Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:
Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 9. Juli 2025 (6B_323/2025, 6B_326/2025)
I. Einleitung
Das Bundesgericht hatte in den verbundenen Beschwerdeverfahren 6B_323/2025 und 6B_326/2025 über die Beschwerden von A.__ gegen ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. November 2024 zu entscheiden. Gegenstand der Beschwerden waren primär die Strafzumessung und die angeordnete Landesverweisung.
II. Sachverhalt und Vorinstanzliches Urteil
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach A._ (im Wesentlichen in Bestätigung eines erstinstanzlichen Urteils) schuldig wegen:
* Versuchter Vergewaltigung (Art. 190 Abs. 1 StGB a.F.)
* Versuchter sexueller Nötigung (Art. 189 Abs. 1 StGB a.F.)
* Sexueller Handlungen mit einem Kind (Art. 187 Ziff. 1 StGB a.F.)
* Versuchter schwerer Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1 StGB)
Alle Sexualdelikte wurden zum Nachteil der damals 14-jährigen Schwester seiner damaligen (und noch heutigen) Freundin, B._, verübt. Die versuchte schwere Körperverletzung betraf C.__.
Das Obergericht verhängte eine unbedingte Freiheitsstrafe von 54 Monaten sowie weitere Geld- und Bussenstrafen. Es ordnete eine vollzugsbegleitende ambulante Behandlung (Alkoholabhängigkeit und emotional instabile Persönlichkeitsstörung) an. Abweichend vom Bezirksgericht ordnete es zudem eine Landesverweisung von zehn Jahren an und die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS).
III. Strittige Punkte vor Bundesgericht
A.__ beantragte vor Bundesgericht im Wesentlichen eine Reduktion der Freiheitsstrafe und die Aufhebung der Landesverweisung, eventualiter deren Reduktion auf fünf Jahre. Er rügte dabei eine Verletzung des richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung, eine missbräuchliche Anwendung des Asperationsprinzips, eine unzulässige Berücksichtigung tatbestandsimmanenter Merkmale, eine unzureichende Berücksichtigung seiner Alkoholisierung und verminderten Schuldfähigkeit, sowie eine ungenügende Beachtung des Beschleunigungsgebots. Hinsichtlich der Landesverweisung machte er geltend, die Interessenabwägung der Vorinstanz sei willkürlich, verletze die Begründungspflicht, das rechtliche Gehör sowie diverse Verfassungs- und Konventionsrechte (Art. 66a Abs. 2 StGB, Art. 11, 13 BV, Art. 8 EMRK, UN-Kinderrechtskonvention). Insbesondere werde seine Integration in der Schweiz und die Konsequenzen für seine Familie (Tochter und Partnerin, beide Schweizer Staatsbürgerinnen) nicht genügend gewichtet.
IV. Erwägungen des Bundesgerichts
1. Strafzumessung (E. 2)
- Grundlagen der Strafzumessung: Das Bundesgericht verweist auf die etablierten Grundsätze der Strafzumessung gemäss Art. 47 StGB (objektives und subjektives Verschulden, Täterkomponenten) und der Strafbildung nach Art. 49 Abs. 1 StGB (Asperationsprinzip). Es betont, dass es nur bei Ermessensüberschreitung, Fehlgewichtung oder der Nichtbeachtung wesentlicher Gesichtspunkte eingreift und keine eigene Strafzumessung vornimmt (E. 2.2.2). Die sachgerichtliche Begründung muss nach Art. 50 StGB nachvollziehbar sein (E. 2.2.3).
- Vorgehen der Vorinstanz:
- Versuchte Vergewaltigung (Einsatzstrafe): Das Obergericht qualifizierte das Verschulden als "nicht mehr leicht". Es hob die Ausnutzung der Vertrauensstellung gegenüber einem erst 14-jährigen Opfer, die angewendete körperliche Gewalt und die Hartnäckigkeit des Beschwerdeführers hervor. Eine hypothetische vollendete Tat wurde mit 42 Monaten bestraft. Der weit fortgeschrittene Versuch und die mittelgradig verminderte Schuldfähigkeit (Art. 19 Abs. 2 StGB) führten zu Reduktionen auf 24 Monate (E. 2.3.2).
- Versuchte sexuelle Nötigung: Das Obergericht bewertete das Verschulden als "gerade noch leicht" und setzte eine hypothetische vollendete Tat mit 30 Monaten an. Abzüge für Versuch und verminderte Schuldfähigkeit führten zu 14 Monaten, wovon 10 Monate asperationsweise berücksichtigt wurden (E. 2.3.3). Das Bundesgericht bestätigte die Bejahung einer echten Konkurrenz zwischen versuchter sexueller Nötigung (Erzwingen von Oralverkehr) und versuchter Vergewaltigung, da es sich um eigenständige Handlungen mit unterschiedlicher Zielsetzung handelte (E. 2.4.2).
- Sexuelle Handlungen mit einem Kind: Hier beurteilte das Obergericht das Verschulden als "mindestens mittelschwer" und setzte eine Einsatzstrafe von 24 Monaten an. Nach Abzug für verminderte Schuldfähigkeit resultierten 14 Monate, wovon ebenfalls 10 Monate asperationsweise berücksichtigt wurden. Das Bundesgericht hielt fest, dass dieser Tatbestand ein anderes Rechtsgut (ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes) schütze (E. 2.3.4, E. 2.4.2).
- Gesamtstrafe und Täterkomponenten: Die sich ergebende Freiheitsstrafe wurde um fünf Monate aufgrund von drei Vorstrafen und erneuter Delinquenz während laufender Probezeiten (u.a. zwei Verurteilungen nach dem erstinstanzlichen Urteil) erhöht. Eine geringfügige Verletzung des Beschleunigungsgebots (knapp ein Jahr für die schriftliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils) führte zu einer Reduktion um drei Monate auf schliesslich 54 Monate Freiheitsstrafe (E. 2.3.5).
- Würdigung durch Bundesgericht: Das Bundesgericht wies die Rügen des Beschwerdeführers zur Strafzumessung ab. Die Ausgangsstrafen seien nicht übersetzt, da sie sich innerhalb des weiten gesetzlichen Strafrahmens bewegten. Das Asperationsprinzip sei nicht umgangen worden; die Vorinstanz habe den engen Konnex der Sexualdelikte hinreichend berücksichtigt. Das Alter des Opfers sei aufgrund der Vielzahl der Delikte zu Recht mehrfach berücksichtigt worden, ohne dass dies einen Ermessensverstoss darstelle. Die Alkoholisierung sei in der verminderten Schuldfähigkeit berücksichtigt worden, und weitere strafmindernde Wirkungen seien nicht ersichtlich. Die Abzüge für Versuch und verminderte Schuldfähigkeit seien verhältnismässig. Die Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots sei bundesrechtskonform, der Abzug von drei Monaten sogar eher grosszügig (E. 2.4.1-2.4.4). Andere Vorbringen des Beschwerdeführers, die keine konkrete Bezugnahme auf die vorinstanzliche Begründung aufwiesen, genügten der Rügepflicht nicht (E. 2.4.5).
2. Landesverweisung (E. 3)
- Rechtliche Grundlagen: Das Bundesgericht legt die Voraussetzungen der obligatorischen Landesverweisung nach Art. 66a Abs. 1 StGB (Katalogtaten) und die Härtefallklausel nach Art. 66a Abs. 2 StGB dar. Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV) und ist restriktiv anzuwenden. Massgeblich sind dabei Integration, familiäre Bindungen, Aufenthaltsdauer, Gesundheitszustand und Resozialisierungschancen. Ein schwerer persönlicher Härtefall liegt bei einem Eingriff von gewisser Tragweite in das Privat- und Familienleben (Art. 13 BV, Art. 8 EMRK) vor. Bei der Interessenabwägung sind die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tat, die Gefährlichkeit des Täters und die Legalprognose massgebend. Die EMRK-Konformität erfordert eine umfassende Interessenabwägung (E. 3.3.1-3.3.6).
- Vorgehen der Vorinstanz:
- Schwerer persönlicher Härtefall (bejaht): Das Obergericht bestätigte die Feststellung der Erstinstanz, dass ein schwerer persönlicher Härtefall vorliege. Dabei berücksichtigte es, dass A.__ seit seinem elften Lebensjahr in der Schweiz lebt, hier sozialisiert wurde, eine Ausbildung absolvierte und arbeitet. Seine Mutter, Schwester, seine Schweizer Lebenspartnerin und gemeinsame Schweizer Tochter leben in der Schweiz. Er hat keine engen Bezugspersonen mehr im Kosovo und nie dort gelebt seit seiner Einreise in die Schweiz. Ein Wegzug der Partnerin und Tochter in den Kosovo wurde als unzumutbar erachtet, was einen gravierenden Eingriff in das Familienleben darstelle (E. 3.4.1).
- Interessenabwägung (öffentliches Interesse überwiegt): Das Obergericht kam zum Schluss, dass die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung die privaten Interessen des Beschwerdeführers klar überwiegen. Es hob die "schwere Delinquenz" (54 Monate Freiheitsstrafe), die gravierende Art der Sexual- und Gewaltdelikte (gegen 14-jährige Schwester der Freundin, im häuslichen Umfeld; gegen beste Freundin), die mangelnde Einsicht und Reue des Beschwerdeführers, seine fünf Vorstrafen (teilweise nach dem erstinstanzlichen Urteil) und das Scheitern früherer therapeutischer Massnahmen (Jugendmassnahme, ambulante Behandlung für jugendliche Sexualdelinquenten) hervor. Es attestierte eine "einschlägige Delinquenz" und eine "eklatante Geringschätzung" der Rechtsordnung sowie "erhebliche Bedenken hinsichtlich seiner Bewährungsaussichten" (E. 3.4.2).
- Würdigung durch Bundesgericht: Das Bundesgericht bestätigte die Bejahung eines schweren persönlichen Härtefalls. Auch das gewichtige öffentliche Fernhalteinteresse wurde vom Bundesgericht bestätigt. Es führte die Schwere der Taten, das hohe Rückfallrisiko für Sexual- und Gewaltstraftaten (gemäss Gutachten), die wiederholte Delinquenz auch nach früheren Verurteilungen und während laufender Probezeiten, sowie die Uneinsichtigkeit und mangelnde Kooperation in der Therapie als überzeugende Argumente für das Fernhalteinteresse an. Es wies die Argumente des Beschwerdeführers, wie die frühere Jugendstrafe oder angebliche Widersprüche bei der Therapieprognose, zurück (E. 3.5.1-3.5.3).
Schliesslich befand das Bundesgericht, dass die Interessenabwägung durch die Vorinstanz trotz knapper Begründung im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Es betonte, dass selbst ein gravierender Eingriff in das Familienleben (Trennung von Tochter und Partnerin) kein absolutes Hindernis für eine Landesverweisung darstelle, insbesondere nicht bei einer beträchtlichen Freiheitsstrafe. Es verwies auf die "Zweijahresregel", wonach ab zwei Jahren Freiheitsstrafe ausserordentliche Umstände für das Überwiegen des privaten Interesses erforderlich sind, die hier nicht vorlägen. Die Integration des Beschwerdeführers sei nicht "besonders intensiv", und eine Reintegration im Heimatland sei nicht unmöglich, auch wenn sie schwer sein werde (E. 3.5.4).
3. Dauer der Landesverweisung (E. 4)
- Rechtliche Grundlagen: Die Dauer der Landesverweisung beträgt 5 bis 15 Jahre (Art. 66a Abs. 1 StGB) und muss verhältnismässig sein. Massgebliches Kriterium ist die Notwendigkeit, die Gesellschaft zu schützen, basierend auf der Gefährlichkeit des Täters, dem Rückfallrisiko und der Schwere der zukünftig möglichen Straftaten, unter Ausschluss des Verschuldensgrads. Persönliche Umstände sind zu berücksichtigen. Dem Sachgericht kommt ein weites Ermessen zu (E. 4.2).
- Vorgehen der Vorinstanz: Das Obergericht begründete die zehnjährige Dauer der Landesverweisung lediglich mit der Schwere "des Delikts" und der konkreten Sanktion (E. 4.3).
- Würdigung durch Bundesgericht: Das Bundesgericht rügte die äusserst knappe Begründung der Vorinstanz zur Dauer der Landesverweisung. Insbesondere habe die Vorinstanz das zentrale Beurteilungskriterium der vom Beschwerdeführer ausgehenden Sicherheitsgefahr nicht hinreichend berücksichtigt. Auch fehle eine nachvollziehbare Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Beschwerdeführers und dem Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit. Diese Mängel führten zu einer Verletzung der gerichtlichen Begründungspflicht (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG) und des rechtlichen Gehörs des Beschwerdeführers (Art. 29 Abs. 2 BV). Das Bundesgericht hob das Urteil in diesem Punkt auf und wies die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung und hinreichenden Begründung der Dauer der Landesverweisung zurück (E. 4.3).
V. Schlussfolgerung und Kosten
Das Bundesgericht hiess die Beschwerden teilweise gut, indem es das angefochtene Urteil hinsichtlich der Dauer der Landesverweisung aufhob und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückwies. Im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde gutgeheissen.
VI. Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
- Strafzumessung: Die vom Obergericht verhängte Freiheitsstrafe von 54 Monaten wurde vom Bundesgericht bestätigt. Die Rügen des Beschwerdeführers (zu hohe Ausgangsstrafen, Umgehung Asperationsprinzip, doppelte Verwertung, unzureichende Berücksichtigung von Alkoholisierung/verminderter Schuldfähigkeit/Beschleunigungsgebot) wurden abgewiesen. Die Vorinstanz habe ihr Ermessen nicht überschritten und die relevanten Faktoren hinreichend berücksichtigt.
- Landesverweisung (Anordnung): Das Bundesgericht bestätigte die obligatorische Landesverweisung. Es bejahte zwar einen "schweren persönlichen Härtefall" für den Beschwerdeführer (langer Aufenthalt in der Schweiz, Familie hier, keine Bezüge zum Heimatland). Jedoch überwog das "grosse öffentliche Fernhalteinteresse" aufgrund der Schwere der Delikte (Sexual- und Gewaltdelikte, Ausnutzung von Vertrauen), der hohen Rückfallgefahr, der zahlreichen Vorstrafen und der mangelnden Einsicht und Kooperation des Beschwerdeführers. Die Landesverweisung sei verhältnismässig und verletze die EMRK nicht, da keine "ausserordentlichen Umstände" vorlägen, die das private Interesse überwiegen liessen.
- Landesverweisung (Dauer): Die vom Obergericht festgesetzte Dauer von zehn Jahren wurde vom Bundesgericht aufgehoben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Das Bundesgericht rügte die mangelhafte Begründung des Obergerichts, da dieses die notwendigen Kriterien (insbesondere die Sicherheitsgefahr des Täters und eine effektive Abwägung der persönlichen Interessen) für die Bemessung der Dauer der Landesverweisung nicht hinreichend dargelegt hatte.