Zusammenfassung von BGer-Urteil 5A_367/2025 vom 23. Juli 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (5A_367/2025 vom 23. Juli 2025) detailliert zusammen:

I. Einleitung

Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts betrifft einen Fall von Erbschaftsunwürdigkeit (Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Der Beschwerdeführer (A.__) focht ein Urteil des Kantonsgerichts Waadt an, welches seine Berufung gegen ein erstinstanzliches Säumnisurteil als unzulässig erklärt hatte, subsidiär aber auch die Begründetheit der Klage auf Erbschaftsunwürdigkeit geprüft und bejaht hatte. Das Bundesgericht hatte insbesondere zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein säumiger Beklagter in der Berufung neue Begehren stellen darf und ob die Voraussetzungen für die Feststellung der Erbschaftsunwürdigkeit gegeben waren.

II. Sachverhalt und Prozessgeschichte

A. Sachverhalt:

  1. Ursprüngliche Erbeinsetzung: Am 19. Januar 1989 setzte die Erblasserin C._ ihre beiden Kinder, A._ (Beschwerdeführer) und B.__ (Beschwerdegegnerin), testamentarisch zu je einer Hälfte als Erben ein.
  2. Spätere Verfügungen zugunsten von A.__:
    • Am 1. Dezember 2000 widerrief C._ ihr früheres Testament und setzte A._ als Alleinerben ein, wobei sie B.__ lediglich ein Legat von 210'000 Franken vermachte.
    • Am 25. Juli 2001 unterzeichnete sie zudem eine Schuldanerkennung über 500'000 Franken zugunsten von A.__.
  3. Intervention der Beistandschaftsbehörde:
    • Am 9. Dezember 2010 informierte B._ den Friedensrichter über ihre Sorge um die Mutter und deren Notlage. Sie gab an, A._ habe seit Jahren den Kontakt der Mutter zu ihr und anderen unterbunden und die Mutter befürchte, von A.__ in ein Altersheim gebracht zu werden, nachdem dieser eine Wohnung der Mutter verkauft habe und in deren Wohnung ziehen wolle.
    • Am 15. Februar 2011 setzte der Friedensrichter eine provisorische Beistandschaft (nach Art. 392 Ziff. 1 und 393 Ziff. 2 aZGB) für C._ ein. Der Beistand wurde beauftragt, C._ zu vertreten, ihre administrativen und finanziellen Angelegenheiten zu regeln und Abhebungen von ihren Konten (für die A.__ Vollmachten hatte), die nicht dem Unterhalt dienten, zu untersuchen. Parallel dazu wurde ein Verfahren zur Entmündigung eröffnet.
    • Am 27. März 2012 wurde das Mandat des Beistands erweitert, um die Schuldanerkennung zu Ungunsten der Erblasserin anzufechten, was der Beistand am 16. Mai 2012 tat.
    • Am 19. März 2013 wurde die provisorische Beistandschaft bestätigt und das Mandat erweitert, um zivil- und/oder strafrechtliche Schritte gegen A.__ zur Rückforderung von Vermögenswerten einzuleiten.
  4. Tod der Erblasserin: C._ verstarb am 20. Juli 2018. Ein am 6. Juli 2018 von ihr verfasstes, nicht genehmigtes Dokument, das weitere Zuwendungen an A._ vorsah, wurde nicht berücksichtigt.

B. Prozessgeschichte:

  1. Erstinstanzliches Verfahren: Am 3. Januar 2020 erhob B._ Klage gegen A._ auf Ungültigkeit von Verfügungen von Todes wegen, Herabsetzung und Erbschaftsunwürdigkeit. A._ reichte innerhalb der Frist keine Klageantwort ein. Trotz mehrerer Aufforderungen und einer definitiven Fristverlängerung bis zum 4. Februar 2022, verbunden mit dem Hinweis auf die Konsequenzen eines Säumnisurteils gemäss Art. 223 Abs. 2 ZPO, reichte A._ keine Antwort ein, sondern verzögerte das Verfahren mit zahlreichen unbegründeten Begehren und Rechtsmitteln.
  2. Säumnisurteil der Chambre patrimoniale cantonale (19. Januar 2023): Gestützt auf Art. 223 Abs. 2 ZPO erklärte die erste Instanz A._ für erbschaftsunwürdig und B._ zur alleinigen Erbin. Die Behörde stellte fest, dass die Erblasserin über viele Jahre unter dem psychologischen und emotionalen Einfluss ihres Sohnes gestanden und sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befunden habe. A._ habe die Kontrolle über die Angelegenheiten der Mutter übernommen und sie dazu gebracht, Verfügungen von Todes wegen zu treffen, die ihn zum Nachteil seiner Schwester begünstigten. Diese Verfügungen seien daher zu annullieren. Angesichts des missbräuchlichen Einflusses von A._ sei er als erbschaftsunwürdig zu erklären.
  3. Kantonales Berufungsverfahren: A.__s Berufung vom 15. Juni 2023 wurde vom Kantonsgericht Waadt (Cour d'appel civile) am 9. November 2023 wegen Verspätung als unzulässig erklärt. Das Bundesgericht hob dieses Urteil mit Entscheid vom 2. Juli 2024 (5A_11/2024) auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
  4. Erneutes Berufungsurteil des Kantonsgerichts (14. März 2025): Das Kantonsgericht erklärte die Berufung von A.__ erneut als unzulässig, diesmal mit der Begründung, seine Begehren seien "neu" und damit unzulässig. Ergänzend (subsidiär) hielt es fest, die Berufung wäre, selbst wenn sie zulässig wäre, in der Sache abzuweisen gewesen.

III. Rügen vor Bundesgericht und rechtliche Erwägungen

A._ erhob beim Bundesgericht eine Beschwerde in Zivilsachen und beantragte die Zulässigkeit seiner Berufung sowie die Abweisung der Klage von B._. Eventualiter verlangte er die Aufhebung des kantonalen Urteils und die Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht.

Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde unter Berücksichtigung folgender Aspekte:

  1. Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht (Rn. 1): Die Beschwerde war gemäss Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 lit. b, 75 Abs. 1 und 2, 76 Abs. 1, 90 und 100 Abs. 1 LTF zulässig. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Beschwerde in der Hauptsache zulässig war, auch wenn das Kantonsgericht die Berufung als unzulässig erachtete, da die Vorinstanz in ihrer Begründung auch materiell Stellung genommen hatte (Rn. 1.2, 1.3). Dies erlaubt dem Bundesgericht, die materiellen Fragen zu prüfen.

  2. Rüge 1: Unzulässigkeit der Sachverhaltsdarstellung in der Berufung (Rn. 3):

    • Argument von A.__: Das Kantonsgericht habe Art. 310 lit. b ZPO und Art. 9 BV verletzt, indem es den "Sachverhalt"-Teil seiner Berufungsschrift als unzulässig erachtete, da darin keine ungenaue Sachverhaltsfeststellung gerügt worden sei.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies diese Rüge als unbegründet ab. Es stellte klar, dass ein säumiger Beklagter, gegen den ein Säumnisurteil nach Art. 223 Abs. 2 ZPO ergangen ist, die in erster Instanz unbestritten gebliebenen Behauptungen des Klägers grundsätzlich nicht mehr bestreiten oder neue Beweismittel vorlegen kann (Art. 150 Abs. 1 a contrario ZPO). Die Frage der Begründung im Sachverhaltsteil der Berufung hatte somit keinen Einfluss auf die Unzulässigkeit der Sachverhaltsrügen.
  3. Rüge 2: Unzulässigkeit der Berufung wegen "neuer Begehren" (Rn. 4):

    • Argument von A.__: Das Kantonsgericht habe Art. 29 Abs. 1 BV (Formalismusverbot) und das Recht auf einen doppelten Instanzenzug (Art. 75 Abs. 2 LTF) verletzt, indem es seine Berufung wegen angeblich "neuer Begehren" für unzulässig erklärte. Er führte an, ein säumiger Beklagter müsse in der Lage sein, in der Berufung Begehren zu stellen, die auf die Abweisung der Klage abzielen, auch wenn diese nicht den strengen Anforderungen von Art. 317 Abs. 2 ZPO an neue Begehren genügen. Andernfalls würde ihm das Rechtsmittel faktisch entzogen.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht gab A.__ in diesem Punkt Recht. Es stellte fest, dass die Argumentation des Kantonsgerichts im Widerspruch zu den Grundsätzen des Bundesrechts stehe. Ein säumiger Beklagter, der gemäss Art. 223 Abs. 2 ZPO verurteilt wurde, kann in seiner Berufung die Abweisung der Klage beantragen, auch wenn er in erster Instanz keine Klageantwort eingereicht hatte. Diese Begehren stellen keine "neuen" Aktivbegehren (wie eine Widerklage) dar, sondern formalisieren lediglich die implizite Oppositionshaltung gegen die Klage. Das Kantonsgericht hat somit Bundesrecht verletzt, indem es die Berufung von A.__ aus diesem Grund als unzulässig erklärte.
    • Konsequenz: Da das Bundesgericht die Berufung als zulässig erachtete, prüfte es im Folgenden die materiellen Rügen von A.__, die das Kantonsgericht subsidiär bereits beurteilt hatte (vgl. Rn. 1.3).
  4. Rüge 3: Offenkundige Unfähigkeit, ohne Anwalt vorzugehen (Art. 69 Abs. 1 ZPO und Art. 29 Abs. 1 BV) (Rn. 5):

    • Argument von A.__: Er sei nicht in der Lage gewesen, das Verfahren ohne Anwalt zu führen, angesichts der Komplexität des Falles und seiner angeblichen psychologischen Probleme, die sich in seinem unüberlegten Prozessverhalten zeigten. Das Kantonsgericht hätte von Amtes wegen einen Vertreter bestellen müssen.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht wies diese Rüge ab. Es betonte, dass die Anwendung von Art. 69 Abs. 1 ZPO restriktiv zu handhaben sei und eine manifeste, totale Unfähigkeit zur Prozessführung ohne Anwalt voraussetze. Bloss ungünstiges Prozessverhalten oder mangelnde Rechtskenntnisse genügten hierfür nicht. Das Bundesgericht sah keine entscheidenden Hinweise, die das Kantonsgericht willkürlich übergangen hätte und die auf eine totale Unfähigkeit von A.__ schliessen liessen. Selbst bei einer festgestellten Unfähigkeit hätte die Behörde einen Ermessensspielraum gehabt.
  5. Rüge 4: Keine Urteilsreife für Säumnisurteil (Art. 223 Abs. 2 ZPO) (Rn. 6):

    • Argument von A.__: Das erstinstanzliche Gericht hätte kein Säumnisurteil erlassen dürfen, da der Fall nicht urteilsreif gewesen sei und eine Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erklärte diese Rüge als unzulässig. A.__ hatte diese Rüge in seiner kantonalen Berufung nicht ausreichend begründet und führte zahlreiche neue Argumente erst vor dem Bundesgericht an. Dies verstösst gegen das Prinzip der materiellen Erschöpfung der Instanzen (Art. 75 Abs. 1 LTF) und die Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 LTF).
  6. Rüge 5: Erbschaftsunwürdigkeit (Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) (Rn. 7):

    • Argument von A.__: Die Voraussetzungen der Erbschaftsunwürdigkeit seien nicht erfüllt. Die vom Gericht festgestellten Fakten seien nicht schwerwiegend genug, um Erbschaftsunwürdigkeit anzunehmen, und es fehle am Kausalzusammenhang zwischen den Handlungen und den Verfügungen der Mutter.
    • Urteil des Bundesgerichts: Das Bundesgericht erklärte auch diese Rüge als unzulässig. A._ setzte sich nicht substantiiert mit der Begründung der Vorinstanz auseinander, die die Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts als "überzeugend" befunden hatte (insbesondere dass A._ die Angelegenheiten seiner Mutter über 20 Jahre kontrolliert und ihre Testamente zu seinen Gunsten beeinflusst hatte). A.__ versuchte lediglich, wie vor einer Appellationsinstanz, seine eigene Version der Fakten darzulegen und brachte neue Argumente vor, die er bereits im kantonalen Verfahren hätte vorbringen müssen. Dies genügte den Begründungsanforderungen an eine Bundesgerichtsbescherde nicht (Art. 42 Abs. 2 LTF).

IV. Ergebnis und Schlussfolgerung

Das Bundesgericht weist die Beschwerde in dem (geringen) Umfang ihrer Zulässigkeit ab. Obwohl das Bundesgericht die formelle Rüge betreffend die Zulässigkeit der Berufung (wegen angeblich "neuer Begehren") guthiess und das Kantonsgericht in diesem Punkt korrigierte, änderte dies nichts am Ergebnis. Die anderen prozessualen und materiellen Rügen von A._ (wie die angebliche Unfähigkeit, ohne Anwalt vorzugehen, die fehlende Urteilsreife für das Säumnisurteil und die Erbschaftsunwürdigkeit selbst) wurden entweder als unbegründet oder als unzulässig erklärt, da A._ die Anforderungen an die Begründungspflichten und die materielle Erschöpfung der Instanzen nicht erfüllt hatte. Das erstinstanzliche Urteil, das A.__ für erbschaftsunwürdig erklärte, wurde damit indirekt bestätigt.

Da A._ in der Sache nicht obsiegte, wurde sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen. Die Gerichtskosten wurden ihm auferlegt. Eine Parteientschädigung an B._ wurde nicht zugesprochen, da diese nicht zur Stellungnahme in der Sache eingeladen worden war.

V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Zulässigkeit von Berufungsbegehren nach Säumnisurteil: Das Bundesgericht stellte klar, dass ein säumiger Beklagter (gemäss Art. 223 Abs. 2 ZPO) in der Berufung die Abweisung der Klage beantragen darf; dies sind keine "neuen Begehren" im Sinne von Art. 317 Abs. 2 ZPO. Das Kantonsgericht hatte hier eine Bundesrechtsverletzung begangen.
  • Erbschaftsunwürdigkeit (Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB): Die Feststellungen der Vorinstanz zur Erbschaftsunwürdigkeit von A._ (Kontrolle über die Mutter, missbräuchliche Beeinflussung von Testamenten) blieben im Ergebnis bestehen, da A._ die Begründungspflichten vor dem Bundesgericht nicht erfüllt hatte, um diese Sachverhaltsfeststellungen oder deren rechtliche Würdigung substanziiert anzufechten.
  • Prozessfähigkeit: Die Rüge der offenkundigen Unfähigkeit, ohne Anwalt vorzugehen, wurde abgewiesen, da die Voraussetzungen für eine derart restriktiv anzuwendende Bestimmung nicht erfüllt waren.
  • Materielle Erschöpfung/Begründungspflicht: Zahlreiche Rügen des Beschwerdeführers wurden als unzulässig erachtet, da er diese nicht ausreichend in den kantonalen Instanzen vorgebracht bzw. vor dem Bundesgericht nicht gemäss den strengen Anforderungen des Art. 42 Abs. 2 LTF begründet hatte.
  • Fazit: Obwohl ein Verfahrensfehler der Vorinstanz festgestellt wurde, blieb die Erbschaftsunwürdigkeit im Ergebnis bestehen, da die Beschwerde in den massgeblichen materiellen Punkten unzureichend begründet oder unzulässig war.