Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_189/2025 vom 20. Juni 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (5A_189/2025) vom 20. Juni 2025

1. Einleitung und Parteien

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts (II. Zivilrechtliche Abteilung) befasst sich mit einem Rekurs von A._ (Beschwerdeführer, Schuldner) gegen einen Entscheid der Cour de justice des Kantons Genf vom 28. Januar 2025. Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung (Exequatur) eines ausländischen Urteils sowie die Einsprache gegen einen Arrest (Sequestration) auf dem Vermögen von A._ zugunsten von B.__ (Beschwerdegegnerin, Bank).

2. Sachverhalt (Kurzfassung der relevanten Fakten)

Die Beschwerdegegnerin B._, ein niederländisches Bankinstitut, hatte Forderungen gegenüber der C._ SA, deren Verwalter A._ war. Nach einem Darlehensverzug wurde 2016 ein Restrukturierungsvertrag abgeschlossen, in dem sich C._ SA und A._ zur Bestellung von Hypotheken zugunsten von B._ verpflichteten, u.a. eine Zweithypothek über CHF 1'050'000 auf einer Immobilie in W._ (GE) (Parzelle Nr. ZZZ), welche Eigentum von A._ ist.

In der Folge ergingen mehrere gerichtliche Entscheide: * 30. September 2022: Das Gericht Amsterdam (Niederlande) verurteilte A._ im Versäumnisverfahren zur Zahlung erheblicher Beträge (ca. USD 7.3 Mio. plus Zinsen). Dieses Urteil wird im Folgenden als "erstes niederländisches Urteil" bezeichnet. * 22. Dezember 2022: Gestützt auf das erste niederländische Urteil erklärte das Tribunal de première instance Genf dieses Urteil in der Schweiz für vollstreckbar und ordnete den Arrest der Immobilie von A._ an. * 26. Januar 2023: A._ erhob Einsprache gegen den Arrest und rekurrierte gegen die Exequaturverfügung. * 10. Juli 2023: Das Gericht Amsterdam (im Einspracheverfahren gegen das Versäumnisurteil) hob das erste niederländische Urteil teilweise auf (betreffend den Zinsbeginn), bestätigte es aber im Übrigen und erklärte es für vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil wird im Folgenden als "zweites niederländisches Urteil" bezeichnet. A._ legte gegen dieses Urteil Berufung vor dem Amsterdam Hof Civiel Handel ein. * 25. Juli 2023: Gestützt auf das zweite niederländische Urteil erklärte das Tribunal de première instance Genf dieses Urteil in der Schweiz für vollstreckbar und ordnete einen neuen Arrest auf derselben Immobilie an. * Januar 2024: Das Tribunal de première instance Genf wies die Einsprache von A.__ gegen diesen zweiten Arrest ab.

Die kantonalen Rechtsmittelinstanzen (Cour de justice) behandelten die verschiedenen Rekurse von A._ (gegen Exequaturverfügungen und gegen die Arrest-Einsprache-Abweisungen). Die Cour de justice beschloss, die Verfahren zu vereinigen und lehnte eine weitere Verfahrenssistierung bis zum Entscheid des niederländischen Berufungsgerichts ab. Sie hob sodann die Exequaturverfügung vom 22. Dezember 2022 (betreffend das erste niederländische Urteil) auf, erklärte aber stattdessen das zweite niederländische Urteil vom 10. Juli 2023 in der Schweiz für vollstreckbar. Die Rekurse von A._ gegen die Arrest-Einsprache-Abweisungen wies sie ab.

3. Rügen und Argumente des Beschwerdeführers vor Bundesgericht

A.__ rekurrierte an das Bundesgericht und rügte im Wesentlichen:

  • Formelle Rechtsverweigerung / Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV): Die Cour de justice habe die Wiederaufnahme des Verfahrens im Sachurteil entschieden und nicht in einem gesonderten, anfechtbaren Zwischenentscheid. Ferner sei das bedingungslose Replikrecht verletzt worden, insbesondere im Hinblick auf die Verschiebung des niederländischen Berufungsentscheids.
  • Formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) im Zusammenhang mit Art. 46 Abs. 1 Lugano-Übereinkommen (LugÜ) und Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG: Die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Sistierung des Verfahrens abgelehnt, indem sie keine "Prognose" über den Ausgang des niederländischen Rechtsmittelverfahrens erstellt habe. Zudem sei ein Arrest gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG (definitiver Rechtsöffnungstitel) bestätigt worden, obwohl die Exequaturverfügung noch nicht rechtskräftig sei und Art. 327a ZPO eine automatische aufschiebende Wirkung vorsehe.
  • Ultra petita (Art. 58 Abs. 1 ZPO): Die Cour de justice habe über die Anträge der Parteien hinaus entschieden, indem sie die Exequaturverfügung vom 22. Dezember 2022 aufgehoben und durch die Vollstreckbarerklärung des Urteils vom 10. Juli 2023 ersetzt habe, ohne dass die Beschwerdegegnerin dies beantragt hätte.
  • Verstoss gegen Art. 112 LTF (Bundesgerichtsgesetz): Der angefochtene Entscheid sei in sich widersprüchlich oder unvollständig, da die Cour de justice die erste Exequatur aufgehoben, aber den auf ihr basierenden Arrest nicht ebenfalls aufgehoben habe. Dies führe dazu, dass der Arrest fortbestehe, obwohl die zugrundeliegende Anerkennung des Titels aufgehoben worden sei.

4. Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der Exequatur eines ausländischen Urteils um eine Angelegenheit des Bundeszivilrechts (Art. 95 lit. a und b LTF) handelt, während Arrestfragen provisorische Massnahmen gemäss Art. 98 LTF darstellen, die nur auf Verletzungen verfassungsmässiger Rechte überprüft werden.

  • Zur Rüge gemäss Art. 112 LTF (Formelle Anforderungen an den Entscheid): Das Bundesgericht weist die Rüge als unbegründet zurück. Es stellt klar, dass der Beschwerdeführer sich irrt, wenn er von drei Arrestverfügungen ausgeht (es waren deren zwei). Die Cour de justice habe die erste Exequaturverfügung vom 22. Dezember 2022 nicht nur aufgehoben, sondern sie reformiert, indem sie an deren Stelle das zweite niederländische Urteil vom 10. Juli 2023 für vollstreckbar erklärt habe. Dies geschah, weil das zweite Urteil das erste ersetzt hatte (materielle Rechtskraft). Gestützt auf diese neu anerkannte Grundlage konnte der Arrest sodann bestätigt werden. Ein Widerspruch in der Entscheidung der Vorinstanz bestand demnach nicht.

  • Zur Rüge der formellen Rechtsverweigerung / Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV) betreffend Verfahrenssistierung: Das Bundesgericht weist die Rüge ebenfalls zurück.

    • Wiederaufnahme des Verfahrens: Der Zeitpunkt der Wiederaufnahme war bereits in einem früheren Zwischenentscheid festgelegt worden. A.__ beantragte die Sistierung aus einem anderen Grund. Wollte er dies anfechten, hätte er einen separaten Entscheid darüber verlangen müssen, um einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 LTF geltend machen zu können. Das Versäumnis, dies zu tun, bedeutet, dass die Rüge nicht als eigenständiger Angriffspunkt taugt.
    • Replikrecht: Die Cour de justice hat das Replikrecht nicht verletzt. Sie hat ihren Entscheid mehr als zehn Tage nach Information der Parteien über die Spruchreife der Sache (17. Mai 2024) und nach den Stellungnahmen der Parteien zur Wiederaufnahme des Verfahrens (nach der Verfügung vom 14. August 2024) getroffen.
  • Zur Rüge der formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) betreffend Art. 46 Abs. 1 LugÜ und Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG: Das Bundesgericht erklärt die Rüge als unzulässig bzw. unbegründet.

    • Sistierungsentscheid (Art. 46 Abs. 1 LugÜ): Das Bundesgericht kann einen Entscheid über die Ablehnung einer Sistierung grundsätzlich nicht direkt überprüfen, da es sich um einen Zwischenentscheid handelt. Ein Rekurs auf Grundlage von Art. 44 LugÜ ist in solchen Fällen nicht eröffnet (Verweis auf BGE 142 III 420 E. 2.2 und 2.3.4).
    • Arrest und definitive Rechtsöffnung (Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG): Die Argumentation des Beschwerdeführers ist unbegründet. Die Cour de justice hat zuerst die Rekurse gegen die Exequaturverfügungen abgewiesen und anschliessend diejenigen gegen die Arrest-Einsprache-Abweisungen. Somit war die Exequatur zum Zeitpunkt der Bestätigung des Arrestes als gegeben betrachtet worden.
  • Zur Rüge der ultra petita (Art. 58 Abs. 1 ZPO): Das Bundesgericht weist auch diese Rüge zurück. Die Beschwerdegegnerin B._ hatte die Abweisung des Rekurses von A._ gegen die Exequaturverfügung vom 22. Dezember 2022 beantragt. Im Laufe des Verfahrens legte sie dem kantonalen Gericht eine Bescheinigung über das zweite niederländische Urteil vom 10. Juli 2023 vor, welches von der Vorinstanz als zulässiges neues Faktum qualifiziert wurde. Da dieses zweite Urteil das erste ersetzt hatte und die Beschwerdegegnerin die Anerkennung ihres Anspruchs begehrte, war die Vorinstanz berechtigt, die ursprüngliche Exequaturverfügung zu reformieren und stattdessen das neuere Urteil für vollstreckbar zu erklären. Dies stellt keine Überschreitung der Parteianträge dar, sondern eine Anpassung an die tatsächliche Rechtslage.

5. Entscheid des Bundesgerichts

Das Bundesgericht weist den Rekurs von A.__, soweit zulässig, ab. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, da der Rekurs aussichtslos war. Die Gerichtskosten werden dem Beschwerdeführer auferlegt, und er muss der Beschwerdegegnerin eine Entschädigung für ihre Stellungnahmen zu den Sistierungs- und aufschiebenden Wirkungsgesuchen zahlen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
  • Hauptproblem: Anerkennung und Vollstreckung (Exequatur) zweier aufeinanderfolgender niederländischer Urteile in der Schweiz und die damit verbundenen Arrestverfahren.
  • Wichtiger Sachverhaltspunkt: Ein erstes niederländisches Urteil wurde durch ein zweites, korrigiertes niederländisches Urteil ersetzt.
  • Kernentscheidung der Vorinstanz: Die kantonale Cour de justice hat die ursprüngliche Exequatur des ersten Urteils aufgehoben, aber das zweite, ersetzende niederländische Urteil in der Schweiz für vollstreckbar erklärt und die darauf basierenden Arrestbegehren bzw. die Abweisung der Arrest-Einsprachen bestätigt.
  • Bundesgerichtliche Prüfung: Das Bundesgericht bestätigte die Rechtsauffassung der kantonalen Instanz. Es wies alle Rügen des Beschwerdeführers zurück:
    • Keine Verletzung formeller Anforderungen (Art. 112 LTF): Der Entscheid der Vorinstanz war nicht widersprüchlich; die Korrektur der Exequatur war logisch angesichts des ersetzenden niederländischen Urteils.
    • Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder Rechtsverweigerung (Art. 29 BV): Die Ablehnung weiterer Sistierungen war korrekt, und das Replikrecht wurde gewährt. Sistierungsentscheide sind zudem grundsätzlich nicht direkt vor dem Bundesgericht anfechtbar.
    • Keine ultra petita (Art. 58 Abs. 1 ZPO): Die Anpassung der Exequatur an das neuere, das frühere ersetzende Urteil stellte keine Überschreitung der Parteibegehren dar, da das neuere Urteil im Verfahren vorgelegt und berücksichtigt werden durfte.
  • Ergebnis: Der Rekurs von A.__ wurde abgewiesen.