Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_276/2024 vom 21. Juli 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts (2C_276/2024, 2C_469/2024 vom 21. Juli 2025) detailliert zusammen.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_276/2024 und 2C_469/2024 vom 21. Juli 2025

1. Einleitung und Sachverhalt

Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts befasst sich mit zwei Beschwerden der A._ AG, einer Betreiberin einer Anlage zur Produktion von Dämmstoffen aus Mineralwolle in U._. Die A.__ AG beabsichtigte, ihre bisher mit Koks befeuerten Kupolöfen durch elektrische Schmelz-Reduktionsöfen zu ersetzen, was eine erhebliche Reduktion ihrer jährlichen CO2-Emissionen von ca. 35'000 Tonnen auf ca. 12'000 Tonnen (ca. 67%) zur Folge hat.

Aufgrund ihrer hohen Emissionen war die A._ AG zur verpflichtenden Teilnahme am Schweizer Emissionshandelssystem (EHS) gemäss CO2-Gesetz und CO2-Verordnung verpflichtet. Im Zuge ihrer Umstellung stellte die A._ AG zwei zentrale Gesuche beim Bundesamt für Umwelt (BAFU): 1. Am 21. Dezember 2021: Gesuch um Ausstellung von Bescheinigungen für die im Inland freiwillig erzielte Verminderung der Treibhausgasemissionen. 2. Am 30. Mai 2022 (erneut am 28. November 2022 mit Austrittsdatum 1. Januar 2024): Gesuch um Austritt aus dem EHS.

Das BAFU lehnte beide Gesuche ab. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der A._ AG wies das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ebenfalls ab. Mit den vorliegenden Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gelangte die A._ AG ans Bundesgericht.

2. Prozessuale Aspekte

Das Bundesgericht hat die beiden Verfahren (2C_276/2024 betreffend Bescheinigungen und 2C_469/2024 betreffend EHS-Austritt) aufgrund des zugrundeliegenden identischen Sachverhalts und der engen rechtlichen Zusammenhänge gemäss Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP vereinigt. Die Beschwerden richten sich gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit die Beschwerdeführerin die Aufhebung der ursprünglichen BAFU-Verfügungen beantragt, ist das Bundesgericht nicht eingetreten, da diese durch die vorinstanzlichen Urteile ersetzt wurden (Devolutiveffekt).

3. Massgebende Rechtsgrundlagen und zeitliche Anwendbarkeit

Für die Beurteilung des Sachverhalts sind primär das Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Gesetz; SR 641.71) in der Fassung vom 1. Januar 2022 und die Verordnung über die Reduktion der CO2-Emissionen (CO2-Verordnung; SR 641.711) in der Fassung vom 1. Juni 2022 massgebend. Der Zeitpunkt des Abschlusses des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens (Erlass der BAFU-Verfügungen) ist entscheidend.

Das CO2-Gesetz verfolgt das Ziel, Treibhausgasemissionen zu vermindern und den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen (Art. 1 Abs. 1 CO2-G). Hierfür sieht es verschiedene Instrumente vor, die im Kern dieses Urteils stehen:

  • Bescheinigungen für Emissionsverminderungen (Art. 5-7 CO2-G, Art. 5-14 CO2-V): Für im Inland freiwillig erzielte Verminderungen von Treibhausgasemissionen können Bescheinigungen ausgestellt werden. Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 CO2-V werden solche Bescheinigungen jedoch nicht für Treibhausgasemissionen ausgestellt, die vom Emissionshandelssystem erfasst sind. Weitere Voraussetzungen sind u.a., dass das Projekt ohne Bescheinigungserlös nicht wirtschaftlich wäre, dem Stand der Technik entspricht und zu zusätzlichen Verminderungen führt.
  • Emissionshandelssystem (EHS, Art. 15 ff. CO2-G, Art. 40 ff. CO2-V): Betreiber von Anlagen mit hohen Treibhausgasemissionen sind zur obligatorischen Teilnahme am EHS verpflichtet (Art. 16 Abs. 1 CO2-G). Im Gegenzug erhalten sie eine Rückerstattung der CO2-Abgabe. Die Teilnahme ist für Hersteller von Dämmmaterial aus Mineralwolle mit einer Schmelzkapazität von über 20 t pro Tag verpflichtend (Ziff. 14 Anhang 6 CO2-V).
    • Austritts-/Ausnahmeregelungen aus dem EHS:
      • Art. 41 Abs. 1 CO2-V: Austritt per Folgejahr, wenn Emissionen in den vergangenen drei Jahren unter 25'000 Tonnen CO2eq pro Jahr lagen (ordentlicher Austritt).
      • Art. 41 Abs. 1bis CO2-V: Sofortiger Austritt für neue Anlagenbetreiber gemäss Art. 40 Abs. 2 CO2-V, die glaubhaft nachweisen, dass ihre Emissionen dauerhaft unter 25'000 Tonnen CO2eq liegen werden (Ausnahme für neue Teilnehmer).
      • Art. 43a CO2-V: Austritt per Folgejahr, wenn keine Tätigkeit nach Anhang 6 mehr ausgeübt wird.

4. Begründung des Gerichts im Detail

Das Bundesgericht prüft die Argumente der Beschwerdeführerin in zwei Hauptteilen: zuerst den begehrten sofortigen Austritt aus dem EHS, dann den Anspruch auf Emissionsbescheinigungen.

4.1. Prüfung des Austritts aus dem EHS (Verfahren 2C_469/2024)

Die Beschwerdeführerin ist unbestrittenermassen zur Teilnahme am EHS verpflichtet (Art. 40 Abs. 1 CO2-V i.V.m. Anhang 6 Ziff. 14 CO2-V). Sie erfüllt die Voraussetzungen für einen ordentlichen Austritt gemäss Art. 41 Abs. 1 CO2-V nicht, da ihre Emissionen in den letzten drei Jahren über dem Schwellenwert von 25'000 Tonnen CO2eq lagen. Auch Art. 43a CO2-V, der den Austritt bei Einstellung der EHS-pflichtigen Tätigkeit regelt, kommt nicht zur Anwendung, da die Beschwerdeführerin die Produktion fortsetzt.

Der Kern des Arguments der Beschwerdeführerin liegt in der Forderung nach einer analogen Anwendung von Art. 41 Abs. 1bis CO2-V. Sie argumentiert, die Gesetzgebung weise eine planwidrige Unvollständigkeit (Lücke) auf, da sie der Konstellation einer einmaligen, aber markanten Reduktion der Treibhausgasemissionen (wie durch den Ersatz der Öfen) durch einen bestehenden Teilnehmer nicht Rechnung trage. Daher müsse ihr ein sofortiger Austritt ermöglicht werden, ähnlich wie einem neuen Marktteilnehmer.

Das Bundesgericht weist dieses Argument zurück mit folgender Begründung:

  • Keine echte Gesetzeslücke: Das Bundesgericht legt dar, dass die Voraussetzungen für den Austritt oder die Ausnahme vom EHS in Art. 41 Abs. 1, 1bis und 43a CO2-V ausdrücklich und detailliert geregelt sind. Der Verordnungsgeber hat diese Fragen somit nicht übersehen oder zu regeln unterlassen. Es liegt daher keine echte Lücke im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vor, die das Gericht füllen könnte (vgl. BGE 149 V 156 E. 7.2.1).
  • Keine Korrektur einer unechten Lücke: Höchstens könnte von einer unechten Lücke gesprochen werden, d.h. die Regelung führt aus Sicht der Beschwerdeführerin zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Die Korrektur unechter Lücken ist dem Gericht jedoch grundsätzlich verwehrt. Ein solches Abweichen ist nur in Ausnahmefällen, etwa bei Rechtsmissbrauch, zulässig, was hier nicht gegeben ist.
  • Ablehnung der analogen Anwendung: Eine analoge Anwendung von Art. 41 Abs. 1bis CO2-V ist daher nicht geboten.

Des Weiteren rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (Art. 8 Abs. 1 BV) und des Grundsatzes der Gleichbehandlung direkter Konkurrenten (Art. 27 Abs. 1 BV). Sie fordert eine Gleichbehandlung mit einem Betreiber, der eine Tätigkeit neu aufnimmt. Das Bundesgericht verneint dies:

  • Keine vergleichbaren Sachverhalte: Die Situation eines bestehenden EHS-Teilnehmers, der seine Emissionen massiv reduziert, ist mit der eines neuen Marktteilnehmers, der überhaupt erst eine EHS-pflichtige Tätigkeit aufnimmt, nicht vergleichbar. Die Beschwerdeführerin nimmt bereits seit Jahren am EHS teil; es handelt sich nicht um eine Neuaufnahme einer Tätigkeit im Sinne von Art. 40 Abs. 2 CO2-V.
  • Legitime sachliche Gründe für die Differenzierung: Das Bundesgericht verweist auf den erläuternden Bericht zur Änderung der CO2-Verordnung von 2019, der die Einführung von Art. 41 Abs. 1bis CO2-V begründet. Demnach wurde die Ausnahme für neue Betreiber geschaffen, weil diese keine repräsentativen historischen CO2-Emissionsdaten aufweisen und das Erfordernis einer dreijährigen Teilnahme am EHS sowie der Aufwand für die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten unverhältnismässig wären. Diese Gründe betreffen nicht die Beschwerdeführerin als langjährigen EHS-Teilnehmer. Die Differenzierung beruht somit auf einem legitimen sachlichen Grund und ist mit den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsätzen vereinbar.

Ergebnis EHS-Austritt: Die Beschwerdeführerin kann nicht mit sofortiger Wirkung aus dem EHS austreten.

4.2. Prüfung der Ausstellung von Bescheinigungen (Verfahren 2C_276/2024)

Die Ausstellung von Bescheinigungen für Emissionsverminderungen setzt gemäss Art. 7 Abs. 1 CO2-G voraus, dass diese "im Inland freiwillig erzielt" wurden.

  • Begriff der "Freiwilligkeit": Das Bundesgericht präzisiert, dass Emissionsverminderungen als freiwillig gelten, wenn sie nicht zur Erfüllung einer gesetzlichen Emissionsbegrenzungspflicht erzielt werden. Die Pflicht zur Teilnahme am EHS stellt eine solche gesetzliche Emissionsbegrenzungspflicht dar.
  • Ausschluss von EHS-erfassten Emissionen: Art. 5 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 CO2-V verankert diesen Grundsatz explizit: Bescheinigungen werden nur ausgestellt, wenn die Emissionsverminderungen nicht Treibhausgasemissionen betreffen, die vom EHS erfasst sind.
  • Anwendung auf den Fall: Da die Beschwerdeführerin weiterhin verpflichtend dem EHS untersteht (wie unter 4.1. festgestellt), sind ihre Emissionsverminderungen nicht als "freiwillig" im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren. Die Reduktionen fallen in den Anwendungsbereich des EHS.
  • Vermeidung von Doppelzählungen: Die gesetzliche Systematik soll Doppelzählungen vermeiden: EHS-Teilnehmer profitieren von der CO2-Abgabebefreiung und können allenfalls Emissionsrechte verkaufen, wenn ihre Emissionen sinken. Eine zusätzliche Bescheinigung würde eine doppelte Begünstigung darstellen.
  • Finanzielle Anreize: Das Bundesgericht hält fest, dass das CO2-Gesetz keinen eigentlichen Finanzierungsmechanismus zwecks kostendeckender Projektfinanzierung verankert. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im EHS möglicherweise finanziell schlechter dasteht als mit Bescheinigungen, ist daher kein Argument für ihren Anspruch.
  • Keine partielle Bescheinigung: Auch der Wunsch nach Bescheinigungen für den Teil der Reduktionen, der unter den Schwellenwert von 25'000 Tonnen CO2eq fallen würde, ist unbegründet, da die Beschwerdeführerin als EHS-Unternehmen insgesamt dieser Pflicht unterliegt.

Zusätzlicher Hinweis (obiter dictum): Das Bundesgericht weist ergänzend darauf hin, dass die seit dem 1. Juni 2022 geltende Regelung in Art. 5 Abs. 1 lit. a CO2-V i.V.m. Anhang 3 lit. f CO2-V ohnehin keine nationalen Bescheinigungen mehr vorsieht, wenn Emissionsverminderungen – wie im vorliegenden Fall – durch Strom als Brennstoffersatz für Prozesswärme erzielt werden. Dies hätte selbst bei einem Austritt aus dem EHS einen Anspruch auf Bescheinigungen in der Zukunft verneint.

Ergebnis Bescheinigungen: Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf Ausstellung von Bescheinigungen.

5. Fazit

Das Bundesgericht weist die Beschwerden der A.__ AG in beiden Verfahren ab. Die Vorinstanz habe das Bundesrecht nicht verletzt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Kein sofortiger Austritt aus dem EHS: Für bestehende Teilnehmer des Emissionshandelssystems (EHS) existiert keine gesetzliche Grundlage für einen sofortigen Austritt, selbst bei drastischer und dauerhafter Emissionsreduktion. Die hierfür massgebenden Verordnungsbestimmungen (Art. 41 Abs. 1, 1bis, 43a CO2-V) sind abschliessend und sehen eine solche Möglichkeit für die vorliegende Konstellation nicht vor. Eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung für neue Marktteilnehmer (Art. 41 Abs. 1bis CO2-V) wird vom Bundesgericht verneint, da keine echte Gesetzeslücke vorliegt und die Situationen nicht vergleichbar sind, was auch keine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots begründet.
  2. Kein Anspruch auf Emissionsbescheinigungen: Die Emissionsverminderungen der Beschwerdeführerin sind nicht "freiwillig" im Sinne des CO2-Gesetzes (Art. 7 Abs. 1 CO2-G) und der CO2-Verordnung (Art. 5 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 CO2-V). Da die A.__ AG weiterhin obligatorisch am EHS teilnimmt, unterliegen ihre Emissionen und deren Reduktion den Regeln des EHS. Eine Bescheinigung für diese Reduktionen würde dem Prinzip der Vermeidung von Doppelzählungen widersprechen. Die CO2-Gesetzgebung sieht zudem keinen Mechanismus zur kostendeckenden Projektfinanzierung vor, sodass finanzielle Nachteile für den Beschwerdeführer unerheblich sind.
  3. Systematik der CO2-Gesetzgebung: Das Urteil betont die getrennte Betrachtung der Instrumente des EHS und der Bescheinigungen für freiwillige Reduktionen. Ein Wechsel oder eine Kombination ist nur unter den vom Gesetzgeber klar definierten Voraussetzungen möglich, die hier nicht erfüllt sind.