Im vorliegenden Urteil 4A_493/2024 vom 17. Juni 2025 befasste sich das Schweizerische Bundesgericht mit einer arbeitsrechtlichen Forderung eines ehemaligen Devisenhändlers (Beschwerdeführer) gegen seine ehemalige Arbeitgeberin, eine Bank (Beschwerdegegnerin). Der Beschwerdeführer machte Schadenersatz für entgangenen Verdienst geltend, da die Beschwerdegegnerin ihm angeblich eine erforderliche Referenz für eine neue Anstellung verweigert oder verspätet erteilt hatte.
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer war bis zum 30. Juni 2015 bei der Beschwerdegegnerin als Devisenhändler tätig. Im Jahr 2013 wurden gegen die Beschwerdegegnerin aufsichtsrechtliche Verfahren in der Schweiz, im Vereinigten Königreich und in den USA eingeleitet, die 2014 mit Sanktionen und Bussen endeten. Nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beschwerdegegnerin (und seiner Gegenkündigung) schloss der Beschwerdeführer am 1. Juni 2015 einen neuen Arbeitsvertrag mit einer anderen Bank (Bank C._) ab, der jedoch unter dem Vorbehalt der Erteilung einer Referenz durch die Beschwerdegegnerin stand. Die Beschwerdegegnerin erteilte die angefragte Referenz nicht, woraufhin der Beschwerdeführer die Stelle bei der Bank C._ nicht antreten konnte. Er fand erst über ein Jahr später eine neue Anstellung und forderte von der Beschwerdegegnerin den entgangenen Verdienst als Schadenersatz.
Das Arbeitsgericht Zürich hiess die Klage teilweise gut. Das Obergericht des Kantons Zürich hob dieses Urteil auf und wies die Klage vollumfänglich ab. Dagegen reichte der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht ein.
II. Massgebende rechtliche Grundlagen
Das Bundesgericht legte die rechtlichen Grundlagen für die Referenzerteilung dar:
* Arbeitszeugnis und Referenzauskunft (Art. 330a OR): Während das Arbeitszeugnis gesetzlich geregelt ist, ergibt sich die Pflicht zur Erteilung von Referenzauskünften aus der nachwirkenden Fürsorgepflicht der Arbeitgeberin, die darauf abzielt, das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers zu erleichtern.
* Datenbearbeitung und Einwilligung (Art. 328b OR, DSG): Referenzauskünfte stellen eine Datenbearbeitung dar und unterliegen dem Datenschutzrecht. Die Einwilligung des Arbeitnehmers ist grundsätzlich Voraussetzung für die rechtmässige Erteilung von Referenzen.
* Umfang der Referenz: Eine Referenzauskunft soll das Arbeitszeugnis konkretisieren oder ergänzen, ohne es in Frage zu stellen. Sie muss die Zeugnisgrundsätze und datenschutzrechtlichen Vorgaben beachten.
* Haftung bei Pflichtverletzung: Ein ehemaliger Arbeitgeber kann schadenersatzpflichtig werden, wenn er falsche Angaben macht oder die Auskunftserteilung willkürlich verweigert (Verweis auf BGE 135 III 405 E. 3.2).
* Verzicht auf Rechte (Art. 341 Abs. 1 OR): Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis bzw. eine Referenz ist relativ zwingend (Art. 362 Abs. 1 OR). Ein Verzicht des Arbeitnehmers ist während des Arbeitsverhältnisses und 30 Tage darüber hinaus unwirksam, danach aber möglich.
* Zeitpunkt der Leistung (Art. 75 OR): Die Leistung muss "sogleich" erbracht werden, wobei dem Schuldner genügend Zeit eingeräumt werden muss, die Leistung unter normalen Umständen zu erbringen. Die Angemessenheit der Frist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Komplexität, Umfang, Grösse des Betriebs, Zeit seit Anstellung).
III. Begründung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die Rügen des Beschwerdeführers bezüglich der Annahme einer fehlenden Pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin und der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz.
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Verzicht auf die Referenzerteilung:
- Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einer E-Mail vom 14. August 2015 an einen Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin (E._) definitiv auf eine Referenzauskunft verzichtet habe. Das Bundesgericht bestätigte diese Sachverhaltsfeststellung als nicht willkürlich. Es argumentierte, dass der Beschwerdeführer bereits am 13. August 2015 von einer anderen Mitarbeiterin der Beschwerdegegnerin (F._) telefonisch mitgeteilt bekommen hatte, dass die Bank aufgrund interner Richtlinien keine Referenz erteilen werde. Vor diesem Hintergrund konnte der spätere Verzicht als allgemeiner Verzicht auf die Auskunftserteilung verstanden werden.
- Da der Verzicht mehr als 30 Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte, war er rechtswirksam. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Beschwerdegegnerin ab diesem Zeitpunkt keine Referenz mehr erteilen musste. Zudem hätte die Erteilung einer Referenz ohne die ausdrückliche Einwilligung des Beschwerdeführers (nach seinem Verzicht) das Risiko eines Verstosses gegen Art. 328b OR und das Datenschutzgesetz (DSG) begründet, was die Erteilung als unzumutbar erscheinen liess.
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Kausalzusammenhang der früheren Auskunftsverweigerung:
- Das Bundesgericht rügte die Vorinstanz zwar, den natürlichen Kausalzusammenhang der von F.__ am 13. August 2015 mündlich mitgeteilten Auskunftsverweigerung nicht geprüft zu haben (als "offensichtlich unvollständige Sachverhaltsfeststellung"). Es holte diese Prüfung aber gestützt auf die vorhandenen Sachverhaltsfeststellungen nach.
- Das Bundesgericht stellte fest, dass die von F._ dem Beschwerdeführer gegenüber geäusserte Information, die Bank C._ sei bereits am 10. August 2015 über die Auskunftsverweigerung informiert worden, tatsächlich nie an die Bank C._ übermittelt wurde. Auch die Tatsache, dass F._ den Beschwerdeführer für die Referenzauskunft an einen anderen Mitarbeiter (E.__) verwies, sprach dagegen, dass die Verweigerung endgültig war.
- Der Beschwerdeführer hatte zudem selbst mitgeteilt, dass er bei einer früheren Rückmeldung der Beschwerdegegnerin noch nach inhaltlichen Alternativen gesucht hätte und eine frühere Mitteilung der Auskunftsverweigerung nicht zum Rückzug des Stellenangebots geführt hätte. Das Stellenangebot wurde zudem erst am 20. August 2015, also 7 Tage nach der mündlichen Kundgabe der Referenzverweigerung, zurückgezogen.
- Aufgrund dieser Umstände kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die mündlich erklärte Verweigerung der Referenzauskunft durch F._ keine conditio sine qua non für den Nichtantritt der Stelle bei der Bank C._ darstellte und somit der natürliche Kausalzusammenhang fehlte. Gleiches galt für die ebenfalls telefonisch erklärte Verweigerung der direkten Zeugniszustellung durch F.__.
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Angemessenheit des Zuwartens/der Verzögerung:
- Das Bundesgericht prüfte, ob eine Pflichtverletzung in einem zu langen Zuwarten der Beschwerdegegnerin bei der Bearbeitung der Referenzanfrage gesehen werden kann.
- Es wies die Rüge des Beschwerdeführers, er habe die Referenz bereits am 6. Juli 2015 klar angefragt, zurück. Die Vorinstanz habe nicht willkürlich angenommen, dass der konkrete Inhalt der Referenz erst am 3. August 2015 hinreichend präzisiert worden sei.
- Die Angemessenheit der Bearbeitungsfrist ist von den konkreten Umständen abhängig. Das Bundesgericht berücksichtigte dabei die heiklen Fragen im Zusammenhang mit den aufsichtsrechtlichen Verfahren, die Internationalität des Sachverhalts, die Kommunikationsprobleme zwischen den beteiligten Banken und die komplizierten Zuständigkeitsverhältnisse innerhalb der Grossbank.
- Angesichts dieser Umstände erachtete das Bundesgericht eine Bearbeitungsfrist von 10 Tagen (vom 3. August 2015 bis zur Mitteilung der Ablehnung am 13. August 2015) als nicht bundesrechtswidrig oder unangemessen. Es stellte zudem fest, dass ein Grossteil der Verzögerung auch durch den Beschwerdeführer selbst bzw. die Bank C._ verschuldet wurde, da die erste (vage) Anfrage erst fünf Wochen nach Vertragsschluss mit der Bank C._ erfolgte.
IV. Ergebnis und Schlussfolgerung
Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, da keine Pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Referenzerteilung festgestellt werden konnte, die kausal für den geltend gemachten Schaden war. Die Vorinstanz hat demnach zu Recht einen Anspruch auf Schadenersatz verneint.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Wirksamer Verzicht auf Referenz: Der Beschwerdeführer hat nach den für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen definitiv auf die Referenzauskunft verzichtet, was nach über 30 Tagen seit Ende des Arbeitsverhältnisses rechtswirksam war.
- Fehlender Kausalzusammenhang der früheren Ablehnung: Die mündliche Mitteilung der Beschwerdegegnerin vom 13. August 2015 an den Beschwerdeführer über eine angebliche Verweigerung gegenüber der Bank C._ war nicht kausal für den Nichtantritt der Stelle, da diese Information der Bank C._ tatsächlich nicht übermittelt wurde und das Stellenangebot erst später zurückgezogen wurde.
- Angemessenheit der Bearbeitungsfrist: Eine Bearbeitungsfrist von 10 Tagen für die Referenzanfrage wurde angesichts der Komplexität des Sachverhalts (aufsichtsrechtliche Verfahren, Internationalität, Kommunikationsprobleme) und der teilweisen Verzögerung durch den Beschwerdeführer selbst als angemessen erachtet und begründet keine Pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin.
- Keine Haftung der Arbeitgeberin: Da weder eine willkürliche Verweigerung der Referenz noch eine unangemessene Verzögerung, die kausal für den Schaden wäre, festgestellt werden konnte, entfällt ein Schadenersatzanspruch des Beschwerdeführers.