Zusammenfassung von BGer-Urteil 4A_676/2024 vom 9. Juli 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (4A_676/2024 vom 9. Juli 2025)

1. Parteien und Streitgegenstand: * Rekurrentin: A._ SA (Vermieterin, Klägerin im Rechtsöffnungsverfahren) * Intimierter: B._ (Bürge/Garant, Beklagter im Rechtsöffnungsverfahren) * Gegenstand: Provisorische Rechtsöffnung der Opposition (Art. 82 SchKG) gegen einen Zahlungsbefehl, der auf die persönliche Garantie des Intimierten für Mietzinsforderungen und eine Forderung für Umbauten aus einem Mietvertrag für Geschäftsräume gestützt wird.

2. Sachverhalt: Die Rekurrentin, eine im Immobilienbereich tätige Gesellschaft, schloss im November 2022 einen Mietvertrag mit Z.C._ SA (Mieterin) über Geschäftsräume. Der Mietzins belief sich auf 10 % des Umsatzes, mindestens jedoch CHF 22'500 monatlich. Zudem schuldete die Mieterin CHF 350'000 für die Wertanpassung von Umbauten. Gemäss Art. 16 des Mietvertrages unterzeichneten B._ und Z.D.__ SA den Vertrag "ausschließlich in ihrer Eigenschaft als Garante". Am 4. Januar 2024 leitete die Rekurrentin gegen den Intimierten eine Betreibung über CHF 70'000 (bezogen auf Art. 7 Ziff. 2 des Mietvertrags) sowie drei Monatsmieten zu je CHF 22'500 (Oktober, November, Dezember 2023) ein. Der Intimierte erhob Rechtsvorschlag.

3. Prozessgeschichte und kantonale Entscheide: Die Rekurrentin beantragte beim Tribunal de première instance des Kantons Genf die provisorische Rechtsöffnung. Sie qualifizierte die Verpflichtung des Intimierten als Einstandsversprechen (Porte-fort) im Sinne von Art. 111 OR. Der Intimierte beantragte die Abweisung des Gesuchs mit der Begründung, seine Verpflichtung sei als Bürgschaft (Cautionnement) zu qualifizieren und sei mangels Einhaltung der Formvorschriften (öffentliche Beurkundung und schriftliche Zustimmung der Ehefrau bei einer natürlichen Person für höhere Beträge gemäss Art. 493 OR) nichtig. Das Tribunal de première instance wies das Gesuch der Rekurrentin ab. Die Rekurrentin rekurrierte erfolglos an die Chambre civile der Cour de justice des Kantons Genf. Sie legte dabei neue Beweismittel (u.a. Handelsregisterauszüge, E-Mail) vor, die vom kantonalen Gericht als unzulässig erklärt wurden.

4. Erwägungen des Bundesgerichts:

4.1. Zulässigkeit neuer Tatsachen und Beweismittel (Erw. 3): Das Bundesgericht bestätigt die Einschätzung der kantonalen Vorinstanz, wonach die von der Rekurrentin im kantonalen Rekursverfahren und vor Bundesgericht eingereichten neuen Beweismittel unzulässig sind. Gemäss Art. 326 Abs. 1 ZPO (analog Art. 99 Abs. 1 BGG) sind neue Tatsachen und Beweismittel in einem Rechtsmittelverfahren grundsätzlich unzulässig, es sei denn, sie werden erst durch den angefochtenen Entscheid relevant. Die Rekurrentin konnte nicht glaubhaft machen, dass die Abweisung ihres Rechtsöffnungsgesuchs durch die erste Instanz (auch aufgrund der Argumentation des Intimierten betreffend die Formungültigkeit) für sie unvorhersehbar war. Es oblag ihr, alle relevanten Tatsachen und Beweismittel bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzulegen. Auch der Einwand der notorischen Tatsachen wurde zurückgewiesen, da lediglich Informationen mit offiziellem Charakter (z.B. Handelsregister) als notorisch gelten.

4.2. Wesen der provisorischen Rechtsöffnung (Erw. 4): Das Bundesgericht ruft die Grundsätze der provisorischen Rechtsöffnung in Erinnerung: * Sie setzt eine Schuldanerkennung voraus, die vom Betreibten unterzeichnet ist, eine bestimmte oder leicht bestimmbare und fällige Geldsumme ohne Vorbehalt oder Bedingung enthält. * Der Rechtsöffnungsrichter prüft lediglich die Beweiskraft des Titels und seine formelle Natur, nicht die materielle Gültigkeit der Forderung. * Der Betreibte kann die Rechtsöffnung abwehren, indem er seine Befreiungseinwände (z.B. Formmangel) sofort glaubhaft macht (Art. 82 Abs. 2 SchKG). * Das Rechtsöffnungsverfahren ist ein summarisches, auf Urkunden basiertes Verfahren. Die Rechtsöffnungsentscheidung ist eine reine Zwangsvollstreckungsentscheidung und entfaltet keine materielle Rechtskraft bezüglich des Bestehens der Forderung. Die Parteien können die Streitfrage jederzeit vor dem ordentlichen Richter geltend machen (Art. 79 und 83 Abs. 2 SchKG).

4.3. Anwendbarkeit und Reichweite von Art. 257e Abs. 4 OR und der Genfer LGFL (Erw. 5): Die zentrale Streitfrage betrifft die Gültigkeit der vom Intimierten abgegebenen Garantie. * Art. 257e Abs. 4 OR bestimmt, dass die Kantone ergänzende Bestimmungen über die Sicherheitsleistungen bei Mietverhältnissen erlassen können. * Art. 1 des Genfer Gesetzes zum Schutz der vom Mieter geleisteten Sicherheiten (LGFL) sieht vor, dass Garantien für Mietverhältnisse nur in Form eines blockierten Depots oder – für Wohn- und Geschäftsräume – als einfache oder solidarische Bürgschaft zulässig sind.

Die Rekurrentin argumentierte, Art. 257e Abs. 4 OR erlaube den Kantonen nur "ergänzende" Bestimmungen, nicht aber den Ausschluss bestimmter Garantieformen wie das Einstandsversprechen (Art. 111 OR). Dies würde gegen den Vorrang des Bundesrechts (Art. 49 BV) verstossen und wäre willkürlich. Das Bundesgericht folgt der kantonalen Vorinstanz und hält fest: * Die kantonale Rechtsprechung, wonach Art. 257e Abs. 4 OR es dem kantonalen Gesetzgeber erlaubt, bestimmte Garantieformen auszuschliessen, ist im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden. * Es verweist auf BGE 102 Ia 372, in dem das Bundesgericht bereits unter der Vorgängerbestimmung (Art. 6 Abs. 2 AMSL) die kantonale Kompetenz bejahte, auch andere Sicherheitsformen als Kautionen in Geld zu regeln oder auszuschliessen. * Die herrschende Lehre (Bohnet/Jeannin, Marchand, Stoll) stützt die Ansicht, dass Kantone bestimmte Garantieformen ausschliessen können, und verweist auf entsprechende Regelungen in anderen Kantonen (z.B. Waadt, Wallis). * Die Auslegung von Art. 1 LGFL durch die Genfer Gerichte, dass die aufgeführten Garantieformen abschliessend seien und somit das Einstandsversprechen ausschlössen, ist nicht willkürlich. * Ein Widerspruch zu Art. 111 OR wird verneint, da Art. 257e Abs. 4 OR dem kantonalen Gesetzgeber die Kompetenz zur Beschränkung einräume. * Der Umstand, dass ein Einstandsversprechen dem Garanten keine Einreden des Hauptschuldners erlaubt (im Gegensatz zur Bürgschaft), dient dem Mieterschutz, was die Beschränkung der Garantieformen rechtfertigt. * Im Ergebnis konnte der Intimierte glaubhaft machen, dass ein Einstandsversprechen in Genf zur Sicherung von Mietverpflichtungen unzulässig ist. Der vorgelegte Vertrag konnte daher nicht als Rechtsöffnungstitel gelten.

4.4. Anwendbarkeit auf nicht-landwirtschaftliche Pachtverträge (Erw. 6): Die Rekurrentin brachte vor, Art. 257e OR sei nur für Mietverträge, nicht aber für nicht-landwirtschaftliche Pachtverträge anwendbar, unter die der vorliegende Vertrag fallen könnte. Das Bundesgericht weist diesen Einwand ebenfalls zurück: * Auch wenn die Qualifikation des Vertrages als Miete oder Pacht offengelassen wird, ist die analoge Anwendung von Art. 257e OR auf nicht-landwirtschaftliche Pachtverträge (wie auch von den Bestimmungen zum Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen gemäss Art. 253b Abs. 1 OR) in der Lehre mehrheitlich anerkannt. Diese Analogie füllt eine Gesetzeslücke, da Art. 257e OR ebenfalls dem Mieterschutz dient. * Der von der Rekurrentin zitierte BGE 4C.43/2000 befasste sich nicht mit der analogen Anwendung von Mietrechtsbestimmungen auf Pachtverträge und ist daher nicht relevant. * Auch hier obliegt es dem Rechtsöffnungsrichter nicht, diese komplexen Qualifikations- und Anwendungsfragen abschliessend zu entscheiden. Im summarischen Verfahren ist die analoge Anwendung plausibel.

4.5. Rechtsmissbrauch (Erw. 8): Die Rekurrentin warf dem Intimierten vor, er habe Rechtsmissbrauch (Art. 2 Abs. 2 ZGB) begangen, indem er die Formungültigkeit seiner Garantie einwandte. Sie argumentierte, der Intimierte sei ein erfahrener Immobilienfachmann in Genf und hätte die Unwirksamkeit seiner Garantie gekannt. Das Bundesgericht verneint einen Rechtsmissbrauch: * Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist im Rechtsöffnungsverfahren nur in Ausnahmefällen zulässig, da seine Prüfung oft eine umfassende Sachverhaltsermittlung erfordert, die dem summarischen Charakter des Verfahrens widerspricht. * Die Rekurrentin konnte nicht glaubhaft machen, dass der Intimierte von vornherein die Absicht hatte, sich seiner Verpflichtung durch Geltendmachung eines Formmangels zu entziehen. * Die kantonalen Feststellungen, wonach es die Rekurrentin selbst war, die die Garantie des Intimierten verlangt hatte und der Vertrag lange verhandelt wurde, legen die Verantwortung der Rekurrentin nahe, die Gültigkeit der von ihr geforderten Sicherheit zu prüfen. Die Rekurrentin als ebenfalls im Immobiliengeschäft erfahrene Partei hatte die Zeit und die Mittel dazu. * Es ist nicht willkürlich, wenn die Vorinstanz annahm, der Intimierte habe sich auf die Einschätzung der Rekurrentin bezüglich der Gültigkeit seiner Garantie verlassen können.

5. Schlussfolgerung des Bundesgerichts: Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Rekurrentin ab. Die kantonalen Instanzen haben die provisorische Rechtsöffnung zu Recht verweigert, da der Intimierte glaubhaft machen konnte, dass seine persönliche Garantie als Einstandsversprechen aufgrund der Genfer Gesetzgebung (LGFL in Verbindung mit Art. 257e Abs. 4 OR) ungültig ist.

Kurzfassung der wesentlichen Punkte:
  1. Garantieform als Kernproblem: Der Intimierte schuldete als "Garant" gemäss Mietvertrag. Der Vermieter sah dies als Einstandsversprechen (Art. 111 OR), der Intimierte als Bürgschaft, die formungültig sei.
  2. Kantonale Kompetenz und LGFL: Das Bundesgericht bestätigt, dass Art. 257e Abs. 4 OR es den Kantonen erlaubt, Formen von Sicherheiten im Mietrecht zu beschränken oder auszuschliessen. Das Genfer Gesetz (LGFL) schliesst das Einstandsversprechen (Porte-fort) aus, da es dem Garanten nicht erlaubt, Mieter-Einreden geltend zu machen, im Gegensatz zur Bürgschaft, die dem Mieterschutz dient.
  3. Analoge Anwendung auf Pacht: Auch wenn der Vertrag als nicht-landwirtschaftlicher Pachtvertrag zu qualifizieren wäre, ist Art. 257e OR gemäss herrschender Lehre analog anwendbar, was die Gültigkeit der kantonalen Beschränkungen bestätigt.
  4. Kein Rechtsmissbrauch: Der Einwand des Rechtsmissbrauchs durch den Intimierten wird abgewiesen. Es war die Verantwortung der Vermieterin, die Gültigkeit der von ihr verlangten Garantie zu prüfen, zumal sie selbst im Immobiliengeschäft tätig ist.
  5. Rechtsöffnung verweigert: Der Intimierte hat seine Befreiungseinwände (Formmangel aufgrund kantonaler Regelung) glaubhaft gemacht. Die provisorische Rechtsöffnung wurde somit zu Recht verweigert.
  6. Keine materielle Rechtskraft: Die Verweigerung der Rechtsöffnung ist keine materielle Entscheidung über die Forderung; die Vermieterin kann die Klärung der Rechtsfrage vor dem ordentlichen Richter beantragen.