Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_18/2024 vom 15. Juli 2025)
Das vorliegende Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (1C_18/2024 vom 15. Juli 2025) befasst sich mit der Beschwerde gegen die Umgruppierung einer Parzelle (Nr. 3015) von der Bauzone in die Landwirtschaftszone im Rahmen einer Teilrevision des lokalen Richtplans (PAL) der Gemeinde Corminboeuf, Kanton Freiburg. Die Beschwerdeführer sind der Eigentümer der Parzelle sowie die Begünstigten einer Baurechtsdienstbarkeit. Die Beschwerde richtete sich gegen einen Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg, der die Verfügung der kantonalen Raumplanungsbehörde (DIME) bestätigte.
I. Sachverhalt
- Ausgangslage: Im Jahr 2014 genehmigte die kantonale Raumplanungsbehörde (heute DIME) den lokalen Richtplan (PAL) der Gemeinde Corminboeuf unter bestimmten Auflagen. Zum 1. Januar 2017 fusionierte Corminboeuf mit der Gemeinde Chésopelloz.
- PAL-Revision und Agglomerationsprogramm: Im Oktober 2019 leitete die fusionierte Gemeinde Corminboeuf eine öffentliche Auflage zur Änderung des PAL ein, um den Genehmigungsauflagen der DIME nachzukommen und die Planung der beiden ehemaligen Gemeinden zu harmonisieren. Ohne Einsprachen wurden die Änderungen im Juni 2020 von der Gemeinde angenommen. Im August 2021 wurde ein Agglomerationsprogramm Fribourg der 4. Generation (PA4), das die Raumplanung, Mobilität, Landschaft und Umwelt koordiniert, vom Freiburger Staatsrat genehmigt.
- DIME-Entscheid: Im März 2022 signalisierte die DIME, gestützt auf einen Bericht des kantonalen Bau- und Raumplanungsamtes (SeCA), dass sie bestimmte gemeindliche Planungsmaßnahmen nicht genehmigen werde. Mit Entscheid vom 19. Oktober 2022 genehmigte die DIME die PAL-Revision teilweise, wies jedoch mehrere Parzellen, darunter die strittige Parzelle Nr. 3015, der Landwirtschaftszone zu, obwohl der PAL diese in der Bauzone belassen wollte.
- Vorinstanzlicher Entscheid: Das Kantonsgericht Freiburg wies die Beschwerde des Eigentümers und der Baurechtsberechtigten gegen die Umgruppierung der Parzelle Nr. 3015 in die Landwirtschaftszone ab.
- Bundesgerichtliche Beschwerde: Die Beschwerdeführer beantragten primär die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Rückweisung zur Neubeurteilung, subsidiär die Aufhebung der Umgruppierung der Parzelle Nr. 3015 in die Landwirtschaftszone. Die Gemeinde Corminboeuf beantragte überraschenderweise die Gutheissung der Beschwerde. Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) vertrat die Auffassung, der angefochtene Entscheid entspreche dem eidgenössischen Raumplanungsrecht. Während des Verfahrens wurde bekannt, dass ein neues Agglomerationsprogramm der 5. Generation (PA5) im Dezember 2024 angenommen und im April 2025 vom Staatsrat genehmigt wurde, welches die im PA4 eingeführten Urbanisierungsgrenzen wieder aufhebt. Die Relevanz dieser "Novas" wurde vom Bundesgericht offengelassen.
II. Hauptfragestellungen und rechtliche Grundlagen
Die zentralen rechtlichen Fragen des Urteils betrafen:
1. Das Recht auf Anhörung und Partizipation (Art. 4 und 33 RPG, Art. 29 Abs. 2 BV): Wurden die Beschwerdeführer ausreichend informiert und konnten sie sich äußern, insbesondere angesichts der Anwendung neuerer Richtpläne (PDCant, PA4) auf eine laufende PAL-Revision?
2. Die Begründungspflicht der Vorinstanz (Art. 29 Abs. 2 BV): Hat das Kantonsgericht die Argumente bezüglich der Gemeindeautonomie und der bereits überbauten Natur der Parzelle Nr. 3015 ausreichend behandelt?
3. Die materielle Rechtmäßigkeit der Umgruppierung (Art. 26 BV, Art. 1, 3, 8a, 15 RPG): Ist die Umgruppierung der Parzelle Nr. 3015 in die Landwirtschaftszone mit den Grundsätzen des Raumplanungsrechts, insbesondere der Siedlungsentwicklung nach innen, dem Konzentrationsprinzip und der Erschliessungsqualität, vereinbar? Dabei war auch die Bedeutung der kantonalen Richtpläne (PDCant, PA4) und des neuen PA5 zu klären.
III. Bundesgerichtliche Erwägungen
A. Formelle Rügen
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Recht auf Anhörung und Partizipation (Art. 4 und 33 RPG):
- Grundlagen: Das Bundesgericht führte aus, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 RPG die Bevölkerung über Planungsmaßnahmen informieren und ihr eine angemessene Partizipation ermöglichen soll. Art. 33 RPG schreibt die öffentliche Auflage von Zonenplänen vor, um das Recht auf Anhörung gemäss Art. 29 Abs. 2 BV zu gewährleisten. Das kantonale Recht (Art. 37 Abs. 1 und 2, Art. 86 Abs. 2 LATeC) konkretisiert diese Pflichten.
- Anwendung im Fall: Die DIME hatte die Gemeinde direkt über ihre Absicht, die Parzelle Nr. 3015 aus der Bauzone zu nehmen, informiert und dies im kantonalen Amtsblatt publiziert. Die Beschwerdeführer hatten daraufhin im Mai 2022 Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Bundesgericht befand, dass ihr Partizipationsrecht somit gewahrt wurde.
- Anwendung neuerer Richtpläne: Die Beschwerdeführer rügten, das Kantonsgericht hätte die Prinzipien des 2018 genehmigten kantonalen Richtplans (PDCant) und des 2021 genehmigten PA4 nicht auf die 2019 eingeleitete PAL-Revision anwenden dürfen. Das Bundesgericht stellte fest, dass es sich hier nicht um geringfügige Anpassungen, sondern um die umfassende Planung einer fusionierten Gemeinde handelte, wobei der PAL von Chésopelloz aus dem Jahr 1998 stammte. Das Prinzip der Planstabilität stehe der Überprüfung der Übereinstimmung mit übergeordnetem Recht nicht entgegen (Art. 26 Abs. 2 RPG, Art. 86 Abs. 3 LATeC). Die Revision des RPG im Jahr 2014 habe strengere Anforderungen an die Dimensionierung von Bauzonen und die überkommunale Koordination eingeführt. PDCant und PA4 seien für die Behörden verbindlich gewesen (Art. 18 Abs. 1, 32 Abs. 1 LATeC). Eine unmittelbare Anwendung der Prinzipien des höheren Rechts sei geboten und könne nicht auf eine spätere Revision verschoben werden. Der Einwand wurde abgewiesen.
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Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV):
- Die Beschwerdeführer machten geltend, das Kantonsgericht habe sich nicht zu ihren Argumenten betreffend die Verletzung der Gemeindeautonomie und der überbauten Natur der Parzelle Nr. 3015 geäussert.
- Anwendung im Fall: Das Bundesgericht stellte fest, dass die Vorinstanz die Gründe für die Umgruppierung detailliert dargelegt hatte. Die Gemeindeautonomie wurde implizit verneint, indem die DIME als Genehmigungsbehörde (Art. 26 Abs. 2 RPG) die Planungsprüfung der Gemeinde als unzureichend erachten durfte; die Gemeindeautonomie könne der Anwendung grundlegender raumplanungsrechtlicher Vorschriften nicht entgegenstehen. Die explizite Auseinandersetzung mit den Begriffen "nicht besetzt" oder "nicht bebaut" des PA4 sei nicht notwendig gewesen, da die Umgruppierung primär auf den allgemeinen Prinzipien des RPG beruhte. Der Vorwurf der Verletzung der Begründungspflicht wurde daher zurückgewiesen.
B. Materielle Rügen (Umgruppierung in die Landwirtschaftszone)
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Prüfungsmaßstab und Eigentumsgarantie (Art. 26, 36 BV):
- Eine Umgruppierung in die Landwirtschaftszone stellt eine Eigentumsbeschränkung dar, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismäßig sein muss. Das Bundesgericht prüft dies grundsätzlich frei, übt aber eine gewisse Zurückhaltung bei lokalen Gegebenheiten oder reinen Ermessensfragen aus (BGE 136 I 265 E. 2.3).
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Bedeutung von PDCant und PA4/PA5:
- Ausgangspunkt: Die Vorinstanz stützte die Umgruppierung auf das Raumplanungsgesetz und ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Konzentration und Begrenzung der Urbanisierung. Sie verwies auf den PA4, der ein kompaktes Bauzonenwachstum innerhalb der Urbanisierungsgrenzen fördere und die Umgruppierung unbebauter Parzellen außerhalb dieser Grenzen vorsehe. Parzelle Nr. 3015 liege zwar im Urbanisierungsgebiet (TU) des PDCant, aber ausserhalb der engeren Urbanisierungsgrenzen des PA4.
- Interpretation des TU: Das Bundesgericht bestätigte die Auslegung des Kantonsgerichts, dass das TU des PDCant eine viel größere Fläche umfasse als die tatsächlichen Nutzungsbedürfnisse und nicht den Willen des kantonalen Planers darstelle, alle diese Flächen als Bauzonen zu erhalten. Das TU bezeichne Bereiche, in denen Bauzonen "bei erwiesenem Bedarf geprüft werden können" (PDCant, strategischer Teil, Ziff. 2.2). Die Einordnung einer Parzelle ins TU sei daher nicht allein ausschlaggebend; es müssten die RPG-Kriterien, insbesondere der prognostizierte Bedarf für 15 Jahre (Art. 15 RPG), erfüllt sein. Der kantonale Richtplan binde die Genehmigungsbehörde nicht bei der Überprüfung der PAL-Konformität im Einzelfall (BGE 1C_280/2023 E. 4.5).
- Bedeutung von PA4/PA5: Das Bundesgericht hielt fest, dass Agglomerationsprogramme zwar Planungsinstrumente sind, die für Behörden grundsätzlich verbindlich sind, jedoch im Rahmen der Nutzungsplanung eine feinere Analyse auf Gemeindeebene zulassen (vgl. BGE 1C_288/2023 E. 2.3). Auch wenn das Kantonsgericht seine Analyse zunächst an den Urbanisierungsgrenzen des PA4 ausgerichtet hatte, beruhte seine Prüfung im Wesentlichen auf den Prinzipien des eidgenössischen Raumplanungsrechts (Art. 1 Abs. 2 lit. a bis und b RPG – Siedlungsentwicklung nach innen, kompaktes Baugebiet; Art. 3 Abs. 3 lit. a RPG – sinnvolle Verteilung von Wohn- und Arbeitsstätten und gute ÖV-Erschliessung). Die konkrete "Urbanisierungsgrenze" des PA4 und ihre spätere Aufhebung durch das PA5 waren daher letztlich nicht ausschlaggebend für die Beurteilung nach Bundesrecht.
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Mangelnde Eignung der Parzelle Nr. 3015 für Verdichtung/Urbanisierung (Art. 1 Abs. 2 lit. a bis und b, Art. 15 RPG):
- Grundlagen: Art. 15 RPG verlangt, dass Bauzonen dem prognostizierten Bedarf der nächsten 15 Jahre entsprechen müssen und überdimensionierte Zonen zu reduzieren sind. Das Konzentrationsprinzip (Art. 1 Abs. 2 lit. a bis RPG) zielt darauf ab, die Bebauung im bestehenden Siedlungsgebiet zu konzentrieren, Streusiedlungen zu vermeiden und Kulturland zu schützen. Kleine, isolierte Bauzonen ausserhalb des bestehenden Siedlungsgebiets sind raumplanungsrechtlich unzulässig (BGE 124 II 391 E. 3a).
- Anwendung im Fall: Das Dorf Chésopelloz ist schwach bebaut, umgeben von Feldern und Wäldern. Die Parzelle Nr. 3015 (3'701 m², davon 1'781 m² bebaut) liegt am südlichen Rand der Route du Vallon, direkt an landwirtschaftliche Flächen angrenzend. Angrenzende Parzellen sind ebenfalls der Landwirtschaftszone zugewiesen worden oder liegen in dieser. Die Bebauungsdichte in Chésopelloz ist gering und steht im Kontrast zur dichten Bebauung in Corminboeuf. Die Parzelle Nr. 3015 befindet sich am unmittelbaren Rand des Siedlungsgebiets und ist vom kompakteren Dorfkern abgesetzt. Der Dorfkern selbst ist mit weniger als 5 Hektar zusammenhängender Baufläche nicht als "prioritärer Urbanisierungskern" im Sinne des PDCant (T101) einzustufen. Es handelt sich um eine typische "kleine, isolierte Bauzone", die die Streusiedlung fördern würde. Die Siedlungsentwicklung nach innen und die Schaffung eines kompakten Siedlungsgebiets sind hier überwiegende öffentliche Interessen. Die Beschwerdeführer machten zudem keinen 15-Jahres-Bedarf geltend.
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Ungenügende Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr (Art. 3 Abs. 3 lit. a RPG):
- Grundlagen: Art. 3 Abs. 3 lit. a RPG verlangt eine sinnvolle Verteilung von Wohn- und Arbeitsstätten und deren prioritäre Planung an gut mit dem öffentlichen Verkehr erschlossenen Standorten. Diese Anforderung gilt auch für die Verdichtung bestehender Gebiete. Das PDCant (T103) erlaubt Verdichtung ohne besondere Grenzen nur bei ÖV-Erschliessungsqualität C oder besser.
- Anwendung im Fall: Die Beschwerdeführer bestritten nicht, dass die ÖV-Anbindung von Chésopelloz (Buslinie 542, eine Umsteigeverbindung, >2 Stunden Wartezeit) mit Qualitätsniveau "D" unzureichend für eine Verdichtung ist. Die schlechte ÖV-Anbindung ist ein weiteres Argument für die Umgruppierung.
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Keine Überdimensionierung der Bauzonen der Fusionsgemeinde:
- Das Bundesgericht bestätigte die Auffassung des Kantonsgerichts, dass das Fehlen einer Überdimensionierung der gesamten Bauzonen der fusionierten Gemeinde die Umgruppierung der einzelnen Parzelle Nr. 3015 nicht ausschliesst. Die RPG-Prinzipien zielen nicht nur auf eine quantitative Reduzierung ab, sondern auch auf eine qualitative Neudefinition der Standorte, um die Siedlungsentwicklung nach innen zu steuern und Zersiedelung zu vermeiden.
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Interessenabwägung:
- Die Umgruppierung der Parzelle in die Landwirtschaftszone wurde als geeignet und notwendig erachtet, um die raumplanerischen Ziele zu erreichen. Das Bundesgericht befand, dass das Kantonsgericht eine umfassende Interessenabwägung vorgenommen und sich nicht schematisch auf die Urbanisierungsgrenzen des PA4 beschränkt hatte. Die öffentlichen Interessen des Raumplanungsrechts überwiegen das private finanzielle Interesse der Beschwerdeführer an der Bebaubarkeit ihrer Parzelle. Die Beschwerdeführer behalten im Übrigen die Möglichkeiten des Art. 24c Abs. 2 RPG (teilweise Umgestaltung oder massvolle Erweiterung bestehender Bauten). Das Vorhandensein eines Bauprojekts oder einer Erschliessung begründet kein Recht auf Bauzone. Die Beibehaltung der noch unbebauten Fläche von 1'920 m² als Bauzone würde den Verfassungsprinzipien der Konzentration und der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet zuwiderlaufen. Nur die Umgruppierung der gesamten Parzelle erfüllt die öffentlichen Interessen.
IV. Schlussfolgerung
Das Bundesgericht wies die Beschwerde vollumfänglich ab. Die Gerichtskosten wurden den Beschwerdeführern auferlegt. Die Gemeinde Corminboeuf erhielt keine Parteientschädigung, da sie die Gutheissung der Beschwerde beantragt hatte.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
- Umgruppierung von Bau- in Landwirtschaftszone bestätigt: Die strittige Parzelle Nr. 3015 in der fusionierten Gemeinde Corminboeuf wurde zu Recht der Landwirtschaftszone zugewiesen.
- Anwendung neuerer Richtpläne: Auch bei einer laufenden Teilrevision eines lokalen Richtplans müssen neuere, übergeordnete kantonale Richtpläne (PDCant, PA4) berücksichtigt werden, insbesondere bei einer Revision infolge Gemeindefusion und bei einem veralteten Plan. Die "Novas" des PA5 waren nicht entscheidend.
- Partizipationsrecht gewahrt: Die Beschwerdeführer hatten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme, als die kantonale Behörde eine von der Gemeindeplanung abweichende Umgruppierung beabsichtigte.
- Überwiegende öffentliche Interessen: Die Umgruppierung dient wichtigen raumplanerischen Zielen:
- Siedlungsentwicklung nach innen und Konzentrationsprinzip (Art. 1 und 15 RPG): Die Parzelle liegt am Rand des Siedlungsgebiets in einer schwach bebauten Zone, die nicht als kompakter Siedlungskern für Verdichtung geeignet ist, und würde zur Streusiedlung beitragen.
- Mangelnde ÖV-Erschliessung (Art. 3 RPG): Die schlechte Qualität der öffentlichen Verkehrsanbindung ("D") ist ein weiteres Argument gegen die Beibehaltung der Bauzone.
- Interessenabwägung: Das öffentliche Interesse an einer geordneten und nachhaltigen Raumentwicklung überwiegt das private Interesse an der Bebaubarkeit der Parzelle. Das Fehlen einer Überdimensionierung der Bauzonen der gesamten Gemeinde steht der Umgruppierung einzelner Parzellen nicht entgegen, wenn diese den raumplanerischen Zielen zuwiderlaufen.