Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_318/2025 vom 11. August 2025

Es handelt sich um ein experimentelles Feature. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Zusammenfassung.

Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen:

Bundesgerichtsentscheid 2C_318/2025 vom 11. August 2025

Gegenstand: Bestätigung bzw. Verlängerung der Durchsetzungshaft.

I. Sachverhalt und Verfahrensgeschichte

Der Beschwerdeführer, A.__, geboren 1981 und kenianischer Staatsbürger, reiste 1992 in die Schweiz ein und erhielt später eine Niederlassungsbewilligung. Mit Urteil des Bezirksgerichts Horgen vom 26. Februar 2013 wurde er wegen Brandstiftung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher Pornografie, versuchter Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie mehrfacher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Vollzug wurde zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben.

Am 5. Dezember 2014 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung und forderte A._ auf, das schweizerische Staatsgebiet "unverzüglich nach der Entlassung aus der stationären Massnahme zu verlassen". Die Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos. Nach seiner Entlassung aus der Massnahme am 20. September 2017 verblieb A._ in der Schweiz und wurde erneut straffällig, unter anderem wegen mehrfacher Missachtung einer Ausgrenzung (Strafbefehl vom 12. Februar 2025).

Infolge dieser Umstände wurde A._ am 12. Februar 2025 vom Migrationsamt in Durchsetzungshaft versetzt. Das Zwangsmassnahmengericht bestätigte die Haft, doch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hob diesen Entscheid wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs (mangelnde Teilnahmemöglichkeit des Rechtsvertreters) auf und wies die Sache zurück. Während des Rückweisungsverfahrens ersuchte das Migrationsamt am 4. März 2025 um Verlängerung der Durchsetzungshaft bis zum 12. Mai 2025, was das Zwangsmassnahmengericht am 5. März 2025 bewilligte. Das Verwaltungsgericht vereinigte die hängigen Beschwerden von A._ und wies sie am 9. Mai 2025 ab.

A.__ gelangte daraufhin an das Bundesgericht. Am 16. Juni 2025 wurde er aus der Durchsetzungshaft entlassen und dem Justizvollzug zugeführt. Er beantragte vor Bundesgericht die Aufhebung des kantonalen Urteils, seine sofortige Freilassung sowie eventualiter die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung seit dem 12. Februar 2025.

II. Massgebende Rechtsgrundlagen und Prüfungsrahmen des Bundesgerichts

  1. Eintretensvoraussetzungen (Art. 89 Abs. 1 BGG): Obwohl A._ während des bundesgerichtlichen Verfahrens aus der Durchsetzungshaft entlassen wurde, bejahte das Bundesgericht das aktuelle und praktische Interesse an der Beschwerde. Dies war der Fall, weil A._ in vertretbarer Weise eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 lit. f der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) rügte und einen Feststellungsantrag gestellt hatte. Im Bereich der ausländerrechtlichen Administrativhaft ist ein solches Feststellungsbegehren zulässig, um die Bedeutung der EMRK-Garantien zu gewährleisten, selbst wenn der Freiheitsentzug bereits beendet ist (vgl. BGE 147 II 49 E. 1.2.1; 142 I 135 E. 1.3.1).

  2. Kognition (Art. 105 Abs. 1 BGG): Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz festgestellt wurde. Abweichungen sind nur bei offensichtlicher Unrichtigkeit (Willkür) oder einer Rechtsverletzung, die für den Verfahrensausgang entscheidend ist, möglich. Vorliegend waren die Sachverhaltsfeststellungen unbestritten.

  3. Rechtliche Grundlagen der Durchsetzungshaft (Art. 78 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK):

    • Zweck und Voraussetzungen: Die Durchsetzungshaft dient gemäss Art. 78 Abs. 1 AIG dazu, eine ausreisepflichtige Person, deren rechtskräftige Wegweisung aufgrund ihres persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden kann, zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Sie ist eine ultima ratio, wenn andere, mildere Massnahmen nicht zum Ziel führen und die Ausschaffungshaft nicht zulässig ist. Sie basiert auf Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK, der die Haft zur Sicherung eines Ausweisungsverfahrens zulässt (BGE 147 II 49 E. 2.2.1).
    • Verhältnismässigkeit: Die Haft muss verhältnismässig sein (Art. 5 Abs. 2 BV). Dies bedeutet, sie muss geeignet, erforderlich und zumutbar sein. Dabei sind das Verhalten der betroffenen Person (insbesondere ihre Kooperationsbereitschaft), aber auch familiäre Verhältnisse und besondere Schutzbedürfnisse zu berücksichtigen (BGE 147 II 49 E. 2.2.2).
    • Eignung und Durchführbarkeit: Die Haft muss ernsthaft geeignet sein, den absehbaren Vollzug der Wegweisung sicherzustellen. Der Vollzug darf weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen als undurchführbar erscheinen (Art. 80 Abs. 6 lit. a AIG). Die Durchführbarkeit ist Gegenstand einer Prognose; es muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der zwangsweise Vollzug in absehbarer Zeit erfolgen kann (BGE 140 II 74 E. 2.1).
    • Besonderheit Kenia: Zwischen der Schweiz und Kenia besteht kein Rückübernahmeabkommen. Die kenianische Botschaft stellt ein Laissez-Passer nur an freiwillige Rückkehrer aus, was die Kooperation der ausländischen Person für den Wegweisungsvollzug voraussetzt.

III. Rügen des Beschwerdeführers und die detaillierte Begründung des Bundesgerichts

Der Beschwerdeführer rügte die Verletzung verschiedener Bestimmungen, darunter Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK.

  1. Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV):

    • Beschwerdeführer: Rügte, die Vorinstanzen hätten sich nicht mit der Möglichkeit einer zwangsweisen Ausschaffung ohne seine Kooperation (angeblich durch eine "Offerte" der kenianischen Botschaft) befasst und mildere Massnahmen wie die Eingrenzung pauschal verworfen. Zudem sei der Einwand einer um "zwei Monate und sieben Tage" verlängerten Haft nicht behandelt worden.
    • Bundesgericht: Verwarf die Rügen. Da die kenianische Botschaft Laissez-Passer grundsätzlich nur an freiwillige Rückkehrer ausstellt, sei die vom Beschwerdeführer ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer Ausschaffung ohne seine Zustimmung letztlich hypothetisch und musste von der ersten Instanz nicht vertieft geprüft werden. Mildere Massnahmen seien aufgrund der mehrfachen Delinquenz und der unbestrittenen mehrfachen Missachtung einer Ausgrenzung durch den Beschwerdeführer ausgeschlossen. Hinsichtlich des "zwei Monate und sieben Tage"-Arguments sei die Vorinstanz nicht gehalten gewesen, dieses detailliert abzuhandeln; die Bestätigung des angefochtenen Entscheids impliziere eine hinreichende Auseinandersetzung und zeige, dass der Standpunkt des Beschwerdeführers als nicht stichhaltig erachtet wurde. Die Begründungsanforderungen seien insgesamt erfüllt.
  2. Fehlende Ausreisefrist (Art. 78 Abs. 1 AIG):

    • Beschwerdeführer: Machte geltend, die Ansetzung einer konkreten Ausreisefrist sei eine unabdingbare formelle Voraussetzung für die Durchsetzungshaft, welche in seinem Fall fehle.
    • Bundesgericht: Entgegen dem Wortlaut von Art. 78 Abs. 1 AIG ist die Ansetzung einer ausdrücklichen Ausreisefrist nicht zwingend. Die Haftvoraussetzung ist bereits erfüllt, wenn eine Person rechtskräftig und ohne Frist weggewiesen wurde (Urteil 2C_712/2022 E. 3.2.1). Im vorliegenden Fall wurde A.__ aufgefordert, "unverzüglich nach der Entlassung aus der stationären Massnahme" die Schweiz zu verlassen. Dies war für ihn ohne Weiteres erkennbar und genügt den Anforderungen.
  3. Ablauf des Haftverlängerungsverfahrens (Art. 78 Abs. 2 AIG):

    • Beschwerdeführer: Kritisierte, die Haft sei "faktisch um zwei Monate und sieben Tage verlängert" worden, da das Gesuch am 4. März 2025 gestellt und die Haft bis zum 12. Mai 2025 bewilligt worden sei, was der gesetzlichen Vorgabe einer Verlängerung um jeweils zwei Monate widerspreche.
    • Bundesgericht: Wies die Kritik zurück. Massgebend für die Rechtmässigkeit der Verlängerung ist, dass das Verlängerungsgesuch und die gerichtliche Genehmigung innerhalb der laufenden Haftdauer erfolgen (was hier mit Gesuch am 4. März 2025 und Bewilligung am 5. März 2025 bei einer Haftdauer bis 12. März 2025 der Fall war). Die maximale Dauer der Haftverlängerung von zwei Monaten bezieht sich auf die effektive Verlängerungsdauer der bereits angeordneten Haft, nicht auf die Zeitspanne zwischen Gesuchstellung und Enddatum der Haft. Der Zeitpunkt der Gesuchstellung ist nur für die Einhaltung der Frist relevant, nicht für die Berechnung der Verlängerungsdauer.
  4. Verhältnismässigkeit der Durchsetzungshaft:

    • Beschwerdeführer: Argumentierte, aufgrund seines Gesundheitszustandes und psychischer Beschwerden (paranoiden Schizophrenie) sei eine Verhaltensveränderung durch die Haft nicht zu erwarten, da er kognitiv-mental nicht zur Kooperation fähig sei. Zudem sei eine Wegweisung auch ohne seine Zustimmung in Zusammenarbeit mit kenianischen Behörden möglich.
    • Bundesgericht:
      • Sachverhaltsbindung: Betonte, dass es an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Der angefochtene Entscheid enthalte keine Feststellungen, die eine Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeit zur Kooperation oder zur Einsicht in seine ausländerrechtliche Situation belegen würden. Allein die Erwähnung einer paranoiden Schizophrenie im Protokoll der Hafteinvernahme genüge nicht für eine solche Feststellung.
      • Eignung und Erforderlichkeit: Da der Beschwerdeführer sich konsequent geweigert habe, freiwillig nach Kenia zurückzukehren, und die kenianischen Behörden ohne seine Kooperation kein Laissez-Passer ausstellen, scheitere der Vollzug der Wegweisung aktuell an seinem Verhalten. Unter diesen Umständen sei die Bejahung der Eignung und Erforderlichkeit der Durchsetzungshaft durch die Vorinstanz nicht zu beanstanden. Die vom Beschwerdeführer ins Spiel gebrachte Möglichkeit einer unfreiwilligen Ausschaffung mit Begleitung durch kenianische Behörden bleibe hypothetisch.
      • Mildere Massnahmen: Aufgrund der mehrfachen Delinquenz des Beschwerdeführers und insbesondere der mehrfachen Missachtung einer Ausgrenzung sei davon auszugehen, dass mildere Massnahmen wie eine erneute Eingrenzung nicht wirksam wären.
      • Gesundheitszustand und Vollzugsdurchführbarkeit: Die Rüge, sein Gesundheitszustand stehe dem Wegweisungsvollzug entgegen, vermöge das Bundesgericht nicht zu überzeugen, da die verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz keine konkrete und unmittelbare Unzumutbarkeit des Vollzugs ergeben. Die Vollzugsbehörde bleibe jedoch verpflichtet, die Umstände, die eine Undurchführbarkeit der Wegweisung nach sich ziehen könnten, laufend zu prüfen.

IV. Ergebnis

Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab. Die Durchsetzungshaft erwies sich als rechtmässig. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde entsprochen.

V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte

Das Bundesgericht bestätigte die Rechtmässigkeit der Durchsetzungshaft gegen A.__, einen kenianischen Staatsbürger mit rechtskräftiger Wegweisung und mehrfacher Straffälligkeit. 1. Haftzweck und -grundlage: Die Haft dient der Durchsetzung der Ausreisepflicht, da der Vollzug an der mangelnden Kooperation des Beschwerdeführers scheitert, insbesondere weil Kenia Laissez-Passer nur an freiwillige Rückkehrer ausstellt. Die Haft ist gemäss Art. 78 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK zulässig und erfüllt den ultima ratio-Charakter. 2. Anforderungen an die Ausreisefrist: Es ist keine ausdrücklich angesetzte Ausreisefrist erforderlich; die Aufforderung, "unverzüglich nach Entlassung" auszureisen, genügt. 3. Haftverlängerungsverfahren: Die Verlängerung der Haft erfolgte fristgerecht. Die maximale Dauer von zwei Monaten bezieht sich auf die effektive Verlängerungsdauer, nicht auf die Zeitspanne zwischen Gesuchstellung und Haftende. 4. Verhältnismässigkeit: Die Haft ist verhältnismässig, da der Beschwerdeführer sich konsequent der Ausreise verweigert und mildere Massnahmen (z.B. Eingrenzung) aufgrund seiner Delinquenz und Missachtung früherer Auflagen als wirkungslos erachtet werden. 5. Gesundheitszustand: Der geltend gemachte psychische Zustand des Beschwerdeführers wurde vom Bundesgericht mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen der Vorinstanz nicht als Hinderungsgrund für die Haft oder den Vollzug anerkannt, wobei die Vollzugsbehörde verpflichtet bleibt, die Vollzugsfähigkeit laufend zu überprüfen. 6. Admissibilität: Trotz Entlassung aus der Haft war die Beschwerde wegen des Feststellungsantrags bezüglich einer EMRK-Verletzung zulässig.