Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 7B_146/2025 vom 23. Mai 2025
1. Einleitung und Prozessgegenstand
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A._ gegen eine Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Januar 2025 zu entscheiden. Gegenstand des Verfahrens war die Verweigerung eines Wechsels der amtlichen Verteidigung von Rechtsanwalt Dr. C._ zu Rechtsanwalt Dr. B.__ im Rahmen eines Massnahmenvollzugsverfahrens.
2. Sachverhalt und Vorinstanzenentscheid
- Vorgeschichte (2019): A.__ wurde vom Bezirksgericht Zürich wegen verschiedener Delikte (sexuelle Nötigung, Exhibitionismus, sexuelle Belästigung, Gewalt und Drohung gegen Behörden etc.) schuldig gesprochen, wobei die Taten mehrheitlich im Zustand nicht selbstverschuldeter Schuldunfähigkeit begangen wurden. Das Gericht sah von einer Strafe ab und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme gemäss Art. 59 StGB an.
- Massnahmenanpassung (2023/2024): Die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) ersuchten das Bezirksgericht Zürich um Anordnung einer neuen stationären Massnahme nach Art. 59 i.V.m. Art. 62c Abs. 6 StGB, unter Berücksichtigung einer zwangsweisen Durchführung der Elektrokonvulsionstherapie (EKT). Eventualiter wurde eine Verwahrung gemäss Art. 64 StGB beantragt.
- Einsetzung des amtlichen Verteidigers: Rechtsanwalt Dr. C.__ wurde am 21. Juli 2023 gemäss Art. 130 lit. b StPO als amtlicher Verteidiger eingesetzt.
- Erstinstanzliches Urteil (2024): Das Bezirksgericht Zürich hob die ursprüngliche Massnahme auf und ordnete eine neue stationäre Massnahme gemäss Art. 59 StGB an, explizit unter Berücksichtigung einer zwangsweisen Medikation sowie einer zwangsweisen Durchführung der EKT (begrenzt auf eine erste Behandlungsserie und ggf. eine Erhaltungstherapie).
- Berufungsverfahren: A.__ erhob Berufung gegen dieses Urteil, beantragte dessen Aufhebung und eine forensische Zweitbegutachtung bezüglich der Indikation der EKT. Dieses Berufungsverfahren ist vor dem Obergericht noch pendent.
- Gesuch um Verteidigerwechsel (2025): Während des Berufungsverfahrens ersuchte Rechtsanwalt Dr. B._ im Namen von A._ um Entlassung des bisherigen amtlichen Verteidigers Dr. C.__ und seine eigene Einsetzung.
- Begründung des Wechsels: A.__ machte geltend, das Vertrauensverhältnis sei erheblich gestört bzw. nie entstanden. Er habe sich nie "geborgen" gefühlt. Zudem habe der amtliche Verteidiger ihn nicht ins Verfahren miteinbezogen, nicht zum Berufungsverfahren beraten und es unterlassen, die attestierte Urteilsunfähigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen.
- Obergerichtlicher Entscheid (16. Januar 2025): Das Obergericht wies das Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung ab. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer gemäss mehreren medizinischen Gutachten (Dr. med. D._, Dr. med. E._) in Bezug auf die Frage der EKT als nicht urteilsfähig eingestuft wurde, da er seine Erkrankung und Therapieoptionen nicht erfassen könne. Angesichts dessen sei die amtliche Verteidigung gehalten, das Mandat ausgehend vom hypothetischen Willen des Beschwerdeführers zu führen, da keine Instruktionen eingeholt werden könnten. Dieselbe Ausgangslage würde sich auch bei einem Wechsel des Verteidigers ergeben. Vor diesem Hintergrund wurde eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses verneint.
3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde in Strafsachen gegen den Zwischenentscheid des Obergerichts.
- Zulässigkeit der Beschwerde (E. 1): Das Bundesgericht bejahte einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bei verweigertem Wechsel der amtlichen Verteidigung, wenn eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses hinreichend substanziiert dargelegt wird. Dies wurde vorliegend bejaht, da A.__ die Vorwürfe an den Verteidiger (mangelnder Kontakt, fehlende Beratung, ungenügende Überprüfung der Urteilsfähigkeit) ausreichend begründete.
- Kognition (E. 2): Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), sofern dieser nicht als offensichtlich unrichtig (willkürlich) gerügt wird. Die Begründung der Beschwerde muss sich präzise mit dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzen (Art. 42 Abs. 2, Art. 106 Abs. 2 BGG).
- Materielle Prüfung des Verteidigerwechsels (E. 3):
- Grundlagen (Art. 134 Abs. 2 StPO): Ein Wechsel der amtlichen Verteidigung ist zu bewilligen, wenn das Vertrauensverhältnis erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet ist. Das Empfinden der beschuldigten Person allein genügt nicht; die Störung muss objektiviert und mit konkreten Hinweisen belegt werden (BGE 138 IV 161 E. 2.4).
- Rolle der amtlichen Verteidigung (Art. 128 StPO): Die Verteidigung ist allein den Interessen der beschuldigten Person verpflichtet und muss diese sachkundig, engagiert und effektiv wahrnehmen (BGE 143 I 284 E. 2.2.2). Die Wahl der Verteidigungsstrategie liegt im pflichtgemässen Ermessen der amtlichen Verteidigung; sie ist nicht blosses "Sprachrohr" ihrer Mandantschaft (Urteile 7B_304/2023 vom 6. Mai 2023 E. 2.1).
- Schwere Pflichtverletzung: Eine solche liegt nur bei objektiv nicht vertretbarem oder offensichtlich fehlerhaftem Prozessverhalten vor, das die Verteidigungsrechte substanziell einschränkt (z.B. krasse Fristversäumnisse, Fernbleiben von wichtigen Einvernahmen). Eine andere, vom neuen Rechtsvertreter gewählte Verteidigungsstrategie allein begründet noch kein offensichtlich fehlerhaftes Verhalten des Vorgängers (Urteile 6B_227/2024 vom 22. Mai 2024 E. 4.2).
- Anwendung auf den vorliegenden Fall (E. 3.4):
- Urteilsunfähigkeit als massgebender Faktor: Das Bundesgericht stellte fest, dass A.__ die vorinstanzliche Feststellung seiner Urteilsunfähigkeit in Bezug auf die Therapiefrage (EKT) nicht willkürlich in Abrede stellte. Diese Feststellung, wonach er seine Erkrankung und die Therapieoptionen nicht erfassen kann, ist somit für das Bundesgericht bindend.
- Konsequenz für die Verteidigung: Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, dass die amtliche Verteidigung in dieser besonderen Konstellation gehalten war, das Mandat ausgehend vom hypothetischen Willen des Beschwerdeführers zu führen, da keine Instruktionen eingeholt werden konnten. Dies erklärt die von A.__ kritisierte mangelnde direkte Einbeziehung und Beratung.
- Beurteilung der Vorwürfe:
- Die Kritik, der Verteidiger sei "den Anforderungen nicht gewachsen" oder "überfordert", wurde als pauschal und unsubstanziiert abgewiesen.
- Der Vorwurf, der Verteidiger habe die Urteilsunfähigkeit nicht "immer wieder" überprüft, wurde als Darlegung einer anderen Verteidigungsstrategie gewertet und nicht als Nachweis eines offensichtlich fehlerhaften Verhaltens der bisherigen amtlichen Verteidigung. Es ist keine schwere Pflichtverletzung ersichtlich.
- Das Bundesgericht bestätigte, dass die Besonderheit des Falles (Urteilsunfähigkeit des Beschwerdeführers) die Führung des Mandats nach dem hypothetischen Willen rechtfertigt und somit keine schwere Störung des Vertrauensverhältnisses vorliegt.
4. Entscheid und Kosten
Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wurde wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abgewiesen. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- wurden dem Beschwerdeführer auferlegt, unter Berücksichtigung seiner finanziellen Lage.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht bestätigte die Verweigerung eines Wechsels der amtlichen Verteidigung für A.__. Der Kern der Begründung liegt in der vom Bezirks- und Obergericht festgestellten Urteilsunfähigkeit des Beschwerdeführers bezüglich der strittigen Zwangsbehandlung (Elektrokonvulsionstherapie). Angesichts dieser Urteilsunfähigkeit war der amtliche Verteidiger gehalten, das Mandat ausgehend vom hypothetischen Willen des Beschwerdeführers zu führen, was die angeprangerte mangelnde direkte Einbeziehung und Beratung des Klienten erklärt. Die vorgebrachten Gründe für eine Vertrauensstörung oder eine unwirksame Verteidigung wurden daher als nicht ausreichend erachtet, da sie im Lichte der spezifischen Umstände des Falles – insbesondere der Unfähigkeit des Klienten zur Instruktion – keine objektive, schwere Pflichtverletzung darstellten. Eine bloss abweichende Verteidigungsstrategie eines neuen Rechtsvertreters genügt für einen Wechsel der amtlichen Verteidigung nicht.