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Das Urteil 8C_396/2024 des schweizerischen Bundesgerichts vom 25. Juli 2025 betrifft einen Rechtsstreit um die Art und den Umfang von Nothilfeleistungen für eine besonders schutzbedürftige Person mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid.
1. Einleitung und Streitgegenstand
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde einer nigerianischen Staatsangehörigen (Beschwerdeführerin, geboren 1987) zu befinden, die sich aufgrund eines vorläufigen Vollzugsstopps eines Wegweisungsentscheids in der Schweiz aufhält. Die Beschwerdeführerin begehrte weiterhin eine Sonderunterbringung in einer betreuten Wohnform, während die Migrationsbehörden des Kantons Bern ihre Verlegung in das Rückkehrzentrum E.__ anordneten. Die Kernfrage war, ob die vom Migrationsdienst angeordnete und vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern bestätigte Unterbringung im Rückkehrzentrum den rechtlichen Anforderungen an die Nothilfe für eine als besonders verletzlich eingestufte Person genügt.
2. Sachverhaltliche Eckpunkte
Die Beschwerdeführerin reiste 2019 in die Schweiz ein und stellte 2020 ein Asylgesuch. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) trat gestützt auf das Dublin-Abkommen nicht auf das Gesuch ein und ordnete die Wegweisung nach Italien an, was vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde (12. Februar 2021). Vom Februar bis Juni 2021 befand sie sich in psychiatrischer Behandlung. Nach Einreichung eines Individualantrags beim UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) am 24. Mai 2021 wies das SEM den Migrationsdienst an, bis zum Abschluss des CEDAW-Verfahrens vom Vollzug der Wegweisung abzusehen.
Ab Juni 2021 wurde ihr eine "Sonderunterbringung" in einer betreuten Wohnform bewilligt, die mehrmals verlängert wurde. Ein weiteres Verlängerungsgesuch wurde jedoch im August 2022 abgewiesen und die Verpflichtung zur Meldung im Rückkehrzentrum E.__ erlassen. Dieser Entscheid wurde nach erfolglosem Rekurs bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID) und Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern nun dem Bundesgericht zur Überprüfung unterbreitet. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Rückkehrzentrum sei ihren Bedürfnissen als Opfer von Menschenhandel mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) nicht angemessen.
3. Rechtlicher Rahmen der Nothilfe
Das Bundesgericht legt die massgebenden Bestimmungen dar: * Art. 81 AsylG: Personen, die sich gestützt auf das Asylgesetz in der Schweiz aufhalten und ihren Unterhalt nicht selbst bestreiten können, erhalten Sozialhilfeleistungen oder, auf Ersuchen hin, Nothilfe. * Art. 82 Abs. 1 Satz 2 AsylG: Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, denen eine Ausreisefrist angesetzt wurde (wie die Beschwerdeführerin), sind von der Sozialhilfe ausgeschlossen. Sie haben lediglich Anspruch auf das verfassungsrechtlich garantierte Minimum gemäss dem Recht auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV). Dieser Anspruch umfasst lediglich das zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt Erforderliche (unter Verweis auf BGE 121 I 367 E. 2c). Auch Art. 29 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern (KV) garantiert dieses Minimum. * Art. 82 Abs. 3bis AsylG: Bei der Umsetzung der Nothilfe ist nach Möglichkeit den besonderen Bedürfnissen namentlich von betreuungsbedürftigen Personen Rechnung zu tragen. * Kantonales bernisches Recht (EG AIG/AsylG): * Art. 16 Abs. 2 EG AIG/AsylG: Nothilfe wird in der Regel in Form von Sachleistungen, einschliesslich der Unterbringung in einer Kollektivunterkunft, ausgerichtet. * Art. 17 Abs. 1 EG AIG/AsylG: Bei besonders verletzlichen Personen – namentlich in Bezug auf Unterbringung und Betreuung – werden die Nothilfeleistungen individuell aufgrund der besonderen Bedürfnisse festgelegt. Diese Bestimmung begründet jedoch keinen zwingenden Anspruch auf weitergehende Leistungen als jene nach Art. 16 EG AIG/AsylG, sondern verpflichtet die Behörden lediglich, den besonderen Bedürfnissen im Rahmen der Nothilfe angemessen Rechnung zu tragen. * Internationale Abkommen: Das Übereinkommen zur Bekämpfung des Menschenhandels (ÜBM) und das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) wurden von der Beschwerdeführerin ebenfalls angerufen.
4. Entscheid und Begründung der Vorinstanz
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern erachtete die Unterbringung der Beschwerdeführerin im Rückkehrzentrum E.__ als zumutbar. Es anerkannte die Beschwerdeführerin zwar als besonders schutzbedürftig gemäss Art. 17 Abs. 1 EG AIG/AsylG, da sie als Opfer von Menschenhandel unter einer chronischen, mittelgradigen depressiven Symptomatik im Rahmen einer PTBS leidet. Die ärztlichen Berichte sprachen sich gegen eine reguläre Kollektivunterkunft aus und empfahlen eine Sonderunterbringung, idealerweise nur mit Frauen und in kleinerem Rahmen.
Das Verwaltungsgericht hielt jedoch fest, dass das Rückkehrzentrum E.__ sich wesentlich von einer regulären Kollektivunterkunft unterscheidet. Es handle sich um eine kleinere Einrichtung, die ausschliesslich Familien mit Kindern und alleinstehende Frauen beherberge. Letzteren stünde ein eigenes Stockwerk mit separatem Aufenthaltsraum sowie geschlechtergetrennten sanitären Anlagen zur Verfügung, die von Männern nicht betreten werden dürfen. Obwohl Begegnungen mit Männern in Gemeinschaftsbereichen nicht gänzlich vermieden werden könnten, seien diese kontrollierbar. Zudem seien die von der Beschwerdeführerin als belastend geschilderten Begegnungen mit Männern gerade in ihren bisherigen Sonderunterkünften und nicht im Rückkehrzentrum aufgetreten. Ein Anspruch auf ein Einzelzimmer bestehe nur bei zwingenden medizinischen Gründen, welche die Arztberichte nicht auswiesen.
Hinsichtlich der Betreuung sei die Situation im Rückkehrzentrum ebenfalls ausreichend, da dort rund um die Uhr im sozialen Bereich ausgebildetes Betreuungspersonal anwesend sei, im Gegensatz zu den wöchentlichen Besuchen in der bisherigen Unterkunft. Die medizinische Versorgung sei weiterhin gewährleistet. Auch wenn der Umzug mit Belastungen verbunden sei, rührten diese primär von der unsicheren aufenthaltsrechtlichen Situation und den traumatischen Vorerfahrungen her. Die verständliche Angst vor dem Zusammenleben mit vielen Männern werde durch die Zuweisung in das Rückkehrzentrum ausreichend berücksichtigt.
5. Überprüfung durch das Bundesgericht
Das Bundesgericht schloss sich der Argumentation der Vorinstanz an und wies die Beschwerde ab. * Unzureichende Begründung: Zunächst rügt das Bundesgericht, dass die Beschwerdeführerin ihre vorinstanzlichen Eingaben weitgehend wiederhole, ohne sich spezifisch mit den detaillierten Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, was den Anforderungen an die Begründungspflicht (insbesondere Art. 106 Abs. 2 BGG für Grundrechtsverletzungen) nicht genüge. Neue Beweismittel wurden als unzulässige Noven abgewiesen. * Auslegung des Nothilfeanspruchs: Das Bundesgericht bekräftigte, dass das Recht auf Nothilfe gemäss Art. 12 BV und Art. 29 Abs. 1 KV lediglich das zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt Erforderliche garantiert. Art. 17 Abs. 1 EG AIG/AsylG verpflichtet nicht zu weitergehenden Leistungen, sondern zur angemessenen Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse im Rahmen der Nothilfe. Eine "Optimierung" der Betreuung über den Rahmen des Nothilfeanspruchs hinaus werde nicht geschuldet. * Würdigung des Rückkehrzentrums E.__: Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass das Rückkehrzentrum den besonderen Bedürfnissen der Beschwerdeführerin ausreichend Rechnung trage, erweise sich als vertretbar und nicht willkürlich. Die vom Zentrum gebotenen, vom Rest des Hauses getrennten, nur für Frauen zugänglichen Bereiche (eigenes Stockwerk, Aufenthaltsraum, sanitäre Anlagen) entsprächen den medizinischen Empfehlungen für "männerfreie" Räume. Die Tatsache, dass das Zentrum über 60 Personen beherberge, ändere nichts an dieser Einschätzung. * Abwägung der Belastungen: Das Bundesgericht wies darauf hin, dass die von der Beschwerdeführerin angeführten, als höchst belastend geschilderten Begegnungen mit Männern gerade in der von ihr präferierten Sonderunterbringung und nicht im Rückkehrzentrum stattgefunden hatten. Zudem sei die Forderung nach vollständigem Ausschluss jeglicher Begegnungen mit Männern wenig nachvollziehbar, da sie in ihrer bevorzugten städtischen Wohnlage ebenfalls solchen Kontakten ausgesetzt sei. Auch die Behauptung, jede Umgebungsänderung führe zwangsläufig zu einer Destabilisierung, werde dadurch relativiert, dass ein früherer Umzug auf Wunsch der Beschwerdeführerin selbst erfolgt sei. * Internationale Abkommen: Bezüglich Art. 12 Abs. 1 lit. a ÜBM hielt das Bundesgericht fest, dass selbst bei direkter Anwendbarkeit lediglich eine Einzelfallprüfung der Angemessenheit und Sicherheit der Unterbringung verlangt werde, was im vorliegenden Fall bejaht wurde. Auch aus Art. 6 CEDAW ergebe sich nichts Weitergehendes. Die pauschalen Rügen weiterer Grundrechtsverletzungen (z.B. Privatsphäre, Folter, Sklaverei) wurden wegen fehlender Begründung nicht geprüft.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Unterbringung im Rückkehrzentrum E.__ weder Art. 12 BV oder Art. 29 Abs. 1 KV verletze, noch dass die Anwendung von Art. 16 und Art. 17 Abs. 1 EG AIG/AsylG durch die Vorinstanz willkürlich sei.
6. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht hat die Beschwerde einer besonders schutzbedürftigen Person mit rechtskräftigem Wegweisungsentscheid gegen ihre Verlegung in ein Rückkehrzentrum abgewiesen. Es bestätigte, dass der Anspruch auf Nothilfe lediglich das zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt Erforderliche umfasst und keinen Anspruch auf "optimierte" Leistungen begründet. Die vom kantonalen Gericht als zumutbar beurteilte Unterbringung im Rückkehrzentrum E.__, welche getrennte, nur für Frauen zugängliche Bereiche bietet, erfüllt die Anforderungen an eine angemessene Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Beschwerdeführerin im Rahmen der Nothilfe. Die vom Beschwerdeführerin geltend gemachten Bedenken und die gerügten Verletzungen von Bundes- und Völkerrecht wurden als unbegründet oder unzureichend substanziiert erachtet.