Zusammenfassung von BGer-Urteil 2C_514/2023 vom 6. August 2025

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Im Urteil 2C_514/2023 vom 6. August 2025 befasste sich das Schweizerische Bundesgericht mit einer Beschwerde gegen tierschutzrechtliche Massnahmen, die aufgrund einer Kontrolle in einem landwirtschaftlichen Betrieb verhängt wurden. Der Beschwerdeführer focht die Massnahmen nicht direkt an, sondern rügte die Rechtswidrigkeit der zugrundeliegenden Kontrolle selbst wegen Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips und des rechtlichen Gehörs, was zur Ungültigkeit der gestützt darauf ergangenen Verfügung führen sollte.

1. Sachverhalt und Vorinstanzenverfahren

Der Beschwerdeführer, ein Landwirt, war bereits seit 2019 wiederholt Gegenstand von Kontrollen des Veterinärdienstes des Kantons Aargau. Diese Kontrollen deckten diverse Mängel in der Tierhaltung auf, darunter ungenügende Wasser- und Raufutterabgabe an Kälber, fehlende Ohrmarken, mangelhafte Klauenpflege und Diskrepanzen in der Tierverkehrsdatenbank. Trotz behördlicher Verfügungen und des unangefochtenen bzw. in Rechtskraft erwachsenen Ausgangs früherer Beschwerdeverfahren blieben die Mängel grösstenteils bestehen.

Anlässlich einer weiteren unangemeldeten Kontrolle am 9. Dezember 2021 stellte der Veterinärdienst erneut erhebliche Mängel fest. Daraufhin verfügte er am 18. Mai 2022 unter anderem die sofortige Umsetzung eines Klauensanierungskonzepts, die Markierung und Registrierung aller Rinder innert 14 Tagen, die Beseitigung von Verletzungsgefahren durch unzulässige Spaltenbreiten, das Anbieten von Nageobjekten für Kaninchen sowie die trockene Haltung der Liegeflächen für Kaninchen und Rinder. Die gegen diese Verfügung erhobenen Rechtsmittel des Beschwerdeführers blieben sowohl vor dem kantonalen Departement Gesundheit und Soziales als auch vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau ohne Erfolg.

2. Rügen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht

Vor dem Bundesgericht konzentrierte sich der Beschwerdeführer nicht mehr auf die einzelnen tierschutzrechtlichen Massnahmen, sondern auf die angebliche Rechtswidrigkeit der Kontrolle vom 9. Dezember 2021. Er machte geltend, diese Kontrolle sei unverhältnismässig gewesen und hätte daher nicht als Grundlage für die Verfügung dienen dürfen. Konkret rügte er: * Eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes (Art. 5 Abs. 2 BV) aufgrund der Dauer der Kontrolle (rund vier Stunden anstelle der angekündigten 60-90 Minuten), der Anzahl der anwesenden Personen (fünf Kontrolleure, dazu Polizei, Departementsvorsteher und Chauffeur, insgesamt elf Personen), und des Kontrollintervalls (1.5 Jahre nach der letzten Nachkontrolle anstatt der üblichen 3-6 Monate). Dies habe eine "Stresssituation" verursacht und seine Arbeit behindert. * Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) durch die Vorinstanz, da diese es unterlassen habe, sich detailliert mit seinen Rügen bezüglich der Verhältnismässigkeit der Kontrolle auseinanderzusetzen.

3. Erwägungen des Bundesgerichts

3.1. Zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)

Das Bundesgericht prüfte zunächst die formelle Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es hielt fest, dass die Begründungspflicht einer Behörde nicht erfordert, sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinanderzusetzen oder jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich zu widerlegen. Vielmehr genügt es, wenn die für den Entscheid wesentlichen Punkte genannt werden und der Betroffene die Tragweite des Entscheids erfassen kann.

Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht fest, dass die Vorinstanz die Rüge des Beschwerdeführers bezüglich der Verhältnismässigkeit der Kontrolle zwar nicht detailliert, aber doch inhaltlich behandelt hatte. Sie kam zum Schluss, dass die Art und Weise der Durchführung der Kontrolle (ausser in Bezug auf die Einstreu, die ohnehin mangelhaft war) für die Sachverhaltsermittlung und die Rechtmässigkeit der Massnahmen nicht entscheidrelevant sei. Diese Begründung habe dem Beschwerdeführer ermöglicht, den Entscheid anzufechten. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde somit verneint.

3.2. Zur materiellen Rüge der Verhältnismässigkeit der Kontrolle und der Unverwertbarkeit

Dies bildete den Kern der materiellen Prüfung. Das Bundesgericht legte zunächst die rechtlichen Grundlagen für tierschutzrechtliche Kontrollen dar: * Art. 39 TSchG ermächtigt die Vollzugsbehörden zum Zutritt zu Räumen, Einrichtungen, Fahrzeugen, Gegenständen und Tieren und verleiht ihnen die Eigenschaft von Organen der gerichtlichen Polizei. Richterliche Genehmigungen für den Zutritt zu Wohnräumen sind hierfür nicht erforderlich (Verweis auf Urteile 2C_479/2022 und 2C_578/2021). * Art. 213 ff. TSchV und die MNKPV konkretisieren die Kontrollbefugnisse. * Solche Kontrollen werden als faktisches Verwaltungshandeln bzw. Realakte qualifiziert (Verweis auf Urteile 2C_479/2022 und 2C_818/2021).

Anschliessend führte das Gericht den Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 BV, Art. 36 Abs. 3 BV) aus. Dieser verlangt, dass behördliche Massnahmen geeignet, erforderlich und zumutbar sind. Im Kontext von Veterinärkontrollen bedeutet dies eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Tierschutz und den Interessen des Tierhalters an der Wahrung seiner Grundrechte und Verfahrensgarantien.

Das Bundesgericht befasste sich sodann mit dem vom Beschwerdeführer sinngemäss geltend gemachten Grundsatz der Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel. Obwohl das kantonale Verwaltungsrecht hierzu keine explizite Bestimmung kennt, folgt aus dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Verfahrensgerechtigkeit und -fairness (Art. 29 Abs. 1 BV) ein solches grundsätzliches Verwertungsverbot. Dieses ist jedoch nicht absolut: Eine Güterabwägung ist vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Ermittlung der Wahrheit und dem Interesse der betroffenen Person (Verweis auf BGE 143 II 443, 139 II 95, etc.).

Anwendung auf den Fall: * Behördlicher Ermessensspielraum: Das Gericht stellte fest, dass TSchV und MNKPV keine detaillierten Vorgaben zu Dauer, Personaleinsatz oder Intervall von Nachkontrollen enthalten. Der kontrollierenden Behörde kommt in diesen Punkten ein Ermessensspielraum zu. * Rechtfertigung der Kontrollumstände: Der Veterinärdienst begründete die längere Dauer und das höhere Personalaufgebot unter anderem mit der ungenügenden Kooperation des Beschwerdeführers in der Vergangenheit ("renitentes Verhalten"), der Notwendigkeit der polizeilichen Präsenz, dem Bedürfnis, die Entwicklung aufgrund zahlreicher früherer Kritikpunkte umfassend zu überprüfen, und dem Abwarten des Ausgangs früherer Beschwerdeverfahren. * Fehlende Auswirkungen auf Beweiserhebung: Selbst wenn die Kontrolle mit weniger Personal oder in kürzerer Zeit hätte durchgeführt werden können, würde dies nach Ansicht des Bundesgerichts nicht zur generellen Rechtswidrigkeit der Kontrolle als solcher oder zur Fehlerhaftigkeit der darauf basierenden Verfügung führen. Entscheidend war, dass der Beschwerdeführer nicht darlegen konnte, inwiefern die Dauer oder die Anzahl der anwesenden Personen seine Verfahrens- und Mitwirkungsrechte beschränkt oder die Sachverhaltserstellung (zu seinen Ungunsten) beeinflusst hätte. Die unangekündigte Kontrolle als solche war gemäss Art. 39 TSchG zulässig. * Keine rechtswidrig erlangten Beweise: Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Nachteile wie Stress und Arbeitseinschränkung standen nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Beweiserhebung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beweise aufgrund der gerügten Umstände der Kontrolle rechtswidrig erlangt wurden und deshalb unverwertbar wären.

4. Fazit

Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigte, dass die tierschutzrechtlichen Massnahmen rechtmässig waren, da die gerügten Umstände der Kontrolle nicht zu einer Ungültigkeit der Beweiserhebung oder der gestützt darauf erlassenen Verfügung führten.

Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

  1. Rechtliches Gehör: Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist gewahrt, wenn die Behörde die wesentlichen Parteivorbringen inhaltlich behandelt und ihren Entscheid ausreichend begründet, auch wenn sie nicht auf jedes Detail eingeht.
  2. Kontrollbefugnisse: Tierschutzrechtliche Kontrollen sind als faktisches Verwaltungshandeln (Realakte) zulässig und basieren auf Art. 39 TSchG sowie TSchV/MNKPV. Die Behörden verfügen über einen Ermessensspielraum bei der konkreten Durchführung (Dauer, Personal, Intervall).
  3. Verhältnismässigkeit: Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verlangt, dass behördliche Eingriffe geeignet, erforderlich und zumutbar sind und eine Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen erfolgt.
  4. Unverwertbarkeit von Beweisen: Ein aus Art. 29 Abs. 1 BV (Verfahrensgerechtigkeit) abgeleitetes Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Beweise ist nicht absolut. Es erfordert eine Güterabwägung und greift nur, wenn die Art der Beweiserhebung die Sachverhaltsfeststellung oder die Verfahrensrechte entscheidend beeinträchtigt hat.
  5. Entscheid im konkreten Fall: Die vom Beschwerdeführer gerügten Umstände der Kontrolle (Dauer, Anzahl Personen, Kontrollintervall) wurden nicht als derart unverhältnismässig befunden, dass sie die Rechtmässigkeit der Kontrolle als solcher in Frage stellen oder die darauf basierenden Beweise unverwertbar machen würden. Es wurde kein Einfluss auf die korrekte Sachverhaltsermittlung oder die Verfahrensrechte des Beschwerdeführers festgestellt.