Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_57/2025 vom 20. Juni 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 4A_57/2025 vom 20. Juni 2025

1. Einleitung und Parteienkonstellation

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) befasst sich mit einem Streit im Bereich des Marken-, Lauterkeits- und Namensrechts. Die Beschwerdeführerin, Baxter S.r.l. (im Folgenden: Klägerin), ein 1986 gegründetes italienisches Unternehmen, das hochwertige Möbel herstellt, klagte gegen die BAXTER Group AG (Beklagte 1), die 2021 aus der Umfirmierung einer bestehenden Schweizer AG hervorging und ein Hotel, Restaurant sowie Immobilien verwaltet, deren Inhaber und Verwaltungsratsmitglied A.__ (Beklagter 2) sowie die B.__ GmbH (Beklagte 3), welche Domainnamen hält. Der Beklagte 2 liess im November 2020 die Marke "Baxter" in der Schweiz für Dienstleistungen der Klasse 43 (Hotels, Restaurants, Cafés) eintragen.

Die Klägerin beantragte vor dem Kantonsgericht Schwyz die Unterlassung der Verwendung des Kennzeichens "Baxter" durch die Beklagten für Hotels und Gastronomie, die Löschung der Schweizer Marke "Baxter" des Beklagten 2, die Unterlassung der Nutzung relevanter Domainnamen, Auskunft und Rechnungslegung bezüglich des Gewinns sowie Schadenersatz. Das Kantonsgericht Schwyz wies die Klage mit Urteil vom 27. Dezember 2024 vollumfänglich ab. Dagegen erhob die Klägerin Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht.

2. Allgemeine Ausführungen zur Kognition und Rügepflicht des Bundesgerichts

Das Bundesgericht weist einleitend darauf hin, dass es das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG), jedoch grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen prüft, sofern diese nicht offensichtlich sind. Eine qualifizierte Rügepflicht besteht insbesondere bei Grundrechtsverletzungen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Dies bedeutet, dass die beschwerdeführende Partei präzise aufzuzeigen hat, inwiefern der angefochtene Entscheid fehlerhaft ist, anstatt bloss die vorinstanzlichen Argumente zu wiederholen.

Bezüglich des Sachverhalts ist das Bundesgericht an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung ist nur zulässig, wenn die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unrichtig (d.h. willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 BGG). Auch hierfür gelten strenge Rügeprinzipien. Die Klägerin scheitert mit einem Grossteil ihrer Vorbringen bereits an diesen Begründungsanforderungen, da sie überwiegend appellatorische Kritik übt und eigene Tatsachenbehauptungen ohne hinreichende Substantiierung oder präzise Aktenhinweise vorträgt.

3. Markenrechtliche Würdigung (Markenschutzgesetz, MSchG)

Die Klägerin stützte ihre Ansprüche primär auf Art. 3 Abs. 1 lit. b MSchG, wonach vom Markenschutz ausgeschlossen sind Zeichen, die mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, sodass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt.

  • Priorität der Marke (Art. 3 Abs. 2 MSchG): Die Vorinstanz verneinte die Priorität der Marke der Klägerin. Sie stellte fest, dass die Marke "Baxter" des Beklagten 2 am 11. November 2020 in der Schweiz hinterlegt und am 25. November 2020 eingetragen wurde. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Marke der Klägerin zwar in zahlreichen Ländern ausserhalb der Schweiz eingetragen gewesen, ein Schweizer Eintrag wurde jedoch weder geltend gemacht noch war er ersichtlich. Auch die notorische Bekanntheit der Marke der Klägerin in der Schweiz (Art. 3 Abs. 2 lit. b MSchG i.V.m. Art. 6bis Pariser Übereinkunft) wurde von der Vorinstanz mangels glaubhafter Beweismittel (wie Demoskopie) verneint.

    Die Klägerin rügte, die Vorinstanz habe eine internationale Registrierung (IR-Marke Nr. 798166 "baxter (fig.)" in Klasse 20) mit Schutz in der Schweiz "vergessen". Das Bundesgericht hielt fest, dass die Klägerin in ihrer Beschwerde nicht präzise darlegte, wo sie diesbezüglich vor der Vorinstanz prozesskonform eine entsprechende Rüge erhoben hatte. Ein blosser, pauschaler Verweis auf eine Klagebeilage genügte den erhöhten Begründungsanforderungen nicht.

  • Gleichartigkeit der Waren und Dienstleistungen: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Vorinstanz – unabhängig von der Frage der Priorität – zu Recht die Gleichartigkeit der Waren und Dienstleistungen verneint hatte, was bereits einen relativen Ausschlussgrund gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. d MSchG ausschliesst. Nach ständiger Rechtsprechung sind Waren und Dienstleistungen nur dann gleichartig, wenn zwischen ihnen eine gewisse Nähe besteht, d.h., wenn sie als marktlogische Folge voneinander wahrgenommen werden oder typischerweise vom selben Unternehmen als einheitliches Leistungspaket angeboten werden. Mit der Vorinstanz verneinte das Bundesgericht eine solche Gleichartigkeit zwischen den von der Klägerin hergestellten Designermöbeln und den Hoteldienstleistungen der Beklagten. Der blosse Umstand, dass das Hotel der Beklagten mit Möbeln der Klägerin ausgestattet ist, reicht nicht aus, um eine Gleichartigkeit zu begründen. Es sei nicht erwiesen, dass Hotels, die auf Stil und Design setzen, typischerweise selbst Möbel verkaufen würden oder dass das von der Klägerin behauptete "einheitliche Leistungspaket" tatsächlich bestehe.

    Die Rügen der Klägerin, die Vorinstanz habe Zeitungsartikel und demoskopische Gutachten willkürlich nicht berücksichtigt, die einen marktüblichen Trend zum Betrieb von Hotels durch Möbelhersteller und eine einheitliche Wertschöpfungskette aus Konsumentensicht aufzeigen würden, wurden vom Bundesgericht als ungenügend substanziiert abgewiesen. Die Klägerin vermochte nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz willkürlich zu ihren Schlussfolgerungen gelangt sei oder ihr substantiiertes Vorbringen übergangen habe.

  • Fazit Markenrecht: Mangels Priorität und, eventualiter, mangels Gleichartigkeit der Waren und Dienstleistungen hat die Vorinstanz die auf das Markenschutzgesetz gestützten Ansprüche der Klägerin zu Recht abgewiesen.

4. Wettbewerbsrechtliche Würdigung (Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG)

Die Klägerin warf den Beklagten unlauteres Verhalten nach Art. 3 Abs. 1 lit. b (Irreführung), lit. d (Verwechslung) und lit. e (anlehnende Werbung) UWG sowie nach der Generalklausel des Art. 2 UWG vor.

  • Relevanter Verkehrskreis: Die Vorinstanz definierte den massgebenden Verkehrskreis für alle relevanten UWG-Tatbestände einheitlich als "durchschnittliche Hotelgäste eines Schweizer 3-Sterne-Hotels". Dies basierte auf der Feststellung, dass das Hotel der Beklagten hauptsächlich Touristen und Geschäftsreisende aus der Schweiz und dem Ausland (mit einem geringen Anteil aus Italien) anspricht und den Fokus auf Outdoor-Aktivitäten, Wellness und Seminare legt. Die Klägerin rügte, der Verkehrskreis sei zu eng gefasst, da auch eine theoretische Erweiterung der Geschäftstätigkeit oder ein "Design-affines Publikum" mit Kenntnissen über Designermöbel berücksichtigt werden müsste. Das Bundesgericht verwarf diese Rügen. Es bestätigte, dass die Vorinstanz den faktischen Geschäftsbetrieb der Beklagten korrekt zugrunde gelegt habe und die Spekulationen der Klägerin über zukünftige Geschäftstätigkeiten oder die Berücksichtigung eines nur marginalen Fachpublikums unbegründet seien. Auch hier scheiterten die Rügen der Klägerin an den Substantiierungsanforderungen.

  • Fähigkeiten und Kenntnisse des Durchschnittsadressaten sowie Verwechslungs-/Irreführungsgefahr: Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass ein durchschnittlicher Nachfrager eines 3-Sterne-Hotels über keine besonderen Fähigkeiten oder Kenntnisse verfüge und die Marke oder Möbel der Klägerin aufgrund ihres geringen Umsatzanteils in der Schweiz (0.05%) nicht kenne. Die Klägerin habe die hierzu benötigten Tatsachen und Beweismittel nicht substanziiert angeboten. Selbst wenn einzelne designaffine Personen eine Verwechslungsgefahr sehen könnten, bildeten diese nicht den Durchschnittsadressaten und fielen mangels ausreichender Quantität nicht ins Gewicht. Möbel der Klägerin seien keine Alltagsprodukte, teuer und es fehle an der Gleichartigkeit zu den Hoteldienstleistungen. Auch fehle es an der notwendigen Bekanntheit, um einen Rufausbeutungstatbestand (Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG) zu begründen.

    Die Klägerin wiederholte ihre Argumente, dass der Verkehrskreis falsch definiert sei und der Durchschnitts-Hotelgast durchaus designaffin sein und eine Verbindung zwischen den Möbeln und dem Hotel herstellen könnte. Das Bundesgericht wies dies als appellatorische Kritik zurück. Die Vorinstanz habe die eingereichten demoskopischen Gutachten der Klägerin, die eine solche Affinität belegen sollten, ausführlich gewürdigt und deren Beweiswert aus formalen und inhaltlichen Gründen (z.B. mangelnde Repräsentativität, falsche Zielgruppendefinition) zu Recht verneint. Die Klägerin vermochte dies nicht als willkürlich auszuweisen.

  • Generalklausel (Art. 2 UWG): Die Klägerin warf den Beklagten bösgläubige Behinderungsabsicht durch die Registrierung von "Sperrmarken" vor, um ihr den Zugang zum Schweizer Markt für Hoteldienstleistungen zu verwehren. Das Bundesgericht trat auf diese Vorbringen nicht ein, da die Klägerin ein Tatsachenfundament voraussetzte, das im angefochtenen Urteil keine Grundlage fand, ohne eine hinreichend begründete Sachverhaltsrüge zu erheben. Die Vorbringen waren unsubstanziiert und vermischten marken- und lauterkeitsrechtliche Aspekte.

  • Fazit Wettbewerbsrecht: Die Vorinstanz hat eine Verletzung des UWG zu Recht verneint, da die Klägerin die Voraussetzungen einer Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr für den relevanten Verkehrskreis nicht darlegen konnte.

5. Namensrechtliche Würdigung (Art. 29 Abs. 2 ZGB)

Ein namensrechtlicher Schutz gemäss Art. 29 Abs. 2 ZGB setzt eine Beeinträchtigung des Namensträgers voraus, z.B. durch Verwechslungsgefahr oder die blosse Gedankenassoziation einer nicht bestehenden Beziehung.

Die Vorinstanz verneinte eine namensrechtliche Beeinträchtigung. Obwohl die Zeichen "Baxter" einen ähnlichen Gesamteindruck hinterliessen, fehle es an einer sachlichen Nähe der Tätigkeits- und Wirkungsbereiche. Die Parteien stünden weder im Wettbewerb, noch würden sie sich an die gleichen Verkehrskreise wenden. Die Bekanntheit des Zeichens der Klägerin sei beim massgebenden Verkehrskreis (Durchschnittsnachfrager der Hoteldienstleistung) gering. Zudem sei der Name "Baxter" häufig vorkommend. Das Bundesgericht bestätigte diese Argumentation. Die Klägerin vermochte auch unter diesem Titel nicht aufzuzeigen, dass die Verwechslungsgefahr anders zu beurteilen sei als im Marken- und Lauterkeitsrecht, wo sie bereits scheiterte.

6. Kostenfestsetzung im kantonalen Verfahren

Die Klägerin rügte die Höhe der von der Vorinstanz zugesprochenen Parteientschädigung als zu hoch (CHF 51'297.90, gefordert max. CHF 40'000.--). Die Festsetzung kantonaler Parteientschädigungen unterliegt der Willkürprüfung des Bundesgerichts (Art. 9 BV). Die Vorinstanz begründete die Höhe mit einem Streitwert von CHF 250'000.--, dem Umfang und der Komplexität der Rechtsschriften (Klägerin reichte über 300 Beweismittel ein), der Vielschichtigkeit der Rechtsgrundlagen und der Bedeutung der Streitsache. Zudem wurde die von der Klägerin selbst geltend gemachte Parteientschädigung von über CHF 53'000.-- berücksichtigt. Das Bundesgericht bestätigte die Angemessenheit der Kostenfestsetzung. Die Klägerin vermochte nicht im Einzelnen darzulegen, inwiefern die Berücksichtigung der Komplexität des Falles willkürlich gewesen sei. Auch der Vorwurf des "double billing" durch mehrere Rechtsanwälte wurde als unsubstantiiert und nicht willkürlich beurteilt, da bei komplexen Rechtsstreitigkeiten eine Arbeitsteilung angemessen sein könne.

7. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Baxter S.r.l. ab, da die Vorinstanz die Klagebegehren zu Recht verneint hatte.

  • Markenrecht: Es fehlte an einer älteren schweizerischen Marke der Klägerin (weder Registrierung noch notorische Bekanntheit in der Schweiz nachgewiesen) und – selbst wenn eine solche bestünde – an der Gleichartigkeit zwischen den Möbeln der Klägerin und den Hoteldienstleistungen der Beklagten.
  • Wettbewerbsrecht: Es konnte keine Irreführungs- oder Verwechslungsgefahr im Sinne des UWG festgestellt werden, da der relevante Verkehrskreis (durchschnittliche Hotelgäste eines 3-Sterne-Hotels) keine besonderen Kenntnisse über die Möbel der Klägerin hatte und die Werbemassnahmen der Beklagten nicht primär auf Design oder die Möbel abzielten. Rügen betreffend die Beweiswürdigung und die Definition des Verkehrskreises scheiterten an den strengen Substantiierungsanforderungen des Bundesgerichts.
  • Namensrecht: Eine namensrechtliche Beeinträchtigung nach Art. 29 Abs. 2 ZGB wurde verneint, da trotz teilweiser Zeichenähnlichkeit keine sachliche Nähe der Tätigkeitsbereiche bestand und die Bekanntheit der Klägerin beim relevanten Publikum gering war. Der Name "Baxter" sei zudem weit verbreitet.
  • Kosten: Die von der Vorinstanz festgesetzte Parteientschädigung für die Beklagten wurde als nicht willkürlich bestätigt.

Das Urteil unterstreicht die strengen Anforderungen an die Substantiierung von Rügen im bundesgerichtlichen Verfahren, insbesondere bei der Anfechtung von Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigungen. Es bekräftigt zudem, dass die Gleichartigkeit von Waren und Dienstleistungen im Markenrecht eine hohe Hürde darstellt und nicht schon durch eine indirekte Verbindung wie die Ausstattung eines Hotels mit Markenmöbeln begründet wird, sofern keine einheitliche, marktübliche Leistungserbringung nachgewiesen ist.