Zusammenfassung von BGer-Urteil 8C_446/2024 vom 25. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgericht, Urteil 8C_446/2024 vom 25. Juli 2025

1. Einleitung und Streitgegenstand Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (BGer) vom 25. Juli 2025 betrifft eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Bereich der Unfallversicherung (UVG). Streitig ist die Leistungspflicht der Helvetia Schweizerische Versicherungsgesellschaft AG (nachfolgend: Helvetia) gegenüber der Beschwerdeführerin A.__ über den 30. April 2020 hinaus. Im Kern geht es um die Frage des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen einem Skiunfall vom 28. Februar 2020 und den danach persistierenden Kniebeschwerden sowie um den Zeitpunkt, ab dem ein Status quo sine (Zustand, wie er sich auch ohne Unfall infolge eines Vorzustandes eingestellt hätte) erreicht sein soll.

2. Sachverhalt und Verfahrensverlauf Die 1975 geborene A._ stürzte am 28. Februar 2020 auf einer Skipiste und verdrehte sich dabei das linke Knie. Diagnostiziert wurden eine komplexe Aussenmeniskusläsion und Knorpelschaden. Die Helvetia erbrachte zunächst Leistungen. Nach einer Arthroskopie am 4. August 2020 teilte die Helvetia der Beschwerdeführerin am 25. September 2020 mit, der Status quo sine sei bereits per 30. April 2020 erreicht worden; über diesen Zeitpunkt hinausgehende Beschwerden und Behandlungen seien einem unfallfremden, degenerativen Vorzustand geschuldet. Diese Auffassung stützte sie auf ihren beratenden Arzt Dr. med. D._ (Allgemeine Innere Medizin FMH).

Die Beschwerdeführerin bestritt den Fallabschluss, basierend auf einer chirurgischen Triage-Beurteilung von Dr. med. C._ (Facharzt FMH für Chirurgie) vom 27. Oktober 2020. Mit Verfügung vom 6. Januar 2021 bestätigte die Helvetia ihre Position, dass die Kniebeschwerden links ab 30. April 2020 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr in einem Kausalzusammenhang zum Unfall stünden und lediglich eine vorübergehende Verschlimmerung eines Vorzustandes vorliege. Im Einspracheverfahren reichte die Beschwerdeführerin eine erneute Beurteilung von Dr. med. C._ (15. Januar 2021) ein, woraufhin die Helvetia eine radiologische Beurteilung von Dr. med. E.__ (Facharzt für Radiologie) einholte (24. Juni 2021) und den ursprünglichen Entscheid mit Einspracheentscheid vom 28. Oktober 2021 bestätigte.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich reichte die Beschwerdeführerin weitere radiologische Befunde von Dr. med. F._ (Radiologie FMH) und Stellungnahmen von Dr. med. C._ ein. Die Helvetia konterte mit weiteren Berichten ihres Vertrauensarztes Dr. med. E.__. Das kantonale Sozialversicherungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 14. Juni 2024 ab.

3. Rechtliche Grundlagen und Argumente des Bundesgerichts

3.1 Natürlicher Kausalzusammenhang und Status quo sine Das Bundesgericht erinnert an die Notwendigkeit eines natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 UVG). Es wiederholt die Praxis, dass die Leistungspflicht des Unfallversicherers bei einem durch den Unfall verschlimmerten oder manifest gewordenen krankhaften Vorzustand erst dann entfällt, wenn der Unfall nicht mehr die natürliche und adäquate Ursache darstellt. Dies ist der Fall, wenn der Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestand (Status quo ante), oder der Zustand, wie er sich nach schicksalsmässigem Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine), erreicht ist (vgl. SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12, 8C_901/2009 E. 3.2).

3.2 Beweislast und Beweisgrad Der Beweis des Dahinfallens jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens muss mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erbracht werden. Wichtig ist hierbei die Beweislastverteilung: Da es sich um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die Beweislast für das Erreichen des Status quo sine nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (BGE 150 V 188 E. 4.2; 146 V 51 E. 5.1).

3.3 Gelegenheits- oder Zufallsursache Das Bundesgericht präzisiert die Abgrenzung zur Gelegenheits- oder Zufallsursache: Eine schadensauslösende traumatische Einwirkung wirkt auch dann leistungsbegründend, wenn der betreffende Schaden ohne das versicherte Ereignis früher oder später eingetreten wäre, der Unfall also nur hinsichtlich des Zeitpunkts des Schadenseintritts Conditio sine qua non war. Ein Ereignis ist jedoch lediglich eine anspruchshindernde Gelegenheits- oder Zufallsursache, wenn es auf einen derart labilen Vorzustand trifft, dass jederzeit mit einem Eintritt der Schädigung zu rechnen gewesen wäre, sei es aus eigener Dynamik oder durch einen beliebigen anderen Zufallsanlass. Ein Unfall, der durch einen alltäglichen, austauschbaren Belastungsfaktor hätte ersetzt werden können, begründet keine Leistungspflicht (Urteile 8C_549/2021, 8C_287/2020; vgl. auch ANDREAS TRAUB, SZS 2009 S. 479).

3.4 Beweiswert medizinischer Berichte und Untersuchungsgrundsatz Berichte und Gutachten versicherungsinterner Ärztinnen und Ärzte haben Beweiswert, sofern sie schlüssig, nachvollziehbar begründet, widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen (BGE 125 V 351 E. 3b/ee). Sie verfügen jedoch nicht über dieselbe Beweiskraft wie gerichtliche oder unabhängige Gutachten. Das Bundesgericht betont eine zentrale Maxime: Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, sind ergänzende Abklärungen, insbesondere die Einholung eines externen Gutachtens, vorzunehmen (BGE 145 V 97 E. 8.5; 142 V 58 E. 5.1). Beratende Ärzte sind in dieser Hinsicht versicherungsinternen Ärzten gleichzusetzen.

4. Würdigung der medizinischen Gutachten durch das Bundesgericht

4.1 Argumentation der Vorinstanz Das kantonale Gericht hatte sich primär auf die versicherungsmedizinische Stellungnahme von Dr. med. D._ vom 11. Dezember 2020 gestützt, die zum Schluss kam, nur eine Schmerzverursachung, nicht aber der Meniskusschaden selbst, sei unfallkausal. Er verneinte eine richtunggebende Verschlechterung und bejahte den Status quo sine per Ende April 2020, gestützt auf die Annahme, dass isolierte Knorpelschäden selten Unfallfolgen seien und das Fehlen von Hämatomen, relevanten Begleitverletzungen und Bone Bruises gegen eine relevante Krafteinwirkung spreche. Das kantonale Gericht sah die Einschätzungen der Dres. med. C._ und F._ nicht als geeignet an, auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit von Dr. med. D._ zu wecken.

4.2 Beurteilung durch das Bundesgericht Das Bundesgericht kommt zu einem anderen Ergebnis. Es rügt, dass Dr. med. D._ seine Argumente für einen rein degenerativen Schaden vorwiegend aus der medizinischen Theorie ableite und nur am Rande auf den konkreten Einzelfall eingehe. Demgegenüber kämen den Angaben des Facharztes für Chirurgie Dr. med. C._, insbesondere bei einer Knieverletzung, im Vergleich zu den theoretischen Abhandlungen eines Facharztes für Allgemeine Innere Medizin zusätzliches Gewicht zu.

Dr. med. C._ hatte, abweichend von Dr. med. D._, einen schräg-vertikalen Riss im lateralen Meniskushinterhorn als traumatisch bedingt qualifiziert und argumentiert, dass dieser frische Riss bei vorbestehenden Schäden eine richtunggebende Verschlimmerung ausgelöst habe, die zur Arthroskopie führte. Zudem habe Dr. med. C._ im Gegensatz zu Dr. med. D._ (der sich auf eine veraltete Literaturstelle von 2013 berufen habe) seine Einschätzung auf eine neuere Studie von 2019 und evidenzbasierte Erkenntnisse gestützt.

Das Bundesgericht gelangt zur Überzeugung, dass die Einschätzung von Dr. med. C._ "zumindest geringe Zweifel" an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der vertrauensärztlichen Aktenbeurteilung von Dr. med. D._ zu wecken vermögen. Diese Zweifel sind für das Bundesgericht entscheidend. Angesichts dieser unterschiedlichen medizinischen Meinungen lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, ob per Ende April 2020 ein Status quo sine rechtsgenügend belegt war oder ob die Unfallfolgen nicht zumindest teilursächlich für die persistierenden Kniebeschwerden waren. Auch sei nicht zweifelsfrei beantwortet, ob die Arthroskopie ohne den erlittenen Unfall zur gleichen Zeit notwendig geworden wäre (Aspekt der Conditio sine qua non für den Zeitpunkt des Schadenseintritts). Da die Beweislast für das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen beim Unfallversicherer liegt, sei dieser Beweis aufgrund der vorhandenen medizinischen Akten nicht erbracht.

Der fortgesetzte Expertenstreit zwischen den Radiologen Dr. med. E._ (Vertrauensarzt der Helvetia) und Dr. med. F._ (von der Beschwerdeführerin beigezogen) habe diese Zweifel an der Aktenbeurteilung von Dr. med. D.__ zusätzlich untermauert und nicht zur Beseitigung der Unklarheiten beigetragen.

5. Schlussfolgerung und Rückweisung Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass das kantonale Gericht bei der unklaren medizinischen Ausgangslage den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) und die bundesrechtlichen Vorgaben an den Beweiswert versicherungsinterner ärztlicher Berichte verletzt hat, indem es ohne ergänzende versicherungsexterne Abklärungen entschieden hat.

Die Sache wird daher an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese nach Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zu den Unfallfolgen und deren Auswirkungen über die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 28. Oktober 2021 erneut entscheidet.

6. Kostenfragen (Partiell für die Zusammenfassung relevant) Das Bundesgericht weist die Vorinstanz an, im Rahmen der Rückweisung auch über die Kostentragung bezüglich der von der Beschwerdeführerin eingeholten Privatgutachten der Dres. med. C._ und F._ zu befinden. Grundsätzlich sind notwendige Kosten für privat eingeholte Gutachten zu vergüten, wenn diese für die Entscheidfindung unerlässlich waren. Das Bundesgericht hebt hervor, dass die Helvetia im Einspracheverfahren der Beschwerdeführerin keine Einsicht in die radiologische Beurteilung von Dr. med. E.__ gewährt hatte, was eine Gehörsverletzung darstellte. Dies veranlasste die Beschwerdeführerin, eigene Privatgutachten einzuholen, weshalb die Notwendigkeit dieser Gutachten unter den gegebenen Umständen zu prüfen ist.

Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Abklärung gilt als vollständiges Obsiegen der Beschwerdeführerin im Sinne der Kostenregelung des Bundesgerichts. Die unterliegende Beschwerdegegnerin (Helvetia) hat die Gerichtskosten von Fr. 800.- zu tragen und die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.- zu entschädigen.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  • Kernfrage: Bestehen des natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen Skiunfall (Februar 2020) und Kniebeschwerden über April 2020 hinaus.
  • Strittige Feststellung: Erreichen des Status quo sine per 30. April 2020 durch die Helvetia, basierend auf einem degenerativen Vorzustand.
  • Beweislast: Die Beweislast für das Dahinfallen des Kausalzusammenhangs (Erreichen des Status quo sine) liegt beim Unfallversicherer (Helvetia) mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit.
  • Beweiswert ärztlicher Berichte: Berichte versicherungsinterner oder beratender Ärzte haben geringeren Beweiswert als unabhängige Gutachten. Schon "geringste Zweifel" an ihrer Schlüssigkeit oder Zuverlässigkeit erfordern weitere Abklärungen.
  • Hauptproblem: Das Bundesgericht stellte "zumindest geringe Zweifel" an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der medizinischen Beurteilung des Vertrauensarztes der Helvetia fest. Die Argumentation der Vorinstanz, die diese Zweifel verneinte und von weiteren Abklärungen absah, wurde als Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes qualifiziert.
  • Rolle der Ärzte: Die widersprüchlichen Meinungen des Chirurgen Dr. C._ (traumatischer Riss, neuere Studien) und der Radiologen Dr. F._ (für Beschwerdeführerin) im Gegensatz zu den Ansichten der Ärzte der Helvetia (Dr. D._, Dr. E._) führten zu einer unklaren medizinischen Ausgangslage.
  • Konsequenz: Der Beweis für das Dahinfallen des Kausalzusammenhangs wurde von der Helvetia nicht erbracht. Das Urteil der Vorinstanz wurde aufgehoben.
  • Rückweisung: Die Sache wird an das kantonale Gericht zurückgewiesen, um ein unabhängiges gerichtliches Gutachten einzuholen und danach neu zu entscheiden.
  • Kosten der Privatgutachten: Die Vorinstanz muss auch über die Übernahme der Kosten für die privat eingeholten Gutachten der Beschwerdeführerin entscheiden, insbesondere da eine Gehörsverletzung durch die Helvetia dazu führte, dass diese Gutachten notwendig wurden.