Zusammenfassung von BGer-Urteil 1C_658/2024 vom 4. Juli 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_658/2024) Einleitung

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, 1C_658/2024 vom 4. Juli 2025, betrifft einen öffentlich-rechtlichen Beschwerde in Bauangelegenheiten. Der Rekurrent A._, Eigentümer eines Nachbargrundstücks, focht die vom Gemeinderat von Épalinges erteilte Baubewilligung für ein Projekt auf dem Grundstück der Intimierten B._ SA an. Das Kantonsgericht Waadt, Cour de droit administratif et public (CDAP), hatte die Beschwerde des Rekurrenten teilweise gutgeheissen, die Baubewilligung jedoch im Wesentlichen bestätigt. Das Bundesgericht hatte zu prüfen, ob die Auslegung und Anwendung des Baureglementes der Gemeinde Épalinges (RPGA) durch die Vorinstanz willkürlich war.

Sachverhalt

Die Intimierte B._ SA ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 340 in Épalinges, welches sich in einer Villenzone I gemäss dem Allgemeinen Zonenplan (PGA) befindet. Auf dem Grundstück steht eine zweigeschossige Villa mit zwei getrennten Baukörpern. Im Juni 2022 beantragte die Intimierte eine Baubewilligung zur Aufstockung des bestehenden Hauses um ein Stockwerk mit neuem Dach, zur Anfügung eines neuen Volumens im Osten mit einer Wohnung und einer Tiefgarage, sowie eines Aussenpools im Süden und eines Autounterstandes im Norden. Der Rekurrent A._, Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks Nr. 341, erhob Einsprache. Der Gemeinderat von Épalinges erteilte die Baubewilligung am 10. Januar 2023 und eine ergänzende Bewilligung für geänderte Pläne am 13. Juli 2023. Das Kantonsgericht bestätigte die Baubewilligung im Wesentlichen.

Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht

Das Bundesgericht prüft kantonales Recht nur auf Willkür hin (Art. 95 BGG). Eine Entscheidung ist willkürlich, wenn sie eine Norm oder einen klaren und unbestrittenen Rechtsgrundsatz schwer verletzt oder dem Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden in krasser Weise widerspricht. Dabei ist nicht die korrekte Auslegung massgebend, sondern ob die erfolgte Auslegung vertretbar ist und nicht unvernünftig oder offensichtlich gegen Sinn und Zweck der Bestimmung verstösst. Die Sachverhaltsfeststellung prüft das Bundesgericht ebenfalls nur auf Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG).

1. Qualifikation des Bauvorhabens und der Bauweise (Art. 24, 70 RPGA)

Der Rekurrent machte geltend, das Bauvorhaben sehe die Schaffung einer zweiten unabhängigen, an die bestehende Villa angegliederten Villa vor, was der Verpflichtung zum nicht-zusammenhängenden Bauen widerspreche und die vorgeschriebenen Abstände zwischen den Gebäuden missachte.

Argumentation der Vorinstanz: Die CDAP bestätigte die Auffassung der Gemeinde, wonach Art. 24 RPGA drei verschiedene Alternativen zulässt und Abs. 2 keine Ausnahmeregelung darstellt. Das Projekt sehe nicht zwei getrennte Gebäude, sondern zwei versetzte Baukörper mit unterschiedlichen Dächern vor, die durch einen durchgehenden First verbunden sind und eine architektonische Einheit bilden.

Würdigung durch das Bundesgericht: * Gemeindeautonomie: Das Bundesgericht betonte die weitreichende Autonomie der Gemeinden im Waadtländer Recht bei der Festlegung ihrer Zonenpläne und der Anwendung des Baurechts (Art. 50 Abs. 1 BV, Art. 139 Abs. 1 lit. d KV/VD). Bei der Auslegung ihres eigenen Polizeireglements im Baubereich und der Beurteilung lokaler Gegebenheiten steht den Gemeinden ein besonderes Ermessen zu, das von der kantonalen Beschwerdeinstanz mit Zurückhaltung zu überprüfen ist. Das Bundesgericht wendet ebenfalls Zurückhaltung an. * Auslegung von Art. 24 RPGA: Im Gegensatz zur vom Rekurrenten zitierten kantonalen Rechtsprechung (betreffend die Gemeinde Nyon), die Kriterien zur Unterscheidung von Erweiterungen und eigenständigen Gebäuden festlegte, um Lücken im Gemeinderecht zu schliessen, enthält Art. 24 RPGA von Épalinges selbst klare Kriterien. Erlaubt sind gemäss Art. 24 Abs. 2 RPGA "versetzte Baukörper und/oder solche mit unterschiedlichen Dächern", sofern das Ensemble eine architektonische Einheit bildet und keine erheblichen Nachteile für die Nachbarschaft entstehen. * Architektonische Einheit: Angesichts der Pläne war es nicht willkürlich, das neue Bauvorhaben als architektonische Einheit mit dem bestehenden Gebäude zu betrachten. Trotz unterschiedlicher Achsen und Symmetrie erschien es aufgrund der ähnlichen Farbgebung und der vertikalen Ausrichtung des Firstes als eine Einheit. Die Tatsache, dass das neue Volumen eine separate Wohnung enthält, ist gemäss Art. 28 Abs. 1 RPGA nicht entscheidend, da Villen auch zwei Wohnungen enthalten dürfen. Der gemeinsame Technikraum unterstützt zudem die Annahme eines einzigen Gebäudes. Die Auslegung der Gemeinde und der Vorinstanz widerspricht somit weder dem Wortlaut noch dem Zweck von Art. 24 Abs. 2 RPGA. * "Erhebliche Nachteile für die Nachbarschaft": Die CDAP hat willkürfrei entschieden, dass der teilweise Verlust der Aussicht für den Nachbarn keine "erheblichen Nachteile" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPGA darstellt. Das Projekt schöpft nicht das gesamte bauliche Potenzial des Grundstücks aus, und die Bauvorschriften haben nicht den Zweck, das Aussichtsrecht von Nachbarn zu schützen. Die Topographie des Geländes bedeutet ausserdem, dass das erhöhte Gebäude keine "tiefeinsichtige" (vue plongeante) Sicht auf das höher gelegene Grundstück des Rekurrenten bietet. * Einhaltung von Art. 23 RPGA (Mindestparzellenfläche): Da das Projekt nicht zum Bau einer zweiten unabhängigen Villa führt, sondern zu einer einzigen Villa mit zwei Wohnungen, wird die Regelung von Art. 23 RPGA (eine Villa pro 1'000 m² Grundstücksfläche) angesichts der Grundstücksgrösse von 1'744 m² eingehalten.

2. Geländegefälle und Geschosszählung (Art. 27, 80, 81, 82 RPGA)

Der Rekurrent rügte die Anwendung der Regeln zum natürlichen Geländegefälle und zur Qualifikation sowie Anzahl der Geschosse.

Argumentation der Vorinstanz: Die CDAP bestätigte, dass das Projekt ein Untergeschoss, ein unteres Erdgeschoss, ein oberes Erdgeschoss und ein Obergeschoss (nicht als Dachgeschoss betrachtet) vorsieht, was Art. 27 lit. b RPGA entspricht.

Würdigung durch das Bundesgericht: * Begriff "starke Neigung" (Art. 81 Abs. 2 RPGA): Die Gemeinde verfügt über ein weitreichendes Ermessen bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs. Die Praxis der Gemeinde, wonach ein Gelände bei einer Höhendifferenz von etwa einem Geschoss zwischen Talseite und Bergseite als "stark geneigt" gilt, ist vertretbar. Die in den Skizzen der Anhänge 1 und 2 RPGA angegebenen Werte (30 % bzw. 5,2 %) sind lediglich Illustrationen und keine bindenden Mindestwerte, da das natürliche Gelände selten eine gleichmässige Neigung aufweist. Die Pläne zeigen eine Differenz von fast einem Geschoss. Auch das Gutachten des Rekurrenten ergab eine durchschnittliche Neigung von 18,17 %. Es war daher nicht willkürlich, von einer "starken Neigung" im Sinne von Art. 81 Abs. 2 RPGA auszugehen. * Qualifikation der Geschosse: Das fertiggestellte Erdgeschoss liegt 20 cm über dem natürlichen Gelände auf der Bergseite, was Art. 81 Abs. 2 RPGA entspricht. Mindestens eine Fassade des unteren Erdgeschosses ist vollständig freigelegt. Somit war es nicht willkürlich, ein unteres Erdgeschoss in die zulässige Geschosszahl einzubeziehen (Art. 82 Abs. 2 RPGA). Die Qualifikation der Geschosse als Untergeschoss, unteres Erdgeschoss, oberes Erdgeschoss und Obergeschoss ist vertretbar.

3. Technikraum und Maximallänge des Gebäudes (Art. 25, 75, 78 RPGA)

Der Rekurrent bemängelte, dass der Technikraum (Gartenschuppen) im Westen der bestehenden Villa nicht in die Bestimmung der maximal zulässigen Gebäudelänge einbezogen wurde.

Argumentation der Vorinstanz: Die CDAP bestätigte die Anwendung von Art. 75 RPGA auf die Längenberechnung. Gemäss dieser Bestimmung werden unterirdische oder teilweise unterirdische Bauten unter bestimmten Voraussetzungen bei der Berechnung von Ausnützungsziffern nicht berücksichtigt. Die Berechnungen der Architektin der Bauherrin zeigten, dass mehr als die Hälfte des Volumens des Technikraums unter dem mittleren natürlichen Gelände liegt. Auch der visuelle Eindruck bestätige den unterirdischen Charakter.

Würdigung durch das Bundesgericht: * Anwendung von Art. 75 RPGA auf Längenberechnung: Art. 84 Abs. 1 des kantonalen Baugesetzes (LATC) erlaubt den Gemeinden, unterirdische Bauten von der Berechnung der Grenzabstände und der Ausnützungsziffer auszuschliessen. Art. 75 RPGA setzt dies um und listet Bedingungen auf, unter denen unterirdische Bauten vom Volumen für die Ausnützungsziffer ausgeschlossen werden. Die extensive Interpretation dieser Bestimmung durch die Gemeinde, die sie auch für die Längenberechnung anwendet, liegt in ihrem Ermessensspielraum. * Volumenberechnung und Beweiswürdigung: Art. 75 RPGA gibt keine genaue Methode zur Berechnung des mittleren natürlichen Geländes oder des Volumens vor. Die vom Architekten der Intimierten (C.__ Sàrl) angewandte Methode, die Höhenkoten an den vier Ecken der Zisterne zu mitteln und dann mittels 3D-Modell das unterirdische und oberirdische Volumen zu berechnen, war nicht willkürlich. Das Bundesgericht sah keinen Grund, die von der Gemeinde und der Vorinstanz validierte Berechnungsmethode anzuzweifeln. Die Differenzen zu den vom Rekurrenten eingereichten Gutachten erklärten sich unter anderem dadurch, dass dessen Experte Elemente wie Isolation, Treppenstufen oder eine Nische in die Berechnung des Technikraumvolumens einbezogen hatte, die gemäss Auffassung der Vorinstanz nicht zum eigentlichen Technikraum gehören. Auch die Nichteinbeziehung der SIA-Norm 416 war nicht willkürlich, da das RPGA diese Norm nicht referenziert. Die Vorinstanzen waren somit in der Lage, die Sachverhalte bezüglich des unterirdischen Charakters des Technikraums willkürfrei festzustellen, und die vom Rekurrenten geforderte zusätzliche Expertise war nicht notwendig. * Einhaltung der Maximallänge: Da der Technikraum nicht in die Längenberechnung einzubeziehen war, hält das Projekt die maximal zulässige Gebäudelänge gemäss RPGA ein.

Schlussfolgerung

Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit sie zulässig ist, vollumfänglich ab. Der Rekurrent trägt die Gerichtskosten und hat der Intimierten eine Parteientschädigung zu zahlen.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht hat die Baubewilligung für die Erweiterung und Aufstockung einer Villa in Épalinges bestätigt. Die zentralen Punkte der Entscheidung sind:

  1. Gemeindeautonomie und Auslegung des Baureglements: Die Gemeinde hat bei der Auslegung ihres Baureglements ein weitreichendes Ermessen. Das Bundesgericht greift nur bei Willkür ein. Da Art. 24 RPGA von Épalinges selbst Kriterien für die Unterscheidung von Anbauten und separaten Gebäuden festlegt, musste die Vorinstanz die gemeindliche Auslegung der architektonischen Einheit und der Zulässigkeit von "versetzten Baukörpern" mit grosser Zurückhaltung prüfen.
  2. Qualifikation des Bauvorhabens: Das Projekt wurde willkürfrei als eine einzige Villa mit zwei Wohnungen qualifiziert, die eine architektonische Einheit bildet, und nicht als zwei separate Villen.
  3. Geländegefälle und Geschosszählung: Die Bestimmung des Begriffs "starke Neigung" (Art. 81 Abs. 2 RPGA) durch die Gemeinde war vertretbar und führte zur willkürfreien Anerkennung eines unterirdischen Erdgeschosses, das in die zulässige Geschosszahl eingerechnet werden durfte.
  4. Technikraum und Gebäudelänge: Die Entscheidung, den Technikraum nicht in die Berechnung der maximalen Gebäudelänge einzubeziehen, basierte auf einer vertretbaren Auslegung von Art. 75 RPGA und einer willkürfreien Beweiswürdigung bezüglich des unterirdischen Charakters des Raumes. Die kommunale Praxis, unterirdische Bauten unter bestimmten Voraussetzungen von der Längenberechnung auszuschliessen, wurde als zulässig erachtet.