Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1425/2024 vom 21. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (7B_1425/2024 vom 21. Juli 2025) detailliert zusammen:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 7B_1425/2024 vom 21. Juli 2025

1. Einleitung und Gegenstand des Verfahrens

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit einem Rekurs einer Privatklägerin (A.__) gegen einen Entscheid der Chambre pénale de recours des Kantons Genf. Dieser Entscheid bestätigte im Wesentlichen eine Nichteintretensverfügung des Genfer Ministère public (Staatsanwaltschaft) betreffend eine Strafanzeige wegen schwerwiegender Delikte wie Menschenhandel, qualifizierter Freiheitsberaubung, sexueller Handlungen mit Kindern, Vergewaltigung und qualifizierter sexueller Nötigung. Gleichzeitig hatte die kantonale Instanz der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Verfahren gewährt, jedoch für das kantonale Rechtsmittelverfahren verweigert. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die Nichteintretensverfügung rechtmässig war und ob die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das kantonale Rekursverfahren zu Recht erfolgte.

2. Sachverhaltliche Ausgangslage

Die Beschwerdeführerin reichte am 1. November 2022 eine Strafanzeige gegen Unbekannt ein. Sie schilderte, wie sie im April 2022 in X. einen Mann namens "B._" kennengelernt habe, der ihr eine Stelle als Pflegekraft in der Schweiz angeboten habe. Nachdem ihr Visumsantrag abgelehnt worden sei, habe sie ihre und die Identitätspapiere ihres Sohnes "B._" übergeben. Am 13. Juni 2022 seien sie und ihr Sohn (damals 3 Jahre alt) mit einem Flug der Fluggesellschaft xxx von X. via Y. nach Genf gereist. Dort seien sie in eine ihr unbekannte Wohnung gebracht worden, wo sie wiederholt von "B.__" und weiteren Männern unter den Augen ihres Sohnes vergewaltigt und missbraucht worden sei. Am 3. August 2022 sei ihr die Flucht gelungen; eine ärztliche Untersuchung im Spital habe Hämatome am Rücken und ein Schleimhauterythem am vaginalen Introïtus festgestellt.

Die Staatsanwaltschaft führte erste Ermittlungen durch: * Anfragen nach Videoüberwachungsbildern am Flughafen Genf für die relevanten Flugdaten blieben erfolglos, da die Aufnahmen nur sieben Tage gespeichert werden. * Anfragen bei der Fluggesellschaft xxx nach Passagierlisten für die Beschwerdeführerin und ihren Sohn ergaben, dass keine Passagiere mit diesen Namen im Zeitraum Juni bis August 2022 transportiert worden seien. * Ein Polizeibericht vom 11. September 2023 hielt fest, dass "B.__" aufgrund lückenhafter Informationen nicht identifiziert und die Wohnung nicht lokalisiert werden konnte.

Aufgrund dieser Ergebnisse verfügte die Staatsanwaltschaft am 27. Juni 2024 das Nichteintreten auf die Anzeige.

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

3.1. Zulässigkeit des Rekurses (Kurz)

Das Bundesgericht bejahte die Legitimation der Beschwerdeführerin als Privatklägerin (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG). Angesichts der Schwere der angezeigten Delikte (insbesondere Menschenhandel, Vergewaltigung) ist offensichtlich, dass die Beschwerdeführerin zivilrechtliche Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung (Art. 41 ff. OR, im Kontext des Opferhilfegesetzes LAVI) geltend machen kann. Ihre Motivation in der Beschwerdeschrift, dass die Integrität physisch, psychisch und sexuell erheblich beeinträchtigt sei, genügte den erhöhten Anforderungen an die Begründung der Beschwerdebefugnis.

3.2. Grundsätze der Nichteintretensverfügung (Art. 310 Abs. 1 StPO)

Das Bundesgericht erinnerte an die Grundsätze für eine Nichteintretensverfügung gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO: * Eine Nichteintretensverfügung darf nur ergehen, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für die Eröffnung der Strafverfolgung offenkundig nicht erfüllt sind oder Prozesshindernisse bestehen. * Es gilt der Grundsatz in dubio pro duriore: Im Zweifel, ob die Fakten strafbar sind oder ob die Voraussetzungen für die Strafverfolgung erfüllt sind, muss das Verfahren fortgesetzt werden. Es ist Aufgabe des Sachrichters, nicht der Staatsanwaltschaft, solche Zweifel zu klären. Dies gilt insbesondere bei schweren Straftaten. Eine Einstellung oder ein Nichteintreten kommt nur in Frage, wenn klar ist, dass die Fakten nicht strafbar sind oder die Bedingungen nicht erfüllt sind. * Die Prüfung des Sachverhalts durch das Bundesgericht ist beschränkt (Art. 97 Abs. 1 BGG): Es greift nur ein, wenn die Sachverhaltsfeststellung willkürlich ist. Im Kontext einer Nichteintretensverfügung prüft es nicht, ob die Feststellungen willkürlich sind, sondern ob die Vorinstanz willkürlich ein klares Beweismittel missachtet oder einen Sachverhalt willkürlich als klar erwiesen angenommen hat.

3.3. Anwendung auf den vorliegenden Fall – Kernargumentation des Bundesgerichts

Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die kantonale Instanz zu Unrecht annahm, dass keine weiteren Untersuchungshandlungen geeignet wären, zusätzliche Erkenntnisse zur Klärung der Verdachtsmomente zu erbringen.

  • Fehlerhafte Würdigung der Passagierliste: Die Staatsanwaltschaft hatte die Fluggesellschaft lediglich nach Passagieren mit den Namen der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes gefragt. Die Fluggesellschaft antwortete negativ. Die Beschwerdeführerin hatte jedoch angegeben, dass ihre Identitätspapiere und die ihres Sohnes in den Händen ihres Entführers ("B.__") gewesen seien, was die Möglichkeit einer Reise unter einem anderen Namen nahelegt.
  • Erfolgsversprechende Ermittlungsansätze: Das Bundesgericht sah die vom Beschwerdeführerin beantragte umfassende Herausgabe der nominellen Passagierliste des betreffenden Fluges (X. nach Genf via Y. am 13. Juni 2022) mit Angabe der Geburtsdaten als potenziell aufschlussreich an.
    • Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass eine gezielte Suche nach einem "Trio" (erwachsene Frau, Kleinkind unter 5 Jahren, erwachsener Mann) unter Berücksichtigung der Geburtsdaten auf der Liste es ermöglichen könnte, die tatsächlich Reisenden zu identifizieren und anschliessend deren Identitäten weiter zu überprüfen, wurde vom Bundesgericht als stichhaltig erachtet. Diese Massnahme könnte neue Informationen liefern und eventuell zur Identifizierung von "B.__" führen.
  • Verstoss gegen in dubio pro duriore: Da somit noch erfolgversprechende Ermittlungsansätze bestanden, waren die Voraussetzungen für ein Nichteintreten nicht erfüllt. Die Staatsanwaltschaft hätte nicht von der Strafverfolgung absehen dürfen.

3.4. Unentgeltliche Rechtspflege (URP)

Die kantonale Instanz hatte die unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Rekursverfahren mit der Begründung verweigert, die Beschwerde sei von vornherein aussichtslos. Da das Bundesgericht die Hauptbeschwerde der Beschwerdeführerin jedoch als begründet erachtete, war die Beschwerde vor der kantonalen Instanz offensichtlich nicht aussichtslos. Folglich wurde auch der Entscheid über die Verweigerung der URP aufgehoben und die Sache an die kantonale Instanz zur Gewährung der URP für das kantonale Rekursverfahren zurückgewiesen.

4. Ergebnis und Konsequenzen

Das Bundesgericht hiess die Beschwerde im Rahmen ihrer Zulässigkeit gut. * Der Entscheid der Chambre pénale de recours wurde aufgehoben, soweit er die Bestätigung der Nichteintretensverfügung des Ministère public vom 27. Juni 2024, die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für das kantonale Rekursverfahren sowie die damit verbundenen Kosten und Entschädigungen betraf. * Die Sache wird an die kantonale Rekurskammer zurückgewiesen mit der Anweisung, sie an das Ministère public zu überweisen. Dieses hat ein Strafverfahren zu eröffnen und mindestens die Produktion der detaillierten Passagierliste mit Geburtsdaten zu verlangen. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, obliegt es der Staatsanwaltschaft, alle weiteren erforderlichen Ermittlungsmassnahmen zu ergreifen, insbesondere im Hinblick auf den Tatbestand des Menschenhandels (Art. 182 StGB). * Die Beschwerdeführerin erhielt eine Parteientschädigung zu Lasten des Kantons Genf. Gerichtskosten wurden keine erhoben.

5. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Nichteintretensverfügung der Staatsanwaltschaft und deren Bestätigung durch die kantonale Rekurskammer aufgehoben. Es betonte die Geltung des Grundsatzes in dubio pro duriore im Vorverfahren, wonach bei Zweifeln an der Straflosigkeit oder den Verfahrensvoraussetzungen das Verfahren fortgesetzt werden muss. Das Gericht befand, dass die Staatsanwaltschaft eine entscheidende Untersuchungshandlung – die Anforderung einer detaillierten Passagierliste mit Geburtsdaten – ungenügend geprüft hatte, obwohl diese neue, relevante Hinweise zur Identifizierung der Täter hätte liefern können (insbesondere da die Opfer unter falschem Namen gereist sein könnten). Dies führte zur Annahme, dass die Bedingungen für ein Nichteintreten nicht erfüllt waren. Folglich wurde die Sache zur Eröffnung eines Strafverfahrens und Vornahme weiterer Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Parallel dazu wurde der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege für das kantonale Rekursverfahren zugesprochen, da ihre Beschwerde entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht aussichtslos war.