Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_321/2025 vom 25. Juni 2025) detailliert zusammen:
Parteien und Streitgegenstand
- Beschwerdeführer: A.__
- Beschwerdegegner: Ministère public de l'État de Fribourg
- Gegenstand: Verweigerung des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 f. StGB) bei fahrlässiger Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung und weiteren Verkehrsdelikten; Rüge der Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung.
- Vorinstanz: Cour d'appel pénale des Kantonsgerichts Freiburg.
Sachverhalt (gemäss kantonalen Feststellungen)
Der Beschwerdeführer A.__, ein 1990 geborener Berufschauffeur, wurde am 14. Dezember 2023 erstinstanzlich wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung, Übertretung der Strassenverkehrsordnung (SSV), Übertretung der Chauffeurverordnung (OTR 1) und Übertretung des kantonalen Einführungsgesetzes zum StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten sowie einer Busse von 300 Franken verurteilt. Zivilrechtlich wurde er zur Zahlung von Kosten und Genugtuung an die Geschädigten verurteilt. Das Freiburger Kantonsgericht bestätigte dieses Urteil am 19. Februar 2025.
Dem Urteil liegen folgende gravierende Ereignisse zugrunde: Am 14. Oktober 2021 fuhr A._ auf der Autobahn U._ einen Lastwagen, ohne den Sicherheitsgurt angelegt zu haben. Im Y._ Tunnel kam das Fahrzeug von C.B._ aufgrund eines schweren Motordefekts zum Stillstand, wobei es am rechten Fahrbahnrand mit eingeschaltetem Abblendlicht und Warnblinkern stand. Rund vier Minuten später bemerkte A._ das stehende Fahrzeug zu spät und prallte frontal auf dieses. Infolge des Unfalls starben C.B._, G.D._ und J._ noch am Unfallort. D.D.__ erlitt schwere Verletzungen.
Rechtliche Erwägungen und Begründung des Bundesgerichts
Der Beschwerdeführer focht das Urteil vor Bundesgericht an und beantragte primär eine vollbedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten oder subsidiär einen teilbedingten Vollzug (6 Monate unbedingt, 6 Monate bedingt), jeweils zusätzlich zur Busse von 300 Franken. Seine Argumentation konzentrierte sich auf zwei Hauptpunkte: die angebliche Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und die unrechtmässige Verweigerung des bedingten oder teilbedingten Strafvollzugs.
1. Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung (Art. 9 BV i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG)
Der Beschwerdeführer machte geltend, die kantonale Instanz habe willkürlich festgestellt, er habe die Schwere der begangenen Straftaten nicht erkannt, sich nicht selbst hinterfragt und zeige eine Haltung der Verleugnung, die das Risiko weiterer Straftaten nicht mindere.
- Prüfungsstandard des Bundesgerichts: Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz und an die Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese wurden offensichtlich unrichtig oder rechtsverletzend, d.h. willkürlich (Art. 9 BV), festgestellt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Willkür liegt vor, wenn eine Entscheidung offensichtlich unhaltbar ist, nicht nur in ihrer Begründung, sondern auch im Ergebnis. Im Bereich der Beweiswürdigung ist dies der Fall, wenn die Behörde relevante Beweismittel ohne ernsthaften Grund nicht berücksichtigt, sich offensichtlich über deren Sinn und Tragweite irrt oder aufgrund der gesammelten Beweise unhaltbare Schlüsse zieht. Rügen müssen präzise substanziiert werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).
- Abweisung der Rüge: Das Bundesgericht wies die Willkürrüge als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer behauptete, er habe einen echten Willen zur Wiedergutmachung gezeigt und Kontakt zu den Opferfamilien aufgenommen. Dies gehe jedoch weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Akten hervor; im Gegenteil, die Akten zeigten, dass die Familien der Opfer den Kontakt zu ihm gesucht hätten. Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers zur angeblich falschen Sachverhaltswürdigung seien rein appellatorischer Natur und somit unzulässig.
2. Verweigerung des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 f. StGB)
Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung von Art. 42 StGB und beantragte die Gewährung des bedingten Strafvollzugs, da sein Prognose nicht als ungünstig hätte beurteilt werden dürfen.
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Rechtliche Grundlagen zum bedingten und teilbedingten Strafvollzug:
- Grundsatz (Art. 42 Abs. 1 StGB): Bei Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von höchstens zwei Jahren wird der Vollzug in der Regel aufgeschoben, wenn eine unbedingte Strafe nicht nötig erscheint, um den Täter von weiteren Delikten abzuhalten.
- Teilbedingter Vollzug (Art. 43 Abs. 1 StGB): Bei Freiheitsstrafen von mindestens einem und höchstens drei Jahren kann der Vollzug teilweise aufgeschoben werden, um dem Verschulden des Täters angemessen Rechnung zu tragen.
- Verhältnis von Art. 42 zu Art. 43 StGB bei 1 bis 2 Jahren Freiheitsstrafe: Der vollbedingte Vollzug nach Art. 42 StGB ist die Regel, der teilbedingte nach Art. 43 StGB die Ausnahme. Letzterer darf nur ausgesprochen werden, wenn aus spezialpräventiver Sicht ein vollbedingter Vollzug nur bei gleichzeitiger teilweiser Vollstreckung der Strafe denkbar ist. Dies betrifft Fälle, in denen ernsthafte Zweifel an der Besserungsfähigkeit des Täters bestehen, die jedoch noch keine konkret ungünstige Prognose rechtfertigen. Eine ungünstige Prognose schliesst sowohl den voll- als auch den teilbedingten Strafvollzug aus (Verweis auf BGE 144 IV 277 E. 3.1.1; 134 IV 1 E. 5.3.1 sowie andere neuere Urteile).
- Prognosebeurteilung: Der Richter muss eine Gesamtwürdigung vornehmen, die die Tatumstände, die Vorstrafen, den Ruf des Täters und seine persönliche Situation im Zeitpunkt des Urteils – insbesondere seine gezeigte Haltung – berücksichtigt. Er darf bestimmte Kriterien nicht übermässig gewichten und andere relevante Kriterien vernachlässigen (BGE 135 IV 180 E. 2.1). Der Mangel an Schuldeinsicht kann eine ungünstige Prognose rechtfertigen, da nur wer seine Tat bereut, das Vertrauen verdient, das einem bedingt verurteilten Täter entgegengebracht werden soll. Relevante Vorstrafen müssen massgeblich in die Prognose einbezogen werden, schliessen den bedingten Vollzug aber nicht zwingend aus.
- Ermessen: Dem Richter steht bei der Prognoseerstellung ein weites Ermessen zu. Das Bundesgericht greift nur bei Ermessensmissbrauch ein, insbesondere wenn relevante Kriterien unbeachtet blieben oder die Prognose ausschliesslich auf Vorstrafen gestützt wurde.
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Begründung des Kantonsgerichts:
- Vorstrafen: Der Beschwerdeführer war bereits zweimal wegen SVG-Verletzungen verurteilt worden (insbesondere am 4. April 2017 wegen Trunkenheit am Steuer und ungenügendem Reifenprofil, was zu einem Unfall führte; bereits zuvor ein Vorfall von 2013 wegen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung und Ausweis/Kontrollschilder). Hierfür wurde er zu einer unbedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt, sowie einem dreimonatigen Entzug des Berufs- und Privatführerausweises. Das Kantonsgericht sah darin einen Fall spezieller Rückfälligkeit, da die früheren Taten nicht minder schwerwiegend gewesen seien.
- Mangelnde Schuldeinsicht/Verleugnung: Das Kantonsgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer weiterhin jede Unaufmerksamkeit seinerseits abstritt, obwohl die Akten das Gegenteil belegten. Er habe die Schwere seiner Taten nicht erkannt und sich nicht hinterfragt. Im Gegenteil, er habe versucht, die Verantwortung für den Unfall auf das Opfer C.B._ abzuschieben, um einen Freispruch zu erreichen, obwohl drei Personen aufgrund seines Verhaltens (Ablenkung durch Mobiltelefon) ums Leben gekommen seien. Er habe auch die schweren Verletzungen des Opfers D.D._ verharmlost. Obschon der Beschwerdeführer Bedauern gegenüber den Opferfamilien ausgedrückt habe, zeigten seine Appellationsanträge, dass er sich nicht für den Unfall verantwortlich sah, obwohl er ein schweres, folgenschweres Verschulden trug. Die schuldhafte Unaufmerksamkeit sei gravierend gewesen und hätte durch Einhaltung elementarer Vorsichtsregeln im Strassenverkehr vermieden werden können. Diese Haltung der Verleugnung sei nicht geeignet, das Wiederholungsrisiko zu mindern, zumal er seit 2011 Berufschauffeur sei und bereits 2016 einen Unfall durch Kontrollverlust verursacht habe.
- Prognose: Aufgrund dieser Elemente, insbesondere der fehlenden präventiven Wirkung der früheren unbedingten Strafe und der mangelnden wirklichen Einsicht in die Schwere seiner Taten, stellte das Kantonsgericht eine ungünstige Prognose für das künftige Verhalten des Beschwerdeführers. Die Voraussetzungen für den bedingten Vollzug seien somit nicht erfüllt.
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Prüfung durch das Bundesgericht:
- Das Bundesgericht bestätigte die Würdigung der Vorinstanz. Es befand, dass die Behauptung des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe nur belastende Elemente berücksichtigt oder Reue ignoriert, unbegründet sei. Die Vorinstanz habe das Bedauern des Beschwerdeführers sehr wohl erwähnt. Andere vom Beschwerdeführer angeführte persönliche und berufliche Elemente gingen nicht aus dem Urteil hervor, und er habe deren willkürliche Auslassung nicht dargelegt. Selbst wenn positive Elemente vorlägen, genügten sie nicht, um einen Ermessensmissbrauch der Vorinstanz zu begründen.
- Die Feststellung, ob der Beschwerdeführer Schuldeinsicht zeige, sei eine Sachverhaltsfrage, deren Willkür der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe. Insbesondere die Äusserung des Beschwerdeführers, sein einziges Bedauern sei es gewesen, "dummerweise" keinen Kaffee getrunken zu haben, stützte die willkürfreie Annahme fehlender Einsicht.
- Tatumstände und -folgen seien nicht direkt als Prognosekriterien herangezogen worden, sondern als Indikatoren für die fehlende Schuldeinsicht, was korrekt sei.
- Die Berücksichtigung der Vorstrafen des Beschwerdeführers bei der Prognose sei gemäss konstanter Rechtsprechung zulässig und geboten gewesen. Die vorliegende Tat füge sich in eine gewisse "Kontinuität" von Strassenverkehrsverstössen ein.
- Vergleiche mit anderen Bundesgerichtsurteilen lehnte das Bundesgericht ab, da jeder Fall konkret zu beurteilen sei und in den vom Beschwerdeführer zitierten Fällen teils andere Sachverhalte (z.B. fehlende Vorstrafen) vorlägen oder die Urteile andere Rechtsfragen beträfen.
- Das Bundesgericht hielt fest, dass der Richter bei der Strafzumessung nicht an die Anträge der Staatsanwaltschaft gebunden sei.
- Fazit zum bedingten Strafvollzug: Angesichts der Vorstrafen des Beschwerdeführers, seiner mangelnden Schuldeinsicht und der daraus resultierenden ungünstigen Prognose habe die Vorinstanz ihr weites Ermessen nicht missbraucht und kein Bundesrecht verletzt, indem sie den bedingten Strafvollzug verweigerte.
- Teilbedingter Vollzug: Da eine ungünstige Prognose sowohl den voll- als auch den teilbedingten Vollzug ausschliesst, wies das Bundesgericht auch das subsidiäre Begehren des Beschwerdeführers auf teilbedingten Vollzug ab.
Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Das Bundesgericht wies die Beschwerde, soweit sie zulässig war, ab. Die Gerichtskosten wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Verweigerung des bedingten bzw. teilbedingten Strafvollzugs für einen Berufschauffeur, der wegen fahrlässiger Tötung von drei Personen und schwerer Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt wurde. Es wies die Rügen der Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung und der Verletzung der Art. 42 ff. StGB ab.
Die entscheidenden Gründe hierfür waren:
- Günstige Prognose verneint: Das Kantonsgericht und das Bundesgericht beurteilten die Prognose für das künftige Verhalten des Beschwerdeführers als ungünstig.
- Mangelnde Schuldeinsicht: Der Beschwerdeführer zeigte keine wirkliche Einsicht in die Schwere seines Verschuldens, bestritt seine Unaufmerksamkeit und versuchte, die Verantwortung auf das Opfer zu verlagern. Eine Äusserung, sein einziges Bedauern sei gewesen, keinen Kaffee getrunken zu haben, wurde als massiver Mangel an Bewusstsein für die Tragweite der Tat gewertet.
- Gravierende Vorstrafen: Der Beschwerdeführer war bereits zweimal wegen Strassenverkehrsdelikten vorbestraft (u.a. Trunkenheit am Steuer und Unfall), was das Gericht als "spezielle Rückfälligkeit" und eine "Kontinuität" von Verkehrsverstössen einstufte. Die frühere unbedingte Strafe hatte keine abschreckende Wirkung gezeigt.
- Weites Ermessen: Dem Richter steht bei der Prognoseerstellung ein weites Ermessen zu, welches im vorliegenden Fall nicht missbraucht wurde. Eine ungünstige Prognose schliesst gemäss Rechtsprechung sowohl den voll- als auch den teilbedingten Strafvollzug aus.