Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_38/2025 vom 11. Juni 2025

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Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts 2C_38/2025 vom 11. Juni 2025

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts befasst sich mit der Frage, ob die Anordnung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens im Rahmen eines Gesuchs um Ausstellung eines Waffenerwerbsscheins und einer Ausnahmebewilligung für eine Seriefeuerpistole rechtmässig ist.

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer A._ hatte im Jahr 2011 gestützt auf einen Waffenerwerbsschein sowie eine Ausnahmebewilligung bereits zwei Handfeuerwaffen und einen Schalldämpfer erworben. Im August 2018 gingen bei der Kantonspolizei Nidwalden Meldungen ein, wonach A._ im Juli 2018 Todesdrohungen gegen Mitarbeitende seiner damaligen Arbeitgeberin ausgestossen habe. Er wurde verhaftet und bei einer Hausdurchsuchung wurden die bereits legal besessenen Waffen sowie weitere waffenrechtlich relevante Gegenstände beschlagnahmt. Im Rahmen des daraufhin eröffneten Strafverfahrens ordnete die Staatsanwaltschaft eine forensisch-psychiatrische Begutachtung an, die am 24. Oktober 2018 erstattet wurde. Das Strafverfahren wurde am 20. April 2020 eingestellt, da die Strafanträge zurückgezogen wurden. Die von der Kantonspolizei verfügte Einziehung der beschlagnahmten Gegenstände wurde vom Beschwerdeführer erfolgreich angefochten; das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden ordnete mit Urteil vom 14. März 2022 deren Herausgabe an.

Am 2. Juni 2022 ersuchte A.__ erneut bei der Kantonspolizei Nidwalden um Ausstellung eines Waffenerwerbsscheins für drei Pistolen und einer Ausnahmebewilligung für eine Seriefeuerpistole inklusive Schalldämpfer. Die Kantonspolizei verfügte mit Zwischenentscheid vom 24. Januar 2023 die Einholung eines erneuten forensisch-psychiatrischen Gutachtens, um das Gesuch behandeln zu können. Die dagegen gerichteten kantonalen Rechtsmittel des Beschwerdeführers blieben erfolglos, was zum angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. November 2024 führte.

2. Streitgegenstand und Zulässigkeit der Beschwerde

Vor Bundesgericht war einzig die Rechtmässigkeit der Anordnung des forensisch-psychiatrischen Gutachtens streitig, nicht die Erteilung der Waffenbewilligungen selbst. Das Bundesgericht hielt fest, dass es sich bei der Anordnung einer Begutachtung um einen Zwischenentscheid handelt, der nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG angefochten werden kann. Ein solcher Entscheid ist zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Das Bundesgericht bejahte dies: Die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens im Waffenrecht gehe mit einem Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) einher, was einen Nachteil rechtlicher Natur darstelle (vgl. Urteil 2C_122/2015 vom 10. Februar 2015 E. 2.3). Anträge, die über die Aufhebung der Gutachtensanordnung hinausgehen und die Erteilung der Bewilligungen verlangen, wurden als nicht eintretbar qualifiziert, da sie den Streitgegenstand sprengen.

3. Rechtliche Grundlagen und Kognition des Bundesgerichts

Das Bundesgericht prüft die angefochtene Anordnung des Gutachtens im Lichte von Art. 8 Abs. 2 lit. c des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition (WG). Gemäss dieser Bestimmung erhalten Personen keinen Waffenerwerbsschein, wenn sie Anlass zur Annahme geben, dass sie sich selbst oder Dritte mit der Waffe gefährden. Dieser Hinderungsgrund gilt auch für Ausnahmebewilligungen (Art. 28c Abs. 1 lit. b WG). Die zuständige Behörde muss eine Prognose über das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Waffe treffen. Da die Verweigerung eines Waffenerwerbsscheins präventiven Charakter hat, sind an die von der Person ausgehende Gefahr keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es muss jedoch eine sachlich begründbare, überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Selbst- oder Drittgefährdung vorliegen (vgl. Urteile 2C_586/2024 vom 11. Februar 2025 E. 4.1.3; 2C_444/2017 vom 19. Februar 2018 E. 3.2.1).

Die Art und Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefährdung können Gegenstand eines Gutachtens sein (Urteil 2C_955/2019 vom 29. Januar 2020 E. 3.3). Für die Anordnung eines Gutachtens ist nicht erforderlich, dass die Gefährdung bereits mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht; hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen des Hinderungsgrundes genügen, da das Gutachten gerade der Klärung dienen soll. Das Bundesgericht auferlegt sich bei der Beurteilung der Notwendigkeit eines Gutachtens Zurückhaltung.

4. Begründung des Bundesgerichts zur Rechtmässigkeit der Gutachtensanordnung

Das Bundesgericht bestätigte die Notwendigkeit der Anordnung eines erneuten forensisch-psychiatrischen Gutachtens, gestützt auf folgende massgebende Argumente:

4.1. Berücksichtigung der Vorkommnisse von 2018 trotz Verfahrenseinstellung

Der Beschwerdeführer machte geltend, die Einstellung des Strafverfahrens im Jahr 2020 bedeute, dass die damaligen Vorkommnisse (Todesdrohungen) ihm nicht mehr entgegengehalten werden dürften. Das Bundesgericht widersprach dieser Ansicht: * Eine Verfahrenseinstellung entfaltet lediglich die Wirkungen eines freisprechenden Urteils im Strafrecht (Art. 320 Abs. 4 StPO). Die Verwaltungsbehörden sind jedoch grundsätzlich nicht an die rechtliche Würdigung der Strafbehörden gebunden (BGE 136 I 345 E. 6.4; 136 II 447 E. 3.1). * Die Verwaltungsbehörden dürfen ungeachtet der Verfahrenseinstellung einen Sachverhalt zugrunde legen, der sich aus den Strafakten ergibt und für welchen aus prozessualen Gründen (hier: Rückzug der Strafanträge) keine Verurteilung erfolgte (vgl. Urteil 2C_620/2024 vom 29. Januar 2025 E. 6.2.2). * Da der Beschwerdeführer die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz zu den Vorkommnissen von 2018 (insbesondere die Todesdrohungen und das Auffinden einer geladenen Waffe mit Schalldämpfer im Wäschekorb nahe der Eingangstüre) nicht willkürlich rügte, sind diese für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diese Vorkommnisse stellen hinreichende Anhaltspunkte für eine Gefährdung dar.

4.2. Unterschied zum Herausgabeverfahren von 2022 und präventiver Charakter

Der Beschwerdeführer argumentierte weiter, seine Gefährlichkeit sei bereits im Verfahren von 2022 (Herausgabe der beschlagnahmten Waffen) geprüft und bejaht worden. Das Bundesgericht verneinte die Übertragbarkeit dieser Beurteilung auf das aktuelle Gesuch: * Das Urteil von 2022 betraf die Herausgabe bereits legal besessener Waffen nach einer Beschlagnahmung (Art. 31 Abs. 3 lit. a WG), also die Frage, ob die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung fortbestehe. * Das aktuelle Verfahren betrifft hingegen ein neues Gesuch um Ausstellung eines Waffenerwerbsscheins und insbesondere einer Ausnahmebewilligung für eine verbotene Seriefeuerwaffe. Die Bewilligung einer solchen Waffe unterliegt strengeren Massstäben. * Der präventive Charakter des Waffenrechts erfordert, dass das im Einzelfall bestehende Risiko einer zweckwidrigen Verwendung der Waffe auch ins Verhältnis zur Gefährlichkeit des bewilligungspflichtigen Gegenstands gesetzt wird. Der Hinderungsgrund von Art. 8 Abs. 2 lit. c WG ist somit bezogen auf den konkret beantragten bewilligungspflichtigen Tatbestand neu zu beurteilen. Dies unterscheidet den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens grundlegend von dem im Jahr 2022 abgeschlossenen Herausgabeverfahren.

4.3. Aktualität und inhaltliche Reichweite des Gutachtens von 2018

Schliesslich hielt das Bundesgericht das Gutachten aus dem Jahr 2018 als nicht ausreichend für die aktuelle Beurteilung: * Alter des Gutachtens: Zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils war das Gutachten über sechs Jahre alt. Die forensisch-psychiatrische Literatur und Praxis weist auf den beschränkten Zeithorizont von Gefährlichkeitsprognosen hin (z.B. Urwyler/Endrass/Hachteil/Graf, Handbuch Strafrecht, Psychiatrie, Psychologie, 2022, S. 135 Rz. 326 i.V.m. S. 141 Rz. 340). Eine erneute Begutachtung war daher nachvollziehbar. * Inhaltlicher Fokus: Die Vorinstanz stellte zutreffend fest, dass das Gutachten aus dem Jahr 2018 primär die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten thematisierte, während die "Waffenfähigkeit" des Beschwerdeführers im engeren Sinne oder im Hinblick auf den Erwerb neuer, insbesondere verbotener Waffen nicht im Zentrum der Begutachtung stand, sondern nur beiläufig gestreift wurde. * Veränderte Absichten: Zudem hatte der Beschwerdeführer im Jahr 2018 angegeben, die Waffen für den Schiesssport zu besitzen, während er nun eine Erweiterung seiner Sammlung geltend machte. Auch dies deutete auf eine veränderte Ausgangslage hin.

Aus all diesen Gründen erachtete das Bundesgericht das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für die Notwendigkeit weitergehender Abklärungen als gegeben und schützte die Anordnung der psychiatrischen Begutachtung durch die Vorinstanz.

5. Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots (Art. 29 Abs. 1 BV)

Die Rüge des Beschwerdeführers, die Vorinstanz verletze seinen Anspruch auf einen Entscheid innert angemessener Frist, indem sie zu Unrecht eine Begutachtung anordne, wurde ebenfalls abgewiesen. Da die Anordnung des Gutachtens als rechtmässig erachtet wurde, fehlte der Verfassungsrüge die Grundlage, zumal keine anderweitigen unnötigen Verzögerungen durch die kantonalen Behörden ersichtlich waren.

6. Ergebnis

Die Beschwerde wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Rechtmässigkeit der Anordnung eines neuen forensisch-psychiatrischen Gutachtens für ein Gesuch um einen Waffenerwerbsschein und eine Ausnahmebewilligung für eine Seriefeuerpistole. Die Anordnung eines Gutachtens stellt einen zulässigen Zwischenentscheid dar, da sie einen Eingriff in die persönliche Freiheit bedeutet. Die früheren Vorkommnisse (Todesdrohungen) dürfen trotz Einstellung des Strafverfahrens berücksichtigt werden, da Verwaltungsbehörden nicht an die strafrechtliche Würdigung gebunden sind und die Sachverhalte aus den Akten verwerten können. Das aktuelle Gesuch unterscheidet sich massgeblich vom früheren Herausgabeverfahren beschlagnahmter Waffen, da es um den Neuerwerb, insbesondere einer verbotenen Waffe, geht und der präventive Charakter des Waffenrechts eine spezifische, auf den Gegenstand bezogene Gefährdungsprognose erfordert. Das über sechs Jahre alte Gutachten aus dem Strafverfahren war zudem aufgrund seines Alters und seines anderen Schwerpunkts (Verhinderung weiterer Straftaten statt Eignung für Waffenbesitz) nicht mehr ausreichend.