Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (9C_664/2024 vom 3. Juni 2025) detailliert zusammen:
Detaillierte Zusammenfassung des Urteils 9C_664/2024 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 3. Juni 2025
1. Parteien und Streitgegenstand
- Beschwerdeführer: Kantonales Steueramt Zürich
- Beschwerdegegnerin: A._ AG (Fondsleitung des Fonds B._)
- Gegenstand: Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich, Steuerperiode 2018/2019
- Kernfrage: Ob Wertminderungen auf einer Liegenschaft des Fonds aus den Steuerperioden 2014/2015 und 2015/2016, die damals steuerlich nicht geltend gemacht wurden, in der Steuerperiode 2018/2019 als Verlust (mittels einer "ausserordentlichen Abschreibung" in der Jahresrechnung 2016/2017) steuerlich berücksichtigt werden dürfen.
2. Sachverhaltliche Ausgangslage
Der Fonds B._ ist ein vertraglicher Anlagefonds mit direktem Grundbesitz für qualifizierte Anleger gemäss Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG). Die Fondsleitung wird durch die Beschwerdegegnerin, die A._ AG, ausgeübt. Der Fonds besitzt Liegenschaften in mehreren Kantonen, einschliesslich einem kommerziell genutzten Grundstück in U.__/BE.
3. Prozessgeschichte
- Nachdem das Kantonale Steueramt einen Einspruch des Fonds abwies, hiess das Kantonale Steuerrekursgericht den Rekurs des Fonds gut und schätzte den Fonds für 2018/2019 mit einem steuerbaren Reingewinn von Fr. 0.- ein.
- Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies eine Beschwerde des Steueramts ab und bestätigte damit das Urteil des Steuerrekursgerichts.
- Das Kantonale Steueramt Zürich reichte daraufhin Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht ein.
4. Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hatte primär zwei zentrale Rechtsfragen zu beurteilen:
1. War die vorgenommene "ausserordentliche Abschreibung" in der Jahresrechnung 2016/2017, welche die kumulierten Wertverluste der Vorjahre erfasste, handelsrechtlich zulässig?
2. Falls nicht, kann die Steuerpflichtige die früheren, steuerlich nicht geltend gemachten Wertminderungen dennoch in einer späteren Steuerperiode (2018/2019) nachholen, insbesondere unter Berufung auf das Totalgewinnprinzip?
4.1. Handelsrechtliche Zulässigkeit der "ausserordentlichen Abschreibung" (Erw. 3)
- Abweichung KAG vs. OR bei Immobilienfonds: Das Bundesgericht stellt fest, dass Immobilienfonds gemäss Art. 90 Abs. 2 KAG Grundstücke in der Bilanz (Vermögensrechnung) zu Verkehrswerten einzustellen haben, während das OR primär die Bewertung zu Anschaffungskosten unter Beachtung des Niederstwertprinzips vorsieht. Dies führt dazu, dass KAG-Rechnungen unrealisierte Kapitalgewinne und -verluste ausweisen.
- Wertminderungen unter KAG und OR: Bezüglich Wertminderungen, die den Verkehrswert unter den bisherigen Buchwert fallen lassen, gebe es keine grundlegende Differenz zwischen KAG und OR. Nach dem Niederstwertprinzip (sowohl unter KAG als auch unter OR, letzteres gemäss Art. 960a Abs. 1 und 2 OR) muss eine Liegenschaft bei einem tieferen Verkehrswert zu diesem Wert in die Vermögensrechnung aufgenommen bzw. abgeschrieben werden.
- Korrektheit der ursprünglichen Buchungen: Die Beschwerdegegnerin war bereits in den Geschäftsjahren 2014/2015 und 2015/2016 gehalten, die Liegenschaft in U.__/BE zu ihren tieferen Verkehrswerten zu bilanzieren. Die Buchungen der Wertminderungen in den KAG-Jahresrechnungen 2014/2015 und 2015/2016 waren somit handelsrechtlich zutreffend. Es hätte nichts dagegen gesprochen, diese als "ausserordentliche Abschreibungen" in den damaligen Steuererklärungen geltend zu machen.
- Irrtum der Vorinstanz bei Umstellung auf OR: Das Bundesgericht erachtet die Auffassung der Vorinstanz als unzutreffend, wonach die erstmalige Erstellung einer Jahresrechnung nach OR im Geschäftsjahr 2016/2017 wie ein erstmaliger Eintritt in die Buchführungspflicht zu behandeln sei, was eine Bewertung zum Anschaffungswert für eine "logische Sekunde" erlaubt hätte.
- Selbst bei einer "Erstbewertung" dürften Vermögenswerte, deren Verkehrswert unter die Anschaffungs-/Herstellungskosten gesunken ist, nicht zu den ursprünglichen Anschaffungskosten bilanziert werden. Dies würde die wirtschaftliche Lage zu positiv darstellen und widerspricht dem Vorsichtsprinzip.
- Die Argumentation der Vorinstanz, eine Bilanzierung zum Anschaffungswert sei "für eine logische Sekunde" mit anschliessender Wertkorrektur möglich, wird vom Bundesgericht als "konstruiert" zurückgewiesen.
- Das Bundesgericht zieht als Querverweis die Sacheinlage- und Sachübernahmegründungen von Kapitalgesellschaften (Art. 635, 635a OR) heran. Diese Vorschriften stellen klare Kapitalschutzvorschriften auf, um eine Überbewertung von Aktiven bei der erstmaligen Widmung an ein Unternehmen zu vermeiden. Dieses Anliegen, eine Überbewertung zu verhindern, gelte generell im Rechnungslegungsrecht.
- Würde man der Vorinstanz folgen, könnte man bei Neueintritt in die Rechnungslegungspflicht bislang steuerlich nicht getätigte Abschreibungen periodenfremd geltend machen, was eine klare Verletzung des Periodizitätsprinzips bzw. des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung darstellte.
- Schlussfolgerung zur handelsrechtlichen Zulässigkeit: Die Beschwerdegegnerin verbuchte die Wertverluste in den Geschäftsjahren 2014/2015 und 2015/2016 in ihren KAG-Jahresrechnungen zutreffend. Bei der Umstellung auf OR im Geschäftsjahr 2016/2017 bestand daher kein Anlass, diese Wertberichtigungen erneut vorzunehmen. Die Aufnahme der Liegenschaft zu den ursprünglichen Anschaffungskosten und die erneute "ausserordentliche Abschreibung" für die bereits in den Vorjahren eingetretenen Wertverluste verstösst gegen das OR-Rechnungslegungsrecht, da die Verluste zweifach erfasst wurden ("doppelt erfasst").
4.2. Steuerliche Anerkennung unter dem Totalgewinnprinzip (Erw. 4)
- Totalgewinnprinzip: Die Beschwerdegegnerin berief sich auf das Totalgewinnprinzip, welches besagt, dass die Summe aller Periodenergebnisse eines Unternehmens seinem Totalgewinn über die gesamte Existenz hinweg entsprechen soll. Sie argumentierte, eine Höhergewichtung dieses Prinzips sei im vorliegenden Einzelfall geboten und stehe im Einklang mit Treu und Glauben sowie dem Leistungsfähigkeitsprinzip.
- Restriktive Auslegung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht hält an seiner bisherigen, sehr zurückhaltenden Rechtsprechung zum Totalgewinnprinzip fest. Dieses Prinzip ist im Wesentlichen auf die periodenübergreifende Anrechnung noch nicht verrechneter Verluste beschränkt und wird namentlich durch das Periodizitätsprinzip begrenzt (vgl. Urteil 2C_172/2018 vom 26. Februar 2018 E. 2.2.1 m.w.H.).
- Abgrenzung zu früheren Fällen: Das Bundesgericht hat es in ähnlichen Fällen (z.B. Nachholung unterlassener Abschreibungen auf wertlos gewordenen Forderungen, nicht ordnungsgemäss verbuchte AHV/IV-Beiträge) stets abgelehnt, Aufwendungen, die in einer früheren Periode hätten vorgenommen werden müssen, aber nicht vorgenommen wurden, in einer späteren Periode steuerlich anzuerkennen. Eine Ausnahme bildete lediglich die nachträgliche Anpassung von Steuerrückstellungen infolge steuerlicher Aufrechnungen (BGE 141 II 83).
- Anwendung auf den vorliegenden Fall:
- Der entscheidende Unterschied hier ist, dass es sich nicht um den rechnungslegungsrechtlich erforderlichen Nachtrag von in einer Vorperiode zu Unrecht nicht verbuchten Aufwendungen handelt. Die Wertminderungen wurden in den KAG-Jahresrechnungen 2014/2015 und 2015/2016 ordnungsgemäss verbucht.
- Der "Fehler" lag nicht in der Buchung, sondern in der Nichtgeltendmachung dieser Verluste für Steuerzwecke in den massgeblichen Perioden.
- Die Überbesteuerung, welche die Beschwerdegegnerin beanstandet, ist nicht auf eine steuerlich korrekte Anerkennung der 2016/2017er Wertminderung zurückzuführen, sondern darauf, dass die Beschwerdegegnerin die Wertminderungen in den Steuerperioden 2014/2015 und 2015/2016 nicht steuermindernd geltend machte.
- Da die Einschätzungen für 2014/2015 und 2015/2016 rechtskräftig erwachsen sind, gebieten weder das Totalgewinnprinzip noch der Grundsatz von Treu und Glauben, diese nicht berücksichtigten Wertminderungen nachträglich in einer späteren Steuerperiode zu berücksichtigen.
- Revisionsfrage: Eine allfällige Berichtigung der rechtskräftigen Einschätzungen 2014/2015 und 2015/2016 könnte nur im Rahmen eines Revisionsverfahrens geprüft werden, was nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
5. Ergebnis und Entscheid
Das Bundesgericht gelangt zum Schluss, dass die Vorinstanz die handelsrechtliche Zulässigkeit der Abschreibung in der Jahresrechnung 2016/2017 falsch beurteilt hat. Die in dieser Jahresrechnung vorgenommenen Abschreibungen für die Jahre 2014/2015 und 2015/2016 sind handelsrechtlich unzulässig (doppelt erfasst) und daher auch steuerlich nicht anzuerkennen. Die steuerliche Geltendmachung ist zudem aufgrund der Rechtskraft der früheren Veranlagungen ausgeschlossen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Kantonalen Steueramts Zürich gut, hebt das Urteil des Verwaltungsgerichts auf und bestätigt den Einspracheentscheid des Kantonalen Steueramts vom 12. Mai 2023.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Handelsrechtliche Unzulässigkeit der Nachholung: Das Bundesgericht beurteilt die von der Fondsleitung in der Jahresrechnung 2016/2017 vorgenommene "ausserordentliche Abschreibung", welche auch Wertminderungen der Jahre 2014/2015 und 2015/2016 umfasste, als handelsrechtlich unzulässig. Die Wertminderungen der Vorjahre waren bereits in den KAG-konformen Jahresrechnungen korrekt verbucht. Die Umstellung auf OR-Rechnungslegung berechtigte nicht zur erneuten Erfassung dieser bereits verbuchten Wertverluste, da dies dem Vorsichtsprinzip widersprach und einer "doppelten Erfassung" gleichkam.
- Periodizitätsprinzip vor Totalgewinnprinzip: Die Wertminderungen der Jahre 2014/2015 und 2015/2016 wurden in den damaligen Steuererklärungen nicht geltend gemacht, und die entsprechenden Einschätzungen sind rechtskräftig. Das Bundesgericht hält an seiner restriktiven Auslegung des Totalgewinnprinzips fest, welches das Periodizitätsprinzip nicht durchbricht, um nicht geltend gemachte Abzüge aus rechtskräftig veranlagten Vorperioden nachträglich zu ermöglichen.
- Keine nachträgliche Geltendmachung: Weder das Totalgewinnprinzip noch der Grundsatz von Treu und Glauben gebieten es, die versäumten Abzüge aus rechtskräftig veranlagten Perioden in einer späteren Steuerperiode zu berücksichtigen. Eine Korrektur wäre allenfalls im Rahmen eines Revisionsverfahrens der betroffenen früheren Steuerperioden möglich gewesen, nicht jedoch im vorliegenden Veranlagungsverfahren für 2018/2019.
- Entscheid: Die Beschwerde des Kantonalen Steueramtes wird gutgeheissen, und die Verweigerung der Anerkennung der früheren Verluste wird bestätigt.