Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_578/2025 vom 22. Juli 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 7B_578/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 22. Juli 2025:

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 7B_578/2025

1. Einleitung und Verfahrensgegenstand Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (II. Strafrechtliche Abteilung) vom 22. Juli 2025 betrifft die Beschwerde in Strafsachen von A._ gegen das Urteil des Kantonalen Appellationsgerichts des Kantons Tessin (Corte dei reclami penali del Tribunale d'appello) vom 22. Mai 2025. Gegenstand des Verfahrens ist die Verlängerung der Untersuchungshaft von A._, dem das Verbrechen des Mordes (eventualiter vorsätzliche Tötung) seiner Schwägerin B.__ vorgeworfen wird. Die umstrittene Haftverlängerung lief ursprünglich bis zum 30. Mai 2025. Der Beschwerdeführer beantragte die sofortige Entlassung aus der Haft oder die Anordnung von Ersatzmassnahmen.

2. Sachverhaltliche Grundlagen A.__ wurde am 26. November 2024 verhaftet. Gegen ihn besteht der dringende Tatverdacht des Mordes oder der vorsätzlichen Tötung seiner Schwägerin. Die Untersuchungshaft wurde am 29. November 2024 bis zum 26. Februar 2025 angeordnet, am 3. März 2025 bis zum 11. April 2025 verlängert und schliesslich am 17. April 2025 bis zum 30. Mai 2025 erneuert. Die letztgenannte Verlängerung ist Gegenstand der bundesgerichtlichen Überprüfung. Obwohl die Verlängerung formell abgelaufen ist, war der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Bundesgerichtsurteils weiterhin in Untersuchungshaft aufgrund einer anderen, nicht angefochtenen Entscheidung. Das Bundesgericht bejahte hierzu ein aktuelles und praktisches Interesse an der Beurteilung der Beschwerde, da sich die Massnahme unter ähnlichen Umständen jederzeit wiederholen könnte (vgl. E. 1.2; dazu auch BGE 137 IV 177 E. 2.2).

3. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

3.1. Allgemeine Grundsätze der Untersuchungshaft Gemäss Art. 212 Abs. 1 StPO bleibt der Beschuldigte grundsätzlich auf freiem Fuss. Die Untersuchungshaft ist gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion durch Flucht entzieht (lit. a), Personen beeinflusst oder Beweismittel vernichtet (lit. b), oder durch weitere, gleichartige schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit Dritter ernsthaft gefährdet (lit. c). Zusätzlich bestehen qualifizierte Haftgründe wie die qualifizierte Rückfallgefahr (Art. 221 Abs. 1bis StPO; BGE 150 IV 360 E. 3; 150 IV 149 E. 3) und die Ausführungsgefahr (Art. 221 Abs. 2 StPO).

3.2. Frage der Zurechnungsfähigkeit und vorzeitige Entlassung

  • Grundsatz: Das Bundesgericht betont, dass die Feststellung der Zurechnungsfähigkeit sowie die Bemessung der Schuld und der Angemessenheit der Sanktion primär Sache des Sachrichters (Gericht, das über die Sache selbst entscheidet) sind. Eine Ausnahme besteht nur, wenn bereits im Haftprüfungsverfahren ausserordentlich klar ist, dass weder eine Freiheitsstrafe noch eine freiheitsentziehende Massnahme in Betracht kommt (E. 3.2; BGE 143 IV 330 E. 2.2).
  • Würdigung von Expertisen im Haftprüfungsverfahren: Psychiatrische Expertisen, die zur Klärung der Zurechnungsfähigkeit (Art. 20 StGB; Art. 182 StPO) eingeholt werden, sind im Haftprüfungsverfahren lediglich einer summarischen Prüfung zu unterziehen. Der Haftrichter (Gericht, das über die Untersuchungshaft entscheidet) hat keine umfassende und detaillierte Würdigung der Expertise vorzunehmen und darf das Urteil des Sachrichters nicht vorwegnehmen (E. 3.4; BGer 7B_160/2025 E. 4.2; 7B_108/2025 E. 3.3). Während der Experte sich zur Einsichtsfähigkeit (Fähigkeit, das Unrecht der Tat zu erkennen) und Steuerungsfähigkeit (Fähigkeit, sich entsprechend zu verhalten) äussert, ist die Entscheidung über das Bestehen und den Grad der Zurechnungsfähigkeit ausschliessliche Kompetenz des Sachrichters (E. 3.3).

  • Anwendung im konkreten Fall:

    • Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts. Er beantragt jedoch seine sofortige Entlassung, da er nach dem psychiatrischen Gutachten von Dr. med. C.__ als "nicht zurechnungsfähig" anzusehen sei.
    • Inhalt des Gutachtens: Der Experte diagnostizierte beim Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt mindestens zwei psychische Zustände (zwanghafte Persönlichkeitsstörung, akute Belastungsreaktion, Anpassungsstörung). Er hielt fest, dass die "komplexe und schwere psychische Störung die unabdingbare Voraussetzung für die Begehung der betrachteten Straftaten ist". Hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit gelangte der Experte zur Einschätzung, dass die Einsichtsfähigkeit "leicht-mittelgradig vermindert" war. Die Steuerungsfähigkeit sei jedoch "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" durch eine "gewaltsame emotionale Entladung" vollständig aufgehoben gewesen. Daraus folgerte der Experte, der Beschwerdeführer sei "psychiatrisch-forensisch als nicht zurechnungsfähig zu betrachten".
    • Nuancen und Zweifel: Der Experte wies in seinem Gutachten mehrfach auf die "Schwierigkeiten (der Beurteilung) hin, die Fälle dieser Art unbestreitbar für den Gutachter mit sich bringen". Entscheidend ist, dass der Experte in seinem Ergänzungs- und Erläuterungsgutachten vom 31. März 2025 anmerkte, dass er sich "mit einer Anstrengung der Vorstellungskraft eine bewusste Intentionalität, begleitet von einem mehr oder weniger klaren Tötungswillen, vorstellen" könne. In diesem Fall müsste er jedoch "eine sehr schwergradig verminderte Zurechnungsfähigkeit anerkennen" (E. 4.5.2; AI MP 136 pag. 6).
    • Bundesgerichtliche Schlussfolgerung: Das Bundesgericht bestätigte die kantonale Auffassung, dass die Situation nicht so klar sei, dass ein Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung (keine Freiheitsstrafe/Massnahme) vorliege. Angesichts der Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit, wie sie auch aus den Ergänzungen des Experten hervorgehen (Möglichkeit einer "sehr schwergradig verminderten Zurechnungsfähigkeit") und der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft ein zweites Gutachten angeordnet hat, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer (zumindest teilweise) strafrechtlich verantwortlich war oder dass keine Freiheitsstrafe oder eine stationäre Massnahme gemäss Art. 374 StPO angeordnet wird (E. 4.5.2). Eine umfassende Würdigung der Expertise obliegt dem Sachrichter.

3.3. Gefahr der Flucht (Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO)

  • Grundsatz: Eine Fluchtgefahr muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufweisen. Die blosse Schwere der drohenden Strafe genügt nicht; es müssen konkrete Umstände hinzukommen, die eine Flucht wahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei sind das persönliche Verhalten, familiäre und soziale Bindungen, das Fehlen eines festen Wohnsitzes, wirtschaftliche Verhältnisse und Auslandskontakte zu berücksichtigen (E. 5.2; BGE 145 IV 503 E. 2.2).
  • Anwendung im konkreten Fall:
    • Die kantonale Vorinstanz anerkannte die soziale Integration des Beschwerdeführers in der Schweiz (40 Jahre Wohnsitz, Ehefrau, erwachsene Kinder, Hausbesitz, Vereinsmitgliedschaften).
    • Sie hob jedoch seine engen und anhaltenden Bindungen zu Italien hervor: italienischer Staatsbürger, regelmässige Aufenthalte in Italien, Vertrautheit mit dem italienischen Verwaltungssystem (italienische Rente, B&B-Wohnung in X.__), enge familiäre Beziehungen zu Geschwistern und Neffen in Italien. Zudem hatte der Beschwerdeführer bereits die Absicht geäussert, vorübergehend nach Italien zu ziehen, um seiner Schwägerin beizustehen, und plante mit seiner Frau, sechs Monate im Jahr in Italien zu verbringen.
    • Bundesgerichtliche Schlussfolgerung: Die kantonale Instanz ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kombination dieser starken und einfachen Verbindung zum Herkunftsland mit der Schwere der mutmasslichen Delikte und der Möglichkeit einer langen Freiheitsstrafe eine "manifeste und bedeutende Fluchtgefahr" begründet. Das Bundesgericht rügte den Beschwerdeführer, da er die ausführliche Begründung der Vorinstanz zur Fluchtgefahr nicht substantiiert bestritten hatte, sondern lediglich appellatorische Argumente vorbrachte oder seine eigene Version der Fakten lieferte, ohne Willkür darzulegen (E. 5.4).

3.4. Ersatzmassnahmen und Verhältnismässigkeit Der Beschwerdeführer rügte auch die Ablehnung von Ersatzmassnahmen (wie Passhinterlegung, Meldepflicht, Kaution) und die Verhältnismässigkeit der Haftdauer. Das Bundesgericht trat auf diese Rügen nicht ein, da der Beschwerdeführer sie nicht ausreichend und präzise begründet hatte. Er beschränkte sich darauf, Argumente zu wiederholen, die bereits vor der Vorinstanz vorgebracht wurden, und genügte somit nicht den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 LTF (E. 6, E. 7).

4. Fazit und Kosten Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden konnte, ab. Die Gerichtskosten von CHF 2'000.-- wurden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 LTF).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verlängerung der Untersuchungshaft von A.__, dem Mord vorgeworfen wird. Es lehnte eine vorzeitige Entlassung aufgrund vermeintlicher Nichtzurechnungsfähigkeit ab, da die diesbezügliche Expertisenlage nicht eindeutig war und die abschliessende Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit dem Sachrichter obliegt. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass die Expertisen die Möglichkeit einer zumindest schwergradig verminderten Zurechnungsfähigkeit nicht ausschliessen konnten und noch ein zweites Gutachten aussteht. Das Gericht bejahte zudem eine konkrete Fluchtgefahr, basierend auf den engen und anhaltenden Bindungen des Beschwerdeführers zu Italien in Kombination mit der Schwere der Vorwürfe. Rügen bezüglich Ersatzmassnahmen und der Verhältnismässigkeit der Haftdauer wurden aufgrund unzureichender Begründung nicht geprüft.