bundesgericht prüft die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im vorliegenden Fall im Rahmen der Art. 95 ff. BGG. Dabei ist zu beachten, dass es grundsätzlich nur Rügen prüft, die explizit vorgebracht und begründet werden (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit (Willkür) oder Rechtsverletzung gerügt werden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei strenge Begründungsanforderungen gelten (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Anwendung des kantonalen Rechts wird ebenfalls nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüft.
Das Bundesgericht stellt fest, dass die meisten Rügen des Beschwerdeführers den strengen Begründungsanforderungen des Art. 106 Abs. 2 BGG nicht genügen. Sie beschränken sich auf allgemeine Kritik und die Darstellung einer eigenen Meinung, ohne sich präzise mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen und eine manifest unhaltbare Rechtsanwendung darzulegen. Lediglich die Aspekte bezüglich der Lohnstufen für 2018/2019 und der Lohnbehandlung nach der Versetzung ab 2020 sind Gegenstand der Prüfung.
1. Festsetzung der Lohnstufen für 2018 und 2019 (Klasse 11)
Der Beschwerdeführer ficht die Anzahl der anerkannten Lohnstufen (7 für 2018, 8 für 2019) an und verlangt 19 Lohnstufen.
- Begründung der Vorinstanz: Die Vorinstanz stellte fest, dass die LStip/TI (Art. 41 LStip) und die Ausführungsbestimmungen (Art. 72 RDSt) vorsehen, dass der bisherige Lohn garantiert und an die neue Lohnskala angepasst wird, und zwar auf die unmittelbar höhere Stufe der neuen Klasse für die jeweilige Funktion. Das kantonale Gericht stellte verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer vor Inkrafttreten der LStip/TI den Höchstlohn der damaligen Klasse 30 erreicht hatte und seinen damaligen Lohn im alten System nicht beanstandet hatte. Die Umklassifizierung seiner Funktion (von Sekretär zu Adjunkt) sei erst im Zuge der Umstellung auf das neue Lohnsystem beantragt und nachträglich durchgesetzt worden. Gestützt auf den zuletzt im Jahr 2017 bezogenen Lohn erachtete die Vorinstanz die Zuteilung von 7 Lohnstufen in Klasse 11 für 2018 (entsprechend CHF 113'064 bei 60%) und 8 Lohnstufen für 2019 (CHF 115'836 bei 60%) als konform mit den anwendbaren kantonalen Bestimmungen.
- Beurteilung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht bestätigt diese Argumentation. Der Beschwerdeführer habe sich nicht substanziiert mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinandergesetzt. Seine Argumentation, der massgebende Lohn für die Anbindung an die neue Lohnklasse hätte theoretisch aufgrund einer hypothetischen Einstufung als Adjunkt für die gesamte Zeit von 1997 bis 2017 berechnet werden müssen, geht fehl. Da er seine alte Lohnbehandlung nie angefochten hatte, war der im Jahr 2017 tatsächlich bezogene Lohn der massgebende Ausgangspunkt für die Überführung in das neue System. Eine willkürliche Anwendung der Art. 41 LStip und 72 RDSt liegt nicht vor.
- Gleichheitsgrundsatz (Art. 8 BV): Die Rüge der Diskriminierung gegenüber anderen Adjunkten wird als unsubstanziiert abgewiesen. Das Bundesgericht hält fest, dass Lohnklassifikationssysteme ein gewisses Schematismus erfordern, der grundsätzlich mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. Eine willkürliche Unterscheidung wurde nicht dargelegt.
- Rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV): Die allgemeine Rüge, die Vorinstanz habe sich nicht zu allen vorgebrachten Argumenten geäussert, wird ebenfalls abgewiesen. Das rechtliche Gehör verlangt nicht, dass jede einzelne Behauptung geprüft wird; es genügt, wenn die relevanten Punkte behandelt werden, was im angefochtenen Urteil der Fall war.
2. Behandlung des Lohns und der Funktion nach der Versetzung (ab 1. Januar 2020)
Der Beschwerdeführer kritisiert die Festlegung seiner Funktion als "Sekretär I" der Klasse 5 und die Lohnbehandlung nach seiner Versetzung ab dem 1. Januar 2020.
- Begründung der Vorinstanz: Die Versetzung erfolgte gemäss Entscheid des DECS vom 6. Dezember 2019, wonach der Beschwerdeführer als "Sekretär I" in die "gleiche Funktion" in eine andere Abteilung versetzt wurde, wobei die "Lohnbedingungen unverändert" blieben. Die Vorinstanz berief sich auf Art. 16 Abs. 1 LStip (bei Versetzung in eine tiefere Klasse muss der Lohn mindestens dem Lohn der neuen Klasse mit den erworbenen Lohnstufen entsprechen) und Art. 55 Abs. 1 RDSt (in der bis 19. Dezember 2024 gültigen Fassung). Letztere Bestimmung sieht vor, dass bei einer Versetzung in eine tiefere Klasse aufgrund von Konfliktsituationen der Betroffene den bisherigen Lohn für maximal zwei Jahre beibehält. Die Vorinstanz stellte fest, dass die Versetzung mit Zustimmung des Beschwerdeführers aufgrund von Konflikten erfolgte. Da er zum Zeitpunkt der Versetzung formell die Funktion "Sekretär I" innehatte und in dieser Funktion versetzt wurde, die aber nach der nachträglichen Höhergruppierung für die Zeit vor der Versetzung (als Adjunkt in Klasse 11) faktisch eine tiefergestellte Funktion darstellte, befand sich der Beschwerdeführer in einer Situation der Versetzung in eine tiefere Klasse. Da ihm der höhere Lohn von CHF 115'836.- (Klasse 11, 8 Lohnstufen) ab dem 1. Januar 2020 unbefristet beibehalten wurde, erachtete die Vorinstanz dies als gesetzeskonform. Der Lohn blieb unverändert, auch wenn er nicht mehr der Progression jährlicher Lohnstufen unterlag.
- Beurteilung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht erachtet die Rügen des Beschwerdeführers auch hier als ungenügend begründet. Er hat keine willkürliche Anwendung der genannten Bestimmungen dargelegt. Der Versetzungsentscheid vom 6. Dezember 2019 sah explizit die Versetzung in die "gleiche Funktion" vor, was sich auf seine damals aktuelle Funktion als "Sekretär I" bezog. Die Behauptung einer mündlichen Vereinbarung, die eine Rückstufung ausschliessen sollte, stützt sich nicht auf verbindliche Sachverhaltsfeststellungen und ist im Übrigen irrelevant, da die Versetzung mittels einer behördlichen Verfügung und nicht durch einen Vertrag erfolgte.
- Rechtliches Gehör (Art. 16 Abs. 3 LStip und Beweisanträge): Die Rüge, er sei nicht explizit zu einer "Versetzung in eine tiefere Klasse" angehört worden, wird zurückgewiesen. Zum Zeitpunkt der Versetzung wurde er in seiner damals innegehabten Funktion als Sekretär I versetzt und dazu angehört. Die nachträgliche Höherbewertung seiner vorherigen Funktion ändert nichts an der Rechtmässigkeit des Versetzungsentscheids und der damals erfolgten Anhörung. Auch die Ablehnung von Zeugen (Leiter des Amtes für Kulturförderung, ehemaliger Leiter des Lohnamtes) wird nicht als willkürlich beurteilt. Die Vorinstanz durfte die Beweise antizipiert würdigen und als irrelevant erachten, da die vom Beschwerdeführer in der neuen Abteilung ausgeübte Funktion nicht der eines Adjunkten entsprach (diese Position war bereits anderweitig besetzt).
- Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV): Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben wird ebenfalls nicht bejaht. Der Beschwerdeführer konnte keine verbindliche Zusicherung einer fortgesetzten Lohnprogression nach seiner Versetzung durch die zuständigen kantonalen Behörden nachweisen. Die im Rahmen früherer Bundesgerichtsverfahren erfolgte Streitwertschätzung des Kantons (CHF 231'000.-) stellt keine verbindliche Zusicherung für die Lohnfestsetzung dar, sondern war lediglich eine prozessuale Schätzung. Die Vorinstanz hat diesen Wert zu Recht als nicht entscheidungserheblich beurteilt.
III. Fazit
Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit sie überhaupt zulässig ist, ab. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
IV. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
- Lohnstufen 2018/2019 (als Adjunkt): Die Festsetzung der 7 bzw. 8 Lohnstufen durch die Vorinstanz ist nicht willkürlich. Massgeblich für die Überführung in das neue Lohnsystem war der vom Beschwerdeführer im Jahr 2017 tatsächlich bezogene Lohn in seiner damaligen Funktion, da er diese alte Klassifizierung nie angefochten hatte. Die spätere Höhergruppierung bezog sich auf die Zeit vor der Systemumstellung.
- Lohn und Funktion nach Versetzung (ab 2020): Der Beschwerdeführer wurde als "Sekretär I" in eine "gleiche Funktion" versetzt. Da seine vorherige Funktion nachträglich gerichtlich höhergestuft wurde (Adjunkt), stellte die neue Funktion (Sekretär I) eine tiefergestellte Klasse dar. Die Beibehaltung des höheren Lohns (der Adjunkt-Lohn aus 2019) ist jedoch gemäss kantonalem Recht (Art. 55 Abs. 1 RDSt) bei einer Versetzung in eine tiefere Klasse wegen Konflikten zulässig und in diesem Fall sogar unbefristet gewährt worden, was den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
- Keine Willkür oder Rechtsverletzung: Die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich Willkür, Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, des rechtlichen Gehörs und des Grundsatzes von Treu und Glauben wurden als unsubstanziiert oder unbegründet abgewiesen. Insbesondere gab es keine verbindliche Zusage, die höhere Adjunkt-Funktion auf die neue Stelle zu übertragen, und die Ablehnung von Beweisanträgen war nicht willkürlich.